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ID1015707300

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. September 1985 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Conrad (Riegelsberg) 11771A Erweiterung der Tagesordnung 11771 B Aktuelle Stunde betr. Maßnahmen zur gewaltfreien Lösung der Konflikte in Südafrika Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11771 C Klein (München) CDU/CSU 11772 C Roth SPD 11773C Schäfer (Mainz) FDP 11774C Genscher, Bundesminister AA 11775 B Verheugen SPD 11776 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 11777C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 11778 B Dr. Hauchler SPD 11779 B Repnik CDU/CSU 11780 B Schwarz CDU/CSU 11781 B Toetemeyer SPD 11782 B Dr. Hornhues CDU/CSU 11783 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz) — Drucksache 10/3792 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Elternurlaubsgesetz) — Drucksache 10/3806 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" — Drucksache 10/3805 — Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 11784 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11792 A Frau Männle CDU/CSU 11796C Frau Wagner GRÜNE 11799 C Eimer (Fürth) FDP 11802C Frau Dr. Lepsius SPD 11805A Frau Verhülsdonk CDU/CSU 11807A Rapp (Göppingen) SPD 11808B Schlottmann CDU/CSU 11810A Frau Matthäus-Maier SPD 11813A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 11815C Schreiner SPD 11817A Nächste Sitzung 11818 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11819* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. September 1985 11771 157. Sitzung Bonn, den 13. September 1985 Beginn: 8.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ahrens* 13. 9. Antretter** 13. 9. Bastian 13. 9. Berschkeit 13.9. Dr. Enders* 13. 9. Eigen 13. 9. Ertl 13. 9. Eylmann 13. 9. Dr. Faltlhauser 13. 9. Dr. Götz 13. 9. Götzer 13. 9. Haase (Fürth) * 13. 9. Dr. Hüsch 13. 9. Hoffie 13. 9. Ibbrügger*** 13. 9. Frau Hönes 13. 9. Frau Kelly 13. 9. Kohn 13. 9. Dr. Kreile 13. 9. Frau Krone-Appuhn 13. 9. Dr. Kunz (Weiden) 13. 9. Lemmrich* 13. 9. Lenzer* 13. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Löffler 13. 9. Lowack 13. 9. Menzel 13. 9. Dr. Müller* 13. 9. Dr. Müller (Bremen) 13. 9. Poß 13. 9. Reuschenbach 13. 9. Schmidt (Hamburg) 13. 9. Schmidt (Wattenscheid) 13. 9. Schmitz (Baesweiler) 13. 9. Dr. Schneider (Nürnberg) 13. 9. Dr. Sperling 13. 9. Stockhausen 13. 9. Dr. Unland** 13. 9. Voigt (Frankfurt) 13.9. Voigt (Sonthofen) 13. 9. Volmer 13. 9. Wilz 13. 9. Wischnewski 13. 9. Wissmann 13. 9. Zander 13. 9. Zierer 13. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Roswitha Verhülsdonk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lepsius, ich muß doch eines sagen. Ihre Kritik war so maßlos und so ideologisch blind, daß es mir für Sie leid tut.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe Sie immer als eine sachverständige Sozialpolitikerin angesehen. Aber das Entscheidende ist: Sie haben mit dem, was Sie gesagt haben, voll und ganz das bestätigt, was Familienminister Geißler Ihnen an ideologischer Blindheit in der Frauen- und Familienpolitik vorgehalten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Vogel [München] [GRÜNE]: Und Sie sind nicht ideologisch blind, nicht?)

    Das Mutterschaftsurlaubsgesetz wird nicht „kassiert", nicht „beerdigt", sondern es wird korrigiert. Es wird weiterentwickelt in einem Sinne, den Sie selbst, wie Frau Matthäus eben bestätigt hat, sogar einmal für notwendig gehalten haben.
    Damit will ich mich jetzt dem kritischen Punkt der Gesetzgebung, nämlich der Beschäftigungsgarantie, zuwenden, weil ich meine, daß nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Eimer aus unserer Sicht dazu noch etwas gesagt werden muß.
    Ich will nicht verhehlen: Leicht war sie nicht, diese familienpolitische Wende: Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub für Mütter und Väter. Nicht nur, weil sie eine hübsche Menge Geld kostet. Der schwierigere Teil dieser Kursänderung, nämlich die Beschäftigungsgarantie, ist nur gelungen, weil Familienminister Geißler politisch besonders seetüchtig ist und weil er die Schubkraft der Frauen im Lande hatte.
    Ich leugne es nicht: In dieser Frage politisch handelseinig zu werden, war sowohl innerhalb der Union wie innerhalb der Koalition das schwerste Stück.
    Herausgekommen aus der heftigen bundesweiten Diskussion, die ihren Höhepunkt auf dem Essener Parteitag der Union hatte, ist ein brauchbarer Kompromiß zwischen dem berechtigten Interesse der jungen Mütter an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes während des Bezugs von Erziehungsgeld und den nicht zu leugnenden Problemen, die in kleinen Betrieben durch einen Kündigungsschutz für ein Jahr entstehen können und auch tatsächlich entstehen. Aber wir haben ja einschlägige Erfahrungen mit dem Mutterschaftsurlaubsgesetz sammeln können, das Müttern zur Zeit für sechs Monate eine absolute Arbeitsplatzgarantie gewährt. Auch bei dessen Einführung gab es fast drohend vorgetragene Widerstände der mittelständischen Wirtschaft. Sie haben sich, Gott sei Dank, nicht gegen die jungen Frauen ausgewirkt. Jedenfalls ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen im gebärfähigen Alter mit einfachen und mittleren Qualifikationen durch dieses Gesetz nicht nachweislich schwieriger geworden. Probleme hatten allerdings Frauen mit hohen Qualifikationen.
    Aus einem Bericht der Bundesregierung wissen wir, wie die Arbeitsplatzgarantie von den Frauen genutzt worden ist. Die relativ wenigen Frauen in besonders qualifizierten Positionen und mit entsprechend hohem Einkommen haben überwiegend auf den Mutterschaftsurlaub verzichtet und gleich nach der Mutterschutzfrist eine private Lösung für die Betreuung ihres Kindes gesucht. Sie nahmen somit Rücksicht auf ihren Betrieb. Das wird wohl auch bei dem neuen Erziehungsgeld mit Beschäftigungsgarantie nicht wesentlich anders sein.
    Wir wissen, daß 50 % der jungen Mütter nach dem Mutterschaftsurlaub noch nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren, sondern bei ihrem Kind zu Hause bleiben wollen. Beide Erfahrungen ermutigen uns, auch in der Zukunft eine Beschäftigungsgarantie für praktikabel und für zumutbar zu halten. Für die jungen Frauen ist sie in vielen Fällen die Grundvoraussetzung dafür, das Erziehungsgeld überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Es ist schließlich nur zu berechtigt, wenn Frauen erwarten, daß in schwierigen Zeiten hoher Arbeitslosigkeit für sie die Entscheidung zu einem Kind nicht zum Verlust des Arbeitsplatzes führt.
    Heute ist angesichts einer gut ausgebildeten jungen Frauengeneration tatsächlich eine neue Qualität der Familien- und der Arbeitsmarktpolitik gefordert. Da muß auch die Wirtschaft bereit sein, auf die Belange der Frauen stärker einzugehen. Kinder sind j a nicht nur Privatvergnügen. Schließlich brauchen wir morgen und übermorgen auch noch Arbeitnehmer, Steuerzahler und Rentenbeitragszahler.

    (Ströbele [GRÜNE]: Und Soldaten!)

    Andererseits ist nicht zu leugnen, daß Kündigungsschutz, wo immer er gewährt wird, für die Betriebe Belastungen mit sich bringt, organisatorische und auch finanzielle. Deshalb muß bei der Beschäftigungsgarantie mit Augenmaß verfahren werden. Drohungen von Verbandsfunktionären helfen leider ebensowenig weiter wie die Forderung, auch im kleinsten Betrieb, der nur Frauen beschäftigt, müsse in jedem Fall ein absoluter Kündigungsschutz gewährt werden. Wenn wir durch rigorose gesetzliche Regelungen Betriebe und ihre Arbeitsplätze gefährden würden, wäre damit den Arbeitnehmerinnen ganz sicher nicht geholfen.



    Frau Verhülsdonk
    Nicht gelten lasse ich das Argument, Frauen im Mutterschaftsurlaub seien nicht zu ersetzen. Bei 2 Millionen Arbeitslosen, darunter sehr vielen gut ausgebildeten jungen Frauen, kann das gar nicht stimmen. Schließlich ist die Masse der erwerbstätigen Frauen in den unteren und mittleren Qualifikationsetagen zu finden. Wir haben im Beschäftigungsförderungsgesetz das Instrument des befristeten Arbeitsvertrages maßgerecht so geschneidert, daß es arbeitsrechtlich sehr unproblematisch ist, eine junge Mutter für ein Jahr zu ersetzen. Eine Ersatzkraft für dieses Jahr einzuarbeiten, ist wohl ungleich rentabler als für vier Monate, wie das zur Zeit noch der Fall ist. Diese Ersatzkraft hat zudem in 50 % der Fälle gute Chancen auf einen Dauerarbeitsplatz. Zumindest aber erwirbt sie in dem Jahr berufliche Erfahrung und den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
    Hilfreich für vernünftige Vereinbarungen zwischen Betrieb und Arbeitnehmerin ist es, daß Frauen während des Bezugs von Erziehungsgeld bis zu 20 Stunden arbeiten dürfen. Das wird sicher in vielen Fällen aus gegenseitigem Interesse zur Problemlösung führen.
    Bleiben sicher noch Einzelfälle, in denen sich der Konflikt nicht auflösen läßt, vor allem in sehr kleinen Betrieben mit wenig Beschäftigten, wenn z. B. zwei Frauen gleichzeitig in Erziehungsurlaub gehen wollen. Da bietet sich eine Konfliktlösung an, die beim geltenden Mutterschutzgesetz bereits praktiziert wird. Während der Zeit vor und nach der Geburt, in der bekanntlich für die Mütter absolutes Arbeitsverbot besteht, kann schon heute der Kündigungsschutz ausgesetzt werden, wenn der Betrieb dadurch ernstlich gefährdet wäre. Die Gewerbeaufsichtsämter können auf Antrag und nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls entscheiden. Wir denken, daß damit ein flexibles, auf den konkreten Einzelfall bezogenes Instrument der Problemlösung auch für die Zeit des Erziehungsurlaubs gefunden worden ist.
    Erfreulicherweise gibt es eine sehr große Zahl von mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern, die mit großem Verständnis und Hilfsbereitschaft jungen Frauen, die wegen eines Kindes zeitweise pausieren müssen, bei der Rückkehr in den Beruf entgegenkommen. Gerade der enge persönliche Kontakt im Kleinbetrieb fördert solches Entgegenkommen. Und wir würden uns wünschen, daß das in Zukunft in noch größerem Maße der Fall sein wird.
    Schließlich: Unsere Arbeitswelt würde ohne Frauen nicht mehr funktionieren.
    Und noch eines: Eine Gesellschaft mit immer weniger Kindern wäre in jeder Hinsicht eine Katastrophe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgordnete Rapp.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Rapp


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um das gleich klarzustellen: Kein Sozialdemokrat hat je behauptet,
    CDU/CSU und FDP wollten der Familie übel. Keiner von uns bezweifelt, daß die Familie als Institution und als gelebte Gemeinschaft in der Vorstellungswelt und in der Programmatik der Unionsparteien einen hohen Rang einnimmt.

    (Dolata [CDU/CSU]: Bei Frau Lepsius klang das anders!)

    Was wir feststellen und festhalten müssen, ist, daß die konkrete Politik dieser Parteien drei Jahre lang den eigenen Ansprüchen nicht genügt, vielmehr die Lage der Familien verschlechtert hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Und wir stellen auch fest, daß die mit dem Steuerentlastungsgesetz und dem Erziehungsgeldgesetz jetzt intendierte Kurskorrektur hinter den besseren Lösungsmöglichkeiten zurückbleibt, die man für das gleiche Geld haben könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Dazu haben wir zum Steuerentlastungsgesetz unsere Vorschläge unterbreitet, und wir tun dies heute mit unserem Elternurlaubsgesetz.
    Von uns aus, meine Damen und Herren, sind jedenfalls die Voraussetzungen für dialogisch-argumentative und nicht monologisch-polemische Beratungen gegeben. Wie meine ich das? Sehen Sie, zur Haushaltsdebatte in der vorigen Woche hat uns allen das „Handelsblatt" folgendes ins Stammbuch geschrieben:
    Im Bundestag darüber zu streiten, welche Mittel die geeignetsten sind, das ist in Ordnung. Vielleicht sollte jedoch dabei mehr aufeinander gehört werden, denn jede Seite hat Vorschläge parat, die nachdenkenswert sind.
    Ich füge dem von mir aus hinzu: Unterschiedliche Einsichten in das politisch gebotene sind meist komplementär. Keiner, keine Partei verfügt über die ganze Einsicht. Jeder hat wahrscheinlich ein Stück davon. Vieles könnte man zum Besseren hin zusammenfügen, anderes könnte sich im Wettbewerb der Ideen bewähren.
    Und welches Politikfeld böte sich von den Betroffenheiten und der inneren Sachlogik her denn dringlicher zum dialogischen Miteinander und Wettbewerb an als die Familienpolitik? Dazu bedarf es nur einer Voraussetzung: Man darf sich gegenseitig nicht den guten Willen absprechen.
    Familienpolitiker pflegen zu sagen

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — ja, warten Sie ab —, die Kultur des Miteinander auch im Gegeneinander der Meinungen sei in erster Linie in der Familie einzuüben. Das ist schon richtig. Aber wie kommt es dann, daß die Gebote der politischen Kultur regelmäßig gerade in der Familienpolitik noch schlimmer mißachtet werden als in anderen Bereichen? Ich habe mich oft gefragt, warum das so ist, und ich bin immer wieder zu dem gleichen Ergebnis gekommen: Offenbar wird bei den Unionsparteien gerade in der Familienpolitik eine doch noch virulent gebliebene Ideologie berührt, die es nicht zuläßt, den Sozialdemokraten



    Rapp (Göppingen)

    ausgerechnet auf diesem Gebiet auch nur guten Willen zuzuerkennen.

    (Beifall bei der SPD)

    Indem ich das der Deutlichkeit halber auf die Spitze treibe, bitte ich alle um Entschuldigung,

    (Frau Dr. Adam-Schwaetzer [FDP]: Bei den heutigen Rednern war das aber anders!)

    die sich von dem die Unionsparteien insgesamt doch noch treffenden Vorwurf frei wissen, zu einer Weltanschauung zu neigen, wonach Gott nun einmal Gute und Böse geschaffen und es so eingerichtet hat, daß sich dies bei uns in einer Parteienkonstellation entlang der Linie christlich/nichtchristlich abbildet.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Klar, da kann es dann eben nur so sein, daß Sozialdemokraten es mit der Familie nicht gut meinen, anderenfalls ginge ja das ganze Welt- und Feindbild in die Brüche.
    Dazu wenige CDU-Stimmen aus den letzten Wochen: Für die SPD ist solchen Äußerungen zufolge die Familie nur Objekt gesellschaftlicher Experimente — so Herr Kohl —, ihre Politik ist Ausdruck nur des Mißtrauens gegen die Institution, ist umgesetzte Ideologie der Allzuständigkeit des Staates in der bewußten Absicht, die Familie mit Konflikten zu überziehen. Keine Gruppe, so Herr Worms, wird von der SPD so diskriminiert wie die Familie, die von den Sozialdemokraten sogar ständig in Frage gestellt wird. Herr Geißler hat dergleichen auch heute wieder intoniert. Dies alles klingt noch vornehm gegenüber den früher alltäglichen Anwürfen, die SPD verfolge geradezu einen teuflischen Meisterplan zur Zerstörung der Familie, um so die Menschen und ihre Gesellschaft reif zu machen für den Kollektivismus. Ich erinnere mich daran, und ich werde Sie stets daran erinnern, auch unter Berufung auf Ihr hohes C!
    All dies wurde und wird gesagt gegen die Fakten und gegen die Wahrheit. Richtig ist z. B., daß sich die Hilfen für die Familie zu unserer Regierungszeit allein nach 1975 d. h. nach der sprungartigen Aufstockung bei Einführung des Kindergeldes, bis 1981 um mehr als die Hälfte auf ein Niveau erhöht hatten, das wegen der Kürzungen durch die derzeitige Bundesregierung erst im Jahre 1988 wieder erreicht werden wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Richtig ist, meine Damen und Herren, daß wir Familienpolitik über die materiellen Hilfen hinaus in der Orientierung an Grundsätzen gestaltet haben, in denen z. B. von Nell-Breuning eine Kurzfassung der katholischen Soziallehre erkennen zu können meinte. Ich weiß, daß dieses Diktum gewisse Ideologen einer christlichen Einheitspartei bis heute schmerzt und irritiert.
    Zur Stärkung der Familie hat auch beigetragen, daß wir bis in die Rechtspolitik hinein mit dem lange genug durchgehaltenen konservativen Aberglauben aufräumten, die Familie sei eine von der
    Außenwelt abzuschirmende Idylle. Überhaupt Grundsätze und Programme: Wie wäre es denn, wenn wir alle erst einmal zur Kenntnis nähmen, wie der andere, wie die jeweils andere Partei sich selber versteht und verstanden wissen will? Ich weiß Ihre Essener Leitsätze zu würdigen. Ich nehme sie ernst. Ich werde Sie daran messen. Tun Sie denn uns gegenüber das gleiche? Ohne Frage ginge dann des einen und anderen Feindbild in die Brüche, das z. B. nun einmal dem Herrn Kroll-Schlüter — leider ist er nicht da — abverlangt, zu behaupten, daß Sozialdemokraten geradezu zwanghaft die Familie ständig in Frage stellen, so noch am 7. August dieses Jahres.
    Meine Damen und Herren! Geradezu kampagnenartig hat man uns mit solcher Hetze überzogen, als wir 1979 den Mutterschaftsurlaub einführten. Wir hatten uns dabei gedacht, daß damit in den besonders dringlichen Fällen geholfen werde, in denen die Mutter zur Sicherstellung des Familieneinkommens unbedingt erwerbstätig sein muß. Viele von uns dachten dabei auch an den Schutz des ungeborenen Lebens, für den der Mutterschaftsurlaub mehr leistet als alles andere. Aber nein, die Kampagne gegen uns lief anders, und der Herr Geißler hat sie heute weitergeführt: Gewollte Diskriminierung der nichterwerbstätigen Mutter wurde uns unterstellt, die Auflösung der heilen Binnenwelt der Familie wurde beschworen, aus der heraus die Sozis noch die letzte Frau in die unheile Kollektiv- und Konfliktwelt der Erwerbsarbeit treiben wollen. Es hat uns dabei nicht geholfen, daß wir wieder und wieder erklärt haben, auch der nichterwerbstätigen Mutter helfen zu wollen, sobald wir den Elternurlaub finanziell darstellen könnten. Und jetzt, da wir die Chance sehen, ihn mit realisieren zu können, geht's der Union wieder nur ums Feindbild. Die gestrigen Presseerklärungen der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion atmen Verachtung und Häme — nichts anderes als dies.
    Meine Damen und Herren, Vorredner aus meiner Fraktion haben die Unterschiede zwischen unserem Gesetzentwurf und dem der Bundesregierung herausgearbeitet. Wir wollen das Prinzip „Mutterschaftsurlaub" in eine Gesamtregelung mit hineinnehmen. Unser Elternurlaub ist flexibler ausgestaltet, der Kündigungsschutz ist bei uns wirksamer organisiert. Wir bieten Anreize, damit sich Vater und Mutter in die Betreuung des Kindes teilen, und vor allem helfen wir den Alleinerziehenden wirksamer. Ich bitte, meine Damen und Herren der Unionsparteien, dies wie auch den ergänzenden, unbezahlten Elternurlaub vor allem unter der Zielsetzung des Schutzes des ungeborenen Lebens zu sehen und nicht mit Hetzereien zu kommentieren, wie sie

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Wex [CDU/CSU]) in den gestrigen Verlautbarungen standen.

    Ich blicke, meine Damen und Herren, auf eine lange Zeit der Mitarbeit in einem konfessionellen Familienverband zurück. Ich habe das alles mitgemacht: erst die Versuche der Ausgrenzung des Sozialdemokraten, das zu Unterstellungen neigende Mißtrauen; dann die Erfahrung, daß man Sozialde-



    Rapp (Göppingen)

    mokraten beim Wort und bei ihrer Ehre nahm, an ihren Taten maß, und endlich auch die Erfahrung der Öffnung und Offenheit, der vertrauensvollen Zusammenarbeit wie auch die, daß Versuche aus dem konservativen Lager, Sozialdemokraten doch immer wieder einmal ins ideologische Abseits zu drücken, in den Verbänden immer weniger fruchteten. Man hielt sich an die Tatsachen, und da ist dann eben den Unionsparteien seitens der Verbände in den letzten Jahren manch Mißliches ins Stammbuch geschrieben worden.
    Solche Prozesse dauern lange, sind mühsam und schwierig, auch im Parlament. Ich mache den Familienpolitikern des Hauses, denen ich ja nicht angehöre, einen Vorschlag: Gehen Sie an die Gesetzentwürfe vorurteilslos und dialogisch heran. Handeln Sie nach dem biblischen Rat: Prüfet alles, und was gut ist, behaltet! Da aber die Koalitionsfraktionen unserem Gesetzentwurf ja doch nicht zustimmen werden, sage ich: Behalten Sie doch wenigstens das, was an ihm ganz offensichtlich gut ist. Handelten Sie so, würden Sie gerade auf dem so heiklen Feld der Familienpolitik einen Anfang zur dringend gebotenen Erneuerung der politischen Kultur im produktiven Wettbewerb der Parteien setzen.

    (Beifall bei der SPD)