Rede:
ID1015307600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. der: 2
    2. Das: 1
    3. Wort: 1
    4. hat: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundesminister: 1
    7. Verteidigung.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/153 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 153. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Paintner als Schriftführer 11447 A Wahl des Abg. Dr. Rumpf zum Schriftführer 11447A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksache 10/3700 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksache 10/3701 — Dr. Vogel SPD 11447 B Dr. Waigel CDU/CSU 11458 A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11467C Mischnick FDP 11471 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 11477 D Frau Fuchs (Köln) SPD 11490A Handlos fraktionslos 11496 D Rühe CDU/CSU 11498 C Lange GRÜNE 11503 D Schäfer (Mainz) FDP 11506C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11509C Genscher, Bundesminister AA 11514 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 11519C Dreßler SPD 11525C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 11530C Volmer GRÜNE 11532 D Frau Seiler-Albring FDP 11534B Horn SPD 11536A Wimmer (Neuss) CDU/CSU 11540 B Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 11541D Vizepräsident Stücklen 11509C Nächste Sitzung 11542C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11542* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 11447 153. Sitzung Bonn, den 5. September 1985 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Dr. Götz 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hupka 5. 9. Dr. Kreile 5. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Niegel 6. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Poss 5. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schlottmann * 5. 9. Schmidt (Hamburg) 6. 9. Schmidt (Wattenscheid) 6. 9. Schröer (Mülheim) 5. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wolfgramm (Göttingen) ** 6. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, ich möchte jetzt fortfahren. — Da muß jeder zeigen, wo er steht. In der Debatte am letzten Dienstag hat mein Kollege Dr. Hirsch in einer sehr schwierigen Frage eine Lehrstunde für innere Liberalität, parlamentarische und politische Verantwortung und eine Lehrstunde für das Bekenntnis demokratisch Verantwortlicher zu denen gehalten, die für die innere Sicherheit unseres Landes einzustehen haben. Ich hätte mir gewünscht, daß gerade angesichts einer solchen Lage in der Debatte bisher ein stärkeres Wort zu denen gesagt worden wäre, die diesen freiheitlichen Rechtsstaat gegen seine Bedrohung von innen zu schützen haben, wie zu denen, die ihn gegen die Bedrohung von außen zu schützen haben. Beides ist ein schwerer Dienst, der nur im vollen Bewußtsein der Tatsache getan werden kann, daß die Öffentlichkeit, daß die Bürger
    dieses Landes zu jedem einzelnen stehen, der in diesem Bereich Verantwortung trägt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Ströbele [GRÜNE]: Zu jedem einzelnen?)

    Meine Damen und Herren, wenn wir über die Zukunftsgestaltung dieser Gesellschaft sprechen, dann kann man nicht über Haushaltsetat und Beschäftigungsprogramme allein oberflächlich reden. Wir stehen vor der großen Herausforderung durch neue Technologien.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Thema!)

    — Ich komme zum Thema. — Denn die Verteidigungsfähigkeit, die außenpolitische Handlungsfähigkeit unseres Landes, die Gestaltungsfähigkeit als Friedenskraft im Herzen Europas, das ist eine Frage der inneren Freiheitlichkeit, ist eine Frage der Freiheitlichkeit des Gesellschaftssystems, ist eine Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes. Da müssen wir erwarten, daß die sozialdemokratische Fraktion zur Frage der neuen Technologien ihre Auffassungen darlegt. Meine Damen und Herren, wenn Sie neue Technologien, neue Maschinen mit einer Maschinensteuer belegen wollen,

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer will das denn? — Weitere Zurufe von der SPD)

    dann führen Sie eine Fortschrittssteuer ein und bringen unser Land damit technologisch in Rückstand.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Die Maschinensteuer ist eine Fortschrittssteuer, und damit haben Sie doch begonnen. Sehen Sie sich doch Ihre Dokumente an! Dabei eröffnen die neuen Technologien neue Chancen für uns. Neue Technologien werden unsere Arbeitsplätze dezentralisieren. Sie werden mehr individuelle Verantwortung schaffen. Das schafft neue Freiheitschancen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Und Arbeitslose!)

    Hier ist ein Prozeß im Gang, der von der Vermassung zur Entmassung führen wird.
    Wir haben hier die Chance, etwas zu bewirken, was jahrzehntelang als ein Problem erschien,

    (Volmer [GRÜNE]: Das ist doch elitäres Geschwätz!)

    nämlich die Versöhnung von Arbeitswelt und Familie.

    (Volmer [GRÜNE]: Sie sind elitär!)

    Die neuen Technologien schaffen zum erstenmal reale Gleichberechtigungschancen für die Frauen, zusätzliche Freiheitschancen in der Lebensgestaltung. Das ist eine große Hoffnung. Wer daher Kulturpessimismus und Technologiefeindlichkeit predigt

    (Zuruf von der SPD: Wer tut das denn?)




    Bundesminister Genscher
    — das sage ich Ihnen von den GRÜNEN —, der hemmt nicht nur den Fortschritt, der macht auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unmöglich;

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    denn diese neuen Technologien schaffen neue und sichere Arbeitsplätze. Sie können Konkurrenzfähigkeit, sie können Rentabilität nicht ersetzen durch Subventionen. Sie können sie auch nicht ersetzen durch Resolutionen. Sie können die anstehenden Probleme nur lösen,

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    wenn die Bundesrepublik Deutschland im Herzen Europas technologisch führend bleibt.
    Wir kennen auch die Gefahren, die sich aus neuen Technologien ergeben können. Nur, Herr Kollege, keine neue Technologie ist gut oder böse an sich. Gut oder böse ist der Gebrauch, den der Mensch davon macht.

    (Beifall bei der FDP)

    Sie haben die Gentechnologie verteufelt. Gehen Sie einmal zu den Völkern Afrikas. Dort blicken die Wissenschaftler mit Erwartung auf die Gentechnologie, weil es die erste reale Chance ist, die Welternährungsprobleme zu lösen, vor allem auch in den Hunger leidenden Staaten Afrikas.
    Die Gentechnologie eröffnet neue Möglichkeiten in der Medizin, für den Umweltschutz. Die Mikroelektronik wird bewirken, daß wir weniger Schäden bekämpfen müssen; wir können neue vermeiden. Lassen Sie uns über diese Chancen reden, und lassen Sie uns genauso offen über die ethische Beherrschung der neuen Technologien sprechen. Wir sind nicht so blauäugig, um nicht auch die Mißbrauchsmöglichkeiten zu sehen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wir auch nicht! — Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] und Abg. Mann [GRÜNE] melden sich zu einer Zwischenfrage)

    Meine Kollegen, ich würde gern ohne Fragen zu Ende kommen können.
    Deshalb bitte ich Sie: Hören Sie auf mit der Verteufelung der neuen Technologien. Lassen Sie uns vielmehr in einer zukunftsorientierten Auseinandersetzung darüber streiten, wie wir diese neuen Technologien am besten nutzen können für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für mehr Freiheitschancen für jeden einzelnen, für reale Gleichberechtigungschancen für alle Frauen, für die Versöhnung der Arbeitswelt mit der Familie und ihren Herausforderungen. Das sind die Aufgaben, die im Parlament diskutiert werden müssen.
    Hier ist auch die Verbindung zu den Aufgaben, die uns in der Außenpolitik gestellt sind. Wir wissen natürlich längst, daß wir die technologische Herausforderung der Vereinigten Staaten und Japans nicht mehr allein bestehen können, daß wir ihr nicht mehr allein gewachsen sein können. Deshalb sind wir zusammen mit Frankreich für die EurekaInitiative eingetreten, damit wir die technologischen Kräfte unseres demokratischen Europas bündeln. Nun sagen Sie doch endlich einmal j a zu dem,
    was alle Demokratien Europas wollen, oder sagen Sie nein. Dann erklären Sie das auch, damit die Leute endlich wissen, woran sie mit dem sind, was Sie eigentlich im Deutschen Bundestag vertreten.

    (Horacek [GRÜNE]: Das haben wir immer gesagt! — Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Sagen Sie, was Sie wollen! — Abg. Horacek [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege, ich beantworte keine Fragen. Ich habe das vorhin schon gesagt.
    Die Bundesregierung hat an der Schwelle des Jahres 1985 — das ist die Antwort auf das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Ehmke — die Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, die Möglichkeiten europäischer Politik definiert. Wir handeln Schritt für Schritt nach dieser Zielsetzung.
    Das, was der Bundeskanzler heute zur Außen- und Sicherheitspolitik dargelegt hat, waren Ausführungen, Herr Kollege Ehmke, die von Ihnen mehr Erwiderung als Polemik herausgefordert hätten.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Er hat ja nichts gesagt!)

    Es war eine sehr nachdenkenswerte und sehr nachdenkliche Rede. Es war eine Rede, die sich mit dem Verhältnis von Abrüstung und politischer Zusammenarbeit, mit den Problemen kooperativer Sicherheitslösungen, mit den Fragen, die technologisch, sicherheitspolitisch und strategisch aus der Weltraumnutzung für militärische Zwecke auf uns zukommen, befaßt hat.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sagen Sie uns, was Sie machen, nicht, was Sie reden!)

    Hier hätten Sie zu den einzelnen Punkten kommen können. Herr Kollege Ehmke, der Meinungsbildungsstand der Bundesregierung in allen diesen Fragen entspricht genau dem, was wir mit den verbündeten europäischen Staaten auch diskutieren. Es wäre falsch, wenn die Bundesregierung hier mit vorschnellen Urteilen kommen würde. Daß wir jede Information nutzen, ist notwendig. Das sollten Sie unterstützen. Dann lassen Sie uns hinterher darüber diskutieren.
    Die Bemerkungen, die Sie hier über Mitglieder der Bundesregierung gemacht haben, Herr Kollege Ehmke, entwerten das Gewicht Ihrer Argumente. Sie sollten sich zu schade sein für dieses Niveau der Auseinandersetzung.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie sollten sich zu schade sein für ein solches Kabinett!)

    Sie sollten sich zu einer sachlichen Diskussion über das, was der Bundeskanzler hier gesagt hat, herausgefordert fühlen. Ist es nicht so, meine Kollegen, daß es angesichts der Bemühungen der beiden Großmächte, zu Abrüstung und zu Zusammenarbeit zu kommen, europäische Aufgabe ist, den Raum auszufüllen, der damit geöffnet wird? Ist nicht die Erklärung der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion vom 8. Januar dieses Jahres etwas, wozu wir als Deutsche aus Überzeugung ja sagen können?

    (Dr. Vogel [SPD]: Tun wir doch!)




    Bundesminister Genscher
    Wissen Sie nicht, daß die amerikanische Regierung mit uns diese Begegnung am 8. Januar vorbereitet hat, daß wir dabei darauf hingewiesen haben, wie wichtig es ist, daß die Mittelstreckenraketen in die Verhandlungen einbezogen werden, daß die Fragen des strategischen Gleichgewichts behandelt werden und daß die Fragen der Weltraumrüstung, wie es dort gesagt worden ist, wie es der Bundeskanzler wiederholt hat, mit dem Ziel einer Verhinderung des Rüstungswettlaufs im Weltraum verhandelt werden?
    Das sind die Vorstellungen der Bundesregierung. Die sind dort eingegangen. Reden Sie nicht das nach, was Sie in Ihren Parteiversammlungen sagen, wir hätten dort kein Gewicht. Ich sage Ihnen: Ich habe noch immer die Überzeugung vertreten, daß in einem Bündnis die interne, aber aufrichtige und klare Diskussion größere Wirkungen bei der Wahrnehmung der eigenen Interessen bringt als Belehrungen über Zeitungsinterviews und öffentliche Erklärungen.

    (Beifall bei der FDP)

    Aus diesem Grunde werden wir diese Form der Einflußnahme, auch der Berücksichtigung europäischer Interessen weiter fortsetzen. Dann wird es darauf ankommen, daß das, was der Bundeskanzler als den europäischen Pfeiler im Bündnis bezeichnet hat, gestärkt wird. Da ist das, was technologisch mit Eureka geschieht, was wir im November bei der Sitzung in Hannover voranbringen werden — ein ganz wichtiger Bestandteil, weil nur ein technologisch leistungsfähiges und führendes Europa in der Lage ist, die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu erfüllen, aber auch die Herausforderungen, die an unsere Verteidigungsfähigkeit gestellt sind. Hier können Sie die Bundesregierung unterstützen. Hier hat sie zusammen mit Frankreich eine Führungsaufgabe in Europa wahrgenommen, in einem guten Sinne.
    Da ist geistige Führung nichts Schlimmes. Wir haben früher darüber diskutiert, ob geistige Führung notwendig ist. Sie haben mit der damaligen Opposition eine Debatte gehabt. Wir hatten sie in der Bundesregierung auch, Herr Kollege Ehmke. Ich habe immer die Meinung vertreten, daß politische Führung geistige Führung voraussetzt. Ich begrüße sehr, daß sich in einem ,,Zeit"-Artikel dieser Woche der frühere Bundeskanzler selbst zur Notwendigkeit geistiger Führung in Europa bekannt hat. Dazu stehen wir. Wir sind dafür. Wir sind auch dafür, daß wir neben Eureka die Technologiegemeinschaft Europa finden, daß wir die Normen beseitigen, die die technologische Zusammenarbeit behindern, daß wir die Praxis national orientierter Bestellungen aufgeben, um europäisch orientiert zu bestellen. Wenn die Regierungskonferenz beginnt, werden Sie erleben, daß es die Bundesrepublik Deutschland ist, die die weitestgehenden Vorschläge macht,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Darüber gibt es keinen Streit!)

    für die Technologiegemeinschaft, für die Herstellung eines gemeinsamen Marktes, für die Berücksichtigung der Rechte des Europäischen Parlaments, für die Entscheidungsfähigkeit des Ministerrats.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, unterstützen Sie das! Da können Sie unserer Politik Gewicht verleihen. Aber reden Sie sich doch nicht selbst ein, daß diese Regierung ihre Führungsaufgabe und Verantwortung in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit nicht wahrnehme.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist leider so!)

    Wir tun das nicht, weil wir andere belehren wollen, sondern weil wir als ein Land im Herzen Europas ein elementares Interesse daran haben, daß der Prozeß der Einigung der Demokraten Europas vorangeht,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Richtig!)

    aber daß das nicht darauf beschränkt bleibt,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Richtig!)

    sondern daß wir den Blick nach Osten werfen,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Richtig!)

    Wir wissen, daß jeder Fortschritt im deutsch-deutschen Verhältnis voraussetzt, daß es in eine WestOst-Annäherung in ihrer Gesamtheit eingebettet ist.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Richtig, aber dann keine Grenzdiskussion und Destabilisierung!)

    Das kann man nur als verläßlicher Partner im Bündnis und als verläßlicher Partner in der Europäischen Gemeinschaft machen.
    Da stehen wir vor einem Ereignis, das der Erörterung bedarf, wo die Beiträge aller Seiten des Hauses erforderlich sind. Ich meine das Kulturforum im Oktober in Budapest. Wenn dieses europäische Kulturforum im Rahmen der KSZE stattfindet, wenn wir dort über Fragen europäischer Kulturpolitik sprechen, wenn wir dort Schritte tun, um die europäische Identität unserer gemeinsamen Kultur in Vielfalt bewußter zu machen, ist das ein Beitrag, der keine Vertrags- und Bündnisverpflichtungen verletzt, der aber doch etwas bedeutet: mehr Europa und Europäisierung unserer Interessen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Hier sind unsere Beiträge gefordert.


    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Richtig! Wen schicken Sie denn?)

    — Sie können sich darauf verlassen, daß wir eine Delegation schicken, die nicht nur der politischen Kultur dieses Landes,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Und nicht nur der Bürokraten!)

    sondern auch der Kultur in anderen Bereichen Ehre macht, Herr Kollege Ehmke. Wir sind da für jede Anregung dankbar.
    Wir werden es sein, die dort mit konstruktiven Vorschlägen kommen. Wir werden dort alle Partner bitten, daß wir uns darauf verständigen, daß jedes Land das Recht hat, in jedem anderen Land ein



    Bundesminister Genscher
    Kulturinstitut einzurichten. Denn wir wissen doch auch, daß der Frieden immer zuerst dadurch gefährdet wurde, daß man Gefühle des Hasses gegen andere Völker erzeugt hat.

    (Ströbele [GRÜNE]: Sagen Sie das einmal Herrn Reagan!)

    Gefühle des Hasses gegen andere Völker hat man erzeugt, indem man ihre kulturelle Leistung herabgesetzt hat. Deshalb ist die Stärkung des Bewußtseins der kulturellen Identität in Europa ein wichtiger Bestandteil wirklicher europäischer Friedenspolitik.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Was ich hier über die europäischen Grenzen hinaus sage, möchte ich auch über das deutsch-deutsche Verhältnis sagen. Aber bevor ich dazu komme, lassen Sie mich noch ein Wort zu einem Thema sagen, das wir nicht verlieren wollen, nämlich über das Menschenrechtsforum in Ottawa, weil es in den kulturellen Bereich hinüberführt.
    In Ottawa hat die ungarische Delegation zur Frage der Minderheiten ein Wort gesagt. Ich zitiere aus Notizen unseres Delegationsleiters. Die ungarische Delegation hat dort gesagt:
    Ungarn betrachtet die Minderheiten als Brücke zwischen Ungarn und den Nachbarstaaten, um gemeinsam ihr kulturelles Erbe zu pflegen. Ungarn weist Nationalismus und Vorurteile ebenso zurück wie die zwangsweise Assimilierung von Minderheiten.
    Ich glaube, das ist ein Grundsatz, dem wir alle zustimmen können. Wir sollten hier alle Unterzeichnerstaaten des Warschauer Paktes ermahnen, daß sie sich das zu Herzen nehmen, was die ungarische Delegation dort gesagt hat und was — das wissen wir — in Ungarn auch praktiziert wird.

    (Ströbele [GRÜNE]: Das müssen Sie sich selber und den westeuropäischen Staaten sagen!)

    Die kulturelle Zusammenarbeit zwischen West und Ost kann auch ein wichtiger Beitrag zur Stärkung europäischer Identität, auch europäischen Selbstbewußtseins sein. Ich finde, daß die kulturelle Zusammenarbeit auch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR eine wichtige Aufgabe für unsere eigene nationale Identität hat. Wir erleben ja in diesen Jahren verschiedene Jubiläen; wir haben das Luther-Jahr, das Bach-Jahr, das Händel-Jahr.

    (Ströbele [GRÜNE]: Das Befreiungs-Jahr!)

    Es hat manche Stimmen bei uns gegeben, die besorgt waren, da könne sich die DDR sozusagen eines Teiles unserer Geschichte bemächtigen, vielleicht sogar mit dem Anspruch, die besseren Teile der deutschen Geschichte fortzusetzen. Ich finde, wir brauchen einen solchen Wettbewerb nicht zu scheuen. Wir sollten ihn aufnehmen. Könnte es eigentlich einen besseren Beitrag der Bundesrepublik Deutschland und der DDR geben, als daß jeder aus seiner Sicht, aber doch für uns alle, die deutsche Geschichte aufarbeitet? So können wir uns der gemeinsamen Kultur bewußt werden, aus der sich auch eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft, auch eine gemeinsame Friedensverantwortung, ergibt.
    Meine Damen und Herren, wenn wir um die Aufarbeitung der deutschen Geschichte bemüht sind, müssen wir uns auch einem Thema zuwenden, das nicht unmittelbar in die Zuständigkeit des Hohen Hauses und in unsere Zuständigkeit fällt. Ich meine das, was über die deutsche Geschichte in unseren Schulen gesagt und gelehrt wird. Ich denke schon, daß es wichtig ist, daß die Aufarbeitung der deutschen Geschichte als Thema in unseren Schulen ein stärkeres Gewicht erhält, die Aufarbeitung unserer deutschen Geschichte unter dem Gesichtspunkt auch unserer demokratischen Traditionen und der Gefahren für demokratische Traditionen. Alles das halte ich für wichtig. Für unseren demokratischen Staat in Deutschland würde aus dem Wettbewerb um die Geschichte und um die gemeinsame Kultur nur dann eine Gefahr entstehen können, wenn wir uns selbst diesem Wettbewerb versagen würden.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr gut!)

    Er ist eine Chance für uns alle, wenn wir ihn aufnehmen, und das sollten wir dann auch mit großer Überzeugung tun.
    Da werden wir hier, Herr Kollege Ehmke, erfolgreicher sein können, und wir werden hier auch für gemeinsame Ziele in der Politik mehr erreichen können, wenn wir die Außenpolitik zwar nicht aus der Debatte aussparen, diese Debatte aber sachlich führen. Da sollten Sie wirklich das, was Sie hier heute gesagt haben, noch einmal an dem messen,

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    was der Bundeskanzler hier zur Sache gesagt hat. Auch die Frau Kollegin Fuchs möchte ich darum bitten, daß sie im Interesse der Hygiene unseres Parlamentslebens doch noch einmal überprüft, ob sie eigentlich zu dem stehen kann, was sie hier gesagt hat, nämlich daß wir Massenarbeitslosigkeit in Kauf nehmen.
    Ich habe es bisher für einen Konsens gehalten, daß wir Arbeitslosigkeit gemeinsam bekämpfen wollen.

    (Zander [SPD]: Gemeinsam?)

    Meine Kollegen, wenn wir unterschiedliche Auffassungen über die Strategien haben, wollen wir darüber sachlich streiten, aber niemand sollte dem anderen die Absicht bestreiten, diese Massenarbeitslosigkeit nach seinen Überzeugungen — mit dem, was er für richtig hält — bekämpfen zu wollen.

    (Zander [SPD]: Sie lehnen doch das Gespräch mit der Opposition darüber ab!)

    Deshalb werde ich nicht sagen, Ihre anderen Auffassungen, die Sie dazu haben, seien Ausdruck des Nichtwollens, sondern ich sage: Ihre anderen Auffassungen führen in die falsche Richtung. Darüber haben wir früher diskutiert, und das ist auch der Grund dafür, daß unsere Wege sich geschieden ha-



    Bundesminister Genscher
    ben. Aber, meine Kollegen, wir werden erfolgreicher sein können,

    (Horn [SPD]: Gegen Helmut Schmidt, mit Helmut Kohl!)

    wenn wir uns gegenseitig weder die Friedensfähigkeit nach innen und nach außen noch den Willen, unseren sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen, bestreiten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich möchte Sie darum bitten, daß Sie mit uns in eine Sachdiskussion darüber eintreten.
    Da sage ich Ihnen ganz offen: Da wird der Wettstreit über die Ziele zu führen sein, über die Gestaltung der Zukunft, über das, was geistige Führung ist,

    (Horn [SPD]: Kohl ist geistige Führung!)

    über das, was mehr Freiheit oder weniger Freiheit bedeutet, über das, was Entmassung oder Vermassung bedeutet,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Sie sind ein geistiger Verführer!)

    über das, was Einschränkung oder Erweiterung persönlicher Freiheitsräume bedeutet.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, Sie haben gewaltige Töne gegen unsere Vorstellungen zur Steuersenkung losgelassen. Das ist für uns nicht nur eine konjunkturpolitische Frage, das ist für uns nicht nur eine Frage der Entlastung aus ökonomischen Gründen;

    (Zander [SPD]: Entlastung der Besserverdienenden!)

    die Frage ist für uns, wieviel jedem einzelnen Bürger von dem, was er erarbeitet hat, für seine eigene Gestaltung zur Verfügung steht.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wer hat denn hier noch Arbeit? Zurufe von der SPD)

    Für uns ist das zutiefst eine Freiheitsfrage. Je mehr Sie den Bürger mit Steuern und Abgaben belasten, um so mehr schränken Sie seine Freiheit ein.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Sind Arbeitslose auch Bürger?)

    Je mehr Sie ihn entlasten, um so mehr werden Sie seine Kreativität anregen. Nur die Kreativität aller wird es uns ermöglichen, auch für diejenigen den Arbeitsplatz zu schaffen, die heute noch auf diesen Arbeitsplatz warten müssen. Wenn wir dann realistische Zahlen für die Möglichkeiten des Abbaus der Arbeitslosigkeit nennen, dann sagen Sie bitte nicht, wir nähmen Arbeitslosigkeit in Kauf, sondern erkennen Sie an, daß hier eine Regierung im Amt ist, die wichtige volkswirtschaftliche Ziele schon erreicht hat und die nicht unhaltbare Versprechungen im Hinblick auf das letzte Ziel macht, das uns alle zutiefst bedrückt, nämlich für jeden, der arbeiten kann, einen Arbeitsplatz zu schaffen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn wir die Debatte so führen, kann die Haushaltsdebatte eine wirklich bereichernde Stunde für
    unsere ganze politische Debatte sein. Wenn wir uns gegenseitig den Willen, das Beste zu wollen, bestreiten, vergiften wir die Atmosphäre. Meine Kolleginnen und Kollegen, eine freiheitliche Demokratie lebt von der gegenseitigen Achtung; diese wollen wir uns gegenseitig nicht bestreiten. Die freiheitliche Demokratie lebt auch davon, daß man die Grundsatzpositionen deutlich macht. Dazu sage ich Ihnen für uns ganz klar dies. Unsere Grundsatzposition heißt: mehr Freiheit, mehr personale Verantwortung, weil das auch menschlicher in unserer Gesellschaft ist.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP sowie Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

(Zander [SPD]: Was? Das darf doch nicht wahr sein! — Seiters [CDU/CSU]: Eure chaotische Debattenführung ist doch lächerlich!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schulde Ihnen zunächst eine Erklärung dafür, daß ich mich als Bundesminister der Verteidigung sofort im Anschluß an meinen Kollegen Genscher melde. Ich hatte das nicht vor. Am heutigen Nachmittag war, wie Sie wissen, eine außen- und verteidigungspolitische Debatte vorgesehen. Nun aber wird uns zu unserer Überraschung mitgeteilt, daß die SPD nicht die Absicht habe, hier die Verteidigungspolitik anzusprechen; jetzt solle ein Sozialpolitiker sprechen, und anschließend solle wieder über Verteidigungspolitik durch die Koalitionsfraktionen diskutiert werden.

    (Seiters [CDU/CSU] [zur SPD]: Chaotisch geht das bei euch zu!)

    Bei dieser Lage habe ich als Bundesminister der Verteidigung keine andere Möglichkeit als die, jetzt auf die verteidigungspolitischen Teile der Rede des Kollegen Ehmke einzugehen. Ich bitte im Verständnis, meine Damen und Herren, daß ich so verfahre. Mein Eindruck ist der, daß die Debattenführung der SPD ähnlich chaotisch ist wie ihre Haushalts- und Finanzlage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zander [SPD]: Sie wollen die gute Fernsehzeit! Das ist der Grund! — Weiterer Zuruf von der SPD: Unverschämt! — Gegenrufe von der CDU/CSU: Wir wollen sehen, ob ihr antwortet! — Drückeberger!)

    Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Ehmke hat hier einige seiner Vorstellungen vorgetragen, die wir zur Genüge kennen. Zu Herrn Ehmke gehört ein gutes Stück Polemik. Das nehmen wir auch nicht übel. Ich sage aber noch einmal: Was Sie eben geboten haben, war selbst unter Ihrem sonstigen Niveau und dem Niveau einer Debatte über Grundsatzfragen der Außen- und Verteidigungspolitik nicht angemessen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Wörner
    Das fängt damit an, daß Herr Ehmke in der ihm eigenen Art bedauert, daß die deutsche Regierung nicht den nötigen Respekt im Ausland genieße. Er fährt dann fort, wir hätten nur Wahlinteressen und nicht die nationalen Interessen im Sinn. Meine Damen und Herren, das sagt ein Mann, der heute eine Sicherheitspolitik vertritt, die genau im Gegensatz zu dem steht, was er vertreten hat, als er noch Kabinettsmitglied unter vorangegangenen Regierungen war. Ich kann nur sagen: Als wir anfingen, war die deutsche Sicherheitspolitik nicht wegen Helmut Schmidt handlungsunfähig, sondern wegen jener in der SPD, die schon damals Helmut Schmidt gehindert haben, eine richtige Sicherheitspolitik in der Bundesrepublik Deutschland durchzusetzen. Wir waren handlungsunfähig. Es gab Fragen im Ausland an deutsche Politiker, nicht nur an Politiker der Koalition, nicht nur an mich, sondern an alle von uns: Wohin geht der Weg der Deutschen? Das war der Schluß der Regierungszeit der SPD. Meine Damen und Herren, heute fragt keiner mehr — weder in Amerika noch in Frankreich noch in Großbritannien —: Wohin geht der Weg der Deutschen? Heute ist der Weg der Deutschen klar. Wir sind sicherheitspolitisch wieder handlungsfähig. Das ist das entscheidende Verdienst der Regierung der CDU/CSU und der FDP, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unter Ihnen war es fraglich, ob der Doppelbeschluß durchgesetzt werden konnte. Unsere Position im Bündnis war erschüttert.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie haben die Bundeswehr erschüttert!)

    Heute ist der Doppelbeschluß durchgesetzt. Das Bündnis ist gefestigt, und unsere Position im Bündnis ist glasklar. Und dann spricht der Herr Ehmke von der Wahrnehmung deutscher Interessen. Meine Damen und Herren, da kann ich nur sagen: Diese Regierung hat hier keinen Nachholbedarf. Aber wer deutsche Interessen vertreten will — das erste Interesse ist Frieden und Freiheit —, der muß wissen, daß er Frieden und Freiheit nur erhalten kann, solange die Bundeswehr einsatzfähig ist und solange das Bündnis intakt ist, meine Damen und Herren. Das ist der entscheidende Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann fragen Sie nach der Wende. Hier hat es die entscheidende Wende in der deutschen Politik gegeben, eine Wende in der Sicherheit der Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

    (Horn [SPD]: Noch nie ist unsere Bundeswehr so gedemütigt worden!)

    Als wir anfingen, hatten hier in der Bundesrepublik Deutschland die lautstarken Minderheiten auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik das Sagen. Da konnte man die Bundeswehr nur noch zeigen, wenn das zugelassen wurde. Heute, meine Damen und Herren, ist die Zeit vorbei, in der lautstarke Minderheiten darüber entscheiden, ob die Bundeswehr in der Öffentlichkeit gezeigt werden kann oder nicht. Heute hat sich die Zahl der öffentlichen Gelöbnisse verdreifacht. Diese Regierung
    steht zu den Soldaten, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Das ist ebenfalls ein entscheidender Wechsel.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Als wir antraten, gab es keine verbindliche Planung für die Bundeswehr mehr. Heute hat die Bundeswehr eine verbindliche Planung auf über ein Jahrzehnt, eine sichere Perspektive. Hier haben wir einen Wandel, und zwar einen Wandel zum Besseren.
    Ich möchte ein weiteres Thema aufgreifen, das der Herr Kollege Ehmke hier aufgegriffen hat, nämlich das Thema chemische Waffen. Zunächst einmal hat er auch hier den Eindruck erweckt, als ob die SPD ein Interesse daran habe, daß chemische Waffen aus der Bundesrepublik Deutschland verschwinden. Er hat uns damit unterstellt, daß wir den Schaden vom deutschen Volk nicht wenden wollten, und er hat uns indirekt unterstellt, wir seien etwa für chemische Waffen, wenn nicht gar für deren Anwendung. Meine Damen und Herren, ich finde das wirklich unter jedem Niveau und geradezu schamlos. Herr Ehmke, ich sage Ihnen: Sie müßten genauso gut wissen wie wir, es gibt keine Partei, die seit Jahrzehnten so energisch wie die CDU/CSU darauf aus ist, chemische Waffen aus dieser Welt überhaupt verschwinden zu lassen, und sich für ein nachprüfbares Verbot nicht nur des Besitzes, sondern auch der Produktion chemischer Waffen einsetzt.

    (Ströbele [GRÜNE]: Aber sie sind doch hier in Deutschland!)

    Diese Bundesregierung unter Führung des Bundeskanzlers Helmut Kohl hat — international wie auch national — diese Position pausenlos vertreten. Wir sind es, die in Genf Vorschläge eingebracht haben, wie man die Verifizierung, wie man die Nachprüfbarkeit dieses Verbots chemischer Waffen bewerkstelligen kann. Darum finde ich es unredlich, wenn Sie so tun, als ob die einen für und die anderen gegen chemische Waffen seien.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weg mit chemischen Waffen, allerdings auf der ganzen Welt, meine Damen und Herren!
    Damit sind wir bei einem interessanten Punkt. Der Herr Kollege Ehmke — das hat er auch noch bei einem anderen Punkt gemacht, ich komme darauf noch zurück — spricht hier mit Stentorstimme, beschwört die Moral

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie können die Moral nicht mehr beschwören!)

    und verliert keinen Ton darüber, daß die Amerikaner im Jahre 1969 einseitig auf die Produktion chemischer Waffen verzichtet haben, nunmehr 16 Jahre lang. Es gibt in unserem Volk viele, es gibt sie bei den GRÜNEN, es gibt sie bei der SPD, die sagen: Macht doch Vorleistungen,

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    und wenn ihr die Vorleistungen macht, dann werden die Sowjets schon nachziehen. Hier ist eine ent-



    Bundesminister Dr. Wörner
    scheidende Vorleistung gemacht worden: 16 Jahre lang haben die Amerikaner auf die Produktion chemischer Waffen verzichtet.

    (Ströbele [GRÜNE]: Sie liegen doch hier in Kaiserslautern! — Zuruf von den GRÜNEN: Was war mit Napalm in Vietnam?)

    Und was haben die Sowjets gemacht? Die Sowjets haben chemische Waffen ununterbrochen weiter produziert und unterhalten heute weit über eine halbe Million Tonnen chemischer Waffen. Herr Ehmke redet von chemischen Waffen, wendet sich an unsere Adresse und verliert kein Wort darüber, daß die Sowjetunion 16 Jahre lang Zeit gehabt hätte, die einseitige Vorleistung der Amerikaner zu honorieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dann ist doch die Frage: Was tun? Wenn wir es schon nicht fertigbringen, wie wir es wollen, chemische Waffen aus der Welt zu verbannen

    (Ströbele [GRÜNE]: Dann schaffen wir sie selber an!)

    — die Bundesrepublik Deutschland hat aus freien Stücken als erster Staat der ganzen Welt nicht nur auf die Produktion, auf den Besitz, auf die Verfügung über chemische Waffen verzichtet —,

    (Ströbele [GRÜNE]: Aber nicht auf die Lagerung!)

    dann muß es der nächste Versuch sein, zu verhindern, daß chemische Waffen jemals eingesetzt werden. Das heißt, solange Sie die Sowjets nicht zwingen können, auf chemische Waffen zu verzichten, müssen Sie dafür sorgen, daß das Risiko für sie zu hoch wird, chemische Waffen einzusetzen. Daher unterhält der Westen noch ein gewisses Potential — übrigens ein ganz geringes Potential — an chemischen Waffen,

    (Ströbele [GRÜNE]: „Der Westen"! Hier in Deutschland, in der Bundesrepublik!)

    um die Anwendung chemischer Waffen in einem Konflikt unmöglich zu machen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Der Ehmke ist schon wieder in Moskau!)