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ID1015302400

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    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/153 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 153. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Paintner als Schriftführer 11447 A Wahl des Abg. Dr. Rumpf zum Schriftführer 11447A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksache 10/3700 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksache 10/3701 — Dr. Vogel SPD 11447 B Dr. Waigel CDU/CSU 11458 A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11467C Mischnick FDP 11471 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 11477 D Frau Fuchs (Köln) SPD 11490A Handlos fraktionslos 11496 D Rühe CDU/CSU 11498 C Lange GRÜNE 11503 D Schäfer (Mainz) FDP 11506C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11509C Genscher, Bundesminister AA 11514 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 11519C Dreßler SPD 11525C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 11530C Volmer GRÜNE 11532 D Frau Seiler-Albring FDP 11534B Horn SPD 11536A Wimmer (Neuss) CDU/CSU 11540 B Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 11541D Vizepräsident Stücklen 11509C Nächste Sitzung 11542C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11542* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 11447 153. Sitzung Bonn, den 5. September 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Dr. Götz 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hupka 5. 9. Dr. Kreile 5. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Niegel 6. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Poss 5. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schlottmann * 5. 9. Schmidt (Hamburg) 6. 9. Schmidt (Wattenscheid) 6. 9. Schröer (Mülheim) 5. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wolfgramm (Göttingen) ** 6. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Ehrenberg, es ist natürlich Ihr gutes Recht, diese Vergleiche anzustellen. Worauf es mir ankam, haben Sie entweder nicht aufgenommen, oder Sie wollen es nicht aufnehmen. Mir kam es darauf an, festzustellen, daß die Beschäftigtenzahl in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1985, obwohl die Bevölkerungszahl in der Zwischenzeit zurückgegangen ist, nicht niedriger, sondern höher als 1969 ist. Das ist ein Tatbestand, den Sie nicht wegleugnen können.

    (Beifall bei der FDP)

    Die anderen Zahlen bestreite ich nicht. Auf jeden Fall wird sichtbar: Die Politik, die wir betrieben haben, hat ihre ersten Erfolge.
    Ein weiterer Punkt, den ich hier mit aller Deutlichkeit ansprechen will, ist dieser. Wenn vom Überstundenabbau gesprochen wird — ich halte das für notwendig —, dann ist natürlich die öffentliche Hand an erster Stelle gefordert, in ihrem Bereich, soweit es die Verwaltung, Post und Bahn betrifft, diesen Abbau durchzuführen. Daran gibt es gar keinen Zweifel. Eine generelle gesetzliche Beschränkung der Überstunden ist falsch, denn sie würde auf Dauer nur Arbeitsplätze gefährden. Ich kann nicht mit dem Rasenmäher entscheiden, wo Überstunden notwendig sind und wo nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Dies ist der entscheidende Unterschied in der Betrachtungsweise zu Ihnen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Unternehmerpartei!)

    — Dies ist eine Vokabel, die ich nun schon fast 40 Jahre höre. Es gab sie einmal eine Zeitlang nicht, dann aber ist sie wiedergekommen. Ich kann nur feststellen, daß Ihnen entweder nichts Originelleres einfällt oder daß Sie glauben, mit diesem Zuruf diffamieren zu können. Wenn diese Bundesrepublik nicht Hunderttausende von Arbeitgebern hätte, die mit ihrem Einsatz für neue Arbeitsplätze und Betriebe sorgen, dann gäbe es noch viel mehr Arbeitslose. Das müßte doch endlich einmal in Ihren Gehirnkasten hineingehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar kurze Bemerkungen zur Konsolidierungs-
    und Finanzpolitik machen. Eine sparsame Haushaltsführung bleibt wichtig. Es ist unbestreitbar, daß die weitere Herabsetzung der Neuverschuldung unser mittelfristiges Ziel bleiben muß. Wir führen Steuersenkungen durch. Das führt natürlich dazu, daß das Tempo des Abbaues der Neuverschuldung verlangsamt wird. Diese Steuersenkungen sind notwendig: Ich bin aber überzeugt, daß die Steuersenkungen, die wir vorhaben, auch dazu führen werden, daß mittelfristig Einnahmeverbesserungen entstehen und daß damit mittelfristig erreicht wird, daß auch durch Einnahmeverbesserungen in den sozialen Sicherungssystemen die Stabilisierung erfolgt.
    Ich halte es allerdings auch aus einem anderen Grunde für notwendig, genauso konsequent an dem Konsolidierungskurs festzuhalten. Die Bundesbankgewinne haben eine Rolle gespielt. Das ist richtig. Sie haben in der Vergangenheit eine Rolle gespielt, sie haben auch jetzt eine Rolle gespielt. Da Bundesbankgewinne keine auf Dauer feste, einplanbare Größe sind, muß man gerade bei der Haushaltspolitik dafür Sorge tragen, daß sich eine Veränderung der Bundesbankgewinne nicht negativ auf die gesamte Finanz- und Haushaltspolitik auswirkt. Deshalb ist die Verwendung dieser Bundesbankgewinne zur Absenkung der Neuverschuldung richtig. Aber es ist kein Beruhigungspolster für morgen und übermorgen. Anders ausgedrückt: Wer die jetzige Konsolidierungsphase schon als einen Freibrief für künftige Spendierhosen ansieht, liegt völlig falsch. Wir müssen weiter hart bei der Konsolidierung bleiben.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang sind die steuerpolitischen Vorschläge meiner Fraktion, meiner Partei angegriffen worden. Ich will nicht im einzelnen darauf zurückkommen, ich möchte hier allerdings doch einen Punkt ansprechen. Mein Kollege Apel hat kritisiert, daß in unserem Gesamtkonzept der Abbau der Gewerbesteuer enthalten ist. Er hat dabei auf den Oberbürgermeister Wallmann als Präsidenten des Städtetages verwiesen. Sie können ganz beruhigt sein: In drei oder vier Wochen werden wir auch mit dem Städtetag ein Gespräch darüber führen. Nur: Die Gewerbesteuer ist ein Beispiel für viele, wie ganz schnell mit vordergründiger Stimmungsmache notwendige langfristige Überlegungen in Mißkredit gebracht



    Mischnick
    werden sollen. Wenn Sie einmal vor sich selbst ehrlich sind, dann müssen Sie doch sagen: Der Abbau der Gewerbesteuer, höhere Freibeträge, die Beseitigung der Lohnsummensteuer und dafür ein verstärkter Anteil der Gemeinden an der Einkommen- und Lohnsteuer hat zu einer verstärkten Stabilisierung geführt, dazu, daß die Konjunkturabhängigkeit, die bei der Gewerbesteuer natürlich gegeben ist, in vielen Fällen gemildert worden ist. Diese Überlegung grundsätzlich mit einzubeziehen steht jedem Kommunalpolitiker, der es ernst meist, gut an. Man sollte nicht nur über das reden, was heute sein kann, sondern man muß auch darüber sprechen, was morgen an Vorteilen daraus entstehen kann. Das ist eine sinnvolle langfristige Diskussion über diese Fragen.

    (Beifall bei der FDP)

    Deshalb ist es billige Polemik, was hier gegen diese Forderungen vorgetragen worden ist.
    Lassen Sie mich zum Abschluß nur noch zwei Bereiche ganz kurz ansprechen. Wir sind der Überzeugung, auch der Bund muß verstärkt alle Bemühungen unterstützen, nicht nur die Freiheit der Kultur zu bewahren, sondern hier auch aktiv tätig zu werden. Das heißt für uns: Es ist notwendig, beim Stiftungsrecht alles zu tun, daß mehr Möglichkeiten der kulturellen Entwicklung im freien Raum geschaffen werden, denn dies ist auch ein wichtiger Teil der Gesamtinnovation, wenn ich das einmal so sagen darf, die notwendig ist, um alles, was vor uns steht, nicht nur erfassen, sondern auch sinnvoll gestalten zu können. Die Teilhabe der Bürger daran weiter auszubauen ist besonders notwendig. Wir sind mit dem Deutschen Kulturrat einig, daß die vielfältigen gesellschafts- und auch wirtschaftspolitischen Dimensionen der Kultur oft unterschätzt werden. Jeder weiß in diesem Raum, daß ich ein sehr sportbegeisterter Mensch bin. Wir haben im Sport viele Möglichkeiten der Leistungsförderung gefunden, um Spitzentalente zu fördern.

    (Ströbele [GRÜNE]: Sie sollten sich um die Breite kümmern!)

    Mir scheint es notwendig zu sein, auch im gesamten kulturellen Bereich Überlegungen anzustellen, wie wir ähnliche Förderungsmöglichkeiten schaffen, um Talenten die Chance zu geben, sich zu entwikkeln und dann auch zu Spitzenleistungen zu kommen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Es geht nicht um die Spitzenleistung, sondern um die Allgemeinheit!)

    Hier vorhandene Vorbilder zu nutzen und sie umzusetzen scheint mir ein wichtiger Punkt für die Zukunft zu sein.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Eine letzte Bemerkung — heute nachmittag werden wir die Außenpolitik ausführlicher behandeln — zur Außen- und Deutschlandpolitik. Meine Damen und Herren, die Freien Demokraten haben hier ihre klare Linie seit den 50er Jahren nicht verlassen, und wir gedenken auch nicht, sie in Zukunft
    zu verlassen. Wir werden diesen Weg weitergehen. Daß da manchmal viel Überzeugungsarbeit notwendig ist, wissen wir. Daß es da Höhen und Tiefen gibt, wissen wir. Aber eines steht doch fest: Die Schreckensgemälde, die 1983 an die Wand gemalt, an den Himmel geworfen wurden, nun sei die Eiszeit ausgebrochen, nun gebe es keine Verhandlungen und Gespräche mehr, haben sich als genauso falsch herausgestellt, wie wir dies von Anfang an gesagt haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich warne allerdings davor, die Gespräche, die nun in Genf vor uns stehen, etwa vorher, auf welcher Seite auch immer, mit zuviel Vorankündigungen, Erwartungen zu belasten.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das ist leider wahr!)

    Daß das ein mühseliger Prozeß sein wird, ist jedem, der hier lange Jahre tätig war und ist, völlig klar.
    Wir wollen auch die chemischen Waffen überall beseitigt haben.

    (Ströbele [GRÜNE]: Ich denke, die NATO will sie jetzt wieder einführen!)

    Wir wollen sie auf allen Seiten beseitigt haben. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Welche Wege man dazu geht, welche Gespräche man dazu führt, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Da gilt es, nüchtern zu prüfen, was hilfreich ist, was nicht hilfreich ist.
    Ich bin sehr froh darüber, daß die jüngsten Affären im Spionagebereich nicht zu einer Belastung der Deutschlandpolitik geführt haben. Ich hoffe, es bleibt dabei.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluß darf ich eine Feststellung, die ich früher einmal getroffen habe, variierend wiederholen: Es wird immer davon gesprochen, daß Koalitionen nicht leicht sind, daß man gegenseitig Rücksicht nehmen muß. Das ist völlig richtig. Nur wenn man in einer Koalition die Möglichkeit zur Selbstgestaltung hat, kann es auch zu einer befriedigenden Arbeit führen. Ich habe früher einmal gesagt: Die Koalition besteht nicht aus eineiigen Zwillingen, ich sage heute: Die Koalition besteht nicht aus eineiigen Drillingen, aber sie ist gewillt, die vor uns liegenden schwierigen Aufgaben gemeinsam zu lösen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einbringung des Bundesetats für das Jahr 1986 ist selbstverständlich — das entspricht der Tradition des Hohen Hauses — Gelegenheit zu einer Generalaussprache oder, wie es vielleicht auch manche verstehen könnten, zu einer Art Generalabrechnung mit der Politik der Bundesregierung. Ich finde, wir soll' ten offen hinzufügen, daß verständlicherweise, wenn man den Etat 1986 berät, jeder von uns auch



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    daran denkt, daß wir am Ende des Etatjahres 1986 ganz unmittelbar vor der Bundestagswahl im Januar 1987 stehen. Es ist ganz natürlich, daß dies alles auch in dieser Debatte mitschwingt. Ich bin insofern als ein aufmerksamer Zuhörer des gestrigen und heutigen Tages enttäuscht, daß die Sprecher der Opposition, insbesondere auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, eigentlich keine neuen Anregungen vorgebracht haben. Am heutigen Morgen habe ich die Schlußpassage des Sprechers der GRÜNEN als bemerkenswert empfunden, die deutlich gemacht hat, was eigentlich die politische Absicht für den Januar 1987 ist.

    (Frau Hönes [GRÜNE]: Diese Regierung abzulösen! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Ich bin dankbar, daß das hier im Plenum des Deutschen Bundestages einmal so offen ausgesprochen wurde; denn, meine Damen und Herren, die Wähler in der Bundesrepublik müssen wissen, was es heißt, wenn es zu einem rot-grünen Bündnis kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich denke, es ist auch richtig, wenn hier in dieser Debatte bei allen drängenden und ganz unbestreitbaren Problemen der Innenpolitik die Schwerpunkte — —

    (Zurufe von der SPD)

    Herr Abgeordneter Vogel, an Originalität sind Sie — ausweislich der heutigen Tagespresse — von niemandem zu überbieten.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich will auch in diese Konkurrenz mit Ihnen nicht eintreten.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das können Sie auch gar nicht!)

    Aber ich fand es schon ganz bemerkenswert, daß Sie als der erste Sprecher der Opposition in der Generaldebatte den wichtigen Fragen der Außen- und der Sicherheitspolitik ein solch geringes Gewicht beigemessen haben. Das mag auch seinen Grund darin haben, daß eben in dieser Frage Ihre Partei so zerstritten ist, wie in wenigen anderen Fragen. Auch das ist ein Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Wie Sie!)

    Nun, meine Damen und Herren, selbstverständlich ist es notwendig, in dieser Debatte über diese Themen zu sprechen; denn im Ost-West-Verhältnis sind im Jahre 1985 — das gilt ganz gewiß auch für das kommende Jahr 1986 — Entwicklungen in Gang gekommen — oder sie werden noch in Gang kommen —, die weitreichende Folgen haben können.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das ist richtig!)

    Ich hoffe, positive Folgen auch für die Menschen in Deutschland, für die Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das hoffen wir auch!)

    Am 19. und 20. November 1985 werden sich Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow in Genf treffen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ist das wahr?)

    Die intensiven Vorbereitungen von beiden Seiten beweisen, daß beide Seiten, beide Weltmächte einen Erfolg dieses Treffens wünschen,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das ist falsch!) und wir wünschen diesen Erfolg auch.


    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Das ist j a toll! Eine Überraschung!)

    Die Bundesregierung und nicht zuletzt ich selbst haben seit meiner Amtsübernahme immer wieder für eine solche Begegnung geworben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ganz allein!)

    Ich habe das schon damals zur Zeit des Generalsekretärs Andropow angeregt, und wir haben in der Zwischenzeit unsere Möglichkeiten genutzt — ich betone das — um einen Beitrag zu leisten, daß dieses Treffen zustande kommt.

    (Gilges [SPD]: Nicht zu glauben!)

    Ich glaube, es ist wichtig, daß neben den beiden unmittelbar beteiligten Regierungen auch die anderen, die jeweils befreundeten Regierungen in diesem Sinne wirken. Das war unter anderem auch ein wichtiger Gesprächsgegenstand meiner kürzlichen Besprechung mit Staatspräsident Mitterrand. In diesem Sinne werde ich auch noch im Herbst — vermutlich im Oktober — bei meinem Zusammentreffen mit Präsident Reagan in Washington versuchen zu wirken.

    (Zuruf von der SPD)

    Wir, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, erwarten von diesem Gipfel Impulse und Weichenstellungen in den für uns ganz zentralen Fragen der Sicherheit und des Dialogs zwischen Ost und West. Es muß einmal mehr der Versuch unternommen werden, die Beziehungen der beiden Weltmächte neu zu gestalten mit dem Ziel, weltweite Friedenspolitik einzuleiten, einen Beitrag zum Abbau des Wettrüstens zu leisten und damit eine größere Chance für die Verständigung und die Zusammenarbeit unter den Völkern zu schaffen.

    (Tatge [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal etwas Neues! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Halten Sie doch mal den Mund! — Zuruf von der SPD: Das müssen Sie gerade sagen!)

    Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, daß am Ende dieses jetzt beginnenden Prozesses eine Klärung der Beziehungen zwischen den Weltmächten möglich sein wird.
    Wir sind der Auffassung, daß ein solcher globaler Friedensdialog nicht ohne die aktive Teilnahme auch der mittleren und kleineren Staaten Europas zum Erfolg führen kann. Ein Ergebnis dieses Gipfels muß nach unserer Überzeugung sein, daß das Gespräch aller — und das gilt gerade hier in Europa — mit allen erleichtert wird. Wir haben mit großem



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Interesse zur Kenntnis genommen, daß die sowjetische Führung zunehmend dem Verhältnis zu Westeuropa Aufmerksamkeit schenkt und den Beziehungen mit den westeuropäischen Staaten ein größeres Gewicht beimessen möchte. Auch von institutionalisierten Kontakten etwa zwischen der EG und dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe ist die Rede.
    Aber, meine Damen und Herren, wer von einem gemeinsamen europäischen Haus spricht, muß allen das gleiche Wohnrecht in diesem Haus einräumen und alle Interessen berücksichtigen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Er muß auch den eigenen Verbündeten die Möglichkeit geben, ihre Beziehungen zu den anderen, zu den westeuropäischen Staaten voll zu entfalten.
    In diesem Sinne haben sich unsere Beziehungen mit der DDR weiterhin positiv entwickelt. Unsere Deutschlandpolitik hatte Erfolg, weil sie klar, berechenbar und pragmatisch war und ist. Wir werden diese Politik geduldig fortsetzen. Keine der Prophezeiungen aus dem Lager der Sozialdemokratie — etwa die von der neuen Eiszeit — ist in der Zwischenzeit eingetreten. Das ist ja ein Stück Ihres Verdrusses. Es ist auch ein Stück Ihrer Unfähigkeit, zuzugeben, daß wir auf diesem Feld besonderen Erfolg hatten, wenn Sie dieses Thema überhaupt totschweigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Tatge [GRÜNE])

    Gerade weil wir es als eine vorrangige Aufgabe ansehen, für die Menschen im geteilten Deutschland soviel wie möglich zu erreichen, sind Augenmaß und Ausgewogenheit erforderlich.

    (Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

    Dialog und Zusammenarbeit sind notwendig, auch wenn wir — wie in jüngster Zeit — über die letzten Spionagefälle mit Recht öffentlich unsere Betroffenheit zum Ausdruck bringen. Herr Abgeordneter Vogel, ich finde es eigentlich seltsam, daß Sie dazu überhaupt eine Anmerkung machen. Es ist doch in der Tat ein Vorgang, der die Beziehungen nicht besonders fördert, wenn wir bei solchen Gelegenheiten feststellen müssen, in welch einem Umfang aus feindseliger Gesinnung in unserem Lande spioniert wird.

    (Zuruf der Abg. Frau Hönes [GRÜNE])

    Ich will in diesem Zusammenhang auch noch etwas anderes sagen. Wenn Sie uns in diesem Zusammenhang darauf hinweisen — Herr Vogel, Sie haben das heute getan —, daß wir bei all dem, was zu tun ist, Rücksicht nehmen müßten auf die Stimmung, die Überzeugung unserer Landsleute im anderen Teil Deutschlands, dann haben Sie recht. Aber ich weiß nicht, woher Sie Ihre Kontakte haben. Ich habe in den letzten Wochen in vielen Gesprächen nicht zuletzt immer wieder gehört: Wie könnt ihr in dieser Situation eine Diskussion über die Änderung der Präambel des Grundgesetzes einleiten?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieser Vorwurf geht doch nicht an die Koalition und an die Regierung; der Vorwurf geht doch an Sie, daß Sie auf dem Weg einer Anpassung Problemlösungsvorstellungen der DDR-Führung übernehmen, die für uns gänzlich inakzeptabel sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Generalsekretär Honecker hat sich anläßlich der Eröffnung der Leipziger Messe am 1. September optimistisch über die Entwicklungsmöglichkeiten in den deutsch-deutschen Beziehungen geäußert. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Seit diesem Frühjahr konnten wir spürbare Verbesserungen erreichen. Die Vereinbarungen von Anfang Juli über den Swing und vom 15. August über die Grunderneuerung einer Autobahnteilstrecke enthalten auch für die Zukunft ausgesprochen positive Elemente.
    Die Zahl der Reisen in dringenden Familienangelegenheiten aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland hat deutlich zugenommen. Der Jugendaustausch in Ost-West-Richtung konnte wiederaufgenommen werden. Wir wünschen uns, daß möglichst viele junge Mitbürger aus der Bundesrepublik in die DDR reisen und damit einen sehr eigenen Eindruck von der Wirklichkeit und vorn Alltag in der Deutschen Demokratischen Republik gewinnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ströbele [GRÜNE]: Dürfen die auch nach Moskau reisen?)

    Meine Damen und Herren, im Bereich des Umweltschutzes kommen die Gespräche gut voran. Ich bin zuversichtlich, daß wir eine gute Chance haben, bei den Verhandlungen über das Kulturabkommen noch in diesem Jahr zu einem Abschluß zu kommen.
    Das alles, Herr Abgeordneter Vogel, sind großartige Ergebnisse einer nüchternen, illusionsfreien, pragmatischen Politik. Sie sollten das endlich anerkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Begegnung mit Generalsekretär Honecker am 12. März in Moskau hat einmal mehr in diese Beziehungen Bewegung gebracht. Ich glaube, wir dürfen sagen: Dies alles ist zum Nutzen für die Menschen in Deutschland.
    Fragen der Sicherheit spielen verständlicherweise in den gegenseitigen Beziehungen der beiden Weltmächte und ihrer Verbündeten eine zentrale Rolle. Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen nicht zulassen, gerade wir in einem geteilten Land, daß die Ost-West-Beziehungen auf die Probleme der Sicherheit, so wichtig sie sind, verkürzt werden. Solange sich die politischen Beziehungen nicht entwickeln, so lange werden nach meiner festen Überzeugung auch keine wirklichen Fortschritte in der Rüstungskontrolle und in der Abrüstung erreicht.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie tun ja nichts dafür!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den Genfer Abrüstungsverhandlungen zu einem Erfolg zu verhelfen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Was haben Sie denn im letzten Jahr gemacht?)

    — Herr Ehmke, Ihr Beitrag in diesem ganzen Zusammenhang war bisher doch eigentlich nur, nach Gesprächen mit kommunistischen Parteien möglichst viel von deren Ideen in den Westen zu tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Primitiv!)

    Ein Prediger der Äquidistanz wie Sie, Herr Ehmke, ist der letzte, der hier den Eindruck erwecken könnte, daß dies ein Beitrag zur Rüstungskontrolle und Abrüstung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, unser Interesse ist es, daß die nuklearen Offensivwaffen im interkontinental-strategischen und im Mittelstreckenbereich drastisch reduziert werden.

    (Ströbele [GRÜNE]: Dann tun Sie es doch mal!)

    Unser Interesse ist, Wettrüsten auch im Weltall zu verhindern.

    (Ströbele [GRÜNE]: Dann tun Sie es doch mal!)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung tritt darüber hinaus für eine Verständigung über einen allgemeinen und umfassenden Teststopp für Kernwaffen ein. Es müssen hinreichende Überprüfungsmöglichkeiten für einen vereinbarten Teststopp geschaffen werden. Dies kann eben nur auf dem Weg von Verhandlungen erreicht werden. Der kürzlich von sowjetischer Seite vorgelegte Moratoriumsvorschlag geht auf diese ganz wesentliche Frage nicht ein. Generalsekretär Gorbatschow hat mir letzte Woche in einem Schreiben die sowjetische Haltung erneut dargelegt. Danach soll die Nichtdurchführung von Kernexplosionen mit den vorhandenen nationalen technischen Mitteln überprüft werden. Wir sind hier gänzlich anderer Auffassung. Die Bundesregierung hat deshalb in Genf als Ergebnis eingehender Forschungen deutscher Wissenschaftler einen Vorschlag für ein gleitendes seismologisches Überwachungssystem eingebracht. Wir erwarten, daß auf dem Gipfeltreffen zwischen Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow Weichenstellungen für eine Lösung im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz erreicht werden können.
    Meine Damen und Herren, auch in den Verhandlungen über ein weltweites Verbot chemischer Waffen spielt die Frage der angemessenen Verifikation die entscheidende Rolle. Die Bundesregierung hat deshalb ein umfassendes Konzept für eine wirksame Kontrolle der Vernichtung bestehender Bestände sowie der Einhaltung des Produktionsverbots entwickelt und der Genfer Konferenz vorgelegt.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, weil dies hier anklang, auch ein kurzes Wort zur Frage einer Strategischen Verteidigung sagen. Wie ich bereits in meiner Regierungserklärung am 18. April hier im Hohen Haus angekündigt habe, bereist in diesen Tagen eine Delegation aus Regierungsvertretern, Vertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft die USA. Diese Delegation hat keinen Verhandlungsauftrag. Es geht in dieser Phase um die Aufbereitung und Vervollständigung unserer Entscheidungsgrundlagen in der Frage wissenschaftlich-technologischer Zusammenarbeit zwischen deutschen Unternehmen und öffentlichen und privaten amerikanischen Auftraggebern. Es geht darum, Material für die Entscheidung zu sammeln, ob für eine solche Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene Rahmenbedingungen festgelegt werden müssen und können und wie solche Bedingungen gegebenenfalls aussehen könnten. Es geht auch darum — ich will auch das hier deutlich sagen —, sicherzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland als Industrieland und als exportabhängige Nation nicht von dem dynamischen technologischen Entwicklungsprozeß der westlichen Welt abgekoppelt wird. Die politische und strategische Entscheidung über die amerikanische Verteidigungsinitiative ist damit noch keineswegs getroffen, und sie kann erst dann getroffen werden, wenn wir abschließend angesichts aller Unterlagen entscheiden können. Sie wird erst möglich sein, wenn die entsprechenden amerikanischen Forschungsergebnisse vorliegen und sorgfältige und enge Bündniskonsultationen über diese für die Allianz insgesamt lebenswichtige Frage stattgefunden haben. Eine automatische Folge von Forschung, Entwicklung und Stationierung gibt es nicht.
    Die Entscheidung über eine Strategische Verteidigungsinitiative wird sich maßgeblich auch daran orientieren müssen, ob die von mir immer wieder, zuletzt in der Regierungserklärung vom 18. April, genannten Bedingungen erfüllt werden können.
    Wir bleiben überzeugt, daß drastische Reduzierungen der nuklearen Offensivwaffenpotentiale zwangsläufig Notwendigkeit und Umfang Strategischer Verteidigungssysteme beeinflussen. Solche Reduzierungen haben für die voraussehbare Zukunft für uns Vorrang.
    Lassen Sie mich auch das gleich hinzufügen: Wir unterstützen selbstverständlich — es ist j a frühzeitig mit uns abgesprochen worden — das von der Französischen Republik vorgeschlagene Forschungsprogramm Eureka. Die gemeinsamen Sicherheitsinteressen Europas und der Vereinigten Staaten von Amerika fordern auch einen vergleichbaren Stand der jeweiligen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung.

    (Ströbele [GRÜNE]: Sie reden nur noch von Waffen!)

    Wenn wir den europäischen Pfeiler der transatlantischen Brücke stärken wollen, setzt dies auch voraus, daß wir die technologische und industrielle Leistungskraft in Europa steigern. Und dies kann uns doch nur gelingen, wenn wir die vorhandenen nationalen Potentiale bündeln und zusammenführen.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Wir haben auf den französischen Vorschlag nicht nur sofort reagiert, sondern gemeinsam mit unseren französischen Freunden und anderen auch inhaltlich die Weichen für Eureka gestellt.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Leider!)

    Die Bundesregierung hat darüber hinaus die Ausrichtung der Folgekonferenz von Paris übernommen und die beteiligten europäischen Staaten für den 5. und 6. November nach Hannover eingeladen. In Hannover wird es darum gehen, Ziele und Strukturen von Eureka näher zu bestimmen und wenn möglich erste konkrete Projekte zu definieren. Unsere Überlegungen konzentrieren sich dabei auf Projekte aus den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnik, Robotertechnik, Fertigungstechnik, Gentechnologie sowie der Techniken für modernen Umweltschutz und Verkehr.
    Europa wird bei den fortgeschrittenen Technologien gegenüber seinen Freunden und zugleich Konkurrenten USA und Japan auf die Dauer nur gleichziehen können, wen wir mit der Schaffung eines großen einheitlichen Marktes ernst machen.
    Der Europäische Rat in Mailand hat sich darauf festgelegt, bis 1992 — und das ist für ein so großes Werk nur eine kurze Zeit — den europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Ich weiß, dies ist ein ganz ungewöhnlich ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, daß es in den letzten 25 Jahren nicht gelungen ist, den Auftrag der Römischen Verträge zu erfüllen und die Binnengrenzen in der Gemeinschaft endlich zu überwinden. Wir werden mit Nachdruck darauf hinwirken, daß der Beschluß des Europäischen Rates von Mailand möglichst termingerecht umgesetzt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes verbessern wir die Rahmenbedingungen für die europäische Wirtschaft. Wir leisten damit auf europäischer Ebene auch einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Überwindung der Arbeitslosigkeit.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch sagen, daß ich die Angstlichkeit mancher, auch wirtschaftlicher, Kreise in der Bundesrepublik beim Blick auf die Erweiterung des Binnenmarkts nicht recht verstehen kann. Wenn Sie sich einmal alle Grunddaten überlegen, können Sie doch wirklich davon ausgehen, daß nicht zuletzt die Bundesrepublik Deutschland von diesem Binnenmarkt den allergrößten Nutzen haben wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist doch jetzt schon so — und das wird sich nach dem 1. Januar mit dem Beitritt von Spanien und Portugal noch verstärken —, daß im kommenden Jahr ungefähr 60% unserer Industrieexporte in die Länder der Europäischen Gemeinschaft gehen. Das ist eine Dimension, die für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik, für die Gesellschaftsordnung und für die soziale Situation von allergrößter Bedeutung ist. Lassen Sie mich deswegen dafür werben — und dabei bitte ich um Ihre Unterstützung —, daß wir bei der Einführung des Binnenmarktes ungeachtet aller ganz gewiß zu erwartender Schwierigkeiten in
    einzelnen Branchen und Details niemals das große Ziel aus den Augen verlieren. Es ist ein Gewinn für die Bundesrepublik Deutschland.
    Meine Damen und Herren, für mich war es bei meinem Amtsantritt vor bald drei Jahren selbstverständlich, daß die Europapolitik auf unserer Prioritätenliste steht. Was haben wir vorgefunden? Die Gemeinschaft trat auf der Stelle. Wir als Bundesregierung haben ganz wesentlich dazu beigetragen, die Gemeinschaft aus Stagnation und Krise herauszuführen.

    (Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

    — Ja nun, meine Damen und Herren, wenn wir auf irgendeinem Gebiet Stagnation vorgefunden haben, dann, Herr Abgeordneter Vogel, auf diesem. Offensichtlich haben Sie sich während der Dauer Ihrer Regierungszugehörigkeit nur für Teilbereiche der Politik interessiert, nicht aber für die Gesamtentwicklung.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schmidt [Hamburg-Neustadt] [GRÜNE]: Was sagt denn Herr Genscher dazu?)

    Bei der Vorbereitung und politischen Durchsetzung der Beschlüsse des Mailänder Gipfels war diese Bundesregierung — gemeinsam mit der französischen Regierung — treibende Kraft.

    (Frau Traupe [SPD]: Was ist denn dabei herausgekommen?)

    — Meine Damen und Herren, diese Frage zeigt doch, daß Sie sich offensichtlich niemals mit Europapolitik beschäftigt haben.

    (Frau Traupe [SPD]: Doch, doch!)

    Die Frage ist doch: Was haben Sie seit 1969 im Vergleich zu der kurzen Zeit von weniger als drei Jahren getan und erreicht? Wir haben gemeinsam mit Frankreich den Entwurf eines Vertrages eingebracht, der die außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit der Zehn in der Perspektive der Europäischen Union festschreibt.

    (Zuruf von der SPD: Alles Blabla!)

    Meine Damen und Herren, die am Montag beginnende Regierungskonferenz wird über diesen Entwurf wie auch über die Vorschläge anderer Mitgliedstaaten beraten. Wir werden darauf drängen, daß wir auf dem nächsten europäischen Gipfel Anfang Dezember in Luxemburg einen ganz wesentlichen Schritt vorankommen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Das sagen Sie jedes Mal! — Dr. Vogel [SPD]: Das hören wir seit drei Jahren!)

    Europa muß — dies ist ein wesentliches Ziel unserer Politik — zu einem Stück mehr gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik fähig sein. Es muß dabei nicht nur mit einer Stimme sprechen, sondern auch in der Lage sein, gemeinsame Interessen gegenüber der Welt zur Geltung zu bringen.
    Die Europäische Gemeinschaft ist aber nach außen nur in dem Maße handlungsfähig, in dem sie



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    selbst im Inneren institutionell und politisch gefestigt ist.

    (Tatge [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal etwas Politisch-Konkretes! — Zuruf von der SPD: Das kann er j a nicht!)

    Wir haben in Mailand intensiv darüber diskutiert. Niemand bestreitet die Notwendigkeit solcher Reformen. Umstritten ist allerdings der Weg, der dorthin führt, auch die Frage, ob die Verträge geändert werden müssen. Meine Damen und Herren, ich bekenne hier noch einmal, daß wir in der Bundesregierung der Auffassung sind,

    (Ströbele [GRÜNE]: Haben Sie dazu überhaupt eine Meinung?)

    daß es der beste Weg wäre, wir würden uns gemeinsam zu einer Änderung der Verträge Bereitfinden. Ob dies möglich sein wird, ist zur Stunde eine gänzlich offene Frage.
    Dies gilt auch für die Stärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments. Wir haben in Mailand detaillierte und weitgehende Vorschläge dazu eingebracht, daß das Europäische Parlament, das schließlich in freier, geheimer und direkter Wahl gewählt

    (Ströbele [GRÜNE]: Das stimmt!)

    und direkt vom Bürger mit Autorität ausgestattet wurde, am Entscheidungsverfahren innerhalb der Gemeinschaft stärker beteiligt wird. Wir werden auch diesen Vorschlag in Luxemburg mit Nachdruck vertreten. Wir wissen, daß die überwiegende Mehrheit unserer Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland — trotz mancher Skepsis und auch manchen Ärgers im Detail — Europa will. Sie sind oft ungeduldig, nicht weil sie Gegner Europas sind, sondern weil die Dinge so langsam vorangehen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Da haben sie auch recht!)

    Der Satz behält seine Richtigkeit: Gerade wir Deutsche brauchen das freie Europa, das zusammen mit dem Atlantischen Bündnis Garant der Freiheit unseres Vaterlandes ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FPD)

    In diesen Tagen der Debatte, meine Damen und Herren, werden hier natürlich auch alle Fragen der Innenpolitik ganz besonders gewürdigt. Ich kann sehr wohl verstehen, daß es für die Sprecher der Opposition eine wenig erfreuliche Situation ist, daß all ihre Voraussagen, ihre pessimistischen Bilder, die Horrorgemälde, die hier auch heute noch entwickelt wurden, in der Wirklichkeit des Landes eben nicht zutreffen.

    (Tatge [GRÜNE]: Na, na!)

    Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dieser Etat führt am Ende des Jahres 1986 ins unmittelbare Vorfeld der Bundestagswahl hinüber. Sie werden angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung, so wie sie sich abzeichnet und wie sie nach meiner festen Überzeugung auch eintreten wird, keine Chance haben, mit jener Welle der Diffamierung, Verleumdung und Verdrehung der Tatsachen
    operieren zu können, wie Sie das bei einigen Wahlen in diesem Jahr getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Wir werden den Wählern rechtzeitig und umfassend

    (Zuruf von der SPD: Haha!)

    deutlich machen, was wir von Ihnen an Erblast übernommen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von den GRÜNEN: Sehr originell!)

    In dieser Eröffnungsbilanz wird der Satz stehen, den der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten just in der Woche meiner Wahl zum Bundeskanzler über Ihre Ära geschrieben hat — ich zitiere —:

    (Zuruf von der SPD: Das richtet sich an die FDP!)

    Noch schwerer wiegt, daß die Entwicklungsrichtung abwärts und nicht aufwärts zeigt, daß die Wende zum Besseren also immer noch aussteht und daß die Arbeitslosigkeit mit unvermindertem Tempo steigt.
    Das war die Eröffnungsbilanz auf dem Arbeitsmarkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Herr Abgeordneter Vogel, es waren drei schwierige Etappen, die wir vor uns hatten: Beendigung der Talfahrt in die tiefste Rezession der Nachkriegszeit, die Sie allein zu verantworten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Da so viele Geschichtsklischees verbreitet werden: Man muß hier meinen Vorgänger Helmut Schmidt in Schutz nehmen. Er hatte schon die richtige Überzeugung für den richtigen Weg. Aber Sie haben ihn daran gehindert, und Sie haben ihn letzten Endes ja auch gestürzt. Das ist die Realität.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Das zweite, um das es uns gehen mußte, war die Wiedergewinnung von Stabilität und Wachstum, das dritte die Trendumkehr bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit.
    Lassen Sie uns heute diese Stationen noch einmal kurz betrachten.

    (Gilges [SPD]: Wann kommt die Trendumkehr denn?)

    — Es mag sein, daß Sie sie nicht offen zugeben. Persönlich haben Sie sie längst erkannt. Ich darf Ihnen doch unterstellen, Herr Kollege, daß Sie wenigstens noch den Wirtschaftsteil Ihrer Heimatzeitung lesen. Dann werden Sie wissen, was sich im Alltag entwikkelt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Wir befinden uns mitten in einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung, die zwar weniger steil, aber dafür deutlich stabiler und dauerhafter verläuft als frühere Aufschwungphasen. Wir haben jetzt den Punkt erreicht, an dem steigende Produktion und Kapazitätsauslastung zunehmend auch zu Neueinstellungen und damit zu mehr Beschäftigung führen. Gerade mit Blick auf Beschäftigung und Arbeitsplätze ist es wichtig, daß der Deutsche Bundestag in dieser öffentlichen Debatte eben immer wieder auch die zentralen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik erörtert. Ich will mich in einigen Sätzen diesen wichtigen Fragen zuwenden.
    Erstens. Gerhard Stoltenberg hat all das, was gesagt werden muß, zum Thema Staatsfinanzen gesagt. Das einzige, was Sie von der SPD anzubieten haben, ist, zurückzukehren zu Ihren alten Rezepten, die immer katastrophale Folgen hatten: Neue Schulden zu machen, das ist das, was Sie uns doch in Wahrheit vorgeschlagen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist nicht wahr, Herr Bundeskanzler!)

    Sie hatten uns im Herbst 1982 ein wirklich gigantisches Defizit für 1983 vorgegeben, und wir haben für dieses Defizit bitter bezahlen müssen.
    Es gab zum einen im Psychologischen — das war vielleicht sogar das Allerwichtigste — die sich dramatisch ausbreitende Resignation in weiten Teilen der Wirtschaft, und da war zum anderen die drohende Handlungsunfähigkeit des Staates, solange Sie an der Regierung waren. Wir haben seitdem das Notwendige getan.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir haben das Defizit wesentlich reduziert, wenn wir auch noch nicht alle Ziele erreichen konnten. Wir haben mit einem 6-Milliarden-Gesamtpaket wichtige Starthilfen zur Wiederbelebung der Wirtschaft gegeben. Und ob es Ihnen gefällt oder nicht: Wir haben mit der Steuerreform — 1. Januar 1986, 1. Januar 1988 — einen Startschuß für eine vernünftige Entwicklung gegeben, die unter Ihrer Regierung gänzlich unmöglich gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Im Gegensatz zu Ihren Prophezeiungen im Jahre 1983 und 1984 von diesem Pult aus hat uns die Konsolidierung des Haushalts eben nicht tiefer in die Rezession geführt, sondern sie hat einen wirtschaftlichen Aufschwung und die eben erwähnte Senkung der Steuerbelastung überhaupt erst möglich gemacht. Wir werden auf diesem Weg voranschreiten.

    (Senfft [GRÜNE]: Um Gottes willen!)

    — Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ich denke, es rentiert sich nicht, mit Ihnen darüber zu sprechen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie sind in der Tat nur vorübergehend Gast in diesem Haus.

    (Tatge [GRÜNE]: Hoffen Sie nicht zu früh!)

    Das wird man ertragen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Steuersenkungen und solide Staatsfinanzen gehören für uns untrennbar zusammen. Das, Herr Abgeordneter Vogel, ist der entscheidende Unterschied zwischen uns. Steuersenkungen auf Pump sind für uns keine Alternative. Unsere Finanzpolitik bleibt berechenbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der zweite wirklich entscheidende Punkt einer Veränderung in weniger als drei Jahren: statt Schrumpfung wirtschaftlicher Leistungen wieder Wirtschaftswachstum. Wir hatten 1982 immerhin einen Rückgang um real 14 Milliarden DM. Das heißt, die realen volkswirtschaftlichen Leistungen waren 1982 hinter den Stand von 1980 zurückgefallen. Heute haben wir anhaltendes reales Wirtschaftswachstum, mit dem uns beispielsweise die OECD — zu Recht — in der Spitzengruppe der Industrieländer der Welt sieht. Was immer Sie zum Thema Bundesbank sagen mögen, Herr Abgeordneter Vogel: die Bundesbank rechnet mit einer Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts in einer sehr günstigen Größenordnung in der Nähe von 3 Punkten. Diese Wachstumsdynamik bedeutete im übrigen im abgelaufenen Jahr 1984 eine Zunahme der volkswirtschaftlichen Leistungen um nicht weniger als 77 Milliarden DM. Das — das muß man den Sozialisten jeglicher Art ins Stammbuch schreiben — hat mehr Wirkung als alle vorgeschlagenen Beschäftigungsprogramme, die Sie je erdacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Abgeordneter Vogel, Sie wissen so gut wie ich, daß die rund 50 Milliarden DM für die sogenannten Beschäftigungsprogramme jeglicher Art in den Jahren 1974 bis 1981 nur ein Ergebnis hatten:

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Eine Million zusätzliche Arbeitsplätze!)

    Sie haben nicht weniger Arbeitslose, sondern die größte Zunahme an Arbeitslosen in der Nachkriegsgeschichte,

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist doch unredlich!) und Sie haben gewaltige Schulden hinterlassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU — Gilges [SPD]: Eine Million Arbeitsplätze mehr! — Ströbele [GRÜNE]: Es war doch Graf Lambsdorff, der das hinterlassen hat!)

    Das dritte Feld sind die Preise. Ich habe in den letzten Wochen oft zu meinen Kollegen gesagt: Was wäre wohl geschehen, wenn Sie am Ende Ihrer Amtszeit auf Inflationsraten in der Größenordnung hätten hinweisen können, wie sie heute für viele unserer Mitbürger längst selbstverständlich geworden sind?

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist doch weltweit so!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Kein anderes Land mit Ausnahme Japans kann ähnlich niedrige Preissteigerungsraten aufweisen wie die Bundesrepublik Deutschland.

    (Schmidt [Hamburg-Neustadt] [GRÜNE]: Das war auch vor fünf Jahren so!)

    Das ist in Wahrheit soziale Politik.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das ist noch nie anders gewesen! Keine Ahnung!)

    Denn die wirkliche Expropriation — übrigens auch im marxistischen Sinne — findet statt, indem man den kleinen Sparer und die Leute mit kleinem Einkommen über die Inflation tatsächlich enteignet.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Deswegen wird der Sparzins gesenkt!)

    Das war doch eine Erfahrung, die wir gemacht haben und die nie wieder Richtschnur deutscher Politik werden darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Folgen unserer Politik sind ganz klar. Wir haben erstmals statt Kaufkraftverlust eine reale Zunahme von Löhnen und Einkommen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

    — Frau Kollegin, dann gehen Sie einmal in die Betriebe.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist unglaublich!)

    Hier geht es nicht um den Sozialismus des Jet-Set, sondern um die Arbeitnehmer in unserem Lande. Die haben das doch erlebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    1984 und 1985 erhöhte sich die reale Kaufkraft der Haushalte um rund 30 Milliarden DM.

    (Schmidt [Hamburg-Neustadt] [GRÜNE]: Welcher Haushalte?)

    Erstmals seit 1979 ist die Zinsvergütung für Sparkonten wieder höher als der Preisanstieg. Das bedeutet einen echten Wertzuwachs auf den Sparkonten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Bei Ihnen kann doch keiner sparen!)

    — Die Vorstellung, daß unter dieser Regierung niemand sparen kann, bleibt allein Ihnen vorbehalten. Sie sollten sie jeden Tag draußen öffentlich wiederholen,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Die, die die Zwangsanleihe zurückgekriegt haben, die haben gespart! Das ist richtig!)

    dann werden Sie sehen, wie Sie sich der Lächerlichkeit preisgeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich ein kurzes Wort zu dem Kapitel Zinsen und Investitionen sagen. Die Zinsen auf dem Kapitalmarkt sind von dem Höchststand 11 %) im Sommer 1981 inzwischen auf 61/2 % gesunken. Das hat erhebliche Wirkungen bei den Investitionen. Die ausgeprägte Investitionsschwäche in den letzten Jahren hatte, wie jeder weiß, den Abbau von Arbeitsplätzen und damit das Mehr an Arbeitslosigkeit vorprogrammiert. Heute, meine Damen und Herren — und das gehört in diesen Bericht —, registrieren wir eine boomartige Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen. Allein 1985 werden rund 150 Milliarden DM für Ausrüstung, Maschinen und Anlagen ausgegeben. Das sind genau 10% Steigerung gegenüber dem letzten Jahr. Dies ist doch entscheidend, weil die Investitionen von heute Arbeitsplätze von morgen bedeuten. Das ist in diesem Zusammenhang einer der wichtigsten Aktivposten unserer Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich kann hier ein weiteres Feld des Erfolges ansprechen: Umweltschutz.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Was haben Sie denn getan? Sie haben darüber geredet. Sie haben auf die neu ankommende Gruppe der GRÜNEN gestarrt. Sie waren doch handlungsunfähig, wie Sie es bis zum heutigen Tag geblieben sind. Es gab kein umfassendes Konzept.

    (Dr. Vogel [SPD]: Kritisieren Sie Baum? Sie kritisieren immer den Herrn Baum! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Abgeordneter Vogel, warum schieben Sie hier die Verantwortung auf den Kollegen Baum? Es war doch Ihre Regierung, es war doch der von Ihnen kommende Bundeskanzler, der weder 1972 noch 1974, als Japan und Amerika das umweltfreundliche Auto einführten, die notwendigen Schritte eingeleitet hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Abgeordneter Vogel, Sie fordern doch immer den handlungsfähigen Kanzler. Dieser Kanzler hat in dieser Frage gehandelt, und das ist der entscheidende Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir, die Bundesrepublik, haben heute eine Pilotfunktion in Sachen Umweltschutz.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Eine negative!)

    Ich will ein paar Beispiele nennen: Halbierung des Schwefelausstoßes von Kraftwerken bis 1993, demnächst drastische Reduzierung der Schadstoffabgabe aus Industrieanlagen, schrittweise Einführung des umweltfreundlichen Autos, nicht nur bei uns, sondern auf unsere Initiative in Europa,

    (Zurufe von der SPD: Buschhaus!)

    die speziellen Forschungen und gezielten Maßnahmen zum Thema Waldschäden,

    (Ströbele [GRÜNE]: Denken Sie an den Smogalarm!)

    das Maßnahmenbündel zum Schutz von Wasser und Boden. Mit einem Wort, wir haben die Dinge vorangebracht.
    Gestern sprach ich mit meinem Freund Ernst Albrecht, und wir erinnerten uns — ich sage das, weil



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    eben dieser Zwischenruf kam — an, man kann schon sagen, teilweise hysterische Debatten vor gut einem Jahr zu dem Stichwort Buschhaus. Ich kann Sie nur auffordern, Herr Abgeordneter Vogel, der Sie ja auch als Wahlkämpfer in Niedersachsen sein werden: Gehen Sie in diese Region, und da werden Ihnen die Arbeitnehmer, da werden Ihnen die Menschen, die dort leben, folgendes mitteilen:

    (Zurufe von der SPD)

    Die werden Ihnen sagen, daß auf Grund der Vereinbarung, die wir vor einem Jahr getroffen haben, ab Mitte 1985 der Jahresausstoß an Schwefeldioxid auf 120 000 Tonnen begrenzt wird, ab Mitte 1986 auf 113 500 Tonnen und ab 1987 — das ist übrigens dann das Wahljahr — auf 35 000 Tonnen. Ihre papierenen Proteste hätten in diesem Zusammenhang gar nichts bewirkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir haben dieses Programm auf den Weg gebracht, ohne uns in jener ideologischen Sackgasse zu verlaufen, in die sich die Sozialdemokratische Partei immer tiefer verirrt hat. Wir wissen, daß nur mit moderner Technologie in einer leistungsfähigen Wirtschaft Umweltschutz gewährleistet, Ökologie und Ökonomie gemeinsam entwickelt werden können.
    Herr Abgeordneter Vogel, ein weiterer Punkt: Strukturwandel. Wir werden im nächsten Jahr interessante Zahlen bekommen. Da wird sich beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung, die Arbeitsmarktlage, in Schleswig-Holstein, in Hamburg,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: In Niedersachsen!)

    in Niedersachsen, Frau Kollegin, und in NordrheinWestfalen zeigen. Da werden Sie feststellen, daß wir in der kurzen Zeit seit unserer Amtsübernahme vor allem den neuen Technologien wieder eine Chance gegeben haben,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Den Technologien, aber nicht den Menschen!)

    daß wir diesen ganzen ideologischen Unsinn nicht nur nicht mitmachen, sondern auch dezidiert bekämpfen, diesen Unsinn, einen Gegensatz zwischen wirtschaftlichem Fortschritt, Sicherung von Arbeitsplätzen und technologischen Notwendigkeiten zu konstruieren.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer tut das denn?)

    Wir haben die notwendigen Entwicklungen gefördert. Wir können feststellen, daß Forschung, Entwicklung und Innovation heute für weite Teile der Bevölkerung der Bundesrepublik — auch und nicht zuletzt für die junge Generation — eben keine Negativvokabeln mehr sind.
    Meine Damen und Herren, vor ein paar Tagen machte ich die interessante Erfahrung bei der Funkausstellung in Berlin, daß in einem Bereich, in dem die Konkurrenz mit unseren japanischen Freunden ganz besonders intensiv ist, das Gespenst
    „Die japanische Konkurrenz macht uns kaputt" zunehmend weicht.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Und das haben wir Ihnen zu verdanken?)

    Wir haben wieder allen Grund zu wirtschaftlichem Optimismus, und das ist ein großartiges Ergebnis unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, zu einer ehrlichen Bilanz gehört auch,

    (Dreßler [SPD]: Daß Sie in der Bevölkerung unter Null stehen, gehört auch zur ehrlichen Bilanz!)

    daß wir in dem wichtigen Bereich Beschäftigung und Arbeitsmarkt noch lange nicht alle Probleme gelöst haben. Aber auch hier muß man wieder die Ausgangsposition, die Sie ja kaschieren wollen, zugrunde legen. Für den Herbst 1982 sind folgende Zahlenangaben der amtlichen Statistik völlig unbestritten. Die Arbeitslosenzahl lag im Oktober 1982 bei 1 920 000, d. h. um 554 000 höher als genau ein Jahr zuvor. Binnen zwei Jahren gab es damals einen Zuwachs von mehr als einer Million Arbeitsuchender auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik.
    Das war schon schlimm genug, aber es war noch nicht die ganze Wahrheit: Saisonbereinigt, d. h. nach Ausschaltung jahreszeitlicher Schwankungen, lag die Arbeitslosenzahl im Oktober 1982 bei 2 040 000, d. h. sie hatte bereits die Zweimillionengrenze passiert.

    (Dreßler [SPD]: Jetzt rechnen Sie sich gesund, nicht wahr?)

    Dies, meine Damen und Herren, ist in Wahrheit nur eine Momentaufnahme. Ein deutlicheres Bild wird durch die Betrachtung dessen gewonnen, was damals, im Oktober 1982, als Ergebnis Ihrer Politik kurzfristig vorgezeichnet war. Am 9. Oktober 1982 legte der Sachverständigenrat sein Sondergutachten zur wirtschaftlichen Lage im Herbst 1982 vor. Seine Prognose für 1983 lautete, Herr Abgeordneter Vogel: Anstieg der Arbeitslosenzahl um rund 400 000 auf 2 250 000 Arbeitslose. Die Kommentierung dazu lieferte am 14. Oktober 1982 — man muß sich diese Sätze immer wieder vor Augen halten — das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Es ist doch auch so gekommen!)

    dessen Präsident kurze Zeit danach, bei der Wahl, in Ihrem Wunschkabinett Ihr Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers war. Er schrieb damals — ich zitiere —:
    Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich dramatisch verschlechtert. Der Rückgang der Beschäftigung hat sich verstärkt, der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist steiler geworden.
    Die Zahlen zu dieser Einschätzung konnte man am 25. Oktober 1982 — das war immer noch knapp nach Ihrem Ausscheiden aus der Regierung — dem



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Herbstgutachten der Forschungsinstitute entnehmen. Damals hat wiederum Herr Professor Krupp mitformuliert: Anstieg der Arbeitslosenzahl 1983 um 450 000.
    Was können wir demgegenüber heute, nach über zwei Jahren, festhalten? Zum einen: Der im Oktober 1982 vorhergesagte Jahresdurchschnittswert von 2,3 Millionen ist nicht erreicht worden. Zum anderen: Der jährliche Anstieg der Arbeitslosenzahl um über eine halbe Million — wie 1982 — hat seither nicht mehr stattgefunden. 1984 belief sich der Zuwachs statt dessen auf 0,3 %, d. h. auf drei Zehntel eines Prozentpunktes, und dies — das haben Sie in der öffentlichen Diskussion immer unterschlagen — trotz der geburtenstarken Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt, die es — auf lange Sicht sage ich: Gott sei Dank — gibt und die unsere Probleme heute notwendigerweise wesentlich verschärfen.

    (Zuruf von der SPD: Manipulation! — Gilges [SPD]: Das hat mit dem Problem nichts zu tun!)

    Den Anstieg der Arbeitslosenzahl zu stoppen ist für uns ein ganz wichtiges Ziel unserer Politik, aber es kann nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Dafür, daß die Richtung stimmt, gibt es klare Hinweise, meine Damen und Herren:

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Gucken Sie einmal in den mittelfristigen Finanzplan!)

    Die Zahl der Kurzarbeiter konnte seit Anfang 1983 von über 1 Million auf zuletzt 74 000 gesenkt werden. — Frau Kollegin, ich verstehe an diesem Punkt Ihren Widerspruch wirklich nicht;

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: 2,2 Millionen auf Dauer!)

    lassen Sie mich das in der Sympathie, die uns verbindet, doch sagen. Der Abbau von Kurzarbeit ist doch der Abbau der Gefahrenstufe vor der Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Nein, die sind arbeitslos geworden!)

    — Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung aus den letzten Jahren — das hat nichts mit meinem Amt zu tun — Dutzende von Beispielen dafür nennen, daß Betriebe, bevor sie in die letzten Schwierigkeiten kamen, zunächst versucht haben, sich mit Kurzarbeit zu entlasten und über die Runden zu retten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Die Betreffenden sind heute arbeitslos! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, das ist doch nun eine großartige Zahl; diese sollten Sie proklamieren.
    Herr Abgeordneter Vogel, es will doch gar kein Mensch die Nürnberger Zahlen umfunktionieren, wie Sie es hier behauptet haben. Es handelt sich, wie Theo Waigel mit Recht gesagt hat, bei folgendem doch einfach um eine Tatsache. Wenn Sie nicht in Ihrem elfenbeinernen Turm des Sozialismus, sondern mitten unter den Leuten leben würden, dann wüßten Sie doch, daß von Handwerksmeistern, von Groß- und Kleinbetrieben gesagt wird:
    Wir melden die Leute nicht mehr an; wir gehen nicht zum Arbeitsamt und melden unsere freien Stellen. — Wir wünschen allerdings, daß es anders wäre. Natürlich werden wir heute abend mit den Arbeitgebern darüber sprechen. Das, was viele draußen im Land erbittert, ist doch das ganz unterschiedliche Bild, wenn sie einerseits vor sich den Betrieb mit dem Schild „Wir stellen ein" sehen und andererseits vor Ort Zahlen lesen, die in der Perspektive des Betrachters dann so nicht stimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, es gibt noch einen ganz großartigen Erfolg bei alledem, was uns dabei bedrückt. Die Jugendarbeitslosigkeit — auch das sollten Sie anerkennen — ist heute niedriger als im Herbst 1982

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    — und dies trotz der größeren Zahl von Schulabgängern im Verhältnis zu damals. Das ist im übrigen auch im EG-Vergleich ein sehr gutes Ergebnis. Wir haben wirklich durch gemeinsame Arbeit vieler Verantwortlicher in allen Bereichen der Gesellschaft bei der Lösung des Lehrstellenproblems ein großartiges Ergebnis zu verzeichnen gehabt. Weil eine Lüge immer wieder verbreitet wird, will ich hier übrigens doch noch einmal klar und deutlich sagen: Ich habe niemals außerhalb des Jahres, in dem jene Erklärung galt, eine Lehrstellengarantie gegeben. Es ist einfach Unsinn, das Gegenteil zu behaupten. Wer es behauptet, sagt bewußt die Unwahrheit. Wahr ist aber auch, daß in jenem Jahr und in den darauffolgenden Jahren weit über 90 % einen Ausbildungsplatz erhalten und daß wir Ausbildungsplatzrekorde erzielt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Bekennen Sie sich doch wenigstens zu Ihren Wahlversprechen!)

    Mit einem Wort: Es gibt bei allen unleugbaren Schwierigkeiten eine deutliche Trendwende an der Beschäftigungsfront. Seit Anfang dieses Jahres liegt die Zahl der Beschäftigten erstmals seit vier Jahren nicht mehr unter, sondern über vor dem Vorjahresstand. Das Ifo-Institut beziffert die Zunahme an Arbeitsplätzen in der Gesamtwirtschaft bis Mitte des Jahres auf 100 000. Noch eines ist wichtig: Der Beschäftigungsanstieg war im Investitionsgütergewerbe mit Abstand am stärksten, also genau dort, wo Produktion und Aufträge am stärksten zugenommen haben. Dies zeigt deutlicher als alles andere, daß die wirtschaftliche Entwicklung, daß der Aufwärtstrend eben nicht am Arbeitsmarkt vorbeigehen, sondern im Gegenteil von dort Impulse für den Arbeitsmarkt ausgehen. Meine Damen und Herren, diese Trendwende in Sachen Beschäftigung war alles andere als selbstverständlich. Im Herbst 1982, am Ende der 13 Jahre Ihrer Regierung, gab es nicht mehr, sondern weniger Arbeitsplätze als 1969. 800 000 Arbeitsplätze müssen in Ihrer Übergabebilanz als Verlust eingesetzt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Für uns ist dies nicht eine Frage der Statistik, sondern wir wissen doch — ich denke, wenigstens an diesem Punkt stimmen wir überein —, daß der Verlust eines Arbeitsplatzes auch der Verlust der Chance zu wirklicher Selbstverwirklichung ist und daß man das entscheidende Ziel deutscher Innenpolitik und deutscher Gesellschaftspolitik in der Gegenwart — was immer man in einzelnen politischen Lagern denken mag — im Stopp und im Abbau der Arbeitslosigkeit sehen muß. Wir haben notwendige Schritte in diesem Sinne eingeleitet, und ich bin sicher, wir werden auf diesem Weg gut vorankommen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das hören wir schon seit Jahren!)

    Der Blick auf das zweite Halbjahr 1985 und auf das Jahr 1986 zeigt, daß es bei der Beschäftigung einen Aufwärtstrend gibt. Das Wirtschaftswachstum ist stabil. Die Sachverständigen halten sogar eine leichte Verstärkung für das nächste Jahr für wahrscheinlich. Eine Gefährdung der Preisstabilität ist nicht zu erkennen.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    — Wissen Sie, Arbeitslose interessieren Sie überhaupt nicht. Sie interessiert die Polemik, um diese Republik zu schädigen. Das ist das einzige, was Sie interessiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Produktion und Aufträge zeigen nach oben. Der Export wie die Inlandsnachfrage gewinnen auch weiterhin an Schwung. Die Kapazitätsauslastung der Industrie hat mit knapp 85 % den letzten Höchststand von 1979 — das war immerhin vor sechs Jahren — erreicht. Das heißt, Neueinstellungen stehen zunehmend auf der Tagesordnung.
    Meine Damen und Herren, zusammenfassend gilt für dieses Kapitel: Wir stehen jetzt an dem Punkt, wo die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung auch bei der Beschäftigung zunehmend Wirkung erzielt. Damit sind wir knapp drei Jahre nach der Regierungsübernahme einen ganz wesentlichen Schritt vorangekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das war nur möglich — dafür will ich mich hier auch ausdrücklich bedanken —, weil die Koalitionsfraktionen und die Koalitionsparteien diesen konsequenten Kurs der Konsolidierung der Staatsfinanzen — das war die Voraussetzung für die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit — auch in sehr schwierigen Zeitabschnitten, etwa in Wahlkämpfen, mit ertragen, mit durchgehalten haben.
    Herr Kollege Mischnick, ich stimme Ihnen ganz zu: Wir sind noch keineswegs auf einem Feld angelangt, wo wir uns irgendwelche Experimente erlauben könnten. Wir müssen diesen Kurs der Konsolidierung vernünftig fortsetzen, weil allein dadurch für die Zukunft neue Handlungsfähigkeit gewonnen wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich nenne nur das Thema der Steuerpolitik.
    Aber, meine Damen und Herren, nicht nur Regierung und Parlament haben Handlungsfähigkeit zurückgewonnen, auch Gewerkschaften und Arbeitgeber; denn die wirtschaftliche Bilanz der letzten zwei Jahre hat natürlich auch für die Tarifpartner Möglichkeiten ergeben. Die Zinsen sinken, die Preise sind stabil, die Wirtschaft wächst, die Unternehmen investieren. Unsere verbesserte Chance im Bereich des internationalen Wettbewerbs ist unbestritten. Die Tarifpartner können wieder über reale Lohnsteigerungen verhandeln.
    Aber wir können dabei nicht stehenbleiben. Der hohe Sockel der Arbeitslosigkeit läßt sich nur dann abbauen, wenn nicht nur die politisch Verantwortlichen die Rahmenbedingungen schaffen, sondern wenn alle Beteiligten bei diesen Aufgaben zusammenwirken. Ich nenne nur die über 1 Million Arbeitslosen ohne ausreichende Qualifikation. Ich nenne den eklatanten, in einigen Regionen ja ganz und gar unverständlichen Facharbeitermangel auf den Wachstumsfeldern der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung. Ich nenne die Notwendigkeit, ja unsere Pflicht, zu helfen beim Übergang junger Menschen aus der Lehre in ein Beschäftigungsverhältnis.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Ich nenne als ein besonders bedrückendes Thema aus dem Bereich der Jungakademikerarbeitslosigkeit die wachsende Zahl arbeitsloser Lehrer, die nur bei einem Wechsel in einen anderen Beruf einen dauerhaften Arbeitsplatz finden können. Das sind Beispiele für das weite Feld von Arbeit, das noch vor uns liegt.
    Vor diesem Hintergrund ist das Gespräch, das wir heute abend mit den Gewerkschaften, mit dem DGB und den Arbeitgebern haben — ihm wird bald ein Gespräch mit der DAG folgen — von großer Bedeutung. Wenn wir jetzt zu einer gemeinsamen großen Kraftanstrengung kommen könnten, zu einer Art Offensive für mehr Beschäftigung, dann werden alle Bemühungen zum Abbau der Arbeitslosigkeit gebündelt und somit noch größeren Erfolg haben. Ich bin ganz sicher, daß — ungeachtet sehr unterschiedlicher Positionen — alle Verantwortlichen, die zusammenkommen, sich dieser Pflicht, dieser Verantwortung, aber auch dieser Chance bewußt sind und daß jede Seite bereit ist, konkrete und wesentliche Beiträge dazu zu leisten.
    Herr Abgeordneter Vogel, wir brauchen dabei von niemandem und schon gar nicht von Ihnen ein Hinweis auf unser Verhältnis zu der Notwendigkeit freier Gewerkschaften. Ich habe immer gesagt: Zum Signum einer freien Gesellschaft gehören freie Gewerkschaften. Beides gehört notwendigerweise zusammen. Zu freien Gewerkschaften gehört auch die kämpferische Auseinandersetzung etwa über Tarife bis hin zu politischen Fragen.
    Natürlich haben wir hier unsere eigenen Erfahrungen. Ich sage das einmal als Vorsitzender der Christlich Demokratischen Union. Aber dessenungeachtet sehen wir die Pflicht zu einer vernünftigen Zusammenarbeit. Das, was Sie aus der Gründerzeit



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    der Republik, mit Adenauer und anderen, beschworen haben, gilt selbstverständlich auch heute noch: wir sind daran interessiert, auch mit den Gewerkschaften in guten Beziehungen zu stehen. Aber das heißt nicht, daß wir um dieses Zieles willen politische oder ideologische Zielsetzungen übernehmen, die mit unserer Überzeugung nicht vereinbar sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Für das politische Klima im Land, für das soziale Klima im Land ist ein anderes ganz wichtiges Thema von größter Bedeutung, das Thema der Familienpolitik. Bevor ich mich diesem Thema zuwende, will ich noch eine kurze Bemerkung zu dem machen, was der Abgeordnete Dr. Vogel in einer mir völlig unverständlichen Weise zu der innerhalb der Union ablaufenden Diskussion zu § 218 gesagt hat.
    Herr Abgeordneter Vogel, wenn Sie keinen Sinn dafür haben, daß ein solches Thema Menschen in der Bundesrepublik zutiefst aufwühlt und berührt, ist das Ihre Sache.

    (Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    Zu einer freiheitlich verfaßten Partei gehört, daß man darüber diskutiert und auch durchaus kontrovers diskutiert. Wenn Sie allein den Raum der Kirchen betrachten, sehen Sie, daß dort zum Teil eine sehr kontroverse Diskussion zu diesem Thema stattfindet, und es wäre eine absurde Situation, wenn sich eine Partei wie die Christlich Demokratische oder die Christlich-Soziale Union diesem Thema verschließen würde. Bei uns gibt es keinen Fraktionszwang,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das ist etwas ganz Neues!)

    bei uns gibt es nicht die Vorstellung, daß eine so zentrale Frage, die die Menschen im Innersten berührt, ausgeklammert werden kann. Deswegen diskutieren wir darüber, und zwar mit unterschiedlicher Meinung.

    (Dr. Vogel [SPD]: Rumschieben!)

    — Herr Abgeordneter Vogel, bei uns wird doch nichts rumgeschoben. Sie bringen ja nicht einmal einen Kanzlerkandidaten zusammen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Der kommt schon noch rechtzeitig!)

    Hören Sie doch auf, vom Rumschieben zu reden! Hier geht es um wirklich wichtige Fragen, die die Menschen berühren, und nicht um taktische Dinge.
    Es ist einfach nicht wahr, wenn Sie hier die Behauptung aufstellen, wir wollten den § 218 ändern. Die Diskussion bei uns in der Union geht darum, was bei Mißbrauch der gesetzlichen Bestimmungen — das wird von vielen so empfunden — zu tun ist. Die Initiative meines Freundes Bernhard Vogel, des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, richtet sich genau auf diesen Punkt.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Was Sie uns hier unterstellen, stimmt doch einfach
    überhaupt nicht. Herr Abgeordneter Vogel, auch Sie
    müßten es einfach für unerträglich halten, daß in einem so unbestreitbar reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen menschliches Leben vernichtet wird. Hier müssen wir doch handeln, und darum geht es doch im Augenblick.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben doch auch gehandelt: Ab Januar nächsten Jahres wird durch Erziehungsgeld und Kindergeldzuschlag erreicht, daß keine Frau, die ein Kind auf die Welt bringt, zu befürchten braucht, in eine soziale Notlage zu geraten. Wir haben durch diese Maßnahmen gehandelt und geholfen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Glauben Sie das wirklich, Herr Bundeskanzler?)

    Meine Damen und Herren, warum haben Sie das alles nicht getan? Diese Frage drängt sich doch auf. Alles, was Sie in diesem Zusammenhang getan und gesagt haben, hat nur mit dem Strafrecht zu tun. Sie haben aber nicht den Menschen geholfen, Sie sind nicht auf die Menschen zugegangen, und darum geht es uns in dieser Diskussion vor allem.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das alles hat natürlich seinen guten Grund; denn wenn es überhaupt eine Institution in unserem Staat, in der Gesellschaft gab, die unter Ihrer Politik gelitten hat, dann war es die Familie. Sie haben die Familie materiell und sozial ins Abseits gedrängt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben sie rechtlich bevormundet, Sie haben sie psychologisch verunsichert, und die Familie war in Ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellung jahrelang Objekt für gesellschaftsverändernde Experimente.

    (Zurufe von der SPD)

    Dahinter stand immer die ideologische Vorstellung einer neuen Gesellschaft und eines neuen Menschen, der alte Traum der Marxisten und Sozialisten, der sich schon immer als eine Schimäre erwiesen hat.

    (Lachen bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, diese Politik hat nicht Partnerschaft und nicht Mitmenschlichkeit gefördert, sondern sie hat nur Konflikte geschürt, sie hat menschliche Bindungen in Frage gestellt und oft auch zerstört. Viele Schwächesymptome unserer Gesellschaft, mit denen wir uns heute herumschlagen, vor allem auch jener törichte, dümmliche, fortschrittsfeindliche Kulturpessimismus, haben ihre Ursache in dieser totalen Verunsicherung.
    Für die Koalition der Mitte sind der Schutz und die Stärkung der Familie eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges.
    Ich nehme die Gelegenheit der heutigen Debatte wahr, meinem Freund Heiner Geißler für seine Arbeit in diesem Feld ausdrücklich zu danken.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Er hat in diesen weniger als drei Jahren mehr bewegt als viele andere in diesem Ressort vor ihm. Er hat es mit der ihm eigenen Art, mit äußerster Tatkraft und Entschiedenheit, auch mit großer Robustheit getan; er hat aber damit überhaupt bei vielen in unserer Gesellschaft ein Tor für die Einsicht geöffnet, wieder ein klares Ja zur Familie zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Abgeordneter Vogel, was Sie dann sonst noch so beiläufig gegen meinen Freund Heiner Geißler zu sagen pflegen, fällt in sich zusammen. Man merkt bei Ihnen aus allem heraus: Sie wären froh, Sie hätten einen vergleichbaren Generalsekretär.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Den Geißler können Sie behalten, mein Lieber!)

    Allerdings würde das nicht gut gehen, denn nach dem, wie Herr Wischnewski die Vorgänge in der Parteiführung beschrieben hat, könnte sich Heiner Geißler dort gar nicht halten, weil er Ihr Verständnis von Partei nicht teilt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ein Generalsekretär, der aus Staatsmitteln bezahlt wird!)

    Wir sollten das Thema jetzt abhaken. Sie haben im Wahlkampf genug Gelegenheit, solche Dinge noch weiter zu sagen.
    Meine Damen und Herren, für die Koalition der Mitte, für FDP, CDU und CSU, sind der Schutz und die Stärkung der Familie eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges. Ehe und Familie sind das Fundament unseres Staates, unserer Gesellschaft. Ohne die gemeinschaftsbildende Kraft, ohne die Leistungen der Familie hat das Land keine Zukunft.

    (Zuruf von der SPD: Platitüden!)

    — Für Sie mögen das Platitüden sein. So war ja auch Ihre Politik mit all den Ergebnissen, mit denen wir uns heute auseinanderzusetzen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Sie reden und reden und reden!)

    Eine Gesellschaft, die die Familie vernachlässigt, kann eben nicht kinderfreundlich sein, und eine kinderfeindliche Gesellschaft ist außerstande, mit Optimismus und mit Zuversicht nach vorn zu blikken.
    Dabei geht es uns überhaupt nicht darum, in persönliche Entscheidungen von Mann und Frau einzugreifen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das können Sie auch nicht!)

    Aber wir wollen und wir müssen verhindern, daß der Wunsch nach Kindern, daß das Ja zu Kindern zu einer sozialen Benachteiligung führt. Und wir haben gehandelt. Das ist gestern in der Diskussion schon dargelegt worden.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Familienpolitik der Bundesregierung verbessert die soziale Situation der Familien. Materiell geschieht das durch eine Summe und eine Kombination von familiengerechter Steuer und gezielter sozialer Förderung. Wir haben den größten familienpolitischen Lastenausgleich seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg gebracht.

    (Lachen bei der SPD)

    Wir wollen eine Renaissance der Familie in unserer Gesellschaft. Dabei ist die Verbesserung der materiellen Lage nur der eine Teil. Der andere Teil ist ein Umdenken in Staat und Gesellschaft. Daran werden wir uns alle beteiligen müssen. Das ist eben nicht nur — vielleicht noch nicht einmal zuvörderst — eine Aufgabe der Politik.
    Mehr als das, was Staat und Gesetze bewegen können, was Behörden tun können, ist das, wozu die Menschen selbst bereit sind, zugunsten einer Veränderung des Großklimas in unserer Gesellschaft. Wichtig ist, daß wir alle, daß Elternhäuser und Schulen, gesellschaftliche Organisationen — Kirchen, Gewerkschaften — und viele andere die Familie wieder in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und unserer Sympathie stellen. Die wirtschaftlich-technische Modernisierung unseres Landes stellt hohe Anforderungen an die Gesellschaft von heute und morgen, an Anpassungs- und Lernfähigkeit.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Auch im Blick auf diese Herausforderung insgesamt ist die Familie die große Chance, den Menschen Wärme, Rückhalt und Geborgenheit zu geben.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Geplapper ist das!)

    Für uns ist Familienpolitik eine tragende Säule der Zukunft unseres Landes, und wir werden alle unsere Maßnahmen immer wieder in diesem Sinne zu überprüfen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, nach weniger als drei Jahren — das ist eine kurze Zeit im Ablauf der Geschichte eines Volkes —,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Sehr richtig!)

    kann ich auch bei alledem, was uns nicht gelungen ist und was uns auch an Fehlern unterlaufen ist, heute mit berechtigtem Stolz sagen: Wir haben in diesen knapp drei Jahren in allen wesentlichen Fragen entscheidende Fortschritte erzielt. Wir haben fast 80 % des von mir hier in der Regierungserklärung vorgetragenen Programms bereits jetzt entweder realisiert oder in die Gesetzgebung eingebracht. Wir werden unser Arbeitspensum zügig bis zum Sommer 1986 abschließen. Wir werden uns dann guten Mutes den Wählern stellen.

    (Frau Hönes [GRÜNE]: Wir auch!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Der Wähler wird erkennen: Die Wende hat in der deutschen Politik stattgefunden. Es geht wieder aufwärts mit der Bundesrepublik Deutschland.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)