Rede von
Dr.
Olaf
Feldmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Anträge, die wir heute debattieren, sind schon etwas älteren Datums, einige aus 1984, einer von 1983. Aber das muß ja nicht heißen, daß ein Blick zurück nicht weiterhelfen kann.
Herr Kollege Voigt, Sie haben eben etwas übertrieben. Ich kann Sie beruhigen, diese Regierung ist abrüstungspolitisch sehr aktiv, und diese Regierung ist auch erfolgreich.
Ihr Antrag, die Abrüstungsinitiative aus vier Kontinenten zu unterstützen, verweist zu Recht auf den Nichtweiterverbreitungsvertrag und die sich aus ihm ergebende Verpflichtung zu umfassender Abrüstung. Dies betrifft vor allem die Atomwaffenmächte. Die Enttäuschung, daß diese Verpflichtung bis heute nicht einmal im Ansatz verwirklicht wurde, rechtfertigt meines Erachtens Initiativen wie diese. Solche Vorstöße, vor allem, wenn sie von Blockfreien kommen, dienen dem Abrüstungsdialog. Ich sage bewußt „Abrüstungsdialog"; denn die Zukunft der Abrüstung und die weltweite Sicherheit sind doch wohl weitgehend abhängig von den Beziehungen der beiden Militärblöcke zueinander und von den sie tragenden Supermächten USA und Sowjetunion. Dies sind die Realitäten, und in diesem Rahmen haben auch wir nur unsere Handlungsmöglichkeiten.
Die Koalitionsfraktionen haben deshalb vorgeschlagen, zu beschließen — ich zitiere —,
daß eine verläßlich nachprüfbare ausgewogene Rüstungsverminderung nur möglich ist als integraler Bestandteil eines stabilen und konstruktiven Ost-West-Verhältnisses, das aufbaut auf der Achtung und Unabhängigkeit, der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechtes, auf gegenseitige Respektierung der legitimen Sicherheitsinteressen aller Staaten sowie auf dem Grundsatz, bei der Verfolgung außenpolitischer Ziele Mäßigung zu zeigen, insbesondere keine Gewalt anzuwenden oder anzudrohen und gegenseitig auf ein Streben nach militärischer Überlegenheit zu verzichten.
Dieser Feststellung müßten eigentlich auch Sie von der Opposition zustimmen können. Es ist doch so, daß wir deutsche Interessen wirkungsvoll nur im Rahmen und mit Unterstützung unserer Bündnispartner vertreten können. Innerhalb der Allianz sind unsere Bemühungen deshalb darauf gerichtet, deutschen Interessen mit Nachdruck Geltung zu verschaffen.
Ein Erfolg dieser Politik war der Harmel-Bericht, der auch heute noch unverändert Gültigkeit besitzt. Ich erinnere auch an das von den Außenministern der USA und der Sowjetunion vereinbarte Ziel, für die Genfer Verhandlungen ein Wettrüsten im All zu verhindern und auf der Erde zu beenden. Diese Formel ist auch ein Ergebnis der Bemühungen unseres Außenministers. Hans-Dietrich Genscher hat maßgeblichen Anteil an der geschlossenen Haltung der europäischen Bündnispartner bei der NATO-Ratstagung in Lissabon, die dazu beigetragen hat, daß die USA auch künftig die SALT-Vereinbarungen respektieren.
Es ist Ziel liberaler Außenpolitik, vom Nichtkrieg durch Abschreckung auf einen Zustand des Friedens durch Vertrauen hinzuwirken. Dazu gehören natürlich zwei und guter Wille auf beiden Seiten. Gutnachbarschaftliche Verhältnisse sind aber keine Frage der Technologie.
Die SPD hat gestern einen weiteren Antrag eingebracht, der auf ihren vorhergehenden Gesprächen mit der SED beruht. Sie haben ihn heute, Herr Kollege Voigt, begründet. Zweifellos haben beide deutsche Staaten ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen und Militärblöcken eine besondere Verantwortung für die Sicherung des Friedens in Europa. Innerhalb ihrer Bündnisse können sie besonders engagiert für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung eintreten. Die Pflege der deutsch-deutschen
Dr. Feldmann
Beziehungen ist auch für uns ein friedenspolitisches Gebot.
Aber, Herr Kollege Voigt, ich habe erhebliche Zweifel, ob es wirklich Aufgabe der Opposition im Deutschen Bundestag ist, Gespräche mit der Staatspartei der DDR zu führen, die Verhandlungscharakter haben. Auch diese Bundesregierung hat bei den Bemühungen um Abschaffung aller chemischen Waffen eine Vorreiterrolle. Diese Bundesregierung, Herr Kollege Voigt, ist auch bei der Abschaffung chemischer Waffen beispielhaft aktiv.
Ich erinnere an unsere Vorschläge, die wir bei den Genfer C-Waffen-Verhandlungen eingebracht haben, beispielsweise zur Verifizierung und zur Vernichtung von C-Waffen.
In Genf verhandeln Regierungen. Da muß man fragen, warum jetzt neue, ausschließlich regionale Verhandlungen über eine C-Waffen-freie Zone in Mitteleuropa begonnen werden sollen, wo doch in Genf über ein besseres — da werden Sie mir doch zustimmen —, nämlich weltweit verbindliches Verbot verhandelt wird. Man muß auch fragen, warum die Sowjetunion bei den globalen C-Waffen-Verhandlungen kaum Bewegung zeigt, andererseits aber separate Verhandlungen der CSSR und der DDR mit der Bundesrepublik propagiert.
Die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, daß eine C-Waffen-freie Zone in Europa keine Alternative zu einem weltweiten Abkommen sein kann. Aus ihrer Sicht spricht gegen regionale Verhandlungen, daß die USA ihre C-Waffen ersatzlos aus Europa abziehen müßten, während die Sowjetunion ihre chemischen Kampfstoffe in Reichweite behalten würde, und daß es sich hier um eine Bündnisangelegenheit handelt. Isolierte Verhandlungen der Bundesrepublik mit zwei Staaten des Warschauer Paktes sind daher schwer vorstellbar.
Wir wollen das Bündnis nicht spalten. Wir werden die westliche Verhandlungsposition in Genf nicht schwächen. Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie Ihren Entwurf zur Abstimmung stellen, wird die Koalition Ihnen aus den obengenannten Gründen mit der Mehrheit nicht folgen können und Ihren Antrag zurückweisen müssen, und das, obwohl wir bei C-Waffen doch eigentlich einen sehr breiten Konsens in diesem Hause haben. Ich bedaure das.
Der amerikanische Präsident hat in diesem Jahr erneut Mittel für die Wiederaufnahme der Produktion binärer chemischer Waffen beantragt. Fred Ikle, Staatssekretär im Pentagon, hat einer Delegation des Verteidigungsausschusses vor 14 Tagen erklärt, daß ihn der deutsche Wunsch, keine eventuell zu produzierenden binären Waffen in der Bundesrepublik zu stationieren, nicht überrasche. Wörtlich: „Wir wissen, daß eine Vorverlegung von Ihnen nicht gewollt ist". Ich bin überzeugt: Ohne den ausdrücklichen deutschen Willen werden die USA keine neuen chemischen Waffen in der Bundesrepublik stationieren.
Ein Abzug der zur Zeit hier lagernden amerikanischen C-Waffen soll aber erst dann erfolgen, wenn die eventuell neu zu produzierenden C-Waffen in den USA bereitgestellt sind. Man muß doch anerkennen, daß die USA die C-Waffenproduktion seit 16 Jahren einseitig eingestellt haben. Die Sowjetunion hat dieses amerikanische Moratorium nicht honoriert, sondern weiter C-Waffen produziert. Diese Haltung der Sowjetunion ist enttäuschend. Die Sowjetunion ist bis heute nicht zum Abschluß eines überprüfbaren C-Waffen-Abkommens bereit. Hätte sie in den 16 Jahren des amerikanischen Moratoriums mehr Kompromißbereitschaft und Zurückhaltung gezeigt, würde heute niemand in den USA die Produktion neuer chemischer binärer Waffen fordern.
Die Anträge der Fraktion der GRÜNEN sind mir daher zu einseitig und tragen leider nicht zur Lösung der C-Waffen-Problematik bei. Wir werden sie deshalb ablehnen.
Zum Schluß noch ein Wort zu SDI. Hier läuft nun nichts davon, hier brennt auch nichts an. Wenn westdeutsche Firmen sich am Wettlauf um amerikanische Aufträge beteiligen wollen — die Bundesrepublik hat keine Möglichkeit, sie am Vertragsabschluß mit amerikanischen Firmen zu hindern.
Ob, wann und in welcher Form wir unsere amerikanischen Freunde und Bündnispartner politisch unterstützen — und das ist doch die entscheidende Frage
— Herr Kollege, da werden Sie mir doch sicher zustimmen —, muß hier von uns entschieden werden. Dies ist nicht Aufgabe von Beamten.
Wir, die gewählten Parlamentarier, haben diese Entscheidung politisch zu verantworten. Alle Fraktionen dieses Parlaments haben deshalb
die Durchführung von Anhörungen zu SDI beschlossen und Termine festgelegt. Weiter bleibt abzuwarten das Treffen des Bundeskanzlers mit Präsident Reagan und vor allem das Treffen zwischen Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow. Wenn es um Fragen der Strategie geht, ist das Bündnis als Ganzes gefragt. Wir sind uns doch einig, daß es beim Beschluß des Sicherheitsrates bleiben muß und zu SDI eine möglichst geschlossene Haltung aller Bündnispartner erforderlich ist.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
12084 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Oktober 1985