Rede von
Dr.
Hanna
Neumeister
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der deutsche Bürger kann sich auf die Bundesregierung verlassen.
Bereits seit 1971 — das wissen Sie — sind die MAK-Werte für den Arbeitsplatz festgelegt, die Grenzwerte für die Wohnräume sind seit 1977 da, und da auf Grund von Tierversuchen mit weit höheren Konzentrationen ein krebserregendes Potential auch für den Menschen vermutet wurde, wurde Formaldehyd 1980 in die entsprechende Gefahrenklasse III b eingestuft. Es ist also niemals geleugnet worden, daß ein krebserregendes Potential vorhanden ist.
Davon abzugrenzen ist aber, daß ein Risiko für den Bürger normalerweise praktisch nicht gegeben ist, weil er derartig hohen Konzentrationen des Formaldehyd, wie sie für eine Krebserzeugung notwendig wären, nicht ausgesetzt ist. Meine Damen und Herren, hier gilt genauso wie schon immer das Wort des Paracelsus, daß die Menge die Giftigkeit eines Stoffes ausmacht. Die Konzentration macht es aus, und deswegen kommt es bei allen Maßnahmen, die wir uns vornehmen müssen, auf die Minimierung der Anwendung von Formaldehyd an.
Wenn nun aber ein Gremium der EG größere Gefahren wittert, dann halte ich es einfach für verfrüht und überzogen, wenn in der Presse die Meldung erscheint, Formaldehyd sei als eindeutig krebserzeugend einzustufen. Dann sollte man sich vorher einmal einen guten Übersetzer kommen lassen und sich die tatsächliche Formulierung der EG ansehen, wo eindeutig steht, daß beim Menschen die Krebsentstehung von Formaldehyd beeinflußt werden könnte. Meine Damen und Herren, da steht immer nur: könnte; es steht nirgendwo: kann.
— Ganz sicherlich; wir wollen ja auch weiter vorbeugen. Das ist nach wie vor das Bemühen der Bundesregierung und unserer Fraktion. Aber ich meine schon, diese neue Situation, die durch diese Abstimmung in der EG entstanden ist und die Sie ja nun auch gleich — schneller ging es eigentlich gar nicht
— nutzen, müßte erst einmal auf Grund eventuell vorliegender neuer Beweismittel nachgeprüft werden. Wo bleibt da bei uns das Vertrauen in die eigenen Institutionen, die doch noch vor knapp einem Jahr von der Richtigkeit einer milderen Einstufung überzeugt waren, aber auch um härtere Maßnahmen in der EG gekämpft haben?
Lassen Sie mich hier etwas anderes anschließen: Sollte man sich darüber hinaus nicht fragen, ob es überhaupt das richtige Verfahren ist, zentral durch ein Gremium mit sicherlich unterschiedlichem wissenschaftlichem Background über die Sicherheit unterschiedlicher Länder entscheiden zu lassen, während die Verantwortung für die Sicherheit dann wieder dezentralisiert jeweils national übernommen werden muß? Wissenschaftliche Ergebnisse, meine Damen und Herren, kann man meines Erachtens nicht durch demokratische Abstimmung erzielen, so sehr wir auf dem Boden der Demokratie stehen. Hier bedarf es einer intensiveren Zusammenarbeit wissenschaftlicher Fachgremien, bei denen sich die Qualität der Forschungsergebnisse und das Fachwissen der Beteiligten durchsetzen
und nicht ein Zufallsergebnis 6 : 4 oder 6 : 3 auf Grund abgegebener Stimmen, ganz gleich, woher sie kommen.
Es ist aber heute üblich — und gerade Sie, meine Damen und Herren aus der Fraktion DIE GRÜNEN, nutzen ja jede Gelegenheit dazu —, Ängste zu wecken,
alte Risiken, die längst bekannt sind, wieder aufzupolieren und neue Risiken in die Welt zu setzen und sie sorgfältig zu pflegen,
damit der Bürger nicht etwa zur Ruhe kommen und Vertrauen gegenüber denjenigen entwickeln kann, die ihm Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und vor allem Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Sie wollen Vertrauen zerstören und Ängste erzeugen.
Was Sie hier unternehmen, meine Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der GRÜNEN, das hat mit parlamentarischer Kontrolle, die notwendig ist, oder mit der Sorgfaltspflicht des Parlamentariers nichts mehr zu tun.
Statt wissenschaftlicher Forschung gilt bei Ihnen immer nur das Wort des „Spiegel".