Rede von
Dr.
Wilhelm
Nöbel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Änderung des Bundesvertriebenengesetzes ist unerläßlich. Sie beseitigt Ungleichbehandlungen, die jeder Logik entbehren und völlig unverständlich sind. Es darf einfach nicht sein, daß gesetzesgemäß Personengruppen gegeneinander ausgespielt werden können, denen es ohnehin nicht leicht gemacht wird. Sie alle gehören in gleicher Weise in die Obhut unseres Staates.
Ist es nicht absurd, daß ein Übersiedler aus der DDR, der dort als Selbständiger tätig war, der keine Sprachförderung braucht, kein Arbeitslosengeld, nicht einmal Arbeitslosenhilfe erhält, sondern Sozialhilfe in Anspruch nehmen muß, daß ebenso der, der aus Polen kommt, auch selbständig war, auch sein Deutschtum und die deutsche Sprache bewahrt hat, daher auch keiner Sprachförderung bedarf, weil er selbständig war, Sozialhilfe beantragen muß, während der Dritte dagegen, der auch aus Polen kommt, der nur polnisch spricht und deshalb Sprachförderung erhält, ein Jahr Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt bekommt, damit er nicht der Sozialhilfe anheimfällt? Fehlt nur noch, meine Damen und Herren, daß einer feststellt, je „deutscher" ein Neubürger ist, je schlechter wird er — ich füge hinzu: leistungsmäßig — behandelt, oder daß es andererseits heißen kann, er hat es ja doch schwerer als die beiden anderen. Diese Deuteleien werden jetzt unmöglich gemacht.
Ferner sollen Übersiedler, die in der DDR aus politischen Gründen, die nach freiheitlich-demokratischer Auffassung nicht vertretbar sind, keine Beschäftigung ausüben durften, ab 1. Januar 1986 versicherungsrechtlich Zeiten angerechnet bekommen, um wie beitragspflichtige Beschäftigte nach dem Arbeitsförderungsgesetz Anspruch auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zu haben. Die gleichen möglichen Ansprüche sollen auch Spätaussiedlern eingeräumt werden.
Weiter: Bisher erhielten bereits nach dem Häftlingshilfegesetz ehemalige politische Häftlinge Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe in entsprechender Anwendung der für die Heimkehrer geltenden Rechtslage. Nunmehr soll für DDR-Übersiedler auch ohne C-Ausweis, die aus den gleichen Gründen ohne Ansprüche in der Bundesrepublik sind, diese Lücke geschlossen werden.
Der Innenausschuß billigte mehrheitlich den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Gesetzentwurf — es handelt sich hierbei nicht um eine Negativkoalition, sage ich hier einmal —, brachte jedoch in seiner Beschlußempfehlung an den Deutschen Bundestag eine Ergänzung ein, die auch vom mitberatenden Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfohlen worden war. Danach sollen mögliche Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe entsprechend dem Arbeitsförderungsgesetz auch die ehemals Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen erhalten. Meine Damen und Herren, dies ist ganz im sozialdemokratischen Sinne.