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ID1012202900

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    Plenarprotokoll 10/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. Februar 1985 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9009 A Bericht zur Lage der Nation Dr. Kohl, Bundeskanzler 9009 B Dr. Apel SPD 9017 C Dr. Dregger CDU/CSU 9023 C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 9027 C Hoppe FDP 9030 D Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 9033 D Büchler (Hof) SPD 9037 A Genscher, Bundesminister AA 9039 D Schlaga SPD 9043 D Lintner CDU/CSU 9045 C Handlos fraktionslos 9047 C Schneider (Berlin) GRÜNE 9049A Dr. Haack SPD 9050 D Windelen, Bundesminister BMB . . . 9053 B Dr. Vogel SPD 9054 B Nächste Sitzung 9058 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9059* A Anlage 2 INFCE-Empfehlungen betr. den Anreicherungsgrad des Urans bei der Produktion von Kernbrennstäben MdlAnfr 5, 6 07.12.84 Drs 10/2587 Becker (Nienberge) SPD ErgSchrAntw PStSekr Spranger BMI . . 9059* B auf ZusFr Catenhusen SPD Anlage 3 Polnische Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland seit 1980 MdlAnfr 44 11.01.85 Drs 10/2712 Dr. Hupka CDU/CSU ErgSchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . 9059*D auf ZusFr Dr. Hupka Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. Februar 1985 9009 122. Sitzung Bonn, den 27. Februar 1985 Beginn: 14.00 Uhr
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    Berichtigung 121. Sitzung, Seite 9005* C; nach der 21. Zeile ist nach dem Wort „vorgesehen" einzufügen: „steuerlichen Gleichbehandlung von eigengenutzten". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 1. 3. Breuer 1. 3. Büchner (Speyer) * 1. 3. Dr. von Bülow 28. 2. Dr. Bugl 28. 2. Cronenberg (Arnsberg) 27. 2. Ertl 1. 3. Gallus 1. 3. Frau Gottwald 1. 3. Haehser 1. 3. Dr. Hauff 1. 3. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 2. Jung (Düsseldorf) 1. 3. Frau Kelly 1. 3. Dr. Kreile 27. 2. Frau Dr. Lepsius 1. 3. Lohmann (Witten) 27. 2. Mischnik 27. 2. Dr. Müller 1. 3. Polkehn 1. 3. Dr. Scheer 28. 2. Schlottmann 1. 3. Dr. Schöfberger 1. 3. Schröder (Hannover) 27. 2. Frau Simonis 1. 3. Dr. Stark (Nürtingen) 1. 3. Stockhausen 1. 3. Uldall 27. 2. Voigt (Frankfurt) 27. 2. Weinhofer 1. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen (SPD) zu der Frage des Abgeordneten Becker (Nienberge) (SPD) (Drucksache 10/2587 Fragen 5 und 6, 110. Sitzung, Seite 8210 B): Ihre Zusatzfrage: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Hochtemperaturreaktor in Schmehausen in- Anlagen zum Stenographischen Bericht nerhalb weniger Jahre auf Brennelemente mit niedrig angereichertem Uran umgestellt werden könnte, ohne daß es zu einer Betriebsunterbrechung kommen müßte, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Sachverhalt für ihre Zielsetzung, hochangereichertes Uran möglichst wenig einzusetzen? beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Forschung und Technologie wie folgt: Der Bundesregierung ist bekannt, daß eine Umstellung des THTR-300 vom beantragten und genehmigten Thorium/Uran-Kreislauf auf einen anderen Zyklus mit niedrigerer Anreicherung aus heutiger Sicht technisch innerhalb einiger Jahre möglich sein kann. Zu gegebener Zeit werden für den THTR-300 unter Auswertung der Betriebserfahrungen mit dem Betreiber die sicherheitstechnischen und betrieblichen Voraussetzungen einer Umstellung auf niedrig angereichertes Uran zu prüfen sein. Bei der Planung von Nachfolgerreaktoren dieser Linie wird der Einsatz von Brennelementen mit niedriger angereichertem Uran verfolgt. Anlage 3 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/2712 Frage 44, 114. Sitzung, Seite 8489): In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. Januar 1985 haben Sie im Anschluß an die Beantwortung der Frage 44 die Zusatzfrage gestellt, wie viele der dem Ausländerzentralregister zwischen 1980 und 1984 gemeldeten 20 952 polnischen Staatsangehörigen, die zugezogen sind, ohne einen Asylantrag gestellt zu haben, wieder zurückgegangen sind. Die Bundesregierung kann diese Frage nicht beantworten, weil ihr entsprechende Angaben nicht zur Verfügung stehen. Dies beruht zum einen darauf, daß nicht alle polnischen Staatsangehörigen, die in ihr Heimatland zurückkehren, sich bei den zuständigen deutschen Behörden abmelden und zum anderen darauf, daß bei der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland Zählkontrollen nicht durchgeführt werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Franz Handlos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer dann, wenn im Deutschen Bundestag zur Lage der Nation Bilanz gezogen wird, gehört es längst zum selbstverständlichen Ritual, daß dabei viel verschleiert oder einfach verschwiegen wird.
    Bei dieser Debatte sollten wir nicht vergessen, daß der Partei- und Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, am 1. Februar 1985 aus seiner Sicht die Lage der Nation folgendermaßen charakterisiert hat — wörtlich —: „Die Bundesrepublik macht das Streben der DDR nach guter Nachbarschaft fast unmöglich." Diese Äußerung — ich habe heute davon überhaupt nichts gehört —, die von einigen Zeitungen in der Bundesrepublik zitiert wurde, ist weder dementiert noch von der Bundesregierung kritisiert worden.
    Mit seiner Erklärung wollte Honecker — daran ist nicht zu zweifeln —

    (Zuruf des Abg. Berger [CDU/CSU])

    vor aller Welt, in erster Linie gegenüber Moskau, klarstellen, wie wenig ihm das dauernd betonte Wohlverhalten von Bundesregierung und Opposition zu beeindrucken vermag. Honecker ignoriert auf seine Weise dieses Wohlverhalten und hält an seiner Abgrenzungspolitik vor der Weltöffentlichkeit fest. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bemüht sich Ost-Berlin nach Auffassung von uns Republikanern dagegen besonders um eine Verbesserung der Beziehungen zu den europäischen NATO-Partnern der Bundesrepublik Deutschland. Es ist interessant, dabei folgendes zu beobachten. Die SED-Führung erwartet sich vor allem von dem Staatsbesuch des Partei- und Staatsratsvorsitzenden in Italien in den nächsten Monaten einen eindeutigen Erfolg in einem NATO-Land, das nach Ansicht hoher SED-Funktionäre neben Griechenland die besten Aussichten zur Erreichung der politischen



    Handlos
    Zielsetzung bietet. In enger Abstimmung mit Moskau will Ost-Berlin — so verlautet aus weiteren Informationen — nicht nur die Position der DDR insgesamt, sondern vor allem Honecker als Spitzenfunktionär mit diesem Staatsbesuch aufwerten. Es ist wichtig, zu wissen: Nachdem der greise italienische Präsident Pertini die protokollarische Gleichstellung als Staatsoberhaupt für Honecker verfügt hatte, ist nach Berichten aus Rom auch Papst Johannes Paul II. bereit, Honecker eine Audienz zu gewähren. Wir sollten dabei die Äußerungen des italienischen Außenministers Andreotti vor mehreren Monaten zur deutschen Frage noch im Ohr haben, meine lieben Kollegen. Parteichef De Mita und andere Spitzenfunktionäre der DC fürchten, daß Regierungschef Craxi und Andreotti, der auch weiterhin für die Anerkennung zweier deutscher Staaten eintritt, mit Honecker Vereinbarungen treffen könnten, die das Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland erneut belasten. Ich darf darauf nur in aller Kürze aufmerksam machen.
    Ich möchte im Rahmen dieser Debatte aber auch zu einigen Grundsatzfragen der Deutschlandpolitik aus der Sicht der Republikaner Stellung nehmen, soweit dies in zehn Minuten Redezeit überhaupt möglich ist.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Wir sind alle Republikaner!)

    — Es freut mich, Herr Kollege Waigel, das von Ihnen zu hören.
    Der Milliardenkredit, den Franz Josef Strauß eingefädelt hat, und die weiteren Milliardenkredite, die der DDR gewährt wurden oder womöglich noch gegeben werden, tragen zur Stabilisierung eines Unrechtsregimes bei. Dies sage ich, auch wenn ich dafür von manchem als kalter Krieger verurteilt werde. Menschlichkeit muß in Ost-Berlin nach wie vor mit Geld erkauft werden. Deutsche müssen von Deutschen freigekauft werden.

    (Berger [CDU/CSU]: Das wollt ihr ändern?)

    Der Schießbefehl auf Deutsche gilt in Ost-Berlin nach wie vor. Neue Sperranlagen wurden gebaut; sie sind mindestens so perfekt wie die veralteten Selbstschußanlagen, deren Abbau politische Phantasten in München und anderswo als großen Erfolg gefeiert haben. Das Prinzip Leistung und Gegenleistung wurde offensichtlich längst zu den Akten gelegt.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das wird der Franz Josef Strauß aber gar nicht gerne hören!)

    — Ich bin ja nicht dazu da, das zu sagen, was er gerne hört.
    Was ist in dieser Situation zu tun, meine Damen und Herren? Wir benötigen in der Frage der Wiedervereinigung — darin sind wir uns einig — einen langen Atem und zugleich eine Politik der kleinen Schritte. Die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit ist oberstes Ziel der Republikaner. Die Herstellung dieser staatlichen Einheit in freier Selbstbestimmung kann nicht durch Abgrenzung, sondern nur durch beharrliche Gespräche und neue Initiativen von Deutschen und Europäern mit dem Osten vorangetrieben werden. Dabei sind das Festhalten an der einen deutschen Nation und die gemeinsame deutsche Staatsangehörigkeit die Grundlage für den Aufbau Gesamtdeutschlands. Die UdSSR muß wissen, daß es Entspannung und wirklichen Frieden nur geben kann, wenn die deutsche Frage auf der Grundlage allgemeiner, geheimer und freier Wahlen gelöst wird. Die Westmächte müssen an ihre Verpflichtung aus dem Deutschland-Vertrag von 1955 — das ist nunmehr 30 Jahre her — in Art. 7 erinnert werden, in dem als gemeinsames Ziel festgehalten ist — wörtlich —:
    Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.
    Wir Republikaner fragen nun wirklich, warum die Bundesregierung die Alliierten nicht immer wieder mit Nachdruck an diesen Art. 7 des Deutschland-Vertrages erinnert und warum nicht vor internationalen Gremien, z. B. vor der UNO, die deutsche Teilung zur Sprache kommt.
    Unter einer Politik der kleinen Schritte verstehen wir Republikaner z. B. ein Angebot an die DDR. Es gibt viele Beispiele: den Aufbau eines gemeinsamen Rundfunk- und Fernsehprogramms in beiden Teilen Deutschlands — darüber sollte man sprechen —, den Abschluß eines Kulturabkommens; darüber und ebenso über den Ausbau eines Jugendaustauschprogramms zwischen den beiden Teilen Deutschlands wurde heute schon gesprochen. Nicht zuletzt als weiteres Beispiel soll die Übernahme gegenseitiger kommunaler Patenschaften zwischen den verschiedenen Städten heute angesprochen werden. Auch das ist möglich. Daran kann getestet werden, inwieweit es der DDR ernst ist.
    Unser Grundgesetz, das uns alle hier in diesem Hause bindet, meine Damen und Herren, kennt das Wiedervereinigungsgebot. Der Wille des deutschen Volkes bleibt die Triebfeder eines Zusammenschlusses. Wir können nicht von anderen Völkern unsere Wiedervereinigung erhoffen, wenn wir sie nicht selbst fordern. Daß dabei das Recht auf Heimat und das Volksgruppenrecht im Rahmen eines Friedensvertrages gewährleistet sein müssen, ist eine natürliche Folge einer solchen Entwicklung.
    Ganz zum Schluß, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Niemand darf vor dem Abschluß eines Friedensvertrages — den wir Republikaner fordern — Rechtspositionen preisgeben. Dies ist der Standpunkt von uns REPUBLIKANERN. Wer sagt, eine Wiedervereinigung Deutschlands würde nie mehr kommen, weil wir 40 Jahre getrennt sind, dem kann ich nur sagen: 40 Jahre Trennung sind in der Geschichte der Völker nur ein Augenblick und nicht mehr. Nur dann, wenn wir selbst unsere Wiedervereinigung aufgeben, ist sie aufgegeben, weil wir nicht erwarten können, daß Amerikaner, Franzosen oder Engländer mehr dafür tun als wir Deutschen.
    Wir REPUBLIKANER glauben an eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Wir werden



    Handlos
    uns auf allen Ebenen — in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus — dafür einsetzen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall des Abg. Voigt [Sonthofen] [fraktionslos] — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Beifall in der letzten Reihe, ein einsamer Republikaner!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schneider [Berlin].

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    Rede von Dirk Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GRÜNE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hätte die Debatte heute doch richtig spannend sein müssen, wenn man bedenkt, um welches Thema es geht und wie es gelegentlich auch mit Worten beschworen wurde. Einige haben hier gesagt, es gehe um die deutsche Einheit, um das deutsche Schicksal, es gehe sogar um die Freiheit, die Freiheit grundsätzlich, die Freiheit der osteuropäischen Staaten. Also: schicksalsträchtige Worte hier.
    Und doch ist die Debatte nach meinem Eindruck nur so dahingeplätschert.

    (Baum [FDP]: Das können Sie jetzt ja ändern! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Wir geben nicht viel auf Ihren Eindruck!)

    Sie hat wenig wirklich starke Inhalte und Kontroversen gebracht. Es war so etwas wie ein politischer Pudding. Manchmal sind zwar Kontroversen aufgeblitzt, z. B. dann, wenn Herr Genscher wieder einmal so richtig auf den GRÜNEN „herumgegeißlert" hat.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das hat Ihnen weh getan! — Berger [CDU/ CSU]: Seien Sie nicht so weinerlich! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ach du meine Güte!)

    Aber im allgemeinen muß ich sagen, daß meine Fraktion durch die geballte Ladung der politischen Leersprüche und Vorlesungen hier aus dem Saal herausgetrieben wurde. Aber das ist ja nicht nur meiner Fraktion so gegangen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie waren vorher schon gar nicht im Saal! Wo ist denn Frau Kelly, wo sind denn all die anderen? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich habe in West-Berlin vor kurzem an einer Diskussion mit Schülern teilgenommen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wo ist denn Frau Kelly, wo ist Frau Schoppe? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Schreien Sie doch bitte nicht so! Lassen Sie mich
    einmal etwas sagen. — Nach einer halben Stunde
    Politikersprüchen stand ein junger Mann auf und
    fragte: Was soll eigentlich dieses Thema „deutsche Frage"? Das ist doch abgehakt.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Der hat einen GRÜNEN ais Lehrer gehabt! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Man kann es vielleicht auch anders ausdrücken und sagen: Die deutsche Frage ist nicht mehr offen. 40 Jahre Nachkriegszeit haben Fakten geschaffen, die unumstößlich sind.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nicht die GRÜNEN, Herr Genscher — er ist sicherlich nicht mehr da —, haben die Spaltung Deutschlands hervorgebracht, sondern wir sehen heute nur den konkreten Fakten ins Auge. Das tut, glaube ich, die Mehrheit der politischen Wortführer hier in diesem Raume nicht. Vielmehr versuchen sie immer noch, Illusionen zu verbreiten, Dinge in die Köpfe des deutschen Volkes — der Deutschen in der DDR und der Bundesrepublik — hineinzupumpen, die mit den Realitäten nichts mehr zu tun haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir sind für eine realistische Politik, und die — das müßten Sie sich doch auch alle einmal klarmachen — kann nur von den Fakten und von nichts anderem ausgehen. Der einzige, der von der Union heute wirklich konkreter geworden ist — im Gegensatz zu den anderen —, war meines Erachtens Herr Diepgen. Herr Diepgen hat für mich etwas Erstaunliches gemacht: Er hat nicht nur in Leerformeln geredet wie Herr Kohl, er hat dann Herrn Kohl auch nicht wieder mit Hinweisen auf Recht, Recht, Recht und Rechtspositionen konterkariert, wie Herr Dregger das getan hat, sondern Herr Diepgen hat das alles ein bißchen beiseite gelassen und sogar gesagt: Laßt uns nicht ununterbrochen auf den Rechtspositionen herumtrampeln, herumhacken und herumarbeiten, sondern laßt uns die Situation einmal genau und kritisch ansehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat sich etwas besser ausgedrückt, als wir es jetzt von Ihnen hören!)

    — Herr Diepgen guckt mich etwas erstaunt an,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Mit Recht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    aber ich glaube, daß er für die Union hier einen Ansatz dafür geboten hat, in welche Richtung sie denken sollte. Aber natürlich wird noch viel Wasser die Spree und auch andere Flüsse hinunterfließen, bevor die Union das — vielleicht — begreift, was Herr Diepgen gesagt hat: daß man sich auf die DDR ein bißchen zubewegen muß. Vielleicht hat Herr Diepgen begriffen, was die DDR ihm herübersignalisiert hat, als sie gesagt hat: Wer auf einer Insel lebt, der sollte sich das Meer nicht zum Feinde machen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Deswegen reden Sie auch!)

    Was Berlin angeht, heißt das, daß Berlin nicht damit auskommt, nur eine Politik des kalten Krieges
    zu treiben, Pfahl im Fleische zu sein und immer



    Schneider (Berlin)

    wieder das Feindbild zu beschwören. Berlin hat wirklich nur dann eine Chance, wenn es eine Versöhnungs- und Verständigungspolitik, von der hier nur geredet wird, für deren Verwirklichung aber nichts getan wird, bahnbrechend in Angriff nimmt. Das heißt, daß man mit der anderen Seite reden muß.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Was hat die CDU hier gemacht, besonders Herr Dregger?)

    Er hat wieder die Feindbilder aufgestellt. Er hat nur an dem Bild gearbeitet: Auf unserer Seite leben die anständigen Demokraten.

    (Dolata [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was Positives zum Thema!)

    Auf unserer Seite ist die vielleicht beste Demokratie der Welt. Bei uns sieht alles rosig aus. Aber dann guckt mal auf die andere Seite des Eisernen Vorhanges, wo die schwere Pranke des russischen Bären die osteuropäischen Länder in der Sklaverei hält

    (Dolata [CDU/CSU]: Tut sie das nicht?)

    und jegliche Menschenrechte erdrückt. — Angesichts dieses Abhebens auf Diktatur und Despotie auf der anderen Seite

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Meinen Sie, dort hätten Sie so eine Rede halten dürfen?)

    frage ich Sie, Herr Dregger: Wie wollen Sie jemals erreichen, daß Herr Kohl mit Herrn Honecker überhaupt einen Händedruck austauscht, wenn Sie wieder einmal so an dieser Feindbildprojektion arbeiten?

    (Reddemann [CDU/CSU]: Denken Sie mal über Hitler nach! Dann merken Sie, was Sie für eine merkwürdige Vorstellung haben!)

    — Herr Reddemann, ich will hier die DDR überhaupt nicht aus der Kritik nehmen. Das habe ich auch schon früher gesagt. Das haben die GRÜNEN sehr oft deutlich gemacht. Wir haben eine kritische Position zu den Gesellschaften sowohl auf dieser Seite als auch auf der Seite der DDR. Wir versuchen neue Wege zu beschreiten. Und wenn wir kritisieren, sagen wir es laut und deutlich. Aber wir versuchen nicht, eine solche Feindbildpolitik zu machen, die letztendlich Friedenspolitik, von der Sie reden, und Versöhnungspolitik, von der Sie reden, unmöglich macht und Ihre Worte zu reiner Heuchelei verkommen läßt.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Das ist einen Ordnungsruf wert!)

    Ich möchte hier noch einmal daran erinnern, welches unsere Positionen in dieser Frage sind. Wir sagen: Man muß an das Verhältnis zwischen der DDR und der Bundesrepublik in einer gleichberechtigten Art und Weise herangehen. Man muß die DDR politisch anerkennen. Man muß sie völkerrechtlich anerkennen. Man kann nicht darauf beharren, eine Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik weiter für richtig zu erachten und weiter zu vollziehen, die der DDR die Staatsbürgerschaft eigentlich aberkennt.
    Herr Hennig, Sie freuen sich immer so und sehen so lustig aus, aber ich möchte Ihnen einmal sagen, daß meiner Ansicht nach die Bundesrepublik eigentlich gar keine Staatsbürgerschaft hat. Sie hat sich die Staatsbürgerschaft des alten Deutschen Reiches geborgt und benutzt das Staatsbürgerschaftsrecht von 1916, das unter Hitler 1941 geändert wurde. Aber eine eigene Staatsbürgerschaft hat sie nicht. Sie beansprucht eine Staatsbürgerschaft für alle Deutschen und damit auch für die in der DDR. Es ist aber unmöglich, die Staatsbürgerschaft der DDR zu akzeptieren und gleichzeitig diese Staatsbürgerschaftsdoktrin der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten.
    Mein Votum, noch einmal wiederholt, ist: Dialog und Verständigung. Bahnbrechende Möglichkeiten zu Verhandlungen und zu Abmachungen mit der DDR

    (Reddemann [CDU/CSU]: Superleerformeln, was Sie da sagen!)

    werden sich nur ergeben, wenn man mit diesem Staat auf eine andere Weise umgeht, mit ihm verhandelt und ganz klare Abmachungen trifft, die den Menschen auf beiden Seiten nützen, ohne den Alleinvertretungsanspruch dabei noch beizubehalten. Man muß diesen aufgeben.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Reddemann [CDU/CSU]: Leerformel-Schneider!)