Rede von
Prof. Dr.
Bernhard
Friedmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Dieser Hintergrund, Herr Nehm, den Sie aufgezeigt haben, war sicherlich nicht ausschlaggebend. Ich möchte gern einmal mit Ihnen außerhalb dieser Debatte in aller Offenheit darüber reden. Sie sind ja in einem der von mir genannten Konzerne auf der betreffenden Ebene tätig.
Mein Appell geht also an den DGB, mein Appell geht an die Gewerkschaften, mein Appell geht an die Betriebsräte, auf die Unternehmen einzuwirken, daß nicht Finanzanlagen, sondern Sachanlagen getätigt werden.
Ein zweiter Punkt. In dieser Diskussion, meine Damen und Herren, war viel von Beschäftigungsprogrammen die Rede. Sie von der Opposition fordern sie immer wieder; wir von der Koalition lehnen sie rundweg ab, weil damit eine Neuverschuldung verbunden ist, die wir nicht gebrauchen können.
Ich möchte auf der ersten Ebene diese Argumente gar nicht vertiefen.
Ich möchte auf eine zweite Argumentationsebene eingehen, die mir auch sehr wichtig erscheint. In diesem Jahr zahlt die öffentliche Hand insgesamt 56 Milliarden DM für Zinsen für öffentliche Schulden.
Diese Zinsen werden nicht aus ordentlichen Steuereinnahmen, Herr Kolb, finanziert, sondern diese Zinsen werden über Kredite finanziert. Sie werden damit in die Zukunft verschoben. Die Zinsen, welche die öffentliche Hand an ihre Kapitalgeber zahlt, sind dort nicht als Arbeitseinkommen gedacht. Die Kreditgeber der öffentlichen Hand kassieren die Zinsen, ohne daß dem eine Arbeit gegenüberstehen würde. Nun mag es riskant sein, das so zu definieren. Ein bekannter Journalist hat dieser Tage vorgeschlagen — ich möchte mich damit nicht identifizieren, aber der Gedanke ist interessant —, das beste Beschäftigungsprogramm des Staates wäre eine Währungsreform. Ich sage ausdrücklich: Ich möchte mich damit nicht identifizieren.
Aber der Gedanke, der dahintersteckt, ist interessant. Wenn sich nämlich der Staat von seinen Verbindlichkeiten distanzieren würde — das wäre ja Währungsreform —, dann könnte er mit denselben Krediten beschäftigungswirksame Aufträge vergeben. Das sei genau die Situation 1948 gewesen. Vor dem Währungsstichtag hätten wir damals etwa so-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. September 1985 11547
Dr. Friedmann
viel Arbeitslose wie jetzt gehabt, und hinterher
hätte ein wahres Beschäftigungswunder begonnen.
— Ist klar, Herr Kollege Eigen.
— Das war eine andere Situation. Deshalb möchte ich auf diesen Gedanken und das Rezept nicht einsteigen. Aber der Gedanke, der dahintersteckt, ist interessant: Je mehr Zinsen der Staat zahlen muß, um so weniger Geld hat er für investive Ausgaben. Das jedenfalls muß unbestritten sein.
Wir alle müssen, meine Damen und Herren, im Kampf gegen Überstunden und Schwarzarbeit intensiver mitmachen. Die Überstunden ergäben umgerechnet sicherlich eine Million Arbeitsplätze. Überstunden hängen nicht nur mit Facharbeitermangel zusammen. Wo guter Wille ist, ist mehr zu machen. Hier sind wir mit aufgerufen. Bei Schwarzarbeit gilt Gleiches. Wer schwarzarbeitet oder wer Aufträge dazu vergibt, versündigt sich an dem System, von dem er im Alter oder in der Not leben will.
Gerade die zwei letzten Beispiele zeigen, meine Damen und Herren, daß man in der Sozialpolitik und in der Arbeitsmarktpolitik mit Gesetzen allein nicht alles tun kann. Es ist eine Wandlung der inneren Einstellung nötig. Dazu müssen wir als Politiker beitragen. Ich bitte Sie von der Opposition, das nicht in parteipolitischer Konfrontation zu tun. Dafür ist das Schicksal der Arbeitslosen viel zu hart. Wir müssen hier miteinander helfen, für die Arbeitslosen wieder Arbeit zu finden. Das ist nicht immer mit Geldausgabe verbunden, das ist auch nicht durch gegenseitige Schuldzuweisung möglich,
sondern das müssen wir angesichts des Ernstes der Lage miteinander tun, indem wir die Situation richtig einschätzen und darstellen.
— Meine Redezeit ist um.
Schönen Dank.