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    Plenarprotokoll 10/136 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 136. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. April 1985 Inhalt: Nachträgliche Durchführung der Abstimmung zu Punkt 5b der Tagesordnung (21. Strafrechtsänderungsgesetz, Entwurf der SPD-Fraktion — Drucksache 10/891—) 10103A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1985 — Drucksache 10/2705 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/3243 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/3262 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1984) sowie das Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1985 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1998 — Drucksachen 10/2235, 10/3243 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vierzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Vierzehntes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 10/2882 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/3241 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/3261 — Jagoda CDU/CSU 10104A, 10120A Günther CDU/CSU 10104 B Egert SPD 10107 C Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 10109 D Bueb GRÜNE 10111D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 10113D Kirschner SPD 10116A Namentliche Abstimmungen . . 10123A, 10125 B Ergebnis der Abstimmungen . . 10123A, 10125A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. George, Straßmeir, Lemmrich, Jagoda, Keller, Hinsken, Günther, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Milz, Hanz (Dahlen) und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoffie, Frau Dr. AdamSchwaetzer, Kohn, Cronenberg (Arnsberg), Frau Dr. Segall, Eimer (Fürth) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — Drucksache 10/3218 — Louven CDU/CSU 10127A von der Wiesche SPD 10127 C Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 10130 B Frau Wagner GRÜNE 10131 B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesrechnungshof (Bundesrechnungshofgesetz) — Drucksache 10/2929 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Friedmann, Roth (Gießen), Deres, Rossmanith, von Hammerstein, Gerster (Mainz), Dr. Rose, Dr. Riedl (München), Austermann, Schmitz (Baesweiler), Löher und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Seiler-Albring, Dr. Weng, Hoffie, Grünbeck, Dr. Haussmann, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesrechnungshof (Bundesrechnungshofgesetz) — Drucksache 10/3204 — Dr. Friedmann CDU/CSU 10133 C Esters SPD 10135 C Frau Seiler-Albring FDP 10137 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 10138 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . 10140A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften — Drucksache 10/2876 — Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU . . . . 10141 D Dr. Schwenk (Stade) SPD 10143 D Kleinert (Hannover) FDP 10145A Mann GRÜNE 10146 C Erhard, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 10148 C Nächste Sitzung 10149 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10151*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 10151* C Anlage 3 Gefährdung der Bevölkerung durch Fehlschüsse der Erprobungsstelle Elperbüttel in der Meldorfer Bucht MdlAnfr 20 19.04.85 Drs 10/3226 Austermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . 10151* D Anlage 4 Orientierungshilfen der Bundesregierung für Gerichtsverfahren zur Verkabelung von Mietwohnungen MdlAnfr 30, 31 19.04.85 Drs 10/3226 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 10152*A Anlage 5 Verbesserung der Wohnungsfürsorge für häufig versetzte Soldaten MdlAnfr 34, 35 19.04.85 Drs 10/3226 Steiner SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . 10152* B Anlage 6 Einführung der Raumverträglichkeitsprüfung MdlAnfr 36, 37 19.04.85 Drs 10/3226 Lohmann (Witten) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . 10152* C Anlage 7 Einflußnahme des Bundeskanzlers auf Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von illegalen Spendenzuwendungen; Mitwirkung des ehemaligen Landtagsabgeordneten und Ministerpräsidenten Dr. Helmut Kohl an illegaler Parteienfinanzierung MdlAnfr 60, 5 19.04.85 Drs 10/3226 Schily GRÜNE SchrAntw StMin Vogel BK 10152*D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 III Anlage 8 Kriterien für die Auswahl Jugendlicher als Zuhörer bei der Ansprache Präsident Reagans MdlAnfr 61, 62 19.04.85 Drs 10/3226 Mann GRÜNE SchrAntw StMin Vogel BK 10153*A Anlage 9 Kriterien für die Auswahl Jugendlicher für ein Gespräch mit Präsident Reagan MdlAnfr 63, 64 19.04.85 Drs 10/3226 Ströbele GRÜNE SchrAntw StMin Vogel BK 10153* B Anlage 10 Einladung an alle Jugendlichen zur Ansprache Präsident Reagans an die „deutsche Jugend" MdlAnfr 65, 66 19.04.85 Drs 10/3226 Frau Wagner GRÜNE SchrAntw StMin Vogel BK 10153* C Anlage 11 Kriterien für die Auswahl der jugendlichen Zuhörer bei der Ansprache Präsident Reagans an die „deutsche Jugend" MdlAnfr 67, 68 19.04.85 Drs 10/3226 Bueb GRÜNE SchrAntw StMin Vogel BK 10153* D Anlage 12 Überprüfung und Speicherung der Personaldaten der Zuhörer bei der Ansprache Präsident Reagans an die „deutsche Jugend"; Direktübertragung an rheinlandpfälzischen Schulen MdlAnfr 69, 70 19.04.85 Drs 10/3226 Frau Dann GRÜNE SchrAntw StMin Vogel BK 10154*A Anlage 13 Aufnahme der im Südchinesischen Meer aus Seenot Geretteten in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 71, 72 19.04.85 Drs 10/3226 Klose SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA . . . 10154* B Anlage 14 Schicksal des in der Sowjetunion verurteilten Pfarrers der Pfingstgemeinde und weiterer volksdeutscher Gemeindemitglieder; Einbehaltung des als Preis von der Deutschen Welle ausgesetzten Buches „Tatsachen über Deutschland" durch polnische Behörden MdlAnfr 75, 76 19.04.85 Drs 10/3226 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Mertes AA . . . 10154* D Anlage 15 Haltung der Bundesregierung bei der Abstimmung der WEU-Mitgliedstaaten über die westeuropäische Rüstungskontrolle angesichts der amerikanischen Intervention MdlAnfr 77, 78 19.04.85 Drs 10/3226 Gansel SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA . . . 10155* B Anlage 16 Abschaffung der Sommerzeit MdlAnfr 83 19.04.85 Drs 10/3226 Dr. Weng (Gerlingen) FDP SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . 10155* D Anlage 17 Klärung des Verbleibs und der Auslieferung des KZ-Arztes Mengele mit dem paraguayischen Präsidenten Stroessner anläßlich seines Besuchs in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 88, 89 19.04.85 Drs 10/3226 Conradi SPD SchrAntw PStSekr Erhard BMJ . . . 10156*A Anlage 18 Zulassung von pensionierten Beamten und Richtern als Rechtsanwälte angesichts der starken Zunahme in diesem Berufsstand MdlAnfr 90, 91 19.04.85 Drs 10/3226 Eylmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Erhard BMJ . . . 10156*C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 10103 136. Sitzung Bonn, den 26. April 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 26. 4. Böhm (Melsungen) * 26. 4. Brandt 26. 4. Büchner (Speyer) * 26. 4. Dolata 26. 4. Dr. Ehmke (Bonn) 26. 4. Dr. Enders* 26. 4. Ertl 26. 4. Dr. Faltlhauser 26. 4. Frau Fischer* 26. 4. Franke (Hannover) 26. 4. Gerstein 26. 4. Glos 26. 4. Dr. Götz 26. 4. Dr. Haack 26. 4. Haase (Fürth) * 26. 4. Dr. Hackel* 26. 4. Hauser (Krefeld) 26. 4. Heimann 26. 4. Dr. Holtz* 26. 4. Graf Huyn 26. 4. Jäger (Wangen) * 26. 4. Dr. Jahn (Münster) 26. 4. Dr. Jens 26. 4. Jung (Düsseldorf) 26. 4. Kittelmann* 26. 4. Dr. Klejdzinski 26. 4. Dr. Köhler (Duisburg) 26. 4. Dr.-Ing. Laermann 26. 4. Dr. Graf Lambsdorff 26. 4. Lemmrich* 26. 4. Lenzer* 26. 4. Linsmeier 26. 4. Dr. Müller* 26. 4. Neumann (Bramsche) * 26. 4. Dr. Pinger 26. 4. Reddemann* 26. 4. Frau Renger 26. 4. Repnik 26. 4. Reuschenbach 26. 4. Dr. Rumpf* 26. 4. Dr. Scheer* 26. 4. Schmidt (Hamburg) 26. 4. Dr. Schneider (Nürnberg) 26. 4. Schreiner 26. 4. Schröder (Hannover) 26. 4. Schulte (Unna)* 26. 4. Schwarz * 26. 4. Stockhausen 26. 4. Dr. Unland* 26. 4. Voigt (Sonthofen) 26. 4. Witek 26. 4. Dr. Wittmann 26. 4. Dr. Wulff* 26. 4. Zierer* 26. 4. Frau Zutt 26. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur steuerlichen Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierhaltung (§ 51 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes) (Drucksache 10/3233) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kap. 23 02 Tit. 686 08 und 686 24 (Förderung von Ernährungssicherungsprogrammen) (Drucksache 10/ 3234) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Programmatische Schwerpunkte der Raumordnung (Drucksache 10/3146) zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sechster Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache 10/3028) zuständig: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 10/3226 Frage 20): Mit welchen konkreten Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß sich ein Fehlschuß mit einer Geschoßhülle - wie am 26. März 1985 - im Bereich der Meldorfer Bucht von der Erprobungsstelle Elpersbüttel aus in das Watt außerhalb des Sicherheitsbereiches in Zukunft absolut ausschließen läßt, und auch künftig - wie auch sonst in der Vergangenheit - die Gefährdung von Unbeteiligten ausgeschlossen bleibt? Der Fehlschuß von dem Erprobungsplatz Meldorfer Bucht ins Watt außerhalb des Gefahrenbereichs ist eindeutig auf menschliches Versagen zurückzuführen. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang folgendes angeordnet: 1. Künftig darf nicht mehr in Richtungen geschossen werden, in deren verlängertem Gefahrenbereich Personen und Sachen gefährdet werden könnten. 10152* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 2. Durch noch intensivere Schießaufsicht in den Feuerstellungen ist dafür Sorge getragen, daß Fehlschüsse sich nicht wiederholen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) (Drucksache 10/3226 Fragen 30 und 31): Treffen Presseverlautbarungen zu, die Bundesregierung beabsichtige, den Gerichten eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, in der die Feststellung getroffen werde, die Errichtung eines Kabelanschlusses in einer Mietwohnung sei eine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts? Hält die Bundesregierung eine solche Orientierungshilfe auch nach der Entscheidung des Landgerichts Berlin, die nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 17. April 1985 die Verneinung einer Duldungspflicht des Mieters rechtskräftig werden ließ, noch für erforderlich? Zu Frage 30: Der Entwurf einer Verlautbarung der Bundesregierung zum Modernisierungscharakter eines Breitbandanschlusses ist in einer Ressortbesprechung am 8. März 1985 zurückgestellt worden. Deshalb kann über seinen Inhalt derzeit nicht informiert werden. Eine unzulässige Einflußnahme auf die uneinheitliche Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte war niemals geplant, sondern eine Information der Öffentlichkeit über die technischen und medienrechtlichen Voraussetzungen der programmlichen Nutzung von Breitbandanschlüssen und ggf. den Zusammenhang mit mietrechtlichen Fragestellungen. Gedacht war z. B. an eine spätere Veröffentlichung im Bulletin der Bundesregierung. Zu Frage 31: Eine Antwort zu Ihrer 2. Frage wäre zur Zeit verfrüht, weil der o. a. Entwurf zurückgestellt worden ist. Im übrigen wäre für die Bundesregierung ein Rechtsentscheid eines Oberlandesgerichtes von großer Bedeutung. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen des Abgeordneten Steiner (SPD) (Drucksache 10/3226 Fragen 34 und 35): Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, daß der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau bis heute noch nicht das Ergebnis seiner am 14. Februar 1984 dem Deutschen Bundeswehrverband zugesagte Untersuchung über die Verbesserung der Wohnungsfürsorge für häufig versetzte Soldaten vorgelegt hat? Kann die Bundesregierung stichhaltige Gründe für die Verzögerung des Abschlusses der Untersuchung nennen? Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat den Bundesvorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes mit Schreiben vom 25. September 1984 über das Ergebnis seiner Prüfungen unterrichtet. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen des Abgeordneten Lohmann (Witten) (SPD) (Drucksache 10/3226 Fragen 36 und 37): Wie steht der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zum Instrument der Raumverträglichkeitsprüfung? Strebt er die Einführung der Raumverträglichkeitsprüfung an, und wie soll das geschehen? Die Bundesregierung mißt der Prüfung der Auswirkungen auf den Raum bei raumbedeutsamen Maßnahmen große Bedeutung bei. Die Bundesregierung hat deshalb am 30. Januar 1985 die „Programmatischen Schwerpunkte der Raumordnung" beschlossen. Sie liegen dem Deutschen Bundestag als Drucksache 10/3146 vor. In Kapitel IV dieser Schwerpunkte ist im einzelnen dargestellt, wie die Bundesregierung in Ausfüllung des Auftrages aus § 4 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes sicherstellen wird, daß raumbedeutsame Maßnahmen frühzeitig auf Art und Umfang ihrer Auswirkungen auf den Raum gepüft werden und daß diese Prüfung der Auswirkungen auf den Raum mit der Analyse und Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt verzahnt wird. Die Bundesregierung hat dazu insbesondere hervorgehoben, daß die Fachressorts den Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau nach Maßgabe des Raumordnungsgesetzes und der GGO frühzeitig bei allen Planungen und Maßnahmen beteiligen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung eines Gebietes beeinflußt wird. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Vogel auf die Fragen des Abgeordneten Schily (GRÜNE) (Drucksache 10/3226 Fragen 60 und 5): Hat der Bundeskanzler auf Ermittlungsverfahren oder steuerliche Überprüfungsverfahren wegen des Verdachts von illegalen Spendenzuwendungen Einfluß genommen? Sieht sich die Bundesregierung in ihrer Aufgabe, für Steuergerechtigkeit zu sorgen und auf ein steuerehrliches Verhalten der Bürger hinzuwirken, dadurch behindert, daß der Bundeskanzler als Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz und später als Ministerpräsident dieses Bundeslandes an illegaler Parteifinanzierung mitgewirkt und mindestens in einem Fall eine illegale Spendensammelstelle vor dem Zugriff der Finanzverwaltung bewahrt haben soll? Ihre beiden Mündlichen Fragen beantworte ich wie folgt: Ich darf im wesentlichen auf meine Ausführungen auf die Fragen des Kollegen Schmude, die den Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 10153* gleichen Sachverhalt zum Gegenstand haben, Bezug nehmen (Plenarprotokoll 10/135, S. 10026 D). Ergänzend möchte ich jedoch sagen, daß der Bundeskanzler auf Ermittlungsverfahren oder steuerliche Überprüfungsverfahren wegen des Verdachts von illegalen Spendenzuwendungen keinen Einfluß genommen hat. Die in Ihrer Frage geäußerte Befürchtung ist deshalb völlig unbegründet. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Vogel auf die Fragen des Abgeordneten Mann (GRÜNE) (Drucksache 10/3226 Fragen 61 und 62): Trifft es zu, daß etwa 2 000 von insgesamt ca. 5 000 bis 6 000 Jugendlichen, die US-Präsident Reagan anläßlich seiner Rede „an die deutsche Jugend" am 6. Mai 1985 in Hambach zuhören sollen, nach Absprache der Bundesregierung mit der Landesregierung Rheinland-Pfalz durch die Oberbürgermeister und Landräte des Bundeslandes gezielt ausgewählt werden sollen? Hält es die Bundesregierung für gesichert, daß mit einer Auswahl durch diese Personen repräsentative Vertreter und Vertreterinnen aller Jugendlichen der Bundesrepublik Deutschland benannt werden, und wie bewertet sie die Tatsache, daß arbeitslose Jugendliche auf Grund der selbst zu tragenden Reisekosten kaum in der Lage sein dürften, an der Veranstaltung teilzunehmen? Ihre beiden Mündlichen Fragen beantworte ich wie folgt: Es trifft zu, daß nach Absprache der Bundesregierung mit der Landesregierung Rheinland-Pfalz etwa 2 000 Jugendliche durch die Oberbürgermeister und Landräte dieses Bundeslandes ausgewählt werden sollen. Die Bundesregierung hält es für gesichert, daß durch diese Auswahl repräsentative Vertreter und Vertreterinnen aller Jugendlichen benannt werden. Für die durch die Oberbürgermeister und Landräte von Rheinland-Pfalz ausgewählten Jugendlichen wird Transport unentgeltlich zur Verfügung gestellt, so daß auch Jugendliche ohne Einkommen in der Lage sind, an der Veranstaltung teilzunehmen. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Vogel auf die Fragen des Abgeordneten Ströbele (GRÜNE) (Drucksache 10/3226 Fragen 63 und 64): Teilt die Bundesregierung die Ansicht von vielen jungen Menschen, Jugendgruppen und -verbänden, wie sie z. B. die Bundesvorsitzende der Jungdemokraten formulierte, daß „die Jugend in der Bundesrepublik Deutschland angesichts Weltraumrüstung, militärischer Bedrohung und der wirtschaftlichen Ausbeutung der Dritten Welt Gelegenheit haben müsse, gerade Präsident Reagan ihre Position darzulegen"? Ist die Bundesregierung der Meinung, daß bei einer Auswahl von jugendlichen Gesprächspartnern für ein Gespräch mit dem Präsidenten durch den rheinland-pfälzischen Kultusminister gewährleistet ist, daß solche, eher kritische Meinungen geäußert werden können? Ihre beiden Mündlichen Fragen beantworte ich wie folgt: Eine Gruppe von Jugendlichen erhält Gelegenheit, nach der Ansprache von Präsident Reagan in Hambach in einem Gespräch mit Präsident Reagan ihre Meinung darzulegen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß gewährleistet ist, daß auch kritische Meinungen geäußert werden können. Im übrigen steht es jedem Jugendlichen frei, sich an die Staatskanzlei Mainz mit der Bitte um eine Einladung zu wenden. Anlage 10 Antwort des Staatsministers Vogel auf die Fragen der Abgeordneten Frau Wagner (GRÜNE) (Drucksache 10/ 3226 Fragen 65 und 66): Ist der Bundesregierung bekannt, ob es für die Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika an die „deutsche Jugend" eine öffentlich ausgeschriebene Einladung an alle Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, und wenn ja, an welche Institutionen und Personen war sie gerichtet? Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß bei Stichproben der Fraktion DIE GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz den dortigen Jugendämtern nichts über eine öffentliche Einladung an Jugendliche bekannt war, ebensowenig über den Anmeldemodus oder bestehende Teilnahmemöglichkeiten für die Veranstaltung, und welche Relevanz haben demnach Jugendliche aus Einrichtungen der Erziehungshilfe und der kommunalen Jugendarbeit als mögliche Gäste? Ihre beiden Mündlichen Fragen beantworte ich wie folgt: Durch Presse und Fernsehen war und ist bekannt, daß diese Veranstaltung stattfinden wird. Eine öffentliche Ausschreibung der Einladung ist nicht erfolgt. Eine besondere Unterrichtung der Jugendämter ist nicht erfolgt. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Vogel auf die Fragen des Abgeordneten Bueb (GRÜNE) (Drucksache 10/3226 Fragen 67 und 68): Ist der Bundesregierung bekannt, daß Präsident Ronald Reagan seine Rede an die „deutsche Jugend", wie im „Bonner General Anzeiger" vom 12. April 1985 gemeldet, vor „ausgewählten Jugendlichen" halten wird? Welche Vertreter/innen der „deutschen Jugend" sollten nach Meinung der Bundesregierung an dieser Veranstaltung teilnehmen? Zu Frage 67: Ja. 10154* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 Zu Frage 68: Alle interessierten Vertreter bzw. Vertreterinnen der deutschen Jugend können an der Veranstaltung teilnehmen, soweit Plätze vorhanden sind. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Vogel auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dann (GRÜNE) (Drucksache 10/3226 Fragen 69 und 70): Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, daß die Rede Präsident Reagans „an die deutsche Jugend" gelangt, und trifft es zu, daß z. B. an rheinland-pfälzischen Schulen Schüler die Rede Ronald Reagans in einer Direktübertragung verfolgen können? Welche Art von Sicherheits- und Ausweiskontrollen plant die Bundesregierung für die teilnehmenden Jugendlichen, und inwieweit werden gegebenenfalls Personaldaten der Teilnehmer überprüft oder gespeichert? Ihre beiden Mündlichen Fragen beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung wird für eine Veröffentlichung der Rede Präsident Reagans Sorge tragen. Ob von rheinland-pfälzischen Schülern die Rede Präsident Reagans in einer Direktübertragung verfolgt werden kann, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die Organisation liegt bei dem Land RheinlandPfalz. Die Bundesregierung kann daher zu dieser Frage keine Stellung nehmen. Anlage 13 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Abgeordneten Klose (SPD) (Drucksache 10/3226 Fragen 71 und 72): Ist die Bundesregierung bereit, auch in Zukunft Menschen, die im Südchinesischen Meer aus Seenot gerettet werden, in der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen? Ist die Bundesregierung bereit, sich an dem kürzlich von 13 Ländern Westeuropas sowie den USA, Kanada und Australien gebildeten Pool (Rescue at Sea Resettlement Offer), der eine Lastenverteilung in Fällen von Seenotrettung im Südchinesischen Meer vorsieht, zu beteiligen? Zu Frage 71: Die Bundesregierung ist bereit, auch in Zukunft Menschen, die im Südchinesischen Meer aus Seenot gerettet werden, in der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. Bisher wurden etwa 28 000 Flüchtlinge aus Indochina, davon über 10 000 Bootsflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Neben den weiter stattfindenden Aufnahmen im Wege der Familienzusammenführung werden alle von unter deutscher Flagge fahrende Handelsschiffen geretteten Flüchtlinge auch in Zukunft aufgenommen, sofern sie nicht in anderen Länder Aufnahme finden. Darüber hinaus hat sich die Bundesrepublik Deutschland an einem Vorhaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zugunsten der Flüchtlinge, die von Schiffen unter „Billigflagge" aus Seenot gerettet werden, beteiligt (Disembarkation and Resettlement Offers — DISERO). Die Bundesrepublik Deutschland hat 200 Aufnahmeplätze für dieses Programm bereitgestellt. Weiterhin bemüht sich die Bundesregierung, in besonderen Härtefällen zusätzliche Aufnahmeplätze für Bootsflüchtlinge zur Verfügung zu stellen, die sich bereits in Lagern in Südostasien befinden und nicht in anderen Ländern Aufnahme finden können. Zu Frage 72: Das von Ihnen erwähnte weitere Programm RASRO (Rescue at Sea Resettlement Offers) des Hohen Flüchtlingskommissars soll in der Tat eine Lastenverteilung unter den Flaggenstaaten Westeuropas und Nordamerikas sowie u. U. Australien und Japan gewährleisten. Die von Handelsschiffen unter deutscher Flagge geretteten Flüchtlinge können — wie gesagt — bereits jetzt in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden. Die Frage eines deutschen Beitritts zu RASRO wird zur Zeit geprüft. Anlage 14 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/3226 Fragen 75 und 76): Kann die Bundesregierung Auskunft über das Schicksal des — laut ap — soeben in der Sowjetunion zu fünf Jahren verurteilten Pfarrers der Pfingstgemeinde und weiterer Gemeindemitglieder, sämtlich deutscher Volkszugehörigkeit, erteilen und welches Urteil hat sie sich bilden können? Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Buch ,,Tatsachen über Deutschland", das als Preis für die Teilnahme an einer Sendung der Deutschen Welle übersandt worden ist, dem Empfänger von den polnischen Behörden nicht ausgehändigt worden ist, weil es für den Empfänger „schädlich" sei, und gedenkt die Bundesregierung, unter Bezug auf die KSZE-Schlußakte, Korb 3, dagegen Protest zu erheben? Zu Frage 75: Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Vorsteher der staatlich nicht registrierten Pfingstgemeinde in Tschugujewska (Ostsibirien), Viktor Walter, Sowjetbürger deutscher Nationalität, wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda sowie wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über Religionsausübung am 11. April 1985 zu fünf Jahren Straflager verurteilt worden ist. Er ist verheiratet und Vater von 8 Kindern. Außerdem sind folgende Mitglieder der Pfingstgemeinde von Tschugujewska verurteilt worden: Nikolaus Wiens, Vater von sieben minderjährigen Kindern, am 26. Februar 1985 zu einem Jahr Haft gegen Verletzung der Paßvorschriften und wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über Religionsausübung; dessen Bruder Johann Wiens; Peter Walter, Bruder des verhafteten Gemeindevorstehers Viktor Walter; Paul Brommer, Anatolij Hoch, Valerij Lobsow, Anatolij Scheludkow. Das Strafmaß die- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 10155* ser am 14. April 1985 verurteilten Volksdeutschen ist bisher nicht bekannt. Die genannten Personen gehören zu einer Pfingstgemeinde, die wegen ihres religiösen Bekenntnisses 1981 aus Usbekistan nach Ostsibirien zwangsdeportiert worden ist. Vorliegenden Informationen zufolge sind die Gemeindemitglieder starkem Druck und schweren Verfolgungsmaßnahmen unterworfen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Familien Walter und Wiens zu ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Angehörigen ausreisen wollen. Die Bundesregierung sieht in der Verurteilung von Viktor Walter und weiterer sieben Mitglieder der Pfingstgemeinde von Tschugujewka sowie in den Verfolgungsmaßnahmen gegen deren Familienangehörige und Gemeindemitglieder einen schweren Verstoß gegen die Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich die UdSSR mehrfach und in feierlicher Form verpflichtet hat. Ich erwähne insbesondere die beiden Internationalen Menschenrechtsgesetze, die auch die Sowjetunion ratifiziert hat, und die Schlußakte von Helsinki, deren zehnjähriges Jubiläum die Unterzeichnerstaaten am 1. April 1985 feiern wollen. Es ist vorrangiges und mit Nachdruck immer wieder vertretenes Anliegen der Bundesregierung, die sowjetische Führung zur Einhaltung der Menschenrechte zu veranlassen. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Freilassung der Betroffenen einsetzen und ihre Bemühungen im Zusammenhang mit den Ausreisewünschen der genannten Personen fortführen. Zu Frage 76: Die Deutsche Welle vergibt an Teilnehmer von Quiz-Sendungen im Rahmen ihres deutschsprachigen Programms kleinere Preise in Form von Schallplatten, Transistorradios, Krawatten und Büchern, darunter vereinzelt auch die Publikation des Bundespresseamts „Tatsachen über Deutschland". Im vorliegenden Fall wurde einem Hörer aus Oberschlesien, der bereits mehrere Preise gewonnen hatte, von der örtlichen Zollbehörde die Aushändigung der Publikation „Tatsachen über Deutschland" in der Tat verweigert. Nach Auskunft der Deutschen Welle handelt es sich jedoch um einen vereinzelten Fall, der mehrere Monate zurückliegt. Der Bundesregierung sind weitere Vorgänge dieser Art nicht bekannt geworden. Sie geht daher von der Annahme aus, daß hier ein Einzelfall vorliegt. Gleichwohl wird sie die Entwicklung aufmerksam beobachten und gegebenenfalls im Zusammenwirken mit der Deutschen Welle geeignete Schritte unternehmen. Anlage 15 Antwort des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 10/3226 Fragen 77 und 78): Ist es zutreffend, daß der amerikanische Assistant Secretary of State for European Affairs, Richard Burt, in einem Brief an die Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union davor gewarnt hat, die Organisation der WEU zur Abstimmung für eine Westeuropäische Rüstungskontrollpolitik zu nutzen, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorgang? Wird die Bundesregierung trotz der Intervention der amerikanischen Regierung zur Erklärung der WEU-Mitgliedstaaten vom 27. Oktober 1984 (Erklärung von Rom) stehen, in der beschlossen wurde, eine Abstimmung der Mitgliedstaaten „zur konkreten Sicherheitslage in Europa anzustreben ..., insbesondere im Hinblick auf ... Rüstungskontrolle und Abrüstung ..."? Zu Frage 77: Die Bundesregierung steht in allen Fragen der Sicherheitspolitik, einschließlich der Rüstungskontrolle, in einem laufenden Meinungsaustausch mit der amerikanischen Regierung. Dabei vertritt sie ihre Standpunkte und die USA die ihren. Dies ist ein unter Verbündeten normaler und notwendiger Vorgang. Die USA haben die Wiederbelebung der WEU, die sich auf der Ministertagung in Bonn am 22./ 23. April so eindrucksvoll bestätigt hat, ausdrücklich begrüßt. Ich verweise z. B. auf die deutschamerikanische Erklärung vom 30. November 1984, in der der Bundeskanzler und Präsident Reagan dies einvernehmlich festgelegt haben. Zu Frage 78: Ja, wobei ich Ihre Wortwahl, insbesondere den Begriff Intervention für nicht zutreffend halte. Ich verweise dazu auf das Kommuniqué der Konferenz der Außen- und Verteidigungsminister der WEU- Mitgliedsstaaten vom 22. und 23. April 1985. Es gibt erneut dem Ziel Ausdruck, durch die Belebung der WEU die europäische Säule des Bündnisses und damit das Bündnis insgesamt zu stärken. In diesem Kommuniqué haben die Minister bezüglich der Genfer Verhandlungen bekräftigt, daß sie ihren amerikanischen Verbündeten nachdrücklich unterstützen und ihm vertrauen bei seinen Bemühungen um die Erzielung eines stabileren strategischen Verhältnisses auf einem möglichst niedrigen ausgewogenen Streitkräfteniveau. Sie haben die Sowjetunion aufgefordert, ebenfalls eine positive Haltung einzunehmen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen) (FDP) (Drucksache 10/3226 Frage 83): Ist die Bundesregierung bereit, initiativ zu werden mit dem Ziel, ab kommendem Jahr auf die Einführung der Sommerzeit zu verzichten? 10156* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 Die Bundesregierung ist nicht bereit, die Initiative mit dem Ziel zu ergreifen, ab 1986 auf die Einführung der Sommerzeit zu verzichten. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Erhard auf die Fragen des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 10/3226) Fragen 88 und 89): Wird die Bundesregierung beim Besuch des paraguayischen Präsidenten Stroessner Fragen nach dem Verbleib des KZ-Arztes Mengele stellen, insbesondere nach den unbestätigten Meldungen, Mengele lebe in einer militärischen Sperrzone in Paraguay? Welche Bemühungen wird die Bundesregierung beim Besuch des paraguayischen Staatschefs Stroessner unternehmen, die Auslieferung des KZ-Arztes Mengele zu erreichen? Zu Frage 88: Wie bereits Herr Staatsminister Dr. Mertes in seiner Antwort vom 24. Januar 1985 in der 117. Sitzung des Deutschen Bundestags auf die Frage des Herrn Abgeordneten Klose ausgeführt hat, wird die Bundesregierung beim Arbeitsbesuch des Staatspräsidenten Stroessner den Auslieferungsfall Mengele ansprechen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß sich der von den deutschen Strafverfolgungsbehörden gesuchte Josef Mengele in einer militärischen Sperrzone in Paraguay aufhält. Die paraguayische Regierung hat der Bundesregierung wiederholt bestätigt, daß nach Mengele in Paraguay mit Haftbefehl gefahndet werde. Sie hat aber erst kürzlich noch einmal darauf verwiesen, Mengele befinde sich nicht mehr in Paraguay. Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, an diesen Angaben zu zweifeln. Sie wird jedoch bei dem anstehenden Besuch von Staatspräsident Stroessner nochmals die Erwartung zum Ausdruck bringen, daß die zuständigen paraguayischen Stellen die Fahndung im gebotenen Umfang intensivieren, wenn hinreichender Verdacht besteht, daß Mengele sich in Paraguay aufhält. Zu Frage 89: Unabhängig von den laufenden Bemühungen der Bundesregierung, den Aufenthaltsort Mengeles ausfindig zu machen, der weiter im Ausland vermutet wird, ist beabsichtigt, Herrn Stroessner an das an Paraguay gerichtete deutsche Auslieferungsersuchen in Sachen Mengele zu erinnern und auf das nachhaltige deutsche Interesse an einer Ergreifung und Überstellung des Verfolgten hinzuweisen. Im übrigen verweise ich auf meine Antwort zu Frage Nr. 88. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Erhard auf die Fragen des Abgeordneten Eylmann (CDU/CSU) (Drucksache 10/3226 Fragen 90 und 91): Hält es die Bundesregierung sowohl im Hinblick auf die Sicherung des Anwaltsstandes als eines unabhängigen Organs der Rechtspflege als auch in Anbetracht der dramatischen Zunahme der Zahl der Rechtsanwälte für unbedenklich, daß in großem Umfange Beamte und Richter nach Erreichen der Altersgrenze als Rechtsanwälte zugelassen werden? Ist nach Auffassung der Bundesregierung eine Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung dahin geboten, pensionierten Beamten und Richtern den Zugang zum Anwaltsberuf zu versagen, und teilt insbesondere die Bundesregierung die Auffassung, daß die vom Bundesverfassungsgericht entwikkelten Kriterien zur Einschränkung der Freiheit der Berufswahl auf die vorliegenden Fälle nicht uneingeschränkt anzuwenden sind, weil hier nach Abschluß eines Berufslebens im öffentlichen Dienst ein Zweitberuf gewählt wird? Zu Frage 90: Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung kann man nicht davon ausgehen, daß Ruhestandsbeamte und -richter in einem großen Umfang an den Zulassungen zur Rechtsanwaltschaft beteiligt sind. Nach Angaben der Länder sind in den Jahren 1972 bis einschließlich 1983 etwa 500 Ruhestandsbeamte und -richter zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. In der gleichen Zeit stieg die Zahl der Rechtsanwälte um 20105. Eine merklich zunehmende Tendenz der Zulassungen aus dem Kreise der Ruhestandsbeamten und -richter war in dem genannten Zeitraum nicht festzustellen. Weil die Verweildauer dieser Personen im Beruf wegen ihres fortgeschrittenen Lebensalters verhältnismäßig kurz ist, dürfte der Anteil der Rechtsanwälte, die Ruhestandsbeamte oder -richter sind, höchstens 0,5 bis 1 % aller Rechtsanwälte betragen. Angesichts der stark steigenden Zahl der Rechtsanwälte würde es jedoch von einem größeren Verständnis für die derzeitigen Nöte und Schwierigkeiten der jungen Juristen zeugen, wenn wirtschaftlich abgesicherte Ruhestandsbeamte und -richter von einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft absähen. Zu Frage 91: Nach Auffassung der Bundesregierung wäre eine generelle Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft für pensionierte Beamte und Richter angesichts der bereits dargelegten tatsächlichen Verhältnisse mit erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken behaftet. Der Gedanke, für wirtschaftlich gesicherte ältere Personen mit einem abgeschlossenen Berufsleben gelte das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl nur in beschränktem Umfang, ist problematisch. Wegen des engen Zusammenhangs, der nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zwischen der Freiheit der Berufswahl und der Persönlichkeitsentfaltung sowie der Menschenwürde besteht, wird auch älteren Berufsbewerbern die Freiheit der Berufswahl nicht verkürzt werden können. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1985 10157* Eine andere Frage ist, ob die geltenden gesetzlichen Vorkehrungen genügen, um dem Eindruck hinreichend entgegenzuwirken, der Rechtsanwalt könne wegen seines früheren Amtes als Beamter oder Richter dem Mandanten Vorteile verschaffen. Entsprechend den Erfahrungen der Praxis werden in einer Novelle zur Bundesrechtsanwaltsordnung, die in nächster Zeit den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden soll, Vorschläge für eine Erschwerung der örtlichen Zulassung bei früheren Beamten und Richtern vorgelegt werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr von der Wiesche, es ist richtig: Wir haben das Haushaltsbegleitgesetz 1984 verabschiedet, weil eine Haushaltskonsolidierung notwendig war. Ich sage Ihnen: Das Ziel der Haushaltskonsolidierung wird auch noch eine ganze Weile notwendig sein. Diese Regierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben größere Fortschritte gemacht, als wir das zu Beginn unserer Arbeit, 1982, erwarten konnten. Wir sind stolz darauf, daß wir diese Fortschritte gemacht haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schmidt [Hamburg-Neustadt] [GRÜNE]: Auf wessen Kosten?)

    Aber eines stimmt nicht: daß wir alle Maßnahmen gleichermaßen mit unserer unkritischen Zustimmung bedacht hätten. Es hat ein paar Dinge gegeben, die durchaus auch in unseren eigenen Reihen umstritten gewesen sind. Diese Sachen werden wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aufnehmen und ausbügeln.
    Meine Damen und Herren, ich gebe zu, wir sind klüger geworden. Aber, ich bitte Sie, es wird von uns doch immer wieder verlangt, daß wir auch einmal zugeben sollen, Fehler gemacht zu haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir geben zu, wir haben in diesen Punkten Fehler gemacht.
    Wir haben im übrigen damals, bei der Verabschiedung des Haushaltsbegleitgesetzes, gleich gesagt: Bei diesen Maßnahmen müssen wir einmal die Auswirkungen überprüfen, um eventuell dann darauf zurückzukommen.

    (Dr. George [CDU/CSU]: So ist es!)

    Es wäre ehrlich gewesen, wenn Sie das auch einmal zugegeben hätten.

    (Lutz [SPD]: Wir sind immer ehrlich! — Zuruf von der SPD: Wenn Sie Fehler gemacht haben, haben wir recht behalten!)

    Meine Damen und Herren, es sind drei Punkte, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angegangen werden. Für mich ist die Wiedereinbeziehung der Eisenbahn im Nahverkehr in die Freifahrtmöglichkeiten für Behinderte besonders wichtig, denn dies ist ganz eindeutig eine Verbesserung der Situation der Behinderten im ländlichen Raum. Ich bin froh darüber, daß das jetzt wieder aufgenommen wird.
    Der zweite Punkt. Wir hatten eigentlich gedacht, daß die Versorgungsämter von sich aus auf die Idee kommen würden, den Eigenbeitrag auch in Teilbeträgen anzunehmen. Dies war nicht der Fall. Deshalb muß jetzt die gesetzliche Grundlage dafür, daß das so geschehen kann, nachgeliefert werden. Die SPD geht in ihrem Gesetzentwurf viel weiter. Sie lehnt den Eigenbeitrag ab. Das heißt, sie lehnt wieder einmal die Haushaltskonsolidierung ab.

    (Zurufe von der SPD: Unsinn!) Sie sagt nicht, wer es bezahlen soll.


    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Typisch Ihre Konsolidierung! Immer auf dem Rükken der Kleinen!)

    Denn wer soll es bezahlen? Natürlich die aktiven Arbeitnehmer über ihre Steuern.
    Wie die Sozialdemokraten mit dem Geld anderer Leute umgehen, wird übrigens aus einem anderen Vorgang sehr deutlich.

    (Egert [SPD]: Bei Herrn Lambsdorff auch! — Dressler [SPD]: Lambsdorff kann mit Geld umgehen! Das ist wahr! — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD)

    Das Land Nordrhein-Westfalen hat im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung ganz bestimmter Vorschriften in der Sozialhilfe eingebracht. Das sind alles sehr erwägenswerte Sachen. Aber ganz typisch ist folgendes. Dem Land Nordrhein-Westfalen entsteht aus diesem Gesetzentwurf, den es selbst eingereicht hat, keine zusätzliche Mark an Kosten. Die Kosten werden alle beim Bundeshaushalt abgeladen und würden dort mit 5,6 Milliarden DM pro Jahr zu Buche schlagen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie laden die Lasten bei den Gemeinden ab! — Egert [SPD]: Die Gemeinden müssen bluten!)

    So gehen Sozialdemokraten mit dem Geld anderer Leute um.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der dritte Punkt, der für uns auch sehr wichtig ist, ist die Wiedereinbeziehung der Gehörlosen und



    Frau Dr. Adam-Schwaetzer
    Hilflosen in den Kreis der Berechtigten für die Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr. Hier geht es darum, besonders abgegrenzte, besonderer Hilfe bedürftige Gruppen, z. B. die Gehörlosen, wieder in die Lage zu versetzen, ihre Kommunikationseinrichtungen aufzusuchen. Sie sind in einem besonderen Ausmaß darauf angewiesen, diese Kommunikationseinrichtungen benutzen zu können.

    (Wolfram [Recklingshausen] [SPD]: Späte Erkenntnis bei Ihnen!)

    Alles in allem, meine Damen und Herren: Ich gebe es zu, wir haben damals einen Fehler gemacht. Wir sind bereit, diesen Fehler auszubügeln.
    Ich möchte hier aber noch einen anderen Punkt anschließen, der mit diesem Gesetz direkt nichts zu tun hat, auf den wir aber immer wieder angesprochen werden. Das ist der Punkt der Rechtssicherheit bei den Anerkennungsbescheiden im Schwerbehindertenrecht. Hier hat es eine große Unruhe gegeben, die auch noch nicht abgebaut ist. Deshalb erkläre ich hier ganz eindeutig: Wir wollen nicht, daß alle Schwerbehindertenbescheide überprüft werden,

    (Lutz [SPD]: Aha!)

    sondern wir wollen, daß die Rechtssicherheit auch in diesem Bereich gewährleistet bleibt.

    (Beifall bei der FDP — Lutz [SPD]: Späte Einsicht!)

    Meine Damen und Herren, insgesamt ist es notwendig, den vorliegenden Gesetzentwurf sehr schnell zu beraten und sehr schnell zu verabschieden. Die Opposition hat erkennen lassen, daß sie bereit ist, dabei mitzumachen. Ich muß hier noch einmal die Frage stellen, warum sie immer so fürchterlich draufdrischt, wenn sie dem Gesetzentwurf hinterher dann doch zustimmt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wahlkampf!)

    Insofern, finde ich, ist es etwas inkonsequent, was Sie hier betreiben. Aber im Interesse derer, die davon begünstigt werden sollen, sollten wir gemeinsam versuchen,

    (Zuruf von der SPD: Wir haben unsere Meinung nicht geändert! Deshalb sind wir dafür!)

    ihn möglichst schnell über die Bühne zu bekommen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wagner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Marita Wagner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht ein Gesetz zur Debatte, das erst durch das unsoziale Haushaltsbegleitgesetz 1984 dieser Bundesregierung notwendig geworden ist. Schauen wir uns doch zunächst einmal an, was damals bezüglich der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr passiert ist. Unter Hinweis auf die Haushaltssituation in Bund und Ländern wurden bei der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr Leistungsverkürzungen vorgeschlagen, die im Gesetzentwurf auch noch als sinnvolle Einschränkungen bezeichnet wurden. Diese wurden dann auch verabschiedet. Unser Entschließungsantrag auf Streichung dieses Artikels wurde niedergestimmt.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das nehmen Sie sofort zurück!)

    Folgende Kürzungen gab es: Erstens die Einschränkung des begünstigten Personenkreises durch Herausnahme derjenigen Schwerbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 80 v. H. und mehr, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt sind, zweitens die Einführung einer Eigenbeteiligung von 120 DM jährlich, lediglich mit der Ausnahme für blinde und hilflose Schwerbehinderte und für typische Gruppen einkommensschwacher Schwerbehinderter sowie natürlich für Kriegsbeschädigte und -verfolgte. Als dritten Punkt nenne ich den Wegfall der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im Schienenverkehr.
    Abgesehen davon, daß vom Finalitätsprinzip im Schwerbehindertenrecht auch an dieser Stelle einmal mehr wieder abgerückt wurde, denn die Kriegsbeschädigten konnten weiterhin uneingeschränkt freifahren, mußte dieses Gesetz unweigerlich zu Härten führen. Dies war voraussehbar; das steht auch in dem zur Abstimmung anstehenden Gesetzentwurf.
    Wenn man nun denkt, die Bundesregierung sei einsichtig geworden und dieses Gesetz stelle vielleicht einen Meilenstein in der Behindertenpolitik der Bundesregierung dar, so hat man sich gründlich getäuscht. Meilensteine in der Behindertenpolitik haben die Behinderten von dieser Bundesregierung allerdings ohnehin nicht erwartet.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Jetzt gehen Sie zu weit!)

    Was mit diesem Gesetz nun gemacht werden soll, ist nicht nur enttäuschend, sondern schlichtweg lachhaft.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Sie können doch gar nicht lachen!)

    Gehörlose und Hilflose, die in ihrer Beweglichkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt sind, sollen in den berechtigten Personenkreis für Freifahrten wieder einbezogen werden. Weniger geht nun wirklich nicht mehr! Die unentgeltliche Beförderung im Nahbereich soll nun auch wieder mit Eisenbahnen möglich sein. Dazu stand schon folgendes in unserem Entschließungsantrag vom 7. Dezember 1983 zum Haushaltsbegleitgesetz:
    In ländlichen Gegenden ist die Bahn ein wichtiger Träger des öffentlichen Nahverkehrs und
    oft das einzige Verkehrsmittel, um die Nachbargemeinden zu erreichen.
    Endlich — wahrscheinlich nur auf Druck der ländlichen Gemeinden und Kreise — ist dies nun auch
    der Bundesregierung aufgegangen. Das Haushalts-



    Frau Wagner
    begleitgesetz 1984 war eines der unsozialsten Machenschaften dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Na, na.)

    — Es gab Aktenordner voller Einwände gegen diese Maßnahmen, doch sie wurden nicht beachtet.

    (Jagoda [CDU/CSU]: Sie waren doch damals gar nicht im Bundestag! Sie wissen es doch gar nicht!)

    Man weigerte sich beharrlich, sie zur Kenntnis zu nehmen und wich keinen Millimeter zur Seite. Die Wirtschaftskrise sollte auf dem Rücken der sozial Schwächsten ausgetragen werden.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU — Sehr richtig! bei den GRÜNEN!)

    Ich werde den Verdacht nicht los: Es sollte ausprobiert werden, wie weit man dabei gehen kann. Die Rede von Frau Adam-Schwaetzer hat mich darin eigentlich nur bestärkt.
    Dem unermüdlichen Nachhaken der Verbände und Initiativen ist es nun zu verdanken, daß diese MiniReform ansteht. Ein Prunkstück, das man vorzeigen könnte, ist es allerdings nicht. Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, den alten Zustand wiederherzustellen?

    (Lutz [SPD]: Weil sie so ist, wie sie ist! — Heiterkeit bei der SPD)

    Es war doch auch vorher schon so, daß nur Schwerbehinderte mit einer MdE von mindestens 80 % diese Vergünstigungen, wie es bei Herrn Blüm immer so schön heißt, erhielten. Unser kurzfristiges Ziel ist es, zumindest diesen Zustand wiederherzustellen. Langfristig gesehen schweben uns da allerdings noch ganz andere Dinge vor.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

    Nach wie vor ist der öffentliche Nah- und Fernverkehr für eine große Gruppe der Schwerstbehinderten, nämlich der Rollstuhlfahrer, überhaupt nicht nutzbar. Dabei sollte das Grundgesetz doch eigentlich jedem Menschen den Schutz der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit garantieren. Im Fall der Behinderten wird das wohl nicht ganz so eng gesehen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind behindertenfeindlich.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Somit nützt vielen Behinderten auch keine Freifahrtkarte, wenn es ihnen unmöglich gemacht wird, den Zug überhaupt zu benutzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wer von Ihnen, meine Damen und Herren, würde denn z. B. schon gerne im Gepäckwagen des Zuges statt in bequemen Erster-Klasse-Abteilen mitfahren,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Die fliegen mit der Bundeswehr!)

    und dies ohne Zugang zum Speisewagen und WC?
    Oder versuchen Sie doch einmal, mit dem Rollstuhl
    die U-Bahn zu erreichen. Aber die U-Bahn brauchen Sie j a auch nicht; Sie können die Fahrbereitschaft des Bundestages benutzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Jagoda [CDU/ CSU]: Sie fahren mit dem Fahrrad! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Was schlagen Sie denn vor, Frau Kollegin?)

    — Auch wir gehören zu dem Berichtigtenkreis, die das bekommen können. Dadurch wird es aber nicht besser. Denn für den normalen Bürger und insbesondere für den Behinderten sieht das ganz anders aus.
    Stufen erschweren den Einstieg in Bus und Bahn, nicht nur für behinderte Menschen, sondern auch für Eltern mit Kinderwagen oder für alte Menschen. Für Blinde fehlen Akustiksignalanlagen, für Gehbehinderte Einstiegshilfen.

    (Bueb [GRÜNE]: Für die zählt nur Leistung, keine Behinderung!)

    Die Liste der Mängel bei öffentlichen Einrichtungen ließe sich noch beliebig fortsetzen. Je nachdem, ob Kinder, alte, körperbehinderte, blinde oder hörgeschädigte Menschen befragt werden, treten andere Mängel zutage. Deshalb sollten bei der behindertenfreundlichen Gestaltung und Veränderung von allen öffentlichen Einrichtungen, nicht nur der Busse und Bahnen, die Betroffenen mitwirken.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Denn auch hier gilt der Grundsatz: Betroffene sind Experten für ihr Leben.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt!)

    Denn Menschen, die auf Grund ihres Alters oder auf Grund von Behinderung in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, dürfen nicht noch zusätzlich durch mangelhafte oder fehlende Verkehrssysteme benachteiligt werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Grundsätzlich gilt für die GRÜNEN, daß dem System des öffentlichen Nahverkehrs Vorrang vor der Individualbeförderung zu geben ist.

    (Lutz [SPD]: Das sagen wir auch immer!)

    Dies gilt vor allem auch für den finanziellen Aspekt und dessen Gewichtung. Solange wir aber immer noch eine Bevorzugung des Individualverkehrs haben und noch immer Behinderte ellenlange Mängellisten aufweisen können, kann man wirklich nicht davon sprechen, daß Behinderten Vergünstigungen zukommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was ist das für eine Vergünstigung, daß Schwerstbehinderte kostenlosen Eintritt zu einem Verkehrsmittel erhalten sollen, dessen Zugang ihnen nach wie vor verwehrt wird?

    (Frau Hönes [GRÜNE]: Genau das ist der Punkt! — Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Als kurzfristige Maßnahme fordern wir die kostenlose Benutzung aller öffentlichen Einrichtungen für Schwerstbehinderte, insbesondere der



    Frau Wagner
    Busse und Bahnen. Mit der uns vorliegenden Minireform können wir uns nicht zufriedengeben. Wir fordern eine freie Fahrt für alle Behinderten in allen Systemen des öffentlichen Verkehrs. Wir fordern behindertengerechte Verkehrssysteme. Denn behindertengerechte Verkehrssysteme sind humane Verkehrssysteme, die die menschliche Begegnung erleichtern und die Kommunikation fördern. Sie sind eine notwendige Voraussetzung für die Emanzipation und Integration benachteiligter Menschen.
    Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation hat übrigens gezeigt, daß der finanzielle Aufwand zum Auf- und Ausbau eines behindertengerechten Verkehrssystems langfristig volkswirtschaftlich geringer ist als die durch die Sonderregelung sowie aus Unfällen entstehenden Folgekosten bestehender Verkehrssysteme.
    Die anstehende Novellierung des Schwerbehindertengesetzes durch die Regierungskoalition lehne zumindest ich entschieden ab.

    (Beifall bei den GRÜNEN)