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    Plenarprotokoll 10/153 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 153. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Paintner als Schriftführer 11447 A Wahl des Abg. Dr. Rumpf zum Schriftführer 11447A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksache 10/3700 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksache 10/3701 — Dr. Vogel SPD 11447 B Dr. Waigel CDU/CSU 11458 A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11467C Mischnick FDP 11471 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 11477 D Frau Fuchs (Köln) SPD 11490A Handlos fraktionslos 11496 D Rühe CDU/CSU 11498 C Lange GRÜNE 11503 D Schäfer (Mainz) FDP 11506C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11509C Genscher, Bundesminister AA 11514 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 11519C Dreßler SPD 11525C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 11530C Volmer GRÜNE 11532 D Frau Seiler-Albring FDP 11534B Horn SPD 11536A Wimmer (Neuss) CDU/CSU 11540 B Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 11541D Vizepräsident Stücklen 11509C Nächste Sitzung 11542C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11542* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 11447 153. Sitzung Bonn, den 5. September 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Dr. Götz 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hupka 5. 9. Dr. Kreile 5. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Niegel 6. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Poss 5. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schlottmann * 5. 9. Schmidt (Hamburg) 6. 9. Schmidt (Wattenscheid) 6. 9. Schröer (Mülheim) 5. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wolfgramm (Göttingen) ** 6. 9.
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    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sie sind fast ein Oberlehrer, Herr Kollege.


Rede von Hermann Kroll-Schlüter
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich bitte um Nachsicht. Ich warte immer noch auf die Antworten von eben.
Wenn Sie uns unterstellen, daß wir uns mit der Arbeitslosigkeit abfinden, darf ich dann daraus folgern, daß Sie in Ihrer Regierungszeit die Arbeitslosigkeit gewollt haben, weil sie dauernd stieg?

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    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, ich sage Ihnen noch einmal, Sie nehmen Massenarbeitslosigkeit in Kauf. Vielleicht haben Sie es nicht gelesen, das kann sein, denn Sie sind j a nicht im Wirtschaftsausschuß. Lassen Sie sich von den Kollegen des Wirtschaftsausschusses bitte die Unterlagen des Wirtschaftsministers geben, die Herr Staatssekretär Schlecht vor einigen Wochen der Presse vorgestellt hat. Die kann man so zusammenfassen: Wir haben eine günstige Preisstabilität, wir haben etwas Wachstum, das ist ganz in Ordnung, die Beschäftigtenzahlen werden sich verbessern, aber im übrigen — so Herr Schlecht im Originalton — wird sich an der Massenarbeitslosigkeit von über 2 Millionen in den nächsten Jahren nichts ändern.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Wo wären wir, wenn wir das andere nicht hätten?)

    — Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Wenn Sie uns unterstellen, wir hätten Arbeitslosigkeit in Kauf genommen, so sage ich Ihnen noch einmal, von 1976 bis 1980 ist es uns gelungen, eine Million zusätzlicher Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. George [CDU/ CSU]: Schmidt hat etwas anderes gesagt!)

    Mein letzter Punkt: Kann der Bundeskanzler mit dieser Regierung wirklich erwarten, daß der DGB mit ihm eine Offensive zu mehr Beschäftigung startet? Ich bin dafür. Im Grund müßte es selbstverständlich sein, daß Gewerkschaften und die Bundesregierung sich zusammen mit den Arbeitgebern an einen Tisch setzen.

    (Strube [CDU/CSU]: Aber das tut Ihnen weh! — Dr. George [CDU/CSU]: Wie lange hat es bei Ihnen gedauert?)

    — Herr George, das Problem ist doch nicht, daß das Gespräch nicht zustande gekommen ist, sondern das Problem ist doch, daß der Bundeskanzler seit seinem Regierungsantritt sich so einseitig zu Lasten der Gewerkschaften geäußert und gearbeitet hat, daß es denen schwerfällt, sich mit ihm an einen Tisch zusammenzusetzen.

    (Beifall bei der SPD — Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Das hätten Sie gern!)

    Es ist doch interessant und spricht doch für die Einstellung des Bundeskanzlers zur organisierten Arbeitnehmerschaft, daß eine Sensation daraus wird, wenn etwas Selbstverständliches geschieht, nämlich ein Gespräch der Bundesregierung mit dem DGB, mit den Gewerkschaften.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Sie wollen die Gewerkschaften nur für sich vereinnahmen!)

    Was war denn eigentlich gewerkschaftsfeindlich? Erinnern wir uns an das vorige Jahr, die Arbeitszeitverkürzung: „Dumm, absurd und töricht".

    (Zuruf von der SPD: Das ist Kohl!)

    Manchmal sage ich das, das paßt auf den Bundeskanzler; das sage ich nicht im Plenum, es ist vielleicht ein bißchen zu häßlich. Weil er mir seine Sympathie bekundet hat, bin ich ein bißchen vorsichtig mit solchen Formulierungen. Dennoch, meine Damen und Herren, letztes Jahr hat er sich einseitig auf die Seite der Arbeitgeber geschlagen. Was ist herausgekommen? Die 160 000 zusätzlich Beschäftigten sind doch zum großen Teil auf die Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden zurückzuführen. Das müssen Sie doch endlich mal begreifen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. George [CDU/ CSU]: Die wirkt doch erst seit 1. 4.! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Dann haben Sie Gesetze auf den Weg gebracht, die für Gewerkschaften gefährlich sind. Wir werden Sie heute abend daran messen können, ob es denn gelingt, das Betriebsverfassungsgesetz mit den Regelungen für einen Minderheitenschutz und Sprecherausschüsse für leitende Angestellte vom Tisch zu bringen, ob es Ihnen gelingt, Herr Bundeskanzler, nun endlich die Frage der Neutralitätsanordnung für Streik und Aussperrung vom Tisch zu bringen. Ich will dazu ein paar Bemerkungen machen, weil mir scheint, daß die Menschen nicht recht begriffen haben, worum es eigentlich geht.
    Wenn ein Betrieb bestreikt wird, dann erhalten streikende Arbeitnehmer Streikunterstützung der Gewerkschaften. Die Nichtorganisierten bekommen nichts, stehen auch im Sinne des Gesetzes dem Arbeitsamt nicht zur Verfügung. Sie bekommen also nichts. So ist es auch bei Aussperrungen. Die-



    Frau Fuchs (Köln)

    ses ist unbestritten, es wird auch niemand Anspruch erheben, daß man hier Änderungen bringt. Wenn nun Arbeitnehmer z. B. in einem Betrieb in Schleswig-Holstein beschäftigt sind und in Baden-Württemberg wird gestreikt, dann sagen viele, wenn wegen der Produktionsausfälle der Zulieferbetriebe in Schleswig-Holstein keine Arbeit mehr sei, dann sollten diese Menschen keine Arbeitslosenunterstützung bekommen.
    Wenn Sie zurückgehen auf die Betriebssphärentheorie, so ist es juristisch durchaus begründbar, daß jene Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein einen Lohnfortzahlungsanspruch haben, denn der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, daß die Zulieferung klappt, damit die Produktion weitergehen kann.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Nur ist diese Theorie schon lange überholt!)

    Aber diese Betriebssphärentheorie haben wir für diesen Fall nicht angewandt, weil wir gesagt haben, wir wollen versuchen, einen Kompromiß zu finden. So ist auch der jetzige § 116 AFG schon ein Kompromiß, der dahingeht, daß sich die Bundesanstalt in dem Sinne neutral verhält, daß die Arbeitgeber von ihrer Lohnfortzahlungspflicht entbunden werden, und die Arbeitnehmer, die individuell Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit gezahlt haben, ihren Versicherungsanspruch auf Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld geltend machen können.
    Deswegen meine Bitte, Herr Bundesarbeitsminister: Lassen Sie sich nicht auf die Gedanken ein, die der frühere Präsident des Bundesarbeitsgerichtes Professor Müller hierzu geäußert und aufgeschrieben hat! Dies würde in der Tat den Konsensus in dieser Frage völlig zerstören.

    (Dr. George [CDU/CSU]: So wird die Erfahrung eines Mannes durch Ihre Worte vernichtet!)

    Gehen Sie endlich hin und nehmen Sie das Gesetzeswerk vom Tisch, das 130 Ihrer Kollegen ins Werk gesetzt haben,

    (Beifall bei der SPD)

    und halten Sie es mit Herrn Wannagat. Herr Wannagat hat doch gesagt: Nicht nur die Zahlung von Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld greift in die Neutralität ein, sondern auch die Nichtzahlung kann in die Neutralität eingreifen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Deswegen meine Damen und Herren, hat dies mit „Streikkasse der Gewerkschaften" nichts zu tun; dies ist im Grunde eine Entlastung der Arbeitgeber,

    (Dr. George [CDU/CSU]: Wie scheinheilig!)

    die ihrer Lohnfortzahlungspflicht nicht nachkommen müssen, weil die Gesellschaft gesagt hat: In diesen Fällen soll die Solidargemeinschaft Bundesanstalt für Arbeit eintreten. Deswegen ist es für mich geradezu absurd, wenn nun verlangt wird, daß die Arbeitslosen — die es ja sind — und die Kurzarbeiter — die es ja sind — ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche nicht geltend machen können.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Schluß, was Sie, wie ich meistens feststelle, freut.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Nein! Das stimmt nicht!)

    — Vielen Dank!

    (Zuruf von der SPD: Die können was lernen!)

    Ich glaube, das deutsche Volk erwartet vom Bundeskanzler keine Verdrängungskünste, und ich glaube, wir erwarten von einem Bundeskanzler auch kein Talent zur ungetrübten Fröhlichkeit; denn das Amt des Bundeskanzlers ist nicht dafür geschaffen worden, daß sich der jeweilige Amtsinhaber möglichst fröhlich fühlt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Darum nehmen Sie den Vogel der kann das gar nicht!)

    sondern das Amt des Bundeskanzlers ist dazu geschaffen worden, Schaden vom Volke abzuwenden und das Gemeinwohl zu fördern. Herr Bundeskanzler, Sie haben vor diesem Hause geschworen, daß Sie Ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren und Schaden von ihm wenden wollen. Ich glaube, es wird Zeit, daß Sie sich dieser Pflicht widmen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)