Herr Zander, ich muß auch wieder auf die andere Seite hinweisen. Wir haben die Zahl der Arbeitslosen zunächst einmal stabilisiert. Das kann niemand bestreiten. Die Zahl nimmt nicht mehr zu.
Aber im Gegensatz dazu hat die Zahl der Beschäftigten zugenommen. Das wird übersehen. Im letzten und im vorletzten Jahr um 260 000.
Und das eben nicht wegen der Arbeitszeitverkürzung; denn die gab es damals überhaupt noch nicht. Sie dürfen die zeitliche Reihenfolge nicht durcheinanderbringen.
Erfolg unserer Konsolidierungspolitik ist es also, daß die geburtenstarken Jahrgänge verstärkt Arbeit finden; siehe 260 000 mehr Beschäftigte.
Konsolidierungspolitik ist ein Beitrag im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.
Auch die Steuersenkung wirkt in diese Richtung. Sie entlastet den Steuerzahler, sie führt bei ihm zu mehr Kaufkraft und bringt genau das, was der Oppositionsführer gestern angemahnt hat: mehr Kaufkraft beim Konsumenten.
In Richtung Arbeitslosigkeit wirkt auch der Vorruhestand. Allerdings wäre zu wünschen, daß von ihm mehr Gebrauch gemacht wird. Bisher sind es erst 24 000 Fälle, die geregelt sind. Weitere 18 000 Anträge liegen vor. Wir hatten damit gerechnet, daß im Jahresdurchschnitt 80 000 Fälle geregelt würden, was bedeuten würde, daß zum Jahresende gut 100 000 Anträge bearbeitet sein müßten. Das wird kaum noch zu schaffen sein. Der Vorruhestand bringt also nicht ganz die Entlastung, die wir uns von ihm versprochen hatten.
Auch das Arbeitsförderungsgesetz ist ein Beitrag im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Ich möchte damit nicht sagen, daß alles getan worden ist, was man tun kann. Hier möchte ich auf einen entscheidenden Punkt hinweisen. Es ist unbestritten, daß Investitionen zu mehr Arbeitsplätzen fürhen.
— Zumindest die Erweiterungsinvestitionen und bei Umschichtungen auch Rationalisierungsinvestitionen, Frau Fuchs.
Der Bundeskanzler hat gestern darauf hingewiesen, daß die Investitionen zugenommen hätten. Aber — und nun kommt das große Aber, und da möchte ich einmal an dieser Stelle ein ganz deutliches Wort sprechen —
die Investitionen haben bei den kleineren Unternehmen zugenommen, bei den Großkonzernen dagegen nicht in dem erwünschten Umfang. Die Gewinne der Großkonzerne haben sich sehr stark entwickelt. Wir gönnen ihnen dies; denn Gewinne machen die Unternehmen sicherer
und sichern auch Arbeitsplätze.
11546 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. September 1985
Dr. Friedmann
Aber es ist nicht in Ordnung, wenn Großkonzerne Rücklagen in Form von Wertpapieren und flüssigen Mitteln haben, die wesentlich größer sind als z. B. die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Ich verrate kein Betriebsgeheimnis, wenn ich mich auf Bilanzen beziehe, die von Aktiengesellschaften veröffentlicht sind. So hat z. B. der Bosch-Konzern — bezogen auf seine kurzfristigen Verbindlichkeiten —240% flüssige Anlagen. Das muß man sich einmal vor Augen halten.
Auch die Veba AG, an welcher der Bund nach wie vor beteiligt ist, hat Wertpapiere, die 220 % ihrer kurzfristigen Verbindlichkeiten ausmachen.
Die ganzen Autokonzerne, angefangen von BMW über Daimler bis hin zu VW,
haben flüssige Reserven, die höher sind als die kurzfristigen Verbindlichkeiten.
Das Haus Siemens wies Ende vergangenen Jahres einen Wertpapierbestand von fast 10 Milliarden DM aus. Der Siemens-Konzern hatte einen Zinsüberschuß von 1,5 Milliarden DM— ich wiederhole: von 1,5 Milliarden DM —. Das ist z. B. mehr, als die Westdeutsche Landesbank an Zinsüberschüssen erwirtschaftet hat.
Meine Damen und Herren, es geht nicht an, daß die Großkonzerne Gewinne machen, aber die Arbeitslosen bleiben draußen vor der Tür.
Eigentum verpflichtet. Das gilt auch für industrielle Vermögen. Das ist ein Stück soziale Verpflichtung.
Auch das, was betriebswirtschaftlich nicht immer sinnvoll ist, muß manches Mal — vor allem bei Konzernen — unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen werden.
Nur, Frau Fuchs, Sie und Ihre Kollegen und der DGB möchten sich bitte hinter die Ohren schreiben: Alle Konzerne, die ich eben genannt habe,
haben Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat und im Vorstand. Was machen diese Vertreter denn im Sinne der Arbeitnehmer, wenn es darum geht, die flüssigen Mittel stärker zu investieren?