Rede von
Dr.
Norbert
Lammert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Genau darauf wollte ich gerade eingehen, aber Sie werden mir doch sicher darin zustimmen, Frau Matthäus-Maier, daß bei einem Satz, der zum Ausdruck bringt, daß es in Zusammenarbeit zwischen Schuldner- und Gläubigerländern, Zentralbanken, Geschäftsbanken und internationalen Organisationen gelungen sei, die Gefahren zu entschärfen und zu Vereinbarungen zu kommen, bei einem Satz, den Sie ansonsten akzeptiert haben, der Änderungsantrag, das Wort „eindrucksvoll" zu streichen, keine substantielle Veränderung des hier niedergelegten Sachverhalts darstellt.
— Nein, meine Damen und Herren, ich sage jetzt in Stichworten etwas zu den Punkten, an denen wir möglicherweise Meinungsverschiedenheiten haben, allerdings nach meinem Eindruck in der Sache immer noch sehr viel weniger, als der Eindruck, den man in dieser Debatte gelegentlich haben konnte, vermittelt:
Erstens. Die Schuldenkrise ist nach wie vor in der Tat nicht gelöst. Ich kenne auch niemanden, der von diesem Sachverhalt auch nur ein wenig versteht, der ernsthaft behaupten würde, sie sei gelöst.
Das Gefährlichste ist vielleicht im Augenblick überhaupt der Eindruck, sie sei gelöst, und die voreilige Beruhigung durch eine Reihe von sozusagen statistischen Verbesserungen.
Zweitens: Könnte durch eine internationale Schuldenkonferenz dieses Problem sozusagen ernsthaft einer definitiven Lösung zugeführt werden? Unsere Überzeugung ist die, daß dies kein geeigneter Schritt zu einer solchen Lösung wäre, weil die erkennbare Lücke zwischen dem, was an Erwartungen in eine solche Konferenz investiert wird, und dem, was realistischerweise dabei herauskommen kann, und die höchst unterschiedliche Situation in den verschiedenen Ländern sowohl auf der Gläubiger- wie auf der Schuldnerseite eben jede beliebige Art von Globallösung verbietet. Da, wo die Kritik an IWF berechtigt ist — ich habe selber eine ganze Menge an kritischen Punkten vorzutragen —, ist sie gerade deswegen berechtigt, weil seine Strategien im Regelfall zu global und keineswegs zu spezifisch sind. Also sollten wir nicht mit dem Vorschlag einer internationalen Schuldenkonferenz genau die Art fehlerhafter Denkperspektive jetzt wieder in den Lösungsprozeß einführen, die wir an anderer Stelle zu Recht kritisieren.
Drittes Stichwort: Welche Rolle kann und muß überhaupt in diesem Zusammenhang der IWF spielen? Frage 1: Geht es ohne IWF? Zweitens: Sind die Auflagen oder die Vereinbarungen des IWF wirklich in allen Fällen wirtschafts- und entwicklungspolitisch hilfreich gewesen? Ich denke, man muß die erste Frage mit Ja und die zweite mit Nein beantworten. Es geht kaum ohne Einschaltung des IWF aus einer ganzen Reihe von Gründen, die uns allen, glaube ich, auch geläufig sind. Aber daraus folgt eben keineswegs, daß die Auflagen, die Vereinbarungen, die über den IWF erreicht worden sind, auch wirklich konstruktive Beiträge zur Verbesserung der Situation in den Ländern waren. Ich denke, daß auch darüber Übereinstimmung besteht und daß wir darüber keine langen Kämpfe herbeizuführen brauchen.
Viertens: Gibt es eine Alternative zu dem notwendigen Anpassungsprozeß in den betreffenden Volkswirtschaften? Es gibt keine. Es gibt keinen Weg, an der Anpassung vorbeizukommen, die sich durch das Mißverhältnis zwischen Erwartung und tatsächlicher volkswirtschaftlicher Lage ergeben hat. Das räumen ja interessanterweise insbesondere die demokratisch gewählten und legitimierten Staatspräsidenten Lateinamerikas ein, nicht zuletzt — ich kann das jetzt aus zeitlichen Gründen nicht ausführen — auch und gerade Zentralbankpräsidenten, die die Sachverhalte sozusagen von der finanztechnischen Seite her überblicken.
Letzte Anmerkung: Gibt es hier, Frau Matthäus-Maier, möglicherweise einen Zielkonflikt — Sie haben da den peruanischen Präsidenten zitiert — zwischen Schulden und Demokratie? Ich habe in der Debatte vor einem Jahr, als wir diesen Antrag einbrachten, darauf hingewiesen, daß in den bisherigen Lösungsstrategien regelmäßig übersehen wird der Zielkonflikt zwischen der Wiederherstellung volkswirtschaftlich für erträglich gehaltener Verhältnisse auf der einen Seite und dem Demokratisierungsprozeß, den wir von diesen Ländern gleichzeitig auch erwarten, und haben uns gefragt — ich wiederhole die Frage gern noch einmal —, wer von uns eigentlich ernsthaft glaubt, er würde für die Art von wirtschaftspolitischen Vereinbarungen, die in vielen dieser Länder geschlossen worden sind, im eigenen Land Mehrheiten mobilisieren können. Wenn es auch an dieser Stelle so etwas wie eine Verbesserung der Situation gegenüber der Situation von 1982/83 gibt, dann ist das für mich die Erfahrung, daß inzwischen selbst bei Jahrestreffen internationaler Bankenorganisationen von diesem Zielkonflikt die Rede ist. Ich denke, es wäre unsere vorrangige Aufgabe, uns an der Bewältigung genau dieser sehr sorgfältig abzuwägenden Aspekte konstruktiv und unter Vermeidung von Polemik zu beteiligen.
Ich bedanke mich.