Rede von
Dr.
Dionys
Jobst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Nein, meine Zeit läuft allmählich ab, und ich kann keine weiteren Zwischenfragen zulassen.
Meine Herren von der SPD, zu Ihren Vorlagen zum Bundesbahngesetz und zum Bundesbahnstrekkenausbaugesetz darf ich Ihnen nur sagen: Gemeinwirtschaftliche Leistungen müssen bezahlbar bleiben. Ich erinnere Sie nur an Ihren Änderungsantrag vom 7. September 1982, als Sie noch die Regierungsverantwortung trugen. Damals haben auch Sie gefordert, die Deutsche Bundesbahn müsse von der Notwendigkeit zur Erstellung von Leistungen befreit werden, die vom Markt nicht mehr akzeptiert werden. Einverständnis!
Der negative Trend der früheren Jahre bei der Bahn ist gebrochen. Dies ist eine gewaltige Leistung. Die Defizite konnten reduziert, die Schuldenentwicklung konnte gestoppt werden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt bei der Deutschen Bundesbahn noch viel zu tun. Die Deutsche Bundesbahn ist in ihrer heutigen Situation, wenn die Verhältnisse unverändert blieben, auf Dauer unbezahlbar. Da stimme ich mit dem Kollegen Daubertshäuser überein, der festgestellt hat: Die Bahn kann sich aus eigener Kraft nicht konsolidieren. Und die enorme Verschuldung bei der Bahn signalisiert den Ernst der Lage. Die Bahn muß also weiterhin ihre Kosten senken, aber — das ist jetzt ihre wichtige Aufgabe — auch ihre Erträge steigern.
Bei der Reduzierung des Personals konnten große Erfolge erreicht werden. Dies war nur mit dem Verständnis der Eisenbahner, mit dem typischen Eisenbahnergeist möglich. Dafür gebührt den Eisenbahnern, den Personalräten und auch den Gewerkschaften unser Dank.
Die Zukunft der Deutschen Bundesbahn liegt im großströmigen automatisierbaren Personen- und Güterverkehr. Die Deutsche Bundesbahn hat noch hohe Innovationspotentiale, nämlich durch ihre hohen Geschwindigkeiten, durch geringen Energieverbrauch und durch die Automatisierbarkeit bei hohem Sicherheitsgrad. Voraussetzung dafür ist, daß die Neubau- und Ausbaustrecken schnellstens fertiggestellt werden. Dazu brauchen wir keine neuen Gesetze. Darauf kann die Deutsche Bundesbahn nicht fahren. Wichtig ist, daß die Strecken gebaut werden und die Bahn ihre Systemvorteile einsetzen kann.
Die SPD hat die Bahn bei diesen wichtigen Investitionsmaßnahmen finanziell und auch bei der Durchsetzbarkeit im Stich gelassen. Ich erinnere an die japanischen Staatsbahnen, die seit 21 Jahren mit großem Erfolg das Shinkansem-System betreiben. Die fahren 210 km in der Stunde und sind seit 21 Jahren unfallfrei. Die französischen Staatsbahnen fahren seit 1983 auf der Strecke Paris-Lyon mit 270 km in der Stunde. Und wie schnell fährt die Deutsche Bundesbahn? Unsere IC-Züge haben eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 110 km in der Stunde.
Die Erhöhung der Geschwindigkeit ist aber auch für den Güterverkehr besonders wichtig. Die Bahn muß in die Lage versetzt werden, hochwertige Güter im Nachtsprung zwischen den Wirtschaftszentren zu transportieren. Ein großes Innovationspotential liegt bei der Bahn noch in der Automatisierbarkeit der Betriebsabläufe und in ihrer hohen Verkehrssicherheit.
Das Teilnetz der Neubau- und Ausbaustrecken, wie es jetzt konzipiert ist, muß weiter komplettiert werden. Auch die ländlichen Räume dürfen nicht völlig vergessen werden. Auch diese Gebiete müssen über Anschlußstrecken von deren Knoten aus an das moderne Bahnnetz angebunden werden.
Wir haben in unserem Land noch eine erhebliche Bindung von Volkswirtschaftsvermögen in den Lagervorräten der Wirtschaft. Die Experten schätzen dies auf 350 Milliarden DM. Hier liegen noch Rationalisierungsmöglichkeiten für unsere Volkswirtschaft, aber auch Chancen für die Verkehrsträger, insbesondere für die Deutsche Bundesbahn. Die Deutsche Bundesbahn braucht Marktnähe, Sie muß das Ohr am Markt haben.
Eine wichtige Funktion hat die Deutsche Bundesbahn auch in der Fläche. Der Schienenverkehr in der Fläche muß erhalten bleiben, soweit dies strukturpolitisch geboten und von dem erreichbaren Verkehrsaufkommen her vertretbar ist. Streckenstillegungen hat es schon früher gegeben und werden auch in Zukunft nicht zu vermeiden sein, wenn diese Strecken nicht mehr angenommen werden.
Der Antrag der GRÜNEN ist wirklichkeitsfremd. Ich gehe davon aus, daß ihn auch die SPD nicht akzeptieren kann.
Die Deutsche Bundesbahn bleibt in der Fläche präsent. Sie hat ihre Aufgabe auch im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr. Dazu gibt es keine Patentrezepte, so wie Sie meinen, daß man über unser Land hinweg ein einheitliches Konzept erstellen könnte. Hier ist eine realistische Politik für den öffentlichen Personennahverkehr erforderlich. Es muß das nachfragegerechte Verkehrsmittel eingesetzt werden. Das kann in vielen Fällen auch der Bus sein.
Ein letzter Gedanke. Zur wirtschaftlichen Stabilisierung und finanziellen Konsolidierung der Bahn gibt es keine Alternative. Wir wissen, daß mit der Sparpolitik allein die Sanierung der Bahn nicht erreicht werden kann. Der Deutschen Bundesbahn hängen die Alt- und Fremdlasten am Bein. Dieses Problem der Entschuldung muß noch angepackt
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Juni 1985 10563
Dr. Jobst
werden. Da stimmen wir überein. Auch die Investitionshilfen müssen mittelfristig erhöht werden. Aber, meine sehr verehrten Kollegen von der SPD, wir können doch nicht alle Erblasten der Bahn, die Sie uns hinterlassen haben, auf einmal abtragen.
Der Ruf nach Gesetzen ist auch kein Ersatz für politisches Handeln. Die Ausgleichsleistungen, die der Bund heute der Bahn leistet, sind nicht, wie der Kollege Haar behauptet hat, gesenkt worden; sie betragen 1985 9,6 Milliarden DM, sind erheblich angehoben worden.
Der Ruf nach einer Trennungsrechnung zwischen dem gemeinwirtschaftlichen Teil und dem betriebswirtschaftlichen Teil bei der Bahn ist verständlich. Nur, eine Trennungsrechnung löst die Probleme nicht. Auch wenn man Kosten trennt, kann man sich von Ihnen nicht verabschieden. Eine solche Regelung ist nur dann sinnvoll, wenn die Entschlackung von alten Fremdlasten erfolgt, denn sonst würde der Manipulation Tür und Tor geöffnet werden.
Die neue Politik, das neue Selbstverständnis der Deutschen Bundesbahn zeigen ihre Wirkungen. Ich freue mich mit den Eisenbahnern und mit der Bundesbahnführung über diesen Erfolg. Es ist eine gute Arbeit in kurzer Zeit geleistet worden.
Wir sagen unseren Dank und unseren Respekt der Bundesbahnführung, den Eisenbahnern, und wir sagen unseren ganz besonderen Dank Herrn Verkehrsminister Dr. Werner Dollinger,
der die neue Politik eingeleitet und der der Bahn entscheidend geholfen hat, daß sie die notwendigen Maßnahmen hat treffen können. Und wir freuen uns, daß die Eisenbahner aus der Ecke, in der sie vorher gestanden haben, endlich herausgeholt werden konnten.
Trotz Auto und Flugzeug hat die Deutsche Bundesbahn eine Zukunft. Wir werden den Bundesverkehrsminister bei seiner erfolgreich in die Wege geleiteten Politik weiterhin unterstützen.