Rede von
Marita
Wagner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir GRÜNEN lehnen die Bundesstiftung gerade im Zusammenhang mit der grundsätzlich familienpolitischen Orientierung dieser Wenderegierung entschieden ab,
und wir werden dies auch mit unserem Stimmverhalten dokumentieren.
Der durchschnittlich verteilte einmalige Betrag je Frau von 5 000 DM ist schlicht und einfach eine Gebärprämie, als sei die Entscheidung, ein Kind auf die Welt zu bringen, eine rein finanzielle Frage, als seien die Probleme der Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben und in der Familie auf einen einmaligen Zahlbetrag zu reduzieren.
Natürlich geht es auch um die finanzielle Absicherung von Frauen, aber vor allem der alleinerziehenden Frauen, die bereits heute aus dieser Gesellschaft ausgegrenzt werden, weil sie auf die Sozialhilfe angewiesen sind, die vorne und hinten nicht reicht.
Es geht aber um mehr, nämlich um die Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Berufsausbildung und Qualifikation. Schlicht und einfach geht es um die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen dieser Gesellschaft.
Von all dem ist in dem sogenannten familienpolitischen Konzept der Wenderegierung nichts mehr zu hören. Statt dessen lobt Herr Geißler diese Bundesstiftung wegen ihres unbürokratischen Handelns. Gemeint hat er dabei wohl eher die Willkür, mit der über die Notlage der Frau entschieden wird, welche noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf diese Stiftungsmittel hat.
Nichts zu hören ist des weiteren von Herrn Geißler oder seiner neu ernannten Nachfolgerin, wie sie sich die Teilung von Beruf und Familie, wie es so schön heißt, zwischen Männern und Frauen vorstellen. Angesichts eines Betrages von 600 DM für die Übernahme der gesellschaftlichen Arbeit der
Kinderbetreuung und im Durchschnitt erheblich niedrigerer Einkommen der Frauen im Erwerbsbereich ist es doch geradezu vorprogrammiert, daß es die Frauen sind, die die Kinderbetreuung übernehmen und obendrein in ungeschützten Arbeitsverhältnissen oder schlecht bezahlten Teilzeitarbeitsplätzen stecken: Zunahme der Doppelbelastung der Frauen durch Erwerbs- und Familienarbeit, Ausweitung von Teilzeitarbeitsplätzen für die Frauen, vermixt mit einem lächerlichen Betrag für die Kindererziehung und die Degradierung der schwangeren schlechter gestellten Frauen zu Bittstellerinnen durch das Zurverfügungstellen von Stiftungsgeldern ohne Rechtsanspruch.
Dies, meine Damen und Herren, ist die neue Familienpolitik der Wenderegierung, von Kürzungen beim Kindergeld, beim Mutterschaftsgeld und einigem mehr mal ganz abgesehen. Statt der von uns geforderten Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen des Lebens wird die traditionelle Mutterrolle und Zuverdienerfunktion der Frau fleißig ausgebaut.
Wir von den GRÜNEN fordern ein familienpolitisches Konzept, welches den Namen wirklich verdient.
Wir fordern die Zahlung eines ausreichenden Kinderbetreuungsbetrages, welcher mit dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen vergleichbar ist, gesetzliche Arbeitszeitverkürzungen für alle Erwerbstätigen und insbesondere der Eltern, nicht nur der ehelich verbrieften Eltern, bei Lohnausgleich und Arbeitsplatzgarantie sowie die Zahlung eines ausreichenden Kindergeldes.
Danke schön.