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    Plenarprotokoll 10/153 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 153. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Paintner als Schriftführer 11447 A Wahl des Abg. Dr. Rumpf zum Schriftführer 11447A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksache 10/3700 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1985 bis 1989 — Drucksache 10/3701 — Dr. Vogel SPD 11447 B Dr. Waigel CDU/CSU 11458 A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 11467C Mischnick FDP 11471 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 11477 D Frau Fuchs (Köln) SPD 11490A Handlos fraktionslos 11496 D Rühe CDU/CSU 11498 C Lange GRÜNE 11503 D Schäfer (Mainz) FDP 11506C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11509C Genscher, Bundesminister AA 11514 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 11519C Dreßler SPD 11525C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 11530C Volmer GRÜNE 11532 D Frau Seiler-Albring FDP 11534B Horn SPD 11536A Wimmer (Neuss) CDU/CSU 11540 B Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 11541D Vizepräsident Stücklen 11509C Nächste Sitzung 11542C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11542* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1985 11447 153. Sitzung Bonn, den 5. September 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Dr. Götz 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hupka 5. 9. Dr. Kreile 5. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Niegel 6. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Poss 5. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schlottmann * 5. 9. Schmidt (Hamburg) 6. 9. Schmidt (Wattenscheid) 6. 9. Schröer (Mülheim) 5. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wolfgramm (Göttingen) ** 6. 9.
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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein.
    Wer Sie so erlebt, der sehnt sich nach Herbert Wehner zurück, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und ich kann mir vorstellen und kann mir denken, was er denkt, wenn er Sie so sieht. Nur, das sage ich nicht, damit ich hier keinen Ordnungsruf bekomme.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Tatge [GRÜNE]: Das ist aber feige! Was man denkt, soll man auch sagen! Wir sind ein freies Land!)

    Ich weiß auch, daß ich mir mit dieser Kritik nicht den Beifall meiner Freunde hole. Mehrfach haben mir meine Freunde in Fraktion und Partei anempfohlen, mit Ihnen, Herr Dr. Vogel, doch pfleglicher umzugehen, weil Sie für uns eigentlich doch ein recht angenehmer Partner in der politischen Auseinandersetzung und ein Kanzlerkandidat gewesen sind,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Sie sollten zur Sache reden, Herr Waigel!)

    der uns das Wahlkampfgeschäft etwas erleichtert hat.
    Aber, meine Damen und Herren von der SPD, eines wollen wir Ihnen sagen: Wir haben keine Angst vor Johannes Rau, und wir werden es ihm im Wahlkampf 1986/87 nicht gestatten, mit einigen Bibelsprüchen die Unfähigkeit der SPD hinsichtlich ihrer Regierungsfähigkeit zu verdecken.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Er wäre eine gute Konkurrenz zu Ihrem Kanzler!)

    Eigentlich wollte ich hier j a den Kollegen Dr. Vogel zum selbsternannten Generalstaatsanwalt ernennen, aber das hat mir natürlich der sehr geschätzte Kollege Wischnewski weggenommen. Er hat uns nämlich belehrt, daß es sich bei Hans-Jochen Vogel um einen Oberlehrer handele.

    (Schmidt [Hamburg-Neustadt] [GRÜNE]: Mein Gott, das zwanzigste Mal!)

    Aber ich finde diese Begriffsbestimmung nicht gut, weil es nämlich unter Oberlehrern sehr sympathische und pädagogisch begabte Menschen gibt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Herr Waigel, wieviel Zeit haben Sie eigentlich für Vorreden?)

    und ich lasse es nicht zu, daß ein ganzer Berufsstand mit Dr. Vogel in einen Topf geworfen wird.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Rolle als selbsternannter Generalstaatsanwalt,
    Herr Dr. Vogel, haben Sie am Dienstag dieser Wo-



    Dr. Waigel
    ehe schlecht gespielt. Diese Sondersitzung war unnötig, und sie war verfehlt.

    (Zurufe von der SPD)

    Alle Probleme hätten in den entsprechenden Gremien, Ausschüssen

    (Zuruf von der SPD: Wahlkampfrede!)

    und in der PKK voll durchdiskutiert werden können. Sie wußten, daß Sie gegen den Innenminister nichts vorbringen können. Außer Unterstellungen, Verdächtigungen und haltlosen Behauptungen konnten Sie nichts vortragen. Es ist eigentlich unwürdig, damit den Rücktritt eines Ministers verbinden zu wollen. Mit politischer Moral und politischer Kultur, die Sie so gern propagieren, hatte das nichts zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Haushaltsdebatte in dieser Woche bietet die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen über das, was die Koalition seit 1983 durchgesetzt hat und was sie auf den Weg bringt. Im Herbst 1982 waren die innerdeutschen Beziehungen zum Stillstand gekommen. Unser Verhältnis zu den Bündnispartnern war ins Zwielicht geraten, und unsere Sicherheitspolitik befand sich in einer Sackgasse.

    (Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    In der Deutschlandpolitik wurden seither wichtige Erfolge erzielt. Mit Berlin geht es deutlich aufwärts. Das ist nicht zuletzt ein großartiger Erfolg der von uns dort gestalteten Regierung unter Bürgermeister Diepgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die innerdeutsche Grenze ist zwar so undurchdringlich wie eh und je, aber die Todesautomaten SM 70 sind abgebaut. Die Umgangsformen an der Grenze und auf den Transitwegen sind erträglicher geworden. Zehntausende von Deutschen aus der DDR konnten ihren Wunsch nach Übersiedlung zu uns verwirklichen.
    Immer mehr Bürger der Bundesrepublik Deutschland reisen nach Mitteldeutschland und suchen dort Kontakt mit unseren Landsleuten. Herr Kollege Vogel, Sie haben gestern oder vorgestern über dpa mitteilen lassen, Sie seien „ohne Pomp und Aufwand" durch den Thüringer Wald spaziert, was zu ungläubigem Erstaunen der Bevölkerung geführt habe. Das ist eine Art und Weise, wie nur Sie etwas darstellen können. Ich habe den Kollegen Mischnick überraschend in Dresden getroffen. Auch das haben wir ohne Pomp und großen Aufwand getan. Nur: Die Menschen, die wir dort getroffen haben, haben uns ermutigt, an unserem Kurs, am Kurs der CDU/CSU, festzuhalten und auch die Wiedervereinigung und die Forderung nach Freiheit nicht zu vergessen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Aber nicht mit mehr Raketen! — Zurufe von der SPD)

    — Natürlich wollen die weniger Raketen. Aber die
    wollen vor allem weniger Raketen auf dem Gebiet
    der DDR. Sie sind daran interessiert, daß insgesamt Freiheit und Sicherheit in Europa und in der Welt gewährleistet sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Erneuter Zuruf des Abg. Mann [GRÜNE])

    Auch die Zahl der Reisen von Schülern hat Gott sei Dank zugenommen. Die DDR gestattet mehr Besuchsreisen. Auf vielen Gebieten werden weitere erfolgversprechende Verhandlungen geführt.

    (Mann [GRÜNE]: Und was war mit den Weltjugendfestspielen? Sprüche sind das!)

    Dies sind nur einige Beispiele. Bei all dem haben wir unsere grundsätzlichen Positionen nicht aufgegeben. Der Wiedervereinigungsauftrag des Grundgesetzes wird als verpflichtendes Gebot anerkannt und nach innen wie nach außen vertreten. Die Forderungen nach Abbau des Schießbefehls, nach Gewährung von menschlichen Erleichterungen und nach Einhaltung der KSZE-Vereinbarungen sind weiterhin bestimmend für unsere deutschlandpolitischen Aktivitäten.
    Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland ist wieder zuverlässig und berechenbar.
    Herr Kollege Dr. Vogel, wenn Sie den Kollegen Geißler in dieser unerträglichen Form attackieren, die ich zurückweise,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Unflätig war das!)

    dann sollten Sie sich einmal mit seiner Dokumentation beschäftigen. Weisen Sie uns doch nach, daß eines der dort gebrachten Zitate nicht stimmt. Dann sind wir bereit, das zurückzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    Solange das stimmt, was Geißler in seiner Dokumentation vorlegt, müssen Sie sich damit beschäftigen, müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie immer weiter abrücken von der Bindung zum Westen und immer näher in die Sympathiegegend derer kommen,

    (Dr. Vogel [SPD]: Dummes Zeug!)

    mit denen es letztlich keine Sicherheitspartnerschaft geben kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung hat das amerikanisch-deutsche Verhältnis sofort nach dem Regierungswechsel wieder auf eine positive Grundlage gestellt. Die deutsch-französische Freundschaft zählt zu den Grundpfeilern unserer Außenpolitik. Die Zusammenarbeit mit Frankreich wurde insbesondere im Bereich der gemeinsamen Forschung, aber auch auf privatwirtschaftlicher Ebene, so z. B. beim Airbus, intensiviert.

    (Mann [GRÜNE]: Das hat man zum Weltwirtschaftsgipfel gemerkt!)

    Die moralische Äquidistanz zu Moskau und Washington, diese gefährliche Geistesentwicklung in Ihren Reihen, gehört der Vergangenheit an, desglei-



    Dr. Waigel
    chen jeder Gedanke an einen „dritten Weg" zwischen West und Ost. Der Westen weiß wieder: Wir stehen im Lager der Freiheit und der Wertegemeinschaft des Westens und fühlen uns dieser Wertgemeinschaft uneingeschränkt verbunden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Moskau hat sein politisches Ziel nicht erreicht, die Nordatlantische Allianz zu destabilisieren und zugleich unser demokratisches System in der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern. Die Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses hat zu keinem der prophezeiten Nachteile geführt. Weder droht Kriegsgefahr, noch ist eine Eiszeit zwischen Ost und West angebrochen. Vielmehr sind der Frieden sicherer und die internationale Lage stabiler geworden.

    (Mann [GRÜNE]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Die Sowjetunion hat ihre Verweigerungshaltung gegenüber Gesprächen mit den Vereinigten Staaten über Rüstungskontrolle und Abrüstung aufgegeben. Seit dem Frühjahr 1985 wird in Genf wieder verhandelt.
    Auch das Verteidigungsbewußtsein unserer Bürger wurde gestärkt. Der Dienst in der Bundeswehr ist Friedensdienst für unser Land und seine Bürger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Sprüche!)

    Nach dem jahrelangen Streit kam es endlich zu einer Neuordnung des Rechts der Wehrdienstverweigerung, die, was ich besonders hervorhebe, auch vor dem Bundesverfassungsgericht uneingeschränkt standgehalten hat.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    In unserem Verhältnis zur Dritten Welt hat die Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland eine Neuorientierung erfahren.

    (Toetemeyer [SPD]: Das kann man wohl sagen!)

    — Gott sei Dank. — Das Denken in ideologischen Scheuklappen hat realistischen Maximen wie „Hilfe zur Selbsthilfe", „Nutzung der Privatinitiative in den Entwicklungsländern" Platz gemacht.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Und der Entwicklungsetat wurde gesteigert.

    (Zuruf von der SPD: Falsch!)

    In der Rechtspolitik ist die Bilanz in der Mitte der 10. Wahlperiode positiv — und dies, obwohl es in diesem Bereich auch Spannungen zwischen den Koalitionsparteien gibt.

    (Tatge [GRÜNE]: Sagen Sie besser: Keine Bilanz! — Mann [GRÜNE]: Sie sind ein Sicherheitsrisiko für den Rechtsstaat, Herr Waigel!)

    — Sie sind ein Dummschwätzer.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Aber richtig war es! — Mann [GRÜNE]: Sie labern rum!)

    — Wer mich als Sicherheitsrisiko für den Rechtsstaat bezeichnet, ist für mich ein Dummschwätzer, mit dem ich mich nicht näher abgebe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer bei gewalttätigen Demonstrationen vermummt oder passiv bewaffnet auftritt, kann bestraft werden. Die Verwüstungen bei gewalttätigen Demonstrationen werden nunmehr in jedem Fall verfolgt. Wer Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beleidigt oder verunglimpft, wird nunmehr vom Staatsanwalt verfolgt, wie auch derjenige, der dies einem Opfer der an Deutschen begangenen Verbrechen antut.

    (Mann [GRÜNE]: Unerträgliche Aufrechnungsmentalität spricht aus Ihren Sprüchen, Herr Waigel!)

    Die Zumutungen, denen sich die Gefängnisärzte durch die Zwangsernährung terroristischer Häftlinge ausgesetzt sahen, sind beseitigt. Das Investitionshemmnis der sich jahrelang hinziehenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren anläßlich der Genehmigung von Großanlagen wurde beseitigt.

    (Mann [GRÜNE]: Lex Wackersdorf! Abbau von Rechtsschutz war das!)

    Die Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Sozialplans im Konkurs ist beseitigt. Das Urheberrecht, der Schutz des geistigen Eigentums, ist der technischen Entwicklung angepaßt worden.

    (Mann [Grüne]: Von allen Fraktionen gemeinsam!)

    Das Adoptionsrecht wurde neu geregelt. Gleiches gilt für die Juristenausbildung.
    Vor der Verabschiedung — noch in dieser Legislaturperiode wird das stattfinden — stehen u. a. das Unterhaltsrecht im Scheidungsfolgenrecht, die Beseitigung weiterer Ungerechtigkeiten im Versorgungsausgleich, die Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer von Straftaten, die Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren durch Änderungen im Strafverfahrens- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie der Zivilprozeßordnung.
    Herr Kollege Dr. Vogel, ich will etwas zu diesem maßlosen Angriff sagen, den Sie gegen den Kanzler in dem Problembereich § 218 des Strafgesetzbuchs und § 200 der Reichsversicherungsordnung gefahren haben. Das ist ein schwieriges Thema. Es gibt auch bei uns darüber unterschiedliche Meinungen. Niemand wird dies vertuschen wollen. Aber über eines sollten wir uns doch im klaren sein. Mehr als 150 000 Indikationen aus sozialer Lage sind mit einem Sozial- und Wirtschaftsstaat unserer Stärke nicht vereinbar. Sie sind ein Ärgernis.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich frage Sie nach Ihrem Beitrag, dieses Ärgernis
    zu beseitigen. Wir haben erstmals wieder Familien-



    Dr. Waigel
    politik an die Spitze der Priorität gesellschaftspolitischer Aktivitäten gestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Mann [GRÜNE])

    Sie haben nichts getan, als sich zu verweigern und in den 70er Jahren durch Ihre Gesetze die Familie zu destabilisieren. Das war Ihr Beitrag zu diesem Thema.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir werden auch im Wirtschaftsrecht durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, durch ein Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften sowie durch eine kleine UWG-Novelle versuchen, die Dinge voranzubringen, wobei es bei der Kleinen UWG-Novelle

    (Zuruf des Abg. Mann [GRÜNE]) — Sie wissen doch gar nicht, was das ist —


    (Tatge [GRÜNE]: Erklären Sie es doch! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    vor allem darum geht, einen weiteren Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel zu verhindern.
    Auf innenpolitischem Gebiet sind an erster Stelle die Erfolge beim Schutz der Umwelt zu nennen. Wir sind auf die Erfolge und die Ergebnisse unserer Umweltschutzpolitik stolz und können uns damit sehen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir stehen damit an der Spitze vor anderen Völkern und brauchen uns von Ihnen, die Sie, Herr Dr. Vogel und Ihre Fraktion, auf diesem Gebiet in den 70er Jahren nichts beigetragen haben, keine Vorhaltungen machen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU unci der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Freund Baum!)

    Unsere Maßnahmen reichen vom Erlaß der Großfeuerungsanlagen-Verordnung bis zur Durchsetzung der europäischen Einführung des umweltfreundlichen Autos.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Das Bundes-Immissionsschutzgesetz wurde durch die Verpflichtung ergänzt, auch die Altanlagen zu sanieren. Die technische Anleitung Luft wurde hinsichtlich der Immissionswerte geändert. Bezüglich der Emissionswerte liegt der Kabinettsbeschluß vor.
    Vor der Verabschiedung stehen so wichtige, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kompliziert gewordene Vorhaben wie das Volkszählungsgesetz, die Gesetze über den fälschungssicheren Personalausweis und den Europapaß, die Novellierung des Datenschutzrechts und die durch das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts gebotenen Gesetzesänderungen.
    In der Sozialpolitik ging es zunächst einmal darum, die vorhandenen finanziellen Löcher zu stopfen und das System wieder mit dem gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögen in Einklang zu bringen. Trotz der nach wie vor beengten finanziellen Handlungsspielräume konnten auch in der Sozialpolitik
    neue beachtliche Akzente gesetzt werden. Ich denke dabei an die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung und an den Einstieg in die Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung.
    Herr Kollege Dr. Vogel, es ist zutiefst unredlich, daß Sie uns den Vorwurf machen, wir hätten die „Trümmerfrauen" hier nicht einbezogen.

    (Widerspruch bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Stimmt doch!)

    In Ihrem entsprechenden Gesetzentwurf

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Stimmt doch!)

    Anfang der 70er Jahre waren sie auch nicht dabei, obwohl damals die Rentenkasse voll war und überschwoll, im Gegensatz zu heute, wo wir mit den Folgen Ihrer Politik zu kämpfen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das haben Sie doch damals abgelehnt!)

    Sie wissen genauso wie wir, daß wir nichts lieber täten, als auch jenen Frauen das zu ermöglichen, und daß dies wünschenswert ist.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Tun Sie es doch!)

    Sie wissen genauso wie wir, daß die finanziellen Mittel dafür in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen

    (Tatge [GRÜNE]: Aber für die Berufsoffiziere war das Geld da! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

    und wir nur vor der Alternative stehen, entweder gar nichts zu tun oder jetzt den Einstieg für künftige Generationen herbeizuführen, und das tun wir.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kittelmann [CDU/CSU]: Die haben gar nichts gemacht!)

    Sie haben nichts getan und werfen uns vor, daß wir den Einstieg in eine große, neue soziale Dimension versuchen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Sicherung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und der Altershilfe sowie die Verbesserung des Krankenversicherungsschutzes und die Wiedereinführung des Kindergeldes für arbeitslose Jugendliche ist gelungen. Nach jahrelangem Hin und Her gelang es auch, die Krankenhausfinanzierung auf eine neue Grundlage zu stellen, die auch den Anliegen der Kommunen und der Länder gerecht geworden ist.
    Die Familienpolitik — davon habe ich vorhin schon gesprochen — erhielt endlich wieder den ihr gebührenden Stellenwert und steht an erster Stelle unserer gesellschaftspolitischen Prioritäten: Die Steuerreform bringt erhebliche Verbesserungen beim steuerlichen Familienlastenausgleich mit sich. Einig ist sich die Koalition über die Einführung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub. Das Gesetz



    Dr. Waigel
    über die Bundesstiftung Mutter und Kind hat sich als Erfolg erwiesen.
    Weitere Eckpunkte unserer Sozialpolitik sind die Verbesserungen beim Wohngeld, die Verbesserungen bei der Sozialhilfe und das Gesetz zur Neuregelung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit.

    (Schlottmann [CDU/CSU]: Jawohl!)

    Die ursprünglichen Einschränkungen bei der unentgeltlichen Beförderung von Schwerbehinderten im öffentlichen Personennahverkehr haben wir rückgängig gemacht,

    (Bueb [GRÜNE]: Nur bei den Gehörlosen! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    weil wir — ich gestehe das offen ein — die Folgewirkungen anfangs nicht voll übersehen haben.
    In den vergangenen Tagen hat der Begriff der politischen Verantwortung eine Rolle gespielt. Meine Damen und Herren, wenn man den Begriff der politischen Verantwortung wirklich in die politische Auseinandersetzung einführt, dann muß man es tun, wenn es um Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik geht. Dann muß man die Frage stellen: Wer hat die politische Verantwortung für die Probleme, die wir heute noch auf dem Arbeitsmarkt haben?

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Die Bundesregierung hat sie!)

    Die Opposition beklagt heute lautstark die Probleme auf dem Arbeitsmarkt, Probleme also, die in ihrer heutigen Dimension während der Zeit der Regierungsverantwortung der SPD entstanden sind. Heute versuchen Sie, im Bundestag den Eindruck zu erwecken, als hätten wir diese Arbeitsmarktprobleme zu verantworten.

    (Ströbele [GRÜNE]: Natürlich! Wer denn sonst?)

    Herr Kollege Dr. Vogel, blicken wir doch einmal auf das zurück, was sich in den letzten Jahren auf dem Arbeitsmarkt abgespielt hat.

    (Ströbele [GRÜNE]: Die Regierungsübernahme durch Sie ist doch schon drei Jahre her!)

    Das Jahr 1982 schloß am 31. Dezember mit 2,23 Millionen Arbeitslosen ab. Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, daß diese über 2 Millionen Arbeitslosen die Arbeitslosen von Herrn Kohl, Herrn Stoltenberg oder Herrn Bangemann sind,

    (Ströbele [GRÜNE]: Genau das ist es!)

    nachdem wir, die Koalition, gerade drei Monate zuvor die Regierungsverantwortung übernommen hatten.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Was habt ihr denn versprochen? — Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Sie müßten rot werden!)

    Von 1974 bis Ende 1982 stieg die Zahl der Arbeitslosen von knapp 600 000 auf rund 2,3 Millionen an. eine „stolze", eine schlimme Bilanz, Herr Kollege Vogel, für die die damalige Regierungspartei SPD,
    die noch Anfang der 70er Jahre eine Vollbeschäftigungsgarantie abgegeben hatte,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    die Verantwortung trägt. Meine Damen und Herren, diese Vollbeschäftigungsgarantie war eine der schlimmsten Zusagen, die politisch überhaupt je gegeben worden sind, weil der Staat sie in dieser Form nie und nimmer gewährleisten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Heute suggeriert der Bundesgeschäftsführer der SPD, die Arbeitslosigkeit ließe sich mit den von der SPD angepriesenen Maßnahmen binnen kurzem um eine volle Million reduzieren, nämlich mit denselben Maßnahmen, die schon von 1974 bis 1982 den Anstieg der Arbeitslosenzahl um 1,6 Millionen nicht verhindern konnten.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Patentrezepte à la Glotz gibt es nicht.

    Es ist mit unserer wirtschaftspolitischen Strategie gelungen, eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt herbeizuführen. Das läßt sich eindeutig belegen.
    Erstens. Der rasante Anstieg der Arbeitslosigkeit — 1981 und 1982 waren es jahresdurchschnittlich jeweils über 40 % — konnte 1983 gebremst und 1984 gestoppt werden.
    Zweitens. Die Zahl der Kurzarbeiter, die von knapp 90 000 Ende der 70er Jahre auf rund 1,2 Millionen Anfang 1983 anstieg, ist seitdem wieder auf zuletzt 70 000 zurückgegangen.
    Drittens. Die Zahl der Beschäftigten — das muß man immer wieder sagen —, die zu Beginn der 80er Jahre um rund 1 Million gesunken war, nimmt seit Mitte 1984 wieder zu. Allein der Investitionsgütersektor beschäftigte im Juni 1985 über 100 000 Arbeitnehmer mehr als im vergleichbaren Vorjahresmonat. Dem steht jedoch leider ein Abbau von Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft gegenüber, die im Wohnungsbau vor strukturellen Veränderungen steht und die unter den in Ihrer Regierungszeit beschlossenen Kürzungen der öffentlichen Investitionen zu leiden hat, was wir durch unsere Maßnahmen, auch in diesem Haushalt, auszugleichen und wieder zu steigern versuchen.
    Viertens. Die Zahl der offenen Stellen ging bis 1983 auf rund 75 000 zurück: Seitdem steigt sie langsam, aber stetig. Im ersten Halbjahr 1985 konnten knapp 920 000 Arbeitslose neu auf einen Arbeitsplatz vermittelt werden.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das haben wir gestern schon alles gehört!)

    Das waren annähernd 70 000 mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dabei läuft, wie jeder weiß, ein Großteil der tatsächlichen Vermittlungen an den Arbeitsämtern vorbei. In einigen Regionen sind Fachkräfte nicht mehr zu bekommen. Vor einigen Jahren — Sie werden sich noch daran erinnern können -- erhob der SPD-Vorsitzende Willy Brandt uns gegenüber den Vorwurf, unsere Bildungspolitik führe dazu, daß Jugendliche nur zum Schlosser aus-



    Dr. Waigel
    gebildet werden könnten. Nun, Schlosser sind gesucht, junge arbeitslose Akademiker haben wir leider zuviel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Damit komme ich zu einer Frage, die in den vergangenen Tagen und heute möglicherweise zu Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, nämlich zur Aussagefähigkeit der Arbeitslosenstatistik.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Jetzt geht's los!)

    Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Unternehmen über seine negativen Erfahrungen mit der Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter berichtet. Die Lektüre der Unternehmensberichte in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen gibt berechtigt Anlaß zu der Frage, ob es sich hier tatsächlich nur um minimale Randerscheinungen handelt. Was soll ich eigentlich einem Handwerksmeister oder dem Leiter eines kleinen Industriebetriebs aus dem Ruhrgebiet antworten, wenn er mir schreibt, es sei ihm trotz mehrwöchiger Bemühungen nicht gelungen, einen Facharbeiter für seinen Betrieb zu finden;

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    er könne die lautstarken Auseinandersetzungen der Politiker über Massenarbeitslosigkeit nicht mehr verstehen, wenn nicht einmal in Städten mit einer Arbeitslosenquote von 15 % Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden.

    (Zurufe von der SPD: Mehr ausbilden!)

    — Ich komme gleich darauf zurück. — Hier muß es doch auch an den Arbeitsämtern liegen, die nach meiner Überzeugung bei der gegenwärtigen Arbeitslage offensichtlich überfordert sind.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Man darf sich deshalb auch nicht wundern, wenn viele Unternehmen trotz eindringlichster Appelle seitens der Politik nicht mehr bereit sind, die bei ihnen vorhandenen offenen Stellen den Arbeitsämtern zu melden, obwohl das im Hinblick auf die Aussagekraft der Arbeitslosenstatistik von erheblicher Bedeutung wäre. Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie, heute beim Gespräch mit den Arbeitgebern und den Gewerkschaften auch dieses Problem noch einmal anzusprechen und die Unternehmen aufzufordern, die offenen Stellen, wo immer es geht, zu melden, damit die Aussagekraft der Zahlen eine andere wird, als wenn man immer nur magisch auf eine Zahl starrt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich brauche in diesem Zusammenhang nur den SPD-Kollegen Buschfort, damals Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium und ehemaliger Bevollmächtigter der IG Metall, zu zitieren, der sich gegenüber der „Welt der Arbeit" vom 28. August 1980 zur Aussagekraft der Arbeitslosenstatistik wie folgt äußerte:
    Ich glaube, daß die Zahlen, die wir bekommen, von vorn bis hinten nicht stimmen.
    Damals wurde doch von Ihnen eine Kommission
    eingesetzt, die zu dem Ergebnis kam, die Arbeitslosenstatistik enthalte eine Vielzahl sogenannter unechter Arbeitsloser, z. B. Rentenarbeitslose, Kindergeldarbeitslose, Nachtwandlerarbeitslose. So ist das, Herr Kollege Dr. Vogel. Auch für selbsternannte politische Generalstaatsanwälte gilt der Satz: Wer im Glashaus, soll nicht mit Steinen um sich werfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Zwischenbilanz der Finanz- und Wirtschaftspolitik der letzten drei Jahre kann sich sehen lassen.

    (Lachen bei den GRÜNEN — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Bei wem?)

    — Das Gelächter der Grünen zeigt nur Ihre Ignoranz und wie wenig Sie dieses Thema ernstnehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ströbele [GRÜNE]: Ihre Rede! — Frau Hönes [GRÜNE]: Ihre Rede können wir wirklich nicht ernstnehmen! Da haben Sie recht!)

    Ihr Gelächter und Ihr Auftreten werden spätestens bei der Rotation und allerspätestens bei der nächsten Wahl dazu führen, daß Sie sich wieder auf andere Weise Ihrem Broterwerb hingeben müssen, wenn Sie dazu in einem anderen Beruf überhaupt in der Lage sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Sozialhilfe!)

    Die Wirtschaft befindet sich wieder auf Wachstumskurs. Bei der Preisentwicklung haben wir das Stabilitätsziel praktisch erreicht. Auf dem Arbeitsmarkt ist eine Trendwende unverkennbar. Die Handelsbilanz weist Rekordüberschüsse auf. Bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wurden sowohl auf der Ebene des Bundes und der Länder, aber auch und vor allem bei den Kommunen erhebliche Fortschritte erzielt.
    Herr Kollege Dr. Vogel — —

    (Dr. Vogel [SPD]: Hier!)

    — Jetzt hätte ich beinahe gesagt: Brav, Herr Oberlehrer, aber das will ich doch nicht tun.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ihnen fällt doch immer wieder was Neues ein!)

    — Das unterscheidet mich von Ihnen!

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Der Kollege Dr. Vogel hat soeben gesagt: „Ihnen fällt immer wieder etwas Neues ein", und darauf habe ich gesagt: „Das unterscheidet mich von Ihnen."

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Sie haben Gesetze gemacht, wo immer unten stand: „Kosten: Keine." Nur, meine Damen und Her-



    Dr. Waigel
    ren, entstanden sind die Kosten bei den Ländern, bei den Kommunen, bei den Betroffenen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Und bei Ihrer Steuerreform?)

    Wir haben Gesetze gemacht, wo wir bei jedem Gesetz auch an die Länder und die Kommunen gedacht haben.

    (Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

    Das hat dazu geführt, daß sich mit unserer Konsolidierungspolitik nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und die Kommunen entlastet haben. Es gibt dafür eine treffende Zahl.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Unter Ihrer Zeit war das Finanzierungsdefizit der Kommunen bis auf 11 Milliarden DM angewachsen; in unserer Zeit schließen sie mit plus minus Null, eher mit plus ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

    Das ist die schlagende Antwort auf Ihre völlig verfehlte Kritik.
    Meine Damen und Herren, eine Politik zur Stärkung der Wachstumskräfte ist und bleibt die wichtigste, wenn auch nicht die alleinige Voraussetzung zur Lösung der Beschäftigungsprobleme.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Falsch!)

    Doch bei der Frage des Wirtschaftswachstums zeigt sich innerhalb der SPD ein gespaltenes Verhältnis. Den einen sind die gegenwärtigen Wachstumsraten zu gering, gleichzeitig blockieren sie jedoch den Wachstumsprozeß, indem sie beispielsweise im Energiesektor Bau und Inbetriebnahme von Großprojekten verhindern, siehe Wackersdorf.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Sehr vernünftig!)

    Es gibt in den Reihen der SPD aber auch Stimmen, mit Wachstum ließen sich die Arbeitsmarktprobleme heute nicht bewältigen.

    (Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

    Doch die scheinen vergessen zu haben, welche Folgen ein „Minuswachstum", also ein Rückgang des Sozialprodukts, wie wir es unter einer SPD-geführten Bundesregierung zu Beginn der 80er Jahre zu verzeichnen hatten, für den Arbeitsmarkt und für das Realeinkommen mit sich bringt.
    Ein weiteres Beispiel für diese Widersprüche in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der SPD bildet die Idee mit dem Sondervermögen „Arbeit und Umwelt". Wenn es um Löhne oder Renten geht, zählt die SPD zu den eindeutigen Verfechtern der Kaufkrafttheorie: Je höher die Zuwachsraten, um so größer die Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und um so stärker die konjunkturellen Antriebskräfte. Wenn es um staatliche Ausgabenprogramme oder aber um das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" geht, dann läßt man die Kaufkrafttheorie schnell in der Schublade verschwinden, denn diese Maßnahmen sollen ja, nachdem sich
    auch in der SPD die fatalen Folgen einer ausufernden Staatsverschuldung herumgesprochen haben, durch Steuererhöhungen, Ergänzungsabgaben, Waldpfennig, Anhebung der Mineralölsteuer, Einführung einer Erdgas- und Stromverbrauchssteuer, also durch Entzug privater Kaufkraft, finanziert werden — alles nach dem falschen Motto: Eine vom Staat ausgegebene Mark hat einen größeren Beschäftigungseffekt als eine von einem Privaten, Rentner, Arbeitnehmer oder Unternehmer ausgegebene Mark. Doch eine derartige Staatsgläubigkeit läßt sich nur ideologisch begründen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die längste und schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte ist überwunden.

    (Zuruf von der SPD: Na, na! — Zuruf von den GRÜNEN: Falsch!)

    Allen Kritikern zum Trotz ist dies trotz der gleichzeitigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gelungen. Möglich war dies durch eine gegenüber früheren Jahren verstärkte Einbeziehung angebotsorientierter Elemente in die Wirtschaftspolitik. Dadurch haben sich die Rahmenbedingungen für private Investitionen, nämlich Verringerung der Steuerbelastung, spürbarer Rückgang der Zinsen, deutliche Erhöhung der Unternehmenserträge, verbessert. Diese Strategie hat sich als erfolgreich erwiesen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Für die Unternehmer!)

    Die private Investitionstätigkeit hat nach jahrelanger Stagnation wieder zugenommen. Private Investitionen sind zunehmend neben dem Export zur Hauptstütze der konjunkturellen Entwicklung geworden. Das ist gerade auch durch die jüngsten Veröffentlichungen des Ifo-Instituts bestätigt worden.
    Einige Kritiker unserer Strategie meinen, die Koalition würde zu einseitig auf die sogenannte Angebotspolitik setzen und nachfrageorientierte Elemente vernachlässigen. Dies ist falsch. Wir haben in den vergangenen Jahren in wichtigen Bereichen auch die öffentlichen Investitionen wieder angehoben, so z. B. beim Bundesfernstraßenbau und bei der Städtebauförderung.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Herr Kollege Dr. Vogel, wenn Sie beklagen, daß die öffentlichen Investitionen zurückgegangen sind,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sind sie doch jetzt noch mehr!)

    dann sollten Sie sich an die Mahnung Ihres früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt erinnern, der Ihnen im Juni 1982 gesagt hat, daß Sie einen Teil der Sozialausgaben damit finanziert haben, daß Sie öffentliche Investitionen heruntergefahren haben zum Nachteil unserer Volkswirtschaft und zum Nachteil der Konjunktur.

    (Abg. Senfft [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)






Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Senfft, der Redner hat vorher erklärt, daß er keine Zwischenfragen zuläßt.

(Senfft [GRÜNE]: Das ist schade!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Wir haben gerade beim Bundesfernstraßenbau, bei der Städtebauförderung, Stadtsanierung, Dorferneuerung, beim ERP-Haushalt und bei den Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau die entsprechenden Voraussetzungen auch für eine gestiegene Nachfrage im öffentlichen Bereich geschaffen. Ähnliches gilt für die Stärkung der Massenkaufkraft durch die Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs. Auch die von uns beschlossenen Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik, so z. B. die Anhebung der Mittel beim Wohngeld und bei der Sozialhilfe, führen zu einer Stärkung der Kaufkraft in den unteren Einkommensschichten.
    Andere Kritiker unserer Strategie werfen der Koalition vor, es fehle an spezifischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Auch das ist falsch. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit wurden erheblich intensiviert. Durch das Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern wurde der Arbeitsmarkt ebenso entlastet wie durch das Vorruhestandsgesetz, das bei über 200 000 Tarifverträgen Anklang gefunden hat. Das Beschäftigungsförderungsgesetz ist ein wichtiger Schritt

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: In die falsche Richtung!)

    zur Beseitigung der zunehmenden Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt.
    Nun, meine Damen und Herren, was eigentlich hat die Opposition dieser Strategie entgegenzusetzen? Nicht viel. Die einen in der SPD — wie Herr Glotz — bedienen sich der Kraftmeierei und behaupten, die SPD als Garant der Vollbeschäftigung werde den Sockel der Arbeitslosigkeit schon innerhalb eines Jahres um eine Million senken, wobei seltsamerweise dieser Sockel unter den gleichen Kräften seit 1974 um 1,6 Millionen zugenommen hatte.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Großer Beifall!)

    Die anderen — zu ihnen gehört Dr. Vogel — betreiben das Geschäft der Katastrophenmeldungen und der Horrorprognosen. Danach müßten wir, falls die Prognosen stimmten oder gestimmt hätten, heute bereits 5 Millionen Arbeitslose haben, und rund 50 % der Lehrstellenbewerber müßten keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.

    (Zurufe von der SPD)

    Sie wissen ganz genau, daß Ihre Horrormeldungen nicht eingetroffen sind und daß die Wirtschaft, die Gewerkschaften, das Handwerk und der Mittelstand durch eine großartige Gemeinschaftsleistung gerade auf dem Ausbildungsmarktsektor einen hervorragenden Erfolg erzielt haben, was ihnen der Staat nie und nimmer hätte abnehmen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Während die Wirtschafts- und Finanzpolitiker der Bonner SPD-Fraktion offensichtlich nicht viel aus den Fehlern der 70er Jahre gelernt haben, scheint dies in einigen SPD-regierten Ländern anders zu sein. Dort hat man längst von der Forderung einer expansiven Finanzpolitik auf der Grundlage einer weiteren Zunahme der Neuverschuldung Abschied genommen.

    (Gilges [SPD]: Weil die Länder kein Geld mehr haben!)

    Von dem im Wahlkampf von Oskar Lafontaine großspurig angekündigten Ausgabenprogramm ist bis heute noch nichts zu sehen. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Posser scheint Presseberichten zufolge sogar zu einem Stoltenberg-Fan zu werden, was beim Charme des Bundesfinanzministers allerdings kein Wunder ist.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU)

    Posser wolle, so war zu lesen, angesichts der hohen Verschuldung mit erheblichen Zinslasten kräftig sparen, ein Vorhaben, meine Damen und Herren, das Herr Stoltenberg zum Ärger der SPD-Bundestagsfraktion seit 1983 mit Erfolg in die Tat umsetzt.
    Ich frage mich: Wie will die Opposition in der Haushaltspolitik Kompetenz nachweisen, wenn sie nicht einmal ihr eigenes Haus in Ordnung halten kann?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wenn man zuviel Schulden gemacht hat, muß man — das gilt für die öffentlichen Hände ebenso wie für Privatleute oder politische Parteien — seinen Haushalt konsolidieren. „In dieser Situation gibt es nur die Möglichkeit konsequenter und solider Sparsamkeit." Dieser Satz von Hans-Jürgen Wischnewski sollte, in Stein gegossen, vor dem SPD-Fraktionssaal aufgestellt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Sie Steingießer!)

    Ich habe dieser Mahnung eines Mannes, der offensichtlich versteht, mit Geld umzugehen, an den Herrn, den er mit „Oberlehrer" betitelt, nichts hinzuzufügen.
    Meine Damen und Herren, noch eine Randbemerkung: Wer über Vollbeschäftigung spricht, soll zuerst im eigenen Haus damit beginnen. Da kritisieren Sie von der SPD Unternehmen, die aus zwingenden betriebswirtschaftlichen Gründen Arbeitsplätze abbauen oder bei drohender Existenzgefährdung des Gesamtunternehmens Abteilungen oder Betriebsteile stillegen müssen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Bei Profitgefährdung!)

    Nur, meine Damen und Herren, diese Kritik nimmt Ihnen doch keiner ab, wenn Sie in Ihrem eigenen Haus genau das tun, was Sie anderen ständig vorwerfen, nämlich Arbeitsplätze vernichten. Wie ich dem gestrigen Interview des Kollegen Liedtke mit dem Bonner „General-Anzeiger" entnehmen konn-



    Dr. Waigel
    te, haben Sie 100 von 300 Mitarbeitern der Parteizentrale entlassen müssen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oho! — Das darf doch gar nicht wahr sein!)

    Das sind 33%, eine schlimme Zahl für eine Partei, die sich als Garant der Vollbeschäftigung aufspielt und sich im Besitz beschäftigungspolitischer Patentrezepte wähnt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört! — Kittelmann [CDU/CSU]: Ja, Herr Vogel, das ist soziale Symmetrie!)

    Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen demgegenüber versichern: Die Arbeitsplätze in der Münchener Nymphenburger Straße und im KonradAdenauer-Haus sind sicher!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wer bezahlt die denn? — Ströbele [GRÜNE]: Finanziert von der Industrie!)

    Meine Damen und Herren, als letzte Alternative bringt die SPD die Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung. Aber selbst in dieser Frage scheinen die Fronten in der SPD zu bröckeln. Zumindest gab der von mir persönlich geschätzte Kollege Jens jüngst zu bedenken, ob die von den Gewerkschaften verfolgte Strategie der Arbeitszeitverkürzung wirklich dem gegenwärtigen Konjunkturverlauf angemessen sei. Herr Kollege Jens, diese Bedenken haben Bundesregierung und Koalition bereits im vergangenen Jahr vorgetragen. Ich freue mich, daß Sie zwischenzeitlich unsere diesbezüglichen Bedenken teilen.
    Wachstum bei Preisstabilität ist das Resultat unserer Wirtschaftspolitik — und dies bei einer Ausgangslage, die durch ein schrumpfendes Sozialprodukt und hohe Inflationsraten gekennzeichnet war. Die Steigerung der Lebenshaltungskosten um nur noch wenig über 2 % bedeutet praktisch Preisstabilität. Demgegenüber betrugen die Preissteigerungen im Jahresdurchschnitt im Jahr 1980 5,4 %, 1981 6,3% und 1982 immer noch 5,3 %. Damit verbunden war ein beträchtlicher Verfall der Kaufkraft von Arbeitnehmern und Rentnern.
    Meine Damen und Herren, ich sehe in der Preisstabilität die wichtigste soziale Errungenschaft unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die kalte Enteignung der Sparer, der Rentner, der Arbeitnehmer hat damit aufgehört, und dank der sehr niedrigen Inflationsrate werden nunmehr auch wieder die Arbeitnehmer in den Genuß realer Einkommenssteigerungen gelangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, noch ein Wort zur Bundesbank. Zu der Zeit, als die SPD Regierungsverantwortung trug, war das Verhältnis zur Bundesbank erheblich gestört, wie ja immer unabhängige Institutionen der SPD meist ein Dorn im Auge sind. Die Politik der Bundesbank hat dazu geführt, daß eine Entspannung auf den Kapitalmärkten eingetreten ist. Nur dadurch war es möglich, den Kapitalmarktzins von rund 9 % im Jahresdurchschnitt 1982 auf unter 6,5 % zurückzuführen. Heute haben wir zusammen mit Japan die stabilsten Preise, und wir haben gemeinsam mit der Schweiz die niedrigsten Leitzinsen. Durch diese enge Zusammenarbeit zwischen Notenbank und Bundesregierung ist es auch gelungen, das deutsche Zinsniveau vom US-Zinsniveau abzukoppeln.
    Das Internationale Vertrauen in unsere Währung hat auch der Notenbank wieder größeren Spielraum verschafft und eine weitere Senkung der Leitzinsen Mitte August ermöglicht. Sie haben das kritisiert. Auch uns wäre eine noch weitergehende Senkung lieber. Man muß aber auch den Zielkonflikt der Deutschen Bundesbank sehen, auf der einen Seite die Geldmenge für eine expandierende Konjunktur zur Verfügung zu stellen, auf der anderen Seite aber auch für die innere und äußere Stabilität unserer Währung zu sorgen.
    Wie in der Haushalts- und Beschäftigungspolitik spricht die SPD auch in der Steuerpolitik mit gespaltener Zunge. Was sie tatsächlich will, weiß keiner. Äußeres Kennzeichen dieser Entwicklung ist die Rolle des finanzpolitischen Sprechers Hans Apel. Gestern hielt der Kollege Apel die finanzpolitische Rede für die Opposition.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    — Nein, Sie von den Grünen nehme ich als Opposition nicht ernst.
    Ich frage mich allerdings, Herr Kollege Apel: Was sind Ihre Aussagen noch wert? Wie steht es um Ihren Rückhalt in Ihrer Partei? Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, der finanzpolitische Sprecher, das Mitglied des Parteipräsidiums, einstmals Kronprinz unter Helmut Schmidt, soll jetzt von den SPD-Linken — wie es die „Süddeutsche Zeitung" ausdrückt — als „Repräsentant der Ehemaligen in der SPD" kaltgestellt werden. Mit Möller, Schiller, Schmidt, Apel, Matthöfer und Lahnstein schließt sich der Kreis der ehemaligen sozialdemokratischen Finanzminister, deren Rat heute in dieser Partei offensichtlich nicht mehr gesucht ist.

    (Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Hört! Hört! — Huonker [SPD]: So ein Quatsch!)

    Wie sieht es nun wirklich mit den steuerpolitischen Vorstellungen der SPD aus? Der Kollege Jens hält es für erforderlich, die steuerliche Belastung der Unternehmen noch im Laufe dieser Legislaturperiode spürbar zu verringern. Meine Damen und Herren, ich hör' die Worte wohl, allein mir fehlt der Glaube. Peinlich ist auch die Anbiederung, die nun die SPD gegenüber dem Mittelstand mit dem Angebot einer steuerfreien Investitionsrücklage versucht, nachdem gerade diese Schicht jahrelang mit klassenkämpferischen Parolen überhäuft worden ist und die Neidparolen hier angesetzt worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)




    Dr. Waigel
    Meine Damen und Herren von der SPD, Sie spekulieren mit dem kurzen Gedächtnis des Mittelstandes; Sie werden dabei scheitern.

    (Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)

    Glaubwürdiger sind die steuerpolitischen Vorstellungen, die auf der anderen Seite von der SPD, in Ihrem Lager, in den letzten Wochen und Monaten geäußert worden sind, nämlich Verzicht auf die geplante Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs zugunsten weiterer staatlicher Ausgabenprogramme und damit eine rasch ansteigende Steuerlast, vor allem für Arbeitnehmer und Familien, oder Einführung einer Ergänzungsabgabe, also einer Neid-Steuer, von sogenannten Besserverdienenden, womit wir dann endlich die steuerrechtliche Definition des Klassenbegriffs in der Bundesrepublik Deutschland hätten, eine Definition, die nicht einmal der Frankfurter Schule gelungen ist.

    (Ströbele [GRÜNE]: Was wissen Sie denn davon?)

    Zum anderen fordern Sie eine Erhöhung der Gewerbe- und Vermögensteuerbelastung für die Wirtschaft, Einbeziehung der Freiberufler in die Gewerbesteuer, Erhöhung bestehender und Einführung neuer Energieverbrauchsteuern, Einführung von Umweltschutzabgaben und Waldpfennigen, Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe. Diese HorrorListe ließe sich beliebig fortführen.
    Meine Damen und Herren, wie will man einerseits die Reduzierung der Steuerbelastung fordern, wenn man mit dieser Horror-Liste von Steuererhöhungen auf der anderen Seite aufwartet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir werden demgegenüber einen klaren steuerpolitischen Kurs verfolgen, der drei Schwerpunkte umfaßt: erstens die schrittweise Einführung eines linearen Tarifs bei der Lohn- und Einkommensteuer, zweitens — damit verbunden — die steuerliche Entlastung der Familie durch Freistellung des Existenzminimums der Kinder von der Lohn- und Einkommensteuer und drittens eine investitions- und beschäftigungsfördernde Reform der Unternehmensbesteuerung.
    Alle drei Ziele lassen sich nur schrittweise verwirklichen, aber wir haben bereits in der Mitte dieser Legislaturperiode auf allen drei Feldern wesentliche Weichenstellungen vorgenommen. Mit der Tarifreform entlasten wir vor allem Arbeitnehmer und den Mittelstand. Die Aufwendungen der Familie für ihre Kinder werden künftig zu einem Großteil nicht mehr besteuert. Die ertragsunabhängigen Steuern auf Schulden und Schuldzinsen und auf Betriebsvermögen sind gesenkt und die Abschreibungsbedingungen für Forschung und Entwicklung speziell für kleinere Betriebe sowie für gewerbliche Gebäude sind deutlich verbessert worden.
    Auch im internationalen Bereich sind wir unseren wirtschaftspolitischen Zielen ein gutes Stück nähergekommen. Alle westlichen Länder wissen heute um die Notwendigkeit, die Inflation zu bekämpfen, die Haushaltsdefizite zu reduzieren und auf eine Stärkung der Marktkräfte und eine Stimulierung der privaten Investitionstätigkeit hinzuwirken. Es müßte der SPD doch zu denken geben, daß Sie im internationalen Bereich, nicht einmal bei der sozialistisch geführten Regierung in Frankreich für ihre Konzeptionen heute noch Ansprechpartner besitzen.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben bereits heute einen Großteil der in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 4. Mai 1983 angekündigten Vorhaben verwirklicht. Diese Koalition wird auch entschlossen die noch ausstehenden Gesetzesvorhaben durchsetzen. Dann können wir Ende 1986 diese Bilanz guten Gewissens vorlegen und Anfang 1987 mit ihr vor die Wähler treten. Dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister und den übrigen Kabinettskollegen gilt unser Dank, unser Respekt und unsere volle Unterstützung.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)