Rede:
ID1015304500

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    Plenarprotokoll 10/153 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 153. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Paintner als Schriftführer 11447 A Wahl des Abg. Dr. Rumpf zum Schriftführer 11447A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksache 10/3700 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksache 10/3701 — Dr. Vogel SPD 11447 B Dr. Waigel CDU/CSU 11458 A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11467C Mischnick FDP 11471 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 11477 D Frau Fuchs (Köln) SPD 11490A Handlos fraktionslos 11496 D Rühe CDU/CSU 11498 C Lange GRÜNE 11503 D Schäfer (Mainz) FDP 11506C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11509C Genscher, Bundesminister AA 11514 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 11519C Dreßler SPD 11525C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 11530C Volmer GRÜNE 11532 D Frau Seiler-Albring FDP 11534B Horn SPD 11536A Wimmer (Neuss) CDU/CSU 11540 B Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 11541D Vizepräsident Stücklen 11509C Nächste Sitzung 11542C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11542* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 11447 153. Sitzung Bonn, den 5. September 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Dr. Götz 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hupka 5. 9. Dr. Kreile 5. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Niegel 6. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Poss 5. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schlottmann * 5. 9. Schmidt (Hamburg) 6. 9. Schmidt (Wattenscheid) 6. 9. Schröer (Mülheim) 5. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wolfgramm (Göttingen) ** 6. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Franz Handlos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil heute vormittag hier im Parlament wieder einmal Schwarzweißmalerei betrieben worden ist und man als Zuhörer — ich bin den ganzen Vormittag im Haus gewesen — den Eindruck hat, alles, was die Regierungsparteien sagen, sei — so erklärt die Opposition — großer Unfug, und wenn dann die Opposition Vorschläge macht, sagen die Regierungsparteien das gleiche. Die Wahrheit liegt häufig in der Mitte, meine verehrten Kollegen, und die Bevölkerung will keine Schwarzweißmalerei, sondern Sachbeiträge. Daran will ich mich in der kurzen Redezeit, die mir zur Verfügung steht, halten. Außerdem sagten heute einige Kollegen, sie wollten wieder einmal einen fraktionslosen Abgeordneten sprechen hören, und diesem Wunsch will ich natürlich hier Rechnung tragen.
    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, Stellung nehmen möchte ich zu einigen Punkten, die heute vormittag zur Sprache gekommen sind, nämlich einmal zur Wirtschaftspolitik — hier insbesondere zum Verdrängungswettbewerb in der mittelständischen Wirtschaft —, dann zur sozialen Indikation — Abtreibung auf Krankenschein — und nicht zuletzt, falls mir dazu die Zeit reicht, zum Verhältnis zur DDR. Mit der Freiheitlichen Volkspartei vertrete ich Positionen, die die Union zum Teil ver-



    Handlos
    trat, als sie in der Opposition war. In der Zwischenzeit ist viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen.
    Der Herr Bundeskanzler sagte heute, die Wirtschaftspolitik sei in Ordnung. Jawohl, ich hoffe, das wird auf Dauer so sein. Ich hoffe dies im Interesse aller Bürger. Aber, Herr Bundeskanzler, es gibt auch Anzeichen, die darauf hindeuten, daß wir Ende 1986/Anfang 1987 in eine neue Rezession hineinschlittern, die dann zum Teil nicht nur international bedingt sein wird, sondern hausgemacht sein dürfte. Warum? Der Verdrängungswettbewerb des Mittelstandes zugunsten der Großkonzerne nimmt immer stärker zu. Was bedeutet das in der Praxis? Das bedeutet weniger Steuereinnahmen, weniger Sozialabgaben und mehr Arbeitslose. Wenn Sie bedenken, daß 65% des Nahrungsmittelumsatzes in der Bundesrepublik Deutschland bereits in der Hand von fünf Großkonzernen sind, können Sie sich vorstellen, wie diese Entwicklung weitergeht.
    Ich stelle hier einen modellhaften Vergleich zwischen einem Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz und 100 Einzelhandelsgeschäften mit jeweils 1 Million DM Umsatz an. Bitte hören Sie genau zu, weil das wirklich interessant ist. Der Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz im Jahr stellt 300 Arbeitsplätze zur Verfügung. Die 100 Einzelhandelsgeschäfte mit jeweils 1 Million DM Umsatz beschäftigen 750 Arbeitskräfte. Im Bereich der Ausbildungsplätze ergibt sich ein Verhältnis von 32 zu 102 Ausbildungsplätzen. Zum Steueraufkommen: Ein Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz erwirtschaftet ein Gewerbesteueraufkommen von 380 000 DM. Die 100 Einzelhandelsbetriebe mit jeweils 1 Million DM Umsatz zahlen hingegen 600 000 DM. Im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer sind es 940 000 DM gegenüber 2 350 000 DM. Insgesamt bedeutet das: Ein Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz erwirtschaftet ein Steueraufkommen von 1 320 000 DM. Die 100 Einzelhandelsgeschäfte mit einem Umsatz von jeweils 1 Million DM erwirtschaften Steuern in Höhe von 2 950 000 DM. An Sozialversicherungsbeiträgen — gesetzliche Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung — zahlt ein solcher Supermarkt 2 120 000 DM. Die 100 Einzelbetriebe zahlen 5 303 000 DM. Das sind einige Zahlen — sie sind nicht anzuzweifeln —, die die gesamte Misere erkennen lassen, wenn dieser Konzentrationsprozeß so weitergeführt wird und wenn immer mehr Mittelstandsbetriebe ruiniert werden; dann werden schließlich auch immer mehr Arbeitslose erzeugt.
    Zum Schluß kauft der Arbeiter nicht billiger ein. Eine Supermarktkette frißt dann die andere, und die letzte Supermarktkette bestimmt die Preise, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen. Die Zahl der Arbeitslosen wird größer. Der Arbeitnehmer kauft im Endeffekt nicht billiger, sondern zahlt mit erhöhten Steuern und Abgaben. Es erfolgt eine Zerstörung der Ortskerne, und niemand kümmert sich dann um alte Menschen. Dies wollte ich hier einmal zum Ausdruck bringen. Wir von der Freiheitlichen Volkspartei sind der Auffassung, daß der
    Herr Bundeskanzler nicht nur mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Wie heißt die Partei?)

    — Herr Kollege Waigel, ich gebe Ihnen hernach ein Privatissimum in dieser Frage — sprechen sollte, sondern auch mit dem Mittelstand, weil gerade der Mittelstand die Steuern und Abgaben erwirtschaftet — nicht die Großkonzerne. Was in jedem Fall verboten werden muß und worüber hier das Parlament entscheiden kann, ist der Verkauf unter Einstandspreisen, der den Einzelhandel ruiniert.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Wie soll das gehen?)

    Wir fordern Zinsverbilligungsprogramme und Umschuldungsprogramme für Handel, Handwerk, Mittelstand, Fremdenverkehr und Kleinlandwirte, weil nur auf diese Art und Weise eine gesunde Struktur aufrechterhalten werden kann.

    (Beifall des Abg. Kühbacher [SPD])

    — Ich bedanke mich für den Applaus der Opposition und möchte hier nur sagen: Wer heute nicht hören will und heute nicht sehen will, dem wird morgen womöglich Hören und Sehen vergehen. Dies zum Thema der Konzentration. Es gäbe dazu noch eine Menge zu sagen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur Frage der sozialen Indikation bzw. der Abtreibung auf Krankenschein machen. Das ist j a ein Thema, das allgemeines Interesse erweckt. Da gibt es den bayerischen Ministerpräsidenten Strauß in München. Er geht häufig zum Bundesverfassungsgericht, und zwar, wie ich hinzufügen muß, zum Teil auch mit Erfolg. Ich frage mich, warum er das nicht in der Frage der Abtreibung auf Krankenschein tut. Herr Strauß in München sagt, dafür sei er nicht zuständig; das sei Sache der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Bundesregierung. Die Fraktion sagt, sie könne hier nicht handeln, weil die FDP der Bremser sei. Herr Mischnick hat heute in der Debatte ja gesagt: Mit uns gibt es keine Änderung des § 218. Also hat man sich den Ministerpräsidenten Vogel in RheinlandPfalz auserkoren, sozusagen als Minenhund beim Bundesverfassungsgericht anzutreten. Herr Vogel hat dies ebenfalls abgelehnt. Der Schwarze Peter wurde wieder nach Bonn zurückgegeben. Herr Dregger der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, hat gestern laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zu Recht gesagt, hier handle es sich um eine Existenzfrage der — ich betone die Worte — ChristlichSozialen Union und der Christlich-Demokratischen Union. Dem kann man nur zustimmen. Vielleicht findet sich doch noch ein Ministerpräsident eines Bundeslandes, das von der CDU/CSU regiert wird, um vor dem Bundesverfassungsgericht hier eine Klärung herbeizuführen.
    Ich bin der Auffassung, es geht nicht, daß der deutsche Beitragszahler für die Abtreibung im Jahr 300 Millionen DM bezahlt. Ob er nun gefragt wird oder nicht, spielt keine Rolle. Die Arbeitgeber zahlen dazu noch einmal 50 Millionen DM. Wir von der



    Handlos
    — ich betone das Wort erneut, Herr Kollege Waigel, damit es ein bißchen ins Ohr geht — Freiheitlichen Volkspartei

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    sind im Rahmen der medizinischen Indikation für den Schutz allen Lebens. Das ist bei uns eine sehr klare Position.
    Wenn es mir der Herr Präsident gestattet, möchte ich am Schluß nur noch ein paar Bemerkungen zum Verhältnis zur DDR machen. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich sage: Ich finde es von FranzJosef Strauß politisch geschmacklos, wenn er in diesen Tagen Herrn Honecker die Hand schüttelt zu einem Zeitpunkt, da wir den größten Spionageskandal haben, lächelnd neben ihm steht und dann auch noch dazusagt, 90 % der Aufklärungsergebnisse unserer Nachrichtendienste seien — im übertragenen Sinn — Unfug.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dazu kann ich nur sagen: Wo ist denn der Unfug beim Milliardenkredit von Herrn Strauß? Meine Damen und Herren, was ist denn dabei herausgekommen? Nichts! Herr Honecker hat zwar das Geld genommen, aber er ist nicht käuflich. Das ist der ganz entscheidende Unterschied. Wir sollten nicht vergessen, daß nach wie vor für Hunderte von Millionen DM Häftlinge aus der DDR freigekauft werden. Ich sage: sie müssen auch freigekauft werden. Ich stehe dazu, weil es in solchen Fällen wirklich zu menschlich tragischen Situationen kommt.
    Ich sagte: Honecker nimmt das Geld, aber er ist nicht käuflich. Gestern und heute wurde gesagt, die Selbstschußanlagen seien abgebaut worden. Jawohl, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, daß die Sperranlagen weiter hinten noch viel undurchlässiger geworden sind, als das bisher der Fall war.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Es wurde gesagt, es seien 35 000 Personen — darunter zum Teil Rentner — herübergekommen. Das ist die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, daß es zum großen Teil Rentner sind, die unsere Rentenkassen maßlos belasten. Ich sage dazu: Es sind Deutsche wie wir auch. Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen. Ich habe mich mit einer Rentnerin unterhalten, die aus der DDR kam. Sie hat dort drüben 360 Mark (Ost) Rente bekommen; hier bekommt sie 2 200 Mark (West) Rente, weil ihr alle Versicherungsleistungen von drüben angerechnet werden. Umgekehrt gibt es bei uns Arbeiter, die 40 Jahre in das Sozialversicherungssystem eingezahlt haben, erwerbslos sind, weil sie berufsunfähig sind. Diese müssen vor den Sozialgerichten streiten, damit sie die Rente bekommen. Das ist die Ungerechtigkeit an dieser Entwicklung, meine Damen und Herren. Das will ich hier einmal ganz deutlich sagen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Ich muß zum Schluß kommen. Ich sage noch einmal: Es sind Deutsche wie wir auch. Wir benötigen im Verhältnis zur DDR eine Politik des langen Atems. Es ist sehr gut, daß der Jugendaustausch wieder forciert wurde. Es ist zu überlegen, warum
    nicht Städtepartnerschaften mit der DDR eingegangen werden. Ich rege ein gemeinsames Rundfunk- und Fernsehprogramm an. Das sind Schritte auf dem Weg nach vorn. Es genügt nicht allein, zum 17. Juni Gedenkfeiern abzuhalten und hier im Parlament ab und zu zur Lage der Nation zu sprechen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, 40 Jahre Trennung sind in der Geschichte der Völker nur ein Augenblick. Nur wenn wir in diesem Parlament die Wiedervereinigung aufgeben, ist sie aufgegeben. Deswegen müssen wir — wir alle miteinander, über die Parteigrenzen hinweg — alles tun, damit die Wiedervereinigung ein entscheidender Punkt in unserer Politik bleibt.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall des Abg. Kühbacher [SPD] — Zuruf von der CDU/CSU: Beifall von links!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rühe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich für die Fraktion am Beginn der außenpolitischen Debatte ein herzliches Wort des Glückwunsches für unseren Kollegen Dr. Stavenhagen für seine neue Aufgabe als Staatsminister im Auswärtigen Amt sagen und ihm alles Gute für die Tätigkeit dort wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    — Der verdiente Beifall der sozialdemokratischen Kollegen, die den Kollegen Stavenhagen kennen, kann auch den Europapolitikern der SPD in Brüssel übermittelt werden, die Herrn Dr. Stavenhagen sehr schnell auch als Europapolitiker im Auswärtigen Amt kennenlernen werden. Ich bin sicher, daß hier nicht nur frische Kraft aus der Fraktion — das tut der Regierung auch mal gut —, sondern neue Kompetenz und damit zusätzlicher Dampf in die Europapolitik der Bundesregierung gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die SPD hat sich ein bißchen schwergetan, an der außenpolitischen Debatte heute nachmittag festzuhalten. Es kamen immer wieder Emissäre, die gesagt haben: Muß das denn sein? Das kontrastiert auffallend mit den Pressekonferenzen, wo vollmundig die Außenpolitik der Bundesregierung angegriffen wird, und deswegen kann ich nur sagen: Wir wollen, daß hier heute über die Außenpolitik gesprochen wird, und wir wollen vor allen Dingen auch die Sozialdemokraten in dieser Debatte stellen, da es nicht länger hingenommen werden kann, daß Sie versuchen, Herr Ehmke, Ihre eigene Zerrissenheit durch polemische Attacken zu überdecken.
    Mit Ihrer Distanzierung von der Sicherheitspolitik Ihres früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, die allgemein konsensfähig war, begibt sich die SPD immer mehr ins politische Abseits und gerät im Westen in die politische Isolierung. Das sind Entwicklungen, die schon länger anhalten, aber es gibt neue, besorgniserregende Entwicklungen, und ich möchte die Gelegenheit hier im Plenum des Deutschen Bundestages nutzen, um zwei



    Rühe
    Fragen an die Sozialdemokraten zu stellen. Ich tue das hier, weil dies der Ort ist, wo wahrheitsgemäß auf Fragen geantwortet werden sollte.
    Ich stelle erstens die Frage: Trifft es zu, daß die Kommission für Sicherheitspolitik beim Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie beschlossen hat, daß die Wehrpflicht in diesem Lande auf acht bis neun Monate herabgesetzt werden soll, mit dem Ergebnis, daß dieses Land wehrunfähig, wehrlos würde, und auch mit dem Ergebnis eines völligen Bruchs der Bündnisverpflichtungen?
    Ich stelle zweitens die Frage, Herr Ehmke: Trifft es zu, daß dieselbe Kommission beim Parteivorstand der SPD den vollständigen Abzug aller amerikanischen Soldaten bis auf ein symbolisches Kontingent in West-Berlin im Laufe der nächsten 20 Jahre beschlossen hat?

    (Ströbele [GRÜNE]: Das wäre doch sehr vernünftig! — Zuruf von der CDU/CSU: Das paßt zusammen!)

    — „Das wäre sehr vernünftig", kommt von den GRÜNEN. Wir erwarten im Interesse der vielen Hunderttausenden Mitglieder der SPD, der früheren Wähler der SPD, vor allem aber auch der Bürger in unserem Lande eine klare Antwort auf diese Frage, weil das der totale Bruch mit der Sicherheitspolitik dieses Landes wäre und dann niemand mehr, Herr Vogel, das Recht hätte zu sagen, er sei im Prinzip für den Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik, wenn solche Pläne in der SPD um sich greifen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie müssen wissen, daß zu einer erfolgreichen Außenpolitik eben Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit, Ausgewogenheit gehört, daß dies die Politik dieser Bundesregierung auszeichnet und daß dies heute noch klarer ist als 1982, wo die deutsche Außenpolitik allein durch den Regierungswechsel vor einem Abdriften ins Unberechenbare bewahrt werden konnte. Daß dieses damals so war, wird angesichts der Entwicklung seit 1982 klarer denn je.

    (Zuruf von der SPD: Das war die Wende!)

    Die gefährliche Entwicklung der Außenpolitik der deutschen Sozialdemokratie wird seit einiger Zeit aber durch ein neues Phänomen der internationalen Parteizusammenarbeit besonders deutlich, was seinesgleichen sucht, nämlich die institutionalisierte Zusammenarbeit der deutschen SPD mit den regierenden kommunistischen Parteien Osteuropas. Unter der Überschrift „zweite Ostpolitik" bemüht sich die SPD auf der Parteischiene, eine eigene Außen- und Sicherheitspolitik an der Bundesregierung vorbei zu betreiben, und diese Umgehungspolitik oder Nebenaußenpolitik der SPD erfreut sich zunehmender und sehr sichtbarer Unterstützung der kommunistischen Führungen.
    Um nun Mißverständnisse zu vermeiden — Herr Vogel, Sie haben das hier heute angesprochen —: Wir stehen für Kontakte mit Osteuropa, wir stehen auch für eine aktive Ostpolitik, und gerade mir können Sie nicht unterstellen, daß ich dagegen wäre. Wir stehen auch für aktive Kontakte, Gespräche,
    Informationsbesuche der Opposition in Osteuropa und Gespräche mit osteuropäischen kommunistischen Parteien. Aber Sie machen etwas ganz anderes. Sie verhandeln, Sie schließen mit den regierenden kommunistischen Parteien dort Abkommen. Ich sage Ihnen: Nennen Sie mir irgendwo weltweit eine demokratische Oppositionspartei, die mit regierenden kommunistischen Parteien Abkommen schließen würde. Das gibt es nicht, und dies ist ein gefährlicher Weg einer Nebenaußenpolitik. Diesen Weg sollten Sie verlassen, wenn Sie Schaden von sich selbst abwenden wollen, vor allen Dingen aber auch Schaden von der deutschen Außenpolitik.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Ein unglaublicher Vorgang!)

    Die Oppositionspartei darf nicht den Anschein erwecken, als könne sie wie eine Regierung handeln, Arbeitsgruppen einsetzen, offizielle Sachverhandlungen mit den regierenden Parteien führen.
    Zu diesen formalen Bedenken kommt natürlich das Inhaltliche; denn wann immer Sie dort Verabredungen treffen, zu Übereinkünften kommen, zeigen sich durchgehend zwei Elemente: eine Distanzierung von der Politik der amerikanischen Regierung — ob das nun SDI ist, ob das Vorschläge der Sowjets oder Vorschläge der Amerikaner sind: in der Regel finden Sie die Vorschläge der Sowjets immer sehr viel besser — und auch eine Abwendung von der gemeinsamen Sicherheitspolitik der NATO. Ich denke hier etwa an die Nachrüstung, auch an die chemischen Waffen.

    (Zuruf von der SPD: Eben haben Sie unter Niveau gesprochen!)

    Wie kritiklos Sie jeden Moratoriumsvorschlag der Sowjetunion unterstützen, das sollte Ihnen doch einmal zu denken geben. Wer sich die Dinge einmal anguckt, dem muß doch auffallen, daß solche Stoppvorschläge oder Moratoriumsvorschläge immer von denen gemacht werden, die sich vorher gerade reichlich bedient haben. Um mit einem Bild zu sprechen: Ich finde es nicht sehr überzeugend, wenn sich jemand in seinem Keller mit Whisky und mit Wodka eindeckt und dann an die Öffentlichkeit geht und sagt, man müsse nun endlich den Verkauf von Alkohol verbieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deswegen ist es töricht, solche Moratoriumsvorschläge kritiklos zu unterstützen, die in der Regel von der Seite kommen, die vorgerüstet hat und die keinen Nachholbedarf hat.

    (Ströbele [GRÜNE]: Wer war das?)

    Was wir brauchen, sind ausgehandelte Lösungen.

    (Zuruf von der SPD: Verhandeln Sie doch mal!)

    — Es wird doch verhandelt.
    Was wir brauchen, ist aber auch eine klare Sprache, die falsche Vorstellungen auch in unserer Öffentlichkeit vermeiden hilft. Wenn Sie sagen, die Sowjets seien unsere Sicherheitspartner und wir hätten eine gemeinsame Sicherheit mit den Sowjets, dann zeichnen Sie hier das Bild einer Idylle,



    Kühe
    die es nicht gibt. Und wer das tut, der leistet einen schlechten Beitrag zu der notwendigen Verteidigungsbereitschaft in diesem Lande.
    Deswegen ist es viel vernünftiger, statt von Sicherheitspartnerschaft und gemeinsamer Sicherheit mit der Sowjetunion zu sprechen, noch deutlich zu sagen, mit wem wir uns vor wem Sicherheit verschaffen. Sicherheitspartner der Bundesrepublik Deutschland — das sind unsere Bündnispartner in der Allianz. Gemeinsame Sicherheit schaffen wir zusammen mit unseren Bündnispartnern. Aber ich stehe nicht an zu sagen, daß dann im nuklearen Zeitalter auf dieser Grundlage gegenseitige Sicherheit zwischen den Bündnissen notwendig ist.
    Aber dies ist eine Sprache, die hilft, falsche Vorstellungen zu vermeiden. Ich meine, daß die deutsche Sozialdemokratie gut beraten wäre, hier einen Beitrag zu leisten, um sich vor dem berechtigten Vorwurf zu schützen, sie betreibe eine Art Politik von moralischem Neutralismus zwischen den Blökken — in der Suche nach einer idyllischen Nische in Europa zwischen den Weltmächten. Das ist eine falsche und gefährliche Politik.
    Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel für die gefährlichen Auswirkungen dieser Nebenaußenpolitik geben: den Vertrag SPD-SED zu den Chemiewaffen. Gegenüber dem derzeitigen Stand der wichtigen Verhandlungen in Genf bedeutet Ihr Abkommen mit der SED einen gewichtigen Rückschritt. Sie wollen zusammen mit den deutschen Kommunisten in der DDR Chemiewaffen nur aus Mitteleuropa heraus verlagern, sie aber im westlichen Teil der Sowjetunion ausdrücklich zubilligen. Wir wollen Chemiewaffen vernichten, und zwar weltweit.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Volmer [GRÜNE]: Das müssen Sie einmal in Washington vortragen!)

    In Ihrem Abkommen steht kein Wort über die Vernichtung der Produktionsstätten von zukünftigen Chemiewaffen. Wir wollen, daß die Produktionsstätten von Chemiewaffen dichtgemacht werden, und zwar kontrollierbar dichtgemacht werden. Auch dahinter bleiben Sie zurück. Hier sind schon wichtige Fortschritte in Genf erreicht worden.
    Ihr Vertragsentwurf widerspricht insbesondere auch westeuropäischen Sicherheitsinteressen,

    (Zuruf von der SPD: Mit Chemiewaffen wollen Sie Sicherheit?)

    nämlich insofern, als Sie sich der sowjetischen Zielsetzung einer Reduzierung des westlichen Engagements in Europa anschließen, dagegen die spezifische Bedrohung Westeuropas durch sowjetische C-Waffen nicht nur unvermindert bestehen bleibt, sondern in einem Abkommen mit der SED Ihre ausdrückliche Billigung findet.
    Wenn die DDR irgendwo keinen Spielraum hat, dann sicherlich in einer solchen sicherheitspolitischen Frage. Das Problem liegt eben darin, daß bei den entscheidenden Verhandlungen in Genf Verhandlungsdruck von der Sowjetunion genommen wird.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Deswegen gibt es vielfach große Irritationen über dieses SPD/SED-Abkommen zu Chemiewaffen.

    (Volmer [GRÜNE]: Aber nur bei Ihnen!)

    Ich nenne Ihnen einen weiteren Punkt. Was ist das für eine Solidarität mit der Dritten Welt, wo chemische Waffen gegen Menschen angewandt werden, wenn Sie das ausklammern, statt sich um die weltweite Vernichtung und Kontrolle von C-Waffen zu bemühen? Sie begrenzen es auf einen kleinen Abschnitt hier in Mitteleuropa. Wo bleibt Ihre Solidarität mit Afghanistan, mit Laos, aber auch etwa mit dem Iran?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Volmer [GRÜNE]: Reden Sie doch nicht von der Dritten Welt! Sie lassen doch die Leute im Süden verhungern und verbluten!)

    Das Konzept der C-Waffen-freien Zone wie der atomwaffenfreien Zone birgt die Illusion einer vermeintlichen Sicherheit und die große Gefahr, daß die durchaus bestehenden Chancen, zu einer Einigung in Genf über den weltweiten Bann von chemischen Waffen zu kommen, gefährdet werden.
    Wir müssen also feststellen, daß Sie durch Ihre wirklich maßlose Selbstüberschätzung, als eine deutsche Oppositionspartei diese Verhandlungen zu führen, die realen Verhandlungen gefährden, die in Genf geführt werden.

    (Zuruf von der SPD)

    Ich muß in Richtung Ihrer Verhandlungspartner einmal sagen: Ich habe natürlich Verständnis dafür, wenn sie über Sicherheitspolitik lieber mit Ihnen als mit der Regierung verhandeln. Da kommt man schneller zu Ergebnissen und zu besseren Bedingungen. Aber das ist ja eine Scheinwelt; denn reale Absprachen kann man nur mit der Regierung treffen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die DDR oder auch Polen demnächst Umschuldungsverhandlungen oder Kreditverhandlungen mit der Opposition in diesem Hause führen wollen. Aber vielleicht sollte ich das einmal anregen. Das wäre das Vergleichbare. Ich kann nur sagen: Wer glaubt, die sicherheitspolitischen Verhandlungen mit der Opposition führen und uns damit indirekt unter Druck setzen zu können, aber Kreditverhandlungen und Umschuldungsverhandlungen mit der Regierung, muß wissen, daß es diese Art von Arbeitsteilung mit uns nicht gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Es führt kein Weg an der Regierung vorbei. Alles andere ist eine Scheinwelt. Die konkreten Vereinbarungen müssen mit der gewählten Regierung getroffen werden. Für solche Abkommen mit der SED haben Sie im übrigen auch überhaupt kein Mandat.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Was dieses konkrete Abkommen mit der SED angeht, so meine ich, daß Sie dabei sind, von der Nebenaußenpolitik, von der wir zu Recht gespro-



    Rühe
    chen haben, zu einer Gegenaußenpolitik zu kommen. Das sollte Sie sehr nachdenklich machen.

    (Zuruf des Abg. Sielaff [SPD])

    Ein solches Separatabkommen verletzt fundamentale Interessen und hilft auch nicht dem OstWest-Gespräch und dem Ost-West-Ausgleich, wenn es nämlich falsche Signale in die andere Richtung aussendet und östliche Fehleinschätzungen fördert. Eine offenkundige Umgehungspolitik kann sich deswegen letztlich negativ auf den notwendigen und entscheidenden Sachdialog zwischen West und Ost, den Sie ja auch wollen, auf der entscheidenden Regierungsebene auswirken, weil dadurch das Verhandlungsklima gestört werden kann.

    (Zuruf des Abg. Ströbele [GRÜNE])

    Die tatsächliche Lösung der Sachprobleme zwischen den Staaten wird eben nicht erleichtert, sondern von vornherein durch innenpolitische Kontroversen belastet, wenn man bestimmte Themen durch die Opposition in die innenpolitische Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland einfädelt.

    (Volmer [GRÜNE]: Sie sind ein Personalproblem zwischen den Staaten!)

    Die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den osteuropäischen Staaten, insbesondere zur Sowjetunion, werden eben durch Ihren Drang zur innenpolitischen Profilierung nicht gefördert.
    Die Motive der kommunistischen Parteien in Osteuropa liegen auf der Hand. Die Parteizusammenarbeit parallel zu den offiziellen Regierungskontakten bietet ein zusätzliches und wirkungsvolles Instrumentarium zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in unserem Land. Man kann Regierung und Opposition gegeneinander ausspielen. Man kann durch eine Art Tapetentür einen zusätzlichen Einstieg in die deutsche Politik gewinnen. Man gewinnt auch ein Alibi bei Verhandlungen — etwa in Genf —, indem man auf die Kompromißbereitschaft der deutschen Opposition und die Starrköpfigkeit der Regierung hinweist. Man kann das außenpolitische Gewicht der Bundesrepublik Deutschland auf diese Weise schwächen, ins Zwielicht bringen.
    All dies sind Dinge, die Sie sehr nachdenklich machen sollten und die auch viele von Ihnen nachdenklich machen, wie ich weiß, auch innerhalb Ihrer Partei. Sie sollten die Gefahren dieser Strategie für sich und für die außen- und sicherheitspolitischen Interessen unseres Landes erkennen und die notwendigen Konsequenzen ziehen.
    Wer eine aktive und konstruktive Ost- und Deutschlandpolitik gestalten will, muß wissen, daß dies erfolgreich nur auf dem Boden einer verläßlichen Sicherheitspartnerschaft mit unseren Bündnispartnern geschehen kann. Hierbei kann dann auch die parlamentarische Opposition eine wichtige aktive Rolle im Rahmen ihrer spezifischen Verantwortung spielen.
    Es kann keine separate deutsche Ostpolitik geben. Deutsche Ostpolitik muß immer im Rahmen des Bündnisses erfolgen. Richtig ist allerdings auch, daß wir Deutschen auf Grund unserer besonderen
    Lage uns bei der Gestaltung und Ausarbeitung der Ostpolitik besonders engagieren sollten. Und genau dies tun wir.
    Mit Ihrer Nebenaußenpolitik möchte die SPD hier in der Bundesrepublik Deutschland natürlich den — fälschlichen — Eindruck der Passivität der Bundesregierung vermitteln, die wegen ihrer festen Westbindungen angeblich nicht zu einer konstruktiven Entspannungspolitik mit dem Osten fähig sei.
    Nun läßt sich nicht leugnen, daß der Begriff der Entspannungspolitik ein vieldiskutierter und kontrovers diskutierter Begriff ist. Deswegen möchte auch ich etwas dazu sagen.
    Vielleicht hat niemand besser als der Sozialdemokrat und große Politologe Professor Richard Löwenthal in seinen „Weltpolitischen Betrachtungen" den Begriff der Entspannungspolitik definiert. Er sagt:
    Zur Entspannung gehört auch die Restabilisierung des Gleichgewichts. Dies und die Kontrolle des Konflikts durch Verhandlungen gehören notwendig zusammen. — Entspannung, wenn sie keine Selbsttäuschung sein soll, setzt eine Aufrechterhaltung des Machtgleichgewichts zwischen Ost und West ebenso voraus wie den Fortgang der Kontrolle des Konflikts durch Verhandlungen.
    Wirksame Entspannungspolitik, also eine Politik, die Spannungen abbaut — und wenn Worte noch etwas bedeuten, muß das j a das Ergebnis sein —, besteht auch aus den Grundelementen einer gesicherten Verteidigungsfähigkeit — ich verweise hier darauf: Sie wollen den Wehrdienst offensichtlich auf acht bis neun Monate begrenzen —, die die notwendige Voraussetzung für die weitere Suche nach Fortschritten in Richtung auf dauerhafte Beziehungen bildet, mit deren Hilfe die grundlegenden politischen Fragen gelöst werden können. So steht es schon im Harmel-Bericht. Eine solche Entspannungspolitik auf zwei Beinen dient dem Abbau von Spannungen. Und dies genau ist unsere Politik. Wer aber versagt, wenn es darum geht, das militärische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, ist zu einer solchen Entspannungspolitik im Sinne des HarmelBerichts und auch Professor Löwenthals nicht in der Lage. Und dies ist genau der Vorwurf, den wir den Sozialdemokraten machen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ihre Entspannungspolitik steht eben nur auf einem Bein, einem unsicheren Gesprächs- und Verhandlungsbein. Aber nur wer fest auf beiden Beinen steht, dem Bündnis-und-Sicherheitsbein genauso wie dem Verhandlungsbein, kann eine erfolgreiche Entspannungspolitik leisten, die wirklich auch einen Abbau von Spannungen herbeiführt.
    Und genau dieses leistet die Bundesregierung mit ihrer Politik. Sie hat entscheidend dazu beigetragen, daß das Machtgleichgewicht, das gestört war, wiederhergestellt wurde und erhalten bleibt, und sie hat intensiv daran mitgewirkt, daß sich die Beziehungen zwischen den beiden Weltmächten wieder entwickeln. Ich darf hier beispielsweise nur an



    Rühe
    die nach wie vor wichtige und gültige gemeinsame Erklärung des Bundeskanzlers und des amerikanischen Präsidenten vom 30. November 1984 erinnern. Darin hat Präsident Reagan seine Bereitschaft erklärt, mit der Sowjetunion das ganze Spektrum von Fragen zu erörtern, die für beide Seiten von Bedeutung sind, insbesondere die Fragen des Friedens, der Sicherheit und der Stabilität. Inzwischen wird dieser von uns geförderte Dialog auf allen Ebenen geführt, beispielsweise in den Genfer Abrüstungsverhandlungen über regionale Konflikte wie über bilaterale Fragen.
    Schließlich steht das amerikanisch-sowjetische Gipfeltreffen im November bevor. Wir begrüßen es sehr, daß sich Präsident Reagan und Parteichef Gorbatschow im November in Genf treffen werden. Durch das persönliche Gespräch werden sich die höchsten Repräsentanten der beiden Weltmächte besser einschätzen und dem anderen ihre Überlegungen und Besorgnisse mitteilen können. Dies ist ein wichtiger Aspekt des Gipfeltreffens, weil man so Mißtrauen abbauen und Mißverständnisse ausräumen kann. Ob es bei diesem Gipfeltreffen schon zu konkreten Vereinbarungen kommen wird, weiß heute niemand. Vor zu großer Euphorie muß gewarnt werden. Es wäre aber schon viel erreicht, wenn durch dieses Treffen die Rahmenbedingungen für die beiderseitigen Beziehungen verbessert und beispielsweise wichtige Impulse für die Rüstungskontrollverhandlungen gegeben würden.
    Bessere Rahmenbedingungen können durch das Gipfeltreffen auch für unser ureigenstes Anliegen geschaffen werden: für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zum Wohl der Deutschen im geteilten Deutschland. Schon heute ist durch die Verbindung von Klarheit und Festigkeit in den Grundpositionen, mit Ideenreichtum und Beweglichkeit in der Praxis unserer Deutschlandpolitik dies zu einem wertvollen Aktivposten der Bundesregierung geworden, wie es Theo Waigel heute vormittag zu Recht herausgestellt hat. Vor allem die Menschen im geteilten Deutschland haben davon schon jetzt einen greifbaren erfahrbaren Nutzen. Alle Kritiker und Schwarzmaler werden durch die unbestreitbaren Erfolge dieser Politik widerlegt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird diese erfolgreiche Politik der Bundesregierung weiterhin unterstützen und mit eigenen konstruktiven Beiträgen anreichern.

    (Volmer [GRÜNE]: Ganz schön phantasielos!)

    Wir wissen: Wer Regierungsverantwortung trägt, muß sich, ohne die eigenen Grundsätze zu verleugnen, stets bemühen, das Machbare so weit wie möglich zu verwirklichen. Denn eine Regierungspartei wird — da stimmen Sie sicher zu — genauso wie die Regierung nicht an ihren guten Grundsätzen gemessen, sondern an ihren guten Ergebnissen.
    Das gilt in besonderem Maß für die innerdeutschen Beziehungen. Diese Beziehungen sind — und das kann ja niemand bestreiten — besonders gefühlsbeladen. Schließlich ist der Ausgangspunkt nichts weniger als die deutsche Teilung mit ihren menschlichen Härten und Unerträglichkeiten, und jenseits der Elbe herrscht ein System, das mit unseren Wertvorstellungen von Freiheit und Demokratie absolut unvereinbar ist.
    So verständlich daher ein emotionales Herangehen an die innerdeutschen Probleme auch ist, so wenig trägt es zu einer tatsächlichen Lösung dieser Probleme bei. Deshalb ist z. B. die bloße Beschreibung der Zustände in der DDR noch kein Beweis für praktische Politik. Das Instrument der öffentlichen Kritik mag in manchen Fällen angebracht sein. Aber die Erfahrung zeigt, daß es im allgemeinen wirkungslos bleibt. Mehr noch: Die Einwirkungsmöglichkeiten werden eher verkürzt, weil beim Adressaten der Kritik zusätzliche Verhärtungen entstehen. Diese Realität muß bedacht werden. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß hat diesen Sachverhalt vor wenigen Tagen in Leipzig prägnant auf den Punkt gebracht, als er feststellte, durch Lautlosigkeit werde viel mehr erreicht als durch lärmendes Geschrei. So ist es in der Tat.

    (Zuruf des Abg. Zander [SPD])

    Im übrigen hat Franz Josef Strauß mit seiner DDR-Reise verdeutlicht, das es gerade in den innerdeutschen Beziehungen darauf ankommt, auch in einem turbulenten politischen Umfeld kühlen Kopf und nüchternen Realismus zu bewahren. Genau das ist es, was eine professionelle Politik auszeichnet.
    Wohlgemerkt, es geht ihm und uns nicht um Verharmlosung und Leisetreterei. Wir machen überhaupt kein Hehl daraus, daß wir das totalitäre System des Realsozialismus in der DDR und seine die Menschen bedrückenden Praktiken ablehnen. Wir verschweigen weder die Tatsache, noch fördern wir — wie andere — Illusionen über die kommunistische Wirklichkeit. Aber die Menschen erwarten von uns und von der Regierung nicht starke Worte, sondern starke Ergebnisse.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich weiß, daß das ein hoher Anspruch ist. Sie erwarten praktische Hilfe und eine Verbesserung ihrer Lage.

    (Sielaff [SPD]: Sehr richtig!)

    Unsere Bilanz zeigt, daß wir ihnen bisher schon in vielfacher Weise helfen konnten. Wir werden dies weiterhin tun und damit unserer Verantwortung gerecht werden.
    Unsere innerdeutsche Politik ist erfolgreich. Sie findet bei den Menschen in Deutschland, in der Bundesrepublik und in der DDR, eine breite Zustimmung, die übrigens auch in der Bundesrepublik weit über die klassischen Wähler der Union, weit über die 50-%-Grenze hinausgeht. Und das ist auch ein Grund, warum man an einer solchen erfolgreichen Politik festhalten sollte. Wir sind auf dem richtigen Weg. Es gibt keinen vernünftigen Grund, davon abzuweichen: weder in der Sache noch in der Methode.
    Der aktuelle Stand der deutsch-deutschen Beziehungen gibt Anlaß zu der Hoffnung auf weitere Fortschritte. Beide Seiten haben, nicht zuletzt auch



    Rühe
    bei den jüngsten Irritationen, Besonnenheit und Augenmaß bewiesen und deutlich gemacht, daß sie an einer stetigen Verbesserung der Beziehungen und an vertiefter Zusammenarbeit interessiert sind. Wir teilen daher den Optimismus, mit dem der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker in die Zukunft blickt. Der Wille zu positiven Entwicklungen, der darin deutlich wird, ist wichtig, aber was hinzukommen muß, ist nun auch die praktische Tat. Deshalb sollten wir möglichst bald sichtbare, positive Signale in den gegenseitigen Beziehungen setzen. Denn von diesen Beziehungen — auch hier stimmen wir Herrn Honecker zu — wird ein sehr starker Einfluß auf die Atmosphäre in Europa ausgeübt.
    Auch wenn das Ost-West-Verhältnis insgesamt die deutsch-deutschen Beziehungen im Guten wie im Schlechten beeinflussen kann, sollten wir. uns nicht nur von den Entwicklungen anderswo in der Welt abhängig machen. Vielmehr sollten wir zur Verständigung, zum Dialog, zu nachbarschaftlicher Zusammenarbeit und damit auch zur Stabilisierung des Friedens verantwortungsvoll und selbstbewußt beitragen, zuerst und vorrangig natürlich im gegenseitigen Verhältnis. Wenn wir in diesen deutschdeutschen Beziehungen beweisen, daß wir glaubwürdig sind, dann können wir unseren Einfluß auch im allgemeinen Ost-West-Verhältnis glaubwürdig geltend machen.
    All dies sind Tatsachen einer erfolgreichen Außen-, Deutschland- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung. Ich finde, es würde auch der Opposition nützen, weil die Menschen in diesem Lande das so sehen, wenn sie dies, statt lautstark Kritik und Polemik zu üben, sachlich würdigen würde.
    Herr Vogel hat heute morgen davon gesprochen, daß in der Außenpolitik Konsens wünschenswert ist. Ich stimme dem zu, und das sehen auch alle Kollegen in unserer Fraktion so. Aber ich bin nicht für Konsens um jeden Preis. Daß wir zum Konsens bereit sind, haben wir bereits als Oppositionspartei bewiesen. Wir haben die Sicherheitspolitik der Regierung Schmidt/Genscher unterstützt. Wir wollen keine mutwilligen Abgrenzungen zwischen Regierung und Opposition in der Außen- und Sicherheitspolitik. Aber wir müssen, Herr Ehmke, schonungslos aufdecken, wenn Sie sich in dramatischer Weise von einer Politik abwenden, die die Freiheit und Sicherheit dieses Landes bisher erfolgreich über 40 Jahre hinweg gewährleistet hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es gibt keine Chance des Konsenses für eine Politik, die gegen elementare Lebens-, Sicherheits- und Freiheitsinteressen unseres Landes verstoßen würde.
    Herbert Wehner, den manche — wie ich der „Zeit" entnommen habe, auch das morgige Geburtstagskind — für den vielleicht bedeutendsten sozialdemokratischen Nachkriegspolitiker halten, hat die deutsche Sozialdemokratie an die West- und Sicherheitspolitik Adenauers herangeführt — nach mehr als zehn Jahren mühsamen Bemühens und Ihres Abseitsstehens. Das hat Ihnen überhaupt erst
    die theoretische Chance einer Regierungstätigkeit in diesem Lande eröffnet. Ich bleibe dabei: Die Bundesrepublik Deutschland — und da reden wir nicht von Bundesländern; da wird über andere Dinge entschieden — kann von niemandem regiert werden, der nicht klar, berechenbar und fest ist, was diese Grundlagen der deutschen West- und Sicherheitspolitik angeht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube, niemand von uns hätte erwartet — am wenigsten Herbert Wehner —, daß Sie sich schon zu seinen Lebzeiten von diesem Lebenswerk abwenden und sich durch eine radikale Wende weg von der Westpolitik, durch eine Zerstörung der Grundlagen, die wir auch für eine aktive Ostpolitik brauchen, wieder ins Abseits manövrieren.

    (Zuruf von der SPD: Quatschkopf!)

    Deswegen möchte ich hier zum Abschluß noch einmal an die deutschen Sozialdemokraten appellieren: Wenn es Ihnen mit dem Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik ernst ist, wenn Sie nicht wollen, daß hier mutwillig Grenzen gezogen werden. die unserem Lande international nur schaden, dann hören Sie auf mit einer Neben- und Gegenaußenpolitik. Schaffen Sie wieder klare Grundlagen in der West- und Sicherheitspolitik! Dann würden Sie auch als Opposition einen nützlichen Beitrag für das Wohl unseres Landes leisten.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)