Herr Kollege Scheer, mich erstaunt auch hier die geringe Seriosität dieser Frage; denn gerade vorher hat Kollege Möllemann darauf hingewiesen, daß diese Steigerung der Rüstungsausgaben weiß Gott nicht in der Bundesrepublik Deutschland und nicht etwa im freien Westen zu verzeichnen ist. Warum also halten Sie uns dies vor?
Nein, meine Damen und Herren, Rüstungskontrolle, von der ich sprechen möchte, ist damit Teil einer Politik, die auf Überwindung der Spannungsursachen mit dem Ziel einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung auf der Grundlage von Sicherheitsgarantien gerichtet ist. Rüstungskontrolle soll daher — und jetzt spreche ich von dem möglichen Weg — Rüstungsprozesse begrenzen. Es wird auch in Zukunft so sein, Kollege Voigt, daß wir in einem Zustand des Friedens bei fortgesetzter Rüstung und Rüstungsmodernisierung leben wollen und leben müssen. Es kommt also dann darauf an, daß man diese Rüstungsmodernisierung, diese Rüstungsprozesse begrenzt und gleichzeitig Modernisierungen und natürlich auch Verträge auch etwa dazu nutzt, bestehende Waffenpotentiale zu verringern, und schließlich, bei solchen Modernisierungsmaßnahmen darauf zu achten, daß an ihrem Ende weniger destabilisierende, sondern stabilisierende Systeme aufgebaut werden. Letztlich müssen wir dafür sorgen, daß dies alles auch noch so geschieht, daß Fehleinschätzungen nicht möglich sind. Hier berühren wir die Grenze zu dem, was wir vertrauensbildende Maßnahmen nennen.
Übrigens, meine sehr geehrten Damen und Herren: das alles wird keinen Erfolg haben, wenn nicht die strikte Einhaltung des Gewaltverzichtes der UN-Charta durch alle Staaten, die an dieser Rüstungskontrolle, an diesem Prozeß, teilnehmen, gewährleistet ist. Leider — und auch da braucht man j a nur einen Blick über den Zaun zu werfen — entspricht die Wirklichkeit noch nicht diesem hehren Prinzip. Deshalb müssen Transparenz und ausreichende Verifikation die Rüstungskontrolle erleichtern; sonst wird es sie nicht geben.
Ich möchte nun, wenn Sie gestatten, im letzten Teil meiner Ausführungen kurz auf die Anträge zu sprechen kommen, über die wir heute abzustimmen haben. Mit einem Satz nur zum Antrag der GRÜNEN: Was Sie hier vom Deutschen Bundestag verlangen, was er letztlich beschließen soll, um die Regierung in Pflicht zu nehmen, ist der Bruch bestehender Verträge. Wenn wir Ihrem Antrag stattgäben, würden wir damit in einem wesentlichen Punkt dem Deutschland-Vertrag und dem diesem Deutschland-Vertrag anhängenden Truppenstatut die Grundlage entziehen. Meine Damen und Herren, der Deutschland-Vertrag ist unsere Entrée in das gewesen, was wir westliche Sicherheitszone nennen. Der Deutschland-Vertrag legt alle unsere westlichen Partner z. B. auch auf unser höchstrangiges Ziel deutscher Politik — die Wiedervereinigung — fest. Wollen Sie im Ernst, daß wir dies aufkündigen? Wir werden diesem Antrag nicht entsprechen.
Einige wenige Bemerkungen zum Antrag der SPD. Herr Verheugen hat ihn in großen Teilen referiert. Sie fordern in einem Beitrag den beiderseitigen Stopp weiterer Stationierungen von atomaren Mittel- und Kurzstreckenraketen jetzt, also ein Moratorium. Herr Verheugen, mit anderen Worten: dieses Moratorium, das Sie jetzt verlangen, würde bedeuten, daß wir allein nachgerüstet hätten, würde — tendentiell jedenfalls — jene Singularisierung der Nachrüstung bedeuten, die Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher damals aus gutem Grund nicht gewollt haben. Wir können dem nicht zustimmen.
Im weiteren Teil sprechen Sie dann den Vorschlag des früheren kanadischen Ministerpräsidenten an, die fünf Atommächte jetzt zu einer Konferenz einzuladen. Vermutlich gehört das zu dem Teil, von dem Sie sagten, daß er ein bißchen überholt sei; aber gleichzeitig haben Sie die Bedeutung einer solchen Konferenz unterstrichen. Glauben Sie im
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Oktober 1985 12099
Berger
Ernst, daß dabei mehr herauskommen könnte als etwa bei dem, was sich in Genf so hoffnungsvoll abzeichnet? Glauben Sie das im Ernst, oder könnte das nicht umgekehrt den Genfer Prozeß behindern?
Schließlich fordern Sie eine Konferenz der NichtAtomwaffen-Staaten — unter deutscher Führung sozusagen —, als müßten wir deren Opposition gegen die Kernwaffenstaaten anführen. Meine Damen und Herren, es ist abenteuerlich, wenn Sie überlegen, daß wir eine solche Alternativkonferenz gegen unsere Bündnispartner Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika einberufen wollten.
Als letztes — auch das möchte ich kurz argumentativ aufgreifen —, fordern Sie, daß unverzüglich die Entwicklung und Erprobung von Hochenergiestrahlenwaffen oder Antisatellitenwaffen eingestellt werden und daß ein Vertrag über das Verbot solcher Antisatellitenwaffen mit der Sowjetunion angestrebt wird.