Rede:
ID1015304300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Handlos.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/153 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 153. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Paintner als Schriftführer 11447 A Wahl des Abg. Dr. Rumpf zum Schriftführer 11447A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksache 10/3700 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksache 10/3701 — Dr. Vogel SPD 11447 B Dr. Waigel CDU/CSU 11458 A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11467C Mischnick FDP 11471 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 11477 D Frau Fuchs (Köln) SPD 11490A Handlos fraktionslos 11496 D Rühe CDU/CSU 11498 C Lange GRÜNE 11503 D Schäfer (Mainz) FDP 11506C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11509C Genscher, Bundesminister AA 11514 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 11519C Dreßler SPD 11525C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 11530C Volmer GRÜNE 11532 D Frau Seiler-Albring FDP 11534B Horn SPD 11536A Wimmer (Neuss) CDU/CSU 11540 B Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 11541D Vizepräsident Stücklen 11509C Nächste Sitzung 11542C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11542* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 11447 153. Sitzung Bonn, den 5. September 1985 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Dr. Götz 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hupka 5. 9. Dr. Kreile 5. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Niegel 6. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Poss 5. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schlottmann * 5. 9. Schmidt (Hamburg) 6. 9. Schmidt (Wattenscheid) 6. 9. Schröer (Mülheim) 5. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wolfgramm (Göttingen) ** 6. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, ich sage Ihnen noch einmal, Sie nehmen Massenarbeitslosigkeit in Kauf. Vielleicht haben Sie es nicht gelesen, das kann sein, denn Sie sind j a nicht im Wirtschaftsausschuß. Lassen Sie sich von den Kollegen des Wirtschaftsausschusses bitte die Unterlagen des Wirtschaftsministers geben, die Herr Staatssekretär Schlecht vor einigen Wochen der Presse vorgestellt hat. Die kann man so zusammenfassen: Wir haben eine günstige Preisstabilität, wir haben etwas Wachstum, das ist ganz in Ordnung, die Beschäftigtenzahlen werden sich verbessern, aber im übrigen — so Herr Schlecht im Originalton — wird sich an der Massenarbeitslosigkeit von über 2 Millionen in den nächsten Jahren nichts ändern.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Wo wären wir, wenn wir das andere nicht hätten?)

    — Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Wenn Sie uns unterstellen, wir hätten Arbeitslosigkeit in Kauf genommen, so sage ich Ihnen noch einmal, von 1976 bis 1980 ist es uns gelungen, eine Million zusätzlicher Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. George [CDU/ CSU]: Schmidt hat etwas anderes gesagt!)

    Mein letzter Punkt: Kann der Bundeskanzler mit dieser Regierung wirklich erwarten, daß der DGB mit ihm eine Offensive zu mehr Beschäftigung startet? Ich bin dafür. Im Grund müßte es selbstverständlich sein, daß Gewerkschaften und die Bundesregierung sich zusammen mit den Arbeitgebern an einen Tisch setzen.

    (Strube [CDU/CSU]: Aber das tut Ihnen weh! — Dr. George [CDU/CSU]: Wie lange hat es bei Ihnen gedauert?)

    — Herr George, das Problem ist doch nicht, daß das Gespräch nicht zustande gekommen ist, sondern das Problem ist doch, daß der Bundeskanzler seit seinem Regierungsantritt sich so einseitig zu Lasten der Gewerkschaften geäußert und gearbeitet hat, daß es denen schwerfällt, sich mit ihm an einen Tisch zusammenzusetzen.

    (Beifall bei der SPD — Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Das hätten Sie gern!)

    Es ist doch interessant und spricht doch für die Einstellung des Bundeskanzlers zur organisierten Arbeitnehmerschaft, daß eine Sensation daraus wird, wenn etwas Selbstverständliches geschieht, nämlich ein Gespräch der Bundesregierung mit dem DGB, mit den Gewerkschaften.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Sie wollen die Gewerkschaften nur für sich vereinnahmen!)

    Was war denn eigentlich gewerkschaftsfeindlich? Erinnern wir uns an das vorige Jahr, die Arbeitszeitverkürzung: „Dumm, absurd und töricht".

    (Zuruf von der SPD: Das ist Kohl!)

    Manchmal sage ich das, das paßt auf den Bundeskanzler; das sage ich nicht im Plenum, es ist vielleicht ein bißchen zu häßlich. Weil er mir seine Sympathie bekundet hat, bin ich ein bißchen vorsichtig mit solchen Formulierungen. Dennoch, meine Damen und Herren, letztes Jahr hat er sich einseitig auf die Seite der Arbeitgeber geschlagen. Was ist herausgekommen? Die 160 000 zusätzlich Beschäftigten sind doch zum großen Teil auf die Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden zurückzuführen. Das müssen Sie doch endlich mal begreifen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. George [CDU/ CSU]: Die wirkt doch erst seit 1. 4.! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Dann haben Sie Gesetze auf den Weg gebracht, die für Gewerkschaften gefährlich sind. Wir werden Sie heute abend daran messen können, ob es denn gelingt, das Betriebsverfassungsgesetz mit den Regelungen für einen Minderheitenschutz und Sprecherausschüsse für leitende Angestellte vom Tisch zu bringen, ob es Ihnen gelingt, Herr Bundeskanzler, nun endlich die Frage der Neutralitätsanordnung für Streik und Aussperrung vom Tisch zu bringen. Ich will dazu ein paar Bemerkungen machen, weil mir scheint, daß die Menschen nicht recht begriffen haben, worum es eigentlich geht.
    Wenn ein Betrieb bestreikt wird, dann erhalten streikende Arbeitnehmer Streikunterstützung der Gewerkschaften. Die Nichtorganisierten bekommen nichts, stehen auch im Sinne des Gesetzes dem Arbeitsamt nicht zur Verfügung. Sie bekommen also nichts. So ist es auch bei Aussperrungen. Die-



    Frau Fuchs (Köln)

    ses ist unbestritten, es wird auch niemand Anspruch erheben, daß man hier Änderungen bringt. Wenn nun Arbeitnehmer z. B. in einem Betrieb in Schleswig-Holstein beschäftigt sind und in Baden-Württemberg wird gestreikt, dann sagen viele, wenn wegen der Produktionsausfälle der Zulieferbetriebe in Schleswig-Holstein keine Arbeit mehr sei, dann sollten diese Menschen keine Arbeitslosenunterstützung bekommen.
    Wenn Sie zurückgehen auf die Betriebssphärentheorie, so ist es juristisch durchaus begründbar, daß jene Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein einen Lohnfortzahlungsanspruch haben, denn der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, daß die Zulieferung klappt, damit die Produktion weitergehen kann.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Nur ist diese Theorie schon lange überholt!)

    Aber diese Betriebssphärentheorie haben wir für diesen Fall nicht angewandt, weil wir gesagt haben, wir wollen versuchen, einen Kompromiß zu finden. So ist auch der jetzige § 116 AFG schon ein Kompromiß, der dahingeht, daß sich die Bundesanstalt in dem Sinne neutral verhält, daß die Arbeitgeber von ihrer Lohnfortzahlungspflicht entbunden werden, und die Arbeitnehmer, die individuell Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit gezahlt haben, ihren Versicherungsanspruch auf Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld geltend machen können.
    Deswegen meine Bitte, Herr Bundesarbeitsminister: Lassen Sie sich nicht auf die Gedanken ein, die der frühere Präsident des Bundesarbeitsgerichtes Professor Müller hierzu geäußert und aufgeschrieben hat! Dies würde in der Tat den Konsensus in dieser Frage völlig zerstören.

    (Dr. George [CDU/CSU]: So wird die Erfahrung eines Mannes durch Ihre Worte vernichtet!)

    Gehen Sie endlich hin und nehmen Sie das Gesetzeswerk vom Tisch, das 130 Ihrer Kollegen ins Werk gesetzt haben,

    (Beifall bei der SPD)

    und halten Sie es mit Herrn Wannagat. Herr Wannagat hat doch gesagt: Nicht nur die Zahlung von Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld greift in die Neutralität ein, sondern auch die Nichtzahlung kann in die Neutralität eingreifen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Deswegen meine Damen und Herren, hat dies mit „Streikkasse der Gewerkschaften" nichts zu tun; dies ist im Grunde eine Entlastung der Arbeitgeber,

    (Dr. George [CDU/CSU]: Wie scheinheilig!)

    die ihrer Lohnfortzahlungspflicht nicht nachkommen müssen, weil die Gesellschaft gesagt hat: In diesen Fällen soll die Solidargemeinschaft Bundesanstalt für Arbeit eintreten. Deswegen ist es für mich geradezu absurd, wenn nun verlangt wird, daß die Arbeitslosen — die es ja sind — und die Kurzarbeiter — die es ja sind — ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche nicht geltend machen können.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Schluß, was Sie, wie ich meistens feststelle, freut.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Nein! Das stimmt nicht!)

    — Vielen Dank!

    (Zuruf von der SPD: Die können was lernen!)

    Ich glaube, das deutsche Volk erwartet vom Bundeskanzler keine Verdrängungskünste, und ich glaube, wir erwarten von einem Bundeskanzler auch kein Talent zur ungetrübten Fröhlichkeit; denn das Amt des Bundeskanzlers ist nicht dafür geschaffen worden, daß sich der jeweilige Amtsinhaber möglichst fröhlich fühlt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Darum nehmen Sie den Vogel der kann das gar nicht!)

    sondern das Amt des Bundeskanzlers ist dazu geschaffen worden, Schaden vom Volke abzuwenden und das Gemeinwohl zu fördern. Herr Bundeskanzler, Sie haben vor diesem Hause geschworen, daß Sie Ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren und Schaden von ihm wenden wollen. Ich glaube, es wird Zeit, daß Sie sich dieser Pflicht widmen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Handlos.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Handlos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil heute vormittag hier im Parlament wieder einmal Schwarzweißmalerei betrieben worden ist und man als Zuhörer — ich bin den ganzen Vormittag im Haus gewesen — den Eindruck hat, alles, was die Regierungsparteien sagen, sei — so erklärt die Opposition — großer Unfug, und wenn dann die Opposition Vorschläge macht, sagen die Regierungsparteien das gleiche. Die Wahrheit liegt häufig in der Mitte, meine verehrten Kollegen, und die Bevölkerung will keine Schwarzweißmalerei, sondern Sachbeiträge. Daran will ich mich in der kurzen Redezeit, die mir zur Verfügung steht, halten. Außerdem sagten heute einige Kollegen, sie wollten wieder einmal einen fraktionslosen Abgeordneten sprechen hören, und diesem Wunsch will ich natürlich hier Rechnung tragen.
    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, Stellung nehmen möchte ich zu einigen Punkten, die heute vormittag zur Sprache gekommen sind, nämlich einmal zur Wirtschaftspolitik — hier insbesondere zum Verdrängungswettbewerb in der mittelständischen Wirtschaft —, dann zur sozialen Indikation — Abtreibung auf Krankenschein — und nicht zuletzt, falls mir dazu die Zeit reicht, zum Verhältnis zur DDR. Mit der Freiheitlichen Volkspartei vertrete ich Positionen, die die Union zum Teil ver-



    Handlos
    trat, als sie in der Opposition war. In der Zwischenzeit ist viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen.
    Der Herr Bundeskanzler sagte heute, die Wirtschaftspolitik sei in Ordnung. Jawohl, ich hoffe, das wird auf Dauer so sein. Ich hoffe dies im Interesse aller Bürger. Aber, Herr Bundeskanzler, es gibt auch Anzeichen, die darauf hindeuten, daß wir Ende 1986/Anfang 1987 in eine neue Rezession hineinschlittern, die dann zum Teil nicht nur international bedingt sein wird, sondern hausgemacht sein dürfte. Warum? Der Verdrängungswettbewerb des Mittelstandes zugunsten der Großkonzerne nimmt immer stärker zu. Was bedeutet das in der Praxis? Das bedeutet weniger Steuereinnahmen, weniger Sozialabgaben und mehr Arbeitslose. Wenn Sie bedenken, daß 65% des Nahrungsmittelumsatzes in der Bundesrepublik Deutschland bereits in der Hand von fünf Großkonzernen sind, können Sie sich vorstellen, wie diese Entwicklung weitergeht.
    Ich stelle hier einen modellhaften Vergleich zwischen einem Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz und 100 Einzelhandelsgeschäften mit jeweils 1 Million DM Umsatz an. Bitte hören Sie genau zu, weil das wirklich interessant ist. Der Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz im Jahr stellt 300 Arbeitsplätze zur Verfügung. Die 100 Einzelhandelsgeschäfte mit jeweils 1 Million DM Umsatz beschäftigen 750 Arbeitskräfte. Im Bereich der Ausbildungsplätze ergibt sich ein Verhältnis von 32 zu 102 Ausbildungsplätzen. Zum Steueraufkommen: Ein Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz erwirtschaftet ein Gewerbesteueraufkommen von 380 000 DM. Die 100 Einzelhandelsbetriebe mit jeweils 1 Million DM Umsatz zahlen hingegen 600 000 DM. Im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer sind es 940 000 DM gegenüber 2 350 000 DM. Insgesamt bedeutet das: Ein Supermarkt mit 100 Millionen DM Umsatz erwirtschaftet ein Steueraufkommen von 1 320 000 DM. Die 100 Einzelhandelsgeschäfte mit einem Umsatz von jeweils 1 Million DM erwirtschaften Steuern in Höhe von 2 950 000 DM. An Sozialversicherungsbeiträgen — gesetzliche Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung — zahlt ein solcher Supermarkt 2 120 000 DM. Die 100 Einzelbetriebe zahlen 5 303 000 DM. Das sind einige Zahlen — sie sind nicht anzuzweifeln —, die die gesamte Misere erkennen lassen, wenn dieser Konzentrationsprozeß so weitergeführt wird und wenn immer mehr Mittelstandsbetriebe ruiniert werden; dann werden schließlich auch immer mehr Arbeitslose erzeugt.
    Zum Schluß kauft der Arbeiter nicht billiger ein. Eine Supermarktkette frißt dann die andere, und die letzte Supermarktkette bestimmt die Preise, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen. Die Zahl der Arbeitslosen wird größer. Der Arbeitnehmer kauft im Endeffekt nicht billiger, sondern zahlt mit erhöhten Steuern und Abgaben. Es erfolgt eine Zerstörung der Ortskerne, und niemand kümmert sich dann um alte Menschen. Dies wollte ich hier einmal zum Ausdruck bringen. Wir von der Freiheitlichen Volkspartei sind der Auffassung, daß der
    Herr Bundeskanzler nicht nur mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Wie heißt die Partei?)

    — Herr Kollege Waigel, ich gebe Ihnen hernach ein Privatissimum in dieser Frage — sprechen sollte, sondern auch mit dem Mittelstand, weil gerade der Mittelstand die Steuern und Abgaben erwirtschaftet — nicht die Großkonzerne. Was in jedem Fall verboten werden muß und worüber hier das Parlament entscheiden kann, ist der Verkauf unter Einstandspreisen, der den Einzelhandel ruiniert.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Wie soll das gehen?)

    Wir fordern Zinsverbilligungsprogramme und Umschuldungsprogramme für Handel, Handwerk, Mittelstand, Fremdenverkehr und Kleinlandwirte, weil nur auf diese Art und Weise eine gesunde Struktur aufrechterhalten werden kann.

    (Beifall des Abg. Kühbacher [SPD])

    — Ich bedanke mich für den Applaus der Opposition und möchte hier nur sagen: Wer heute nicht hören will und heute nicht sehen will, dem wird morgen womöglich Hören und Sehen vergehen. Dies zum Thema der Konzentration. Es gäbe dazu noch eine Menge zu sagen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur Frage der sozialen Indikation bzw. der Abtreibung auf Krankenschein machen. Das ist j a ein Thema, das allgemeines Interesse erweckt. Da gibt es den bayerischen Ministerpräsidenten Strauß in München. Er geht häufig zum Bundesverfassungsgericht, und zwar, wie ich hinzufügen muß, zum Teil auch mit Erfolg. Ich frage mich, warum er das nicht in der Frage der Abtreibung auf Krankenschein tut. Herr Strauß in München sagt, dafür sei er nicht zuständig; das sei Sache der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Bundesregierung. Die Fraktion sagt, sie könne hier nicht handeln, weil die FDP der Bremser sei. Herr Mischnick hat heute in der Debatte ja gesagt: Mit uns gibt es keine Änderung des § 218. Also hat man sich den Ministerpräsidenten Vogel in RheinlandPfalz auserkoren, sozusagen als Minenhund beim Bundesverfassungsgericht anzutreten. Herr Vogel hat dies ebenfalls abgelehnt. Der Schwarze Peter wurde wieder nach Bonn zurückgegeben. Herr Dregger der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, hat gestern laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zu Recht gesagt, hier handle es sich um eine Existenzfrage der — ich betone die Worte — ChristlichSozialen Union und der Christlich-Demokratischen Union. Dem kann man nur zustimmen. Vielleicht findet sich doch noch ein Ministerpräsident eines Bundeslandes, das von der CDU/CSU regiert wird, um vor dem Bundesverfassungsgericht hier eine Klärung herbeizuführen.
    Ich bin der Auffassung, es geht nicht, daß der deutsche Beitragszahler für die Abtreibung im Jahr 300 Millionen DM bezahlt. Ob er nun gefragt wird oder nicht, spielt keine Rolle. Die Arbeitgeber zahlen dazu noch einmal 50 Millionen DM. Wir von der



    Handlos
    — ich betone das Wort erneut, Herr Kollege Waigel, damit es ein bißchen ins Ohr geht — Freiheitlichen Volkspartei

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    sind im Rahmen der medizinischen Indikation für den Schutz allen Lebens. Das ist bei uns eine sehr klare Position.
    Wenn es mir der Herr Präsident gestattet, möchte ich am Schluß nur noch ein paar Bemerkungen zum Verhältnis zur DDR machen. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich sage: Ich finde es von FranzJosef Strauß politisch geschmacklos, wenn er in diesen Tagen Herrn Honecker die Hand schüttelt zu einem Zeitpunkt, da wir den größten Spionageskandal haben, lächelnd neben ihm steht und dann auch noch dazusagt, 90 % der Aufklärungsergebnisse unserer Nachrichtendienste seien — im übertragenen Sinn — Unfug.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dazu kann ich nur sagen: Wo ist denn der Unfug beim Milliardenkredit von Herrn Strauß? Meine Damen und Herren, was ist denn dabei herausgekommen? Nichts! Herr Honecker hat zwar das Geld genommen, aber er ist nicht käuflich. Das ist der ganz entscheidende Unterschied. Wir sollten nicht vergessen, daß nach wie vor für Hunderte von Millionen DM Häftlinge aus der DDR freigekauft werden. Ich sage: sie müssen auch freigekauft werden. Ich stehe dazu, weil es in solchen Fällen wirklich zu menschlich tragischen Situationen kommt.
    Ich sagte: Honecker nimmt das Geld, aber er ist nicht käuflich. Gestern und heute wurde gesagt, die Selbstschußanlagen seien abgebaut worden. Jawohl, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, daß die Sperranlagen weiter hinten noch viel undurchlässiger geworden sind, als das bisher der Fall war.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Es wurde gesagt, es seien 35 000 Personen — darunter zum Teil Rentner — herübergekommen. Das ist die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, daß es zum großen Teil Rentner sind, die unsere Rentenkassen maßlos belasten. Ich sage dazu: Es sind Deutsche wie wir auch. Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen. Ich habe mich mit einer Rentnerin unterhalten, die aus der DDR kam. Sie hat dort drüben 360 Mark (Ost) Rente bekommen; hier bekommt sie 2 200 Mark (West) Rente, weil ihr alle Versicherungsleistungen von drüben angerechnet werden. Umgekehrt gibt es bei uns Arbeiter, die 40 Jahre in das Sozialversicherungssystem eingezahlt haben, erwerbslos sind, weil sie berufsunfähig sind. Diese müssen vor den Sozialgerichten streiten, damit sie die Rente bekommen. Das ist die Ungerechtigkeit an dieser Entwicklung, meine Damen und Herren. Das will ich hier einmal ganz deutlich sagen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Ich muß zum Schluß kommen. Ich sage noch einmal: Es sind Deutsche wie wir auch. Wir benötigen im Verhältnis zur DDR eine Politik des langen Atems. Es ist sehr gut, daß der Jugendaustausch wieder forciert wurde. Es ist zu überlegen, warum
    nicht Städtepartnerschaften mit der DDR eingegangen werden. Ich rege ein gemeinsames Rundfunk- und Fernsehprogramm an. Das sind Schritte auf dem Weg nach vorn. Es genügt nicht allein, zum 17. Juni Gedenkfeiern abzuhalten und hier im Parlament ab und zu zur Lage der Nation zu sprechen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, 40 Jahre Trennung sind in der Geschichte der Völker nur ein Augenblick. Nur wenn wir in diesem Parlament die Wiedervereinigung aufgeben, ist sie aufgegeben. Deswegen müssen wir — wir alle miteinander, über die Parteigrenzen hinweg — alles tun, damit die Wiedervereinigung ein entscheidender Punkt in unserer Politik bleibt.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall des Abg. Kühbacher [SPD] — Zuruf von der CDU/CSU: Beifall von links!)