Rede von
Wilfried
Bohlsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenarbeit im Bereich von Ems und Dollart hat zum Ziel, daß der Hafen Emden ausgebaut wird, die deutsch-niederländische wirtschaftliche Zusammenarbeit verstärkt und eine harmonische Wirtschaftsentwicklung gefördert wird sowie gleichermaßen die Belange des Umwelt- und Naturschutzes im Vertragsgebiet berücksichtigt werden. Diese Ziele, meine Damen und Herren, werden durch den Kooperationsvertrag Ems-Dollart erreicht.
Ein weiter Weg mußte gegangen werden bis zur heutigen Behandlung im Bundestag; denn bereits 1963 gab es eine erste Verkündung des Ems-DollartVertrages. Im Jahre 1966 begann die Bundesanstalt für Wasserbau in Hamburg-Rissen mit Modelluntersuchungen für eine Verbesserung des Emsfahrwassers, und im Jahre 1972 gab es eine erste Projektstudie zum Bau des Dollart-Hafens. 1976 erfolgte die erste Vorlage der Nutzen-Kosten-Untersuchung für die Verbesserung der seewärtigen Zufahrt und den Ausbau des Emder Hafens.
Die deutsch-niederländische Ems-Kommission gab im Jahre 1977 eine Empfehlung zum Bau des Dollart-Hafens. Im gleichen Jahre einigten sich das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik über den Bau und die Finanzierung des Projektes, und es erfolgte die erste Note der Bundesregierung an die niederländische Reichsregierung.
1978, meine Damen und Herren, begannen deutsch-niederländische Verhandlungen über das Dollartprojekt, und im Jahre 1984 wurde der EmsDollart-Kooperationsvertrag paraphiert. Am 10. September letzten Jahres kam es — von der ostfriesischen Region und der Seehafenstadt Emden sehr begrüßt — zur Unterzeichnung des Ems-Dollart-Kooperationsvertrages zwischen den Außenministern beider Staaten und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, möchte ich der Verhandlungsdelegation des Auswärtigen Amtes, aber insbesondere der niedersächsischen Landesregierung danken für den großen Einsatz, mit der diese Verhandlungen geführt wurden.
Es ist dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Ernst Albrecht durch sein intensives Engagement immer wieder gelungen, die ins Stocken geratenen Verhandlungen voranzutreiben. Dr. Ernst Albrecht hat der ostfriesischen Region und damit meinem heimatlichen Bereich mit seinem Einsatz in einem besonderen Maße gedient. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, recht herzlich danken.
Nachdem ich soeben einen Abriß der 25 Jahre währenden Entwicklungsgeschichte des Ems-Dollart-Kooperationsvertrages gegeben habe, erlaube ich mir, an dieser Stelle auf die meines Erachtens mustergültige Einarbeitung des Umweltschutzgedankens in das vorliegende Vertragswerk einzugehen.
Denn bereits in der frühen Vorbereitungsphase war man sich bewußt, daß die geplanten Baumaßnahmen einen Eingriff in die Ökologie des Ems-DollartGebietes darstellen. 1976 wurde von den verantwortlichen Planern ein landespflegerisches Gutachten zur Emsumleitung durch den Dollart in Auftrag gegeben, um die Verträglichkeit der geplanten Baumaßnahmen mit dem vorhandenen Ökosystem zu prüfen. An der Erarbeitung und der Stellungnahme waren zahlreiche fachkundige Privatpersonen und Vereinigungen sowie Behörden und Dienststellen des Bundes und des Landes beteiligt. Nach umfangreichen Untersuchungen stellten sie zusammenfassend fest, daß durch die geplanten Baumaßnahmen zwar eine Beeinträchtigung der Ökologie im Dollart eintreten würde, daß diese Beeinträchtigungen aber durch flankierende Maßnahmen wie die Einschränkung der derzeitigen Nutzung und die Ausweisung als „Naturschutzgebiet" auf ein vertretbares Maß abgemindert werden könnten.
Dieses Ergebnis wird dem Grunde nach durch die im Rahmen der deutsch-niederländischen Verhandlungen sowohl von deutscher als auch von niederländischer Seite erarbeiteten weiteren Gutachten und Stellungnahmen zur Ökologie bestätigt. Das aktuellste und gemeinsam vom niedersächsischen Wirtschaftsminister und dem Bundesinnenminister Anfang 1985 in Auftrag gegebene Gutachten resümiert, daß sich die ökologischen Vor- und Nachteile des Projektes weitgehend ausgleichen. Die Ansiedlung zusätzlicher Industrie falle angesichts der zu erwartenden strengeren Umweltschutzauflagen als Störfaktor nur geringfügig ins Gewicht. Ein neues Bett der Ems würde die Sand- und Schlickmengen, die gegenwärtig zur Pflege des Fahrwassers ausgebaggert werden müssen, erheblich verringern, was
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Oktober 1985 12067
Bohlsen
zusätzlich den positiven Effekt hätte, daß die im Interesse der Umweltschonung unerwünschten Flächen für die Ablagerung des Baggergutes abnähmen.
Es ist also festzustellen, meine Damen und Herren, daß der Bau des Dollarthafens nach heutigen Erkenntnissen kaum negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Gleichwohl wird in der Präambel des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande einleitend festgestellt, daß die Umwelt im Vertragsgebiet zu schützen und das Ems-Dollart-Ästuar als Naturgebiet zu erhalten ist. Im einzelnen verpflichten sich die Vertragspartner, im Dollart ein grenzüberschreitendes Naturschutzgebiet auszuweisen und eine gemeinsame Beratungskommission einzusetzen, um ein einheitliches Umwelt- und Naturschutzkonzept zu gewährleisten.