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ID1012202300

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    Plenarprotokoll 10/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. Februar 1985 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9009 A Bericht zur Lage der Nation Dr. Kohl, Bundeskanzler 9009 B Dr. Apel SPD 9017 C Dr. Dregger CDU/CSU 9023 C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 9027 C Hoppe FDP 9030 D Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 9033 D Büchler (Hof) SPD 9037 A Genscher, Bundesminister AA 9039 D Schlaga SPD 9043 D Lintner CDU/CSU 9045 C Handlos fraktionslos 9047 C Schneider (Berlin) GRÜNE 9049A Dr. Haack SPD 9050 D Windelen, Bundesminister BMB . . . 9053 B Dr. Vogel SPD 9054 B Nächste Sitzung 9058 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9059* A Anlage 2 INFCE-Empfehlungen betr. den Anreicherungsgrad des Urans bei der Produktion von Kernbrennstäben MdlAnfr 5, 6 07.12.84 Drs 10/2587 Becker (Nienberge) SPD ErgSchrAntw PStSekr Spranger BMI . . 9059* B auf ZusFr Catenhusen SPD Anlage 3 Polnische Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland seit 1980 MdlAnfr 44 11.01.85 Drs 10/2712 Dr. Hupka CDU/CSU ErgSchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . 9059*D auf ZusFr Dr. Hupka Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. Februar 1985 9009 122. Sitzung Bonn, den 27. Februar 1985 Beginn: 14.00 Uhr
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    Berichtigung 121. Sitzung, Seite 9005* C; nach der 21. Zeile ist nach dem Wort „vorgesehen" einzufügen: „steuerlichen Gleichbehandlung von eigengenutzten". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 1. 3. Breuer 1. 3. Büchner (Speyer) * 1. 3. Dr. von Bülow 28. 2. Dr. Bugl 28. 2. Cronenberg (Arnsberg) 27. 2. Ertl 1. 3. Gallus 1. 3. Frau Gottwald 1. 3. Haehser 1. 3. Dr. Hauff 1. 3. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 2. Jung (Düsseldorf) 1. 3. Frau Kelly 1. 3. Dr. Kreile 27. 2. Frau Dr. Lepsius 1. 3. Lohmann (Witten) 27. 2. Mischnik 27. 2. Dr. Müller 1. 3. Polkehn 1. 3. Dr. Scheer 28. 2. Schlottmann 1. 3. Dr. Schöfberger 1. 3. Schröder (Hannover) 27. 2. Frau Simonis 1. 3. Dr. Stark (Nürtingen) 1. 3. Stockhausen 1. 3. Uldall 27. 2. Voigt (Frankfurt) 27. 2. Weinhofer 1. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen (SPD) zu der Frage des Abgeordneten Becker (Nienberge) (SPD) (Drucksache 10/2587 Fragen 5 und 6, 110. Sitzung, Seite 8210 B): Ihre Zusatzfrage: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Hochtemperaturreaktor in Schmehausen in- Anlagen zum Stenographischen Bericht nerhalb weniger Jahre auf Brennelemente mit niedrig angereichertem Uran umgestellt werden könnte, ohne daß es zu einer Betriebsunterbrechung kommen müßte, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Sachverhalt für ihre Zielsetzung, hochangereichertes Uran möglichst wenig einzusetzen? beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Forschung und Technologie wie folgt: Der Bundesregierung ist bekannt, daß eine Umstellung des THTR-300 vom beantragten und genehmigten Thorium/Uran-Kreislauf auf einen anderen Zyklus mit niedrigerer Anreicherung aus heutiger Sicht technisch innerhalb einiger Jahre möglich sein kann. Zu gegebener Zeit werden für den THTR-300 unter Auswertung der Betriebserfahrungen mit dem Betreiber die sicherheitstechnischen und betrieblichen Voraussetzungen einer Umstellung auf niedrig angereichertes Uran zu prüfen sein. Bei der Planung von Nachfolgerreaktoren dieser Linie wird der Einsatz von Brennelementen mit niedriger angereichertem Uran verfolgt. Anlage 3 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/2712 Frage 44, 114. Sitzung, Seite 8489): In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. Januar 1985 haben Sie im Anschluß an die Beantwortung der Frage 44 die Zusatzfrage gestellt, wie viele der dem Ausländerzentralregister zwischen 1980 und 1984 gemeldeten 20 952 polnischen Staatsangehörigen, die zugezogen sind, ohne einen Asylantrag gestellt zu haben, wieder zurückgegangen sind. Die Bundesregierung kann diese Frage nicht beantworten, weil ihr entsprechende Angaben nicht zur Verfügung stehen. Dies beruht zum einen darauf, daß nicht alle polnischen Staatsangehörigen, die in ihr Heimatland zurückkehren, sich bei den zuständigen deutschen Behörden abmelden und zum anderen darauf, daß bei der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland Zählkontrollen nicht durchgeführt werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Georg Schlaga


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe jetzt wieder einmal ein bißchen auf den Teppich herunter und versuche, einiges aus der unmittelbaren deutschdeutschen Begegnung anzusprechen und von Ihnen zu erfahren, wie der Stand z. B. beim Aushandeln von Zusatzabkommen zum Grundlagenvertrag ist. Sie waren es, die uns jahrelang vorgehalten haben, wir würden da nichts erreichen. Wir haben sehr viel erreicht. Sie waren es, die den Grundlagenvertrag abgelehnt haben.
    Einer Ihrer Geschäftsführer ließ im CDU-Pressedienst verlauten, es seien „beachtliche Verhandlungsfortschritte im gesamten Spektrum der beiden Seiten betreffenden Fragen zu verzeichnen. Dann läßt er eine lange Aufzählung folgen. Halten Sie das Kommuniqué der Verhandlungen am Werbellinsee



    Schlaga
    vom Dezember 1981 zwischen Helmut Schmidt und Herrn Honecker neben Ihre Aufzeichnungen, dann werden Sie sehen, wo Ihre Erfolge herkommen.
    Wo aber sind nun die Fortschritte beim Zustandekommen der Zusatzabkommen? Der Bundeskanzler hat dazu nichts gesagt. Er hat nur einen Halbsatz zum Kulturvertrag verlauten lassen. Dazu werde ich mich äußern.
    Wo sind die Fortschritte im Bereich von Wissenschaft und Technik, in dem angestrebten Abkommen über Rechtshilfe, in dem angestrebten Abkommen über Umweltschutz, in dem Abkommen, die Entsalzung der Werra und Weser betreffend? Sicher ist man sich vielleicht über die Finanzierung einig
    — vielleicht! —, aber offensichtlich wieder einmal nicht über die technische Lösung.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Hessen!)

    — Das war die Finanzierungsfrage, nicht die technische Lösung. — In der Zwischenzeit strömen weiter Hunderttausende von Tonnen Salz aus der Werra in die Weser. Wo sind die Fortschritte in den Verhandlungen über die Elbe-Verschmutzung? Zum letztenmal ist diese Verhandlungsgruppe am 5. Oktober zusammengetreten.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Wenden Sie sich an Ihre eigene Partei!)

    — Herr Reddemann, lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich greife Sie doch nicht persönlich an.
    Wo sind die Ergebnisse der Verhandlungen über die Rauchgasabklärung? Auch hier haben Sie immer wieder große Töne gehabt. Aber die letzte Zusammenkunft fand im November 1983 statt. Genauso ist es mit den Verhandlungen über die Reaktorsicherheit: Alle Termine liegen weit über anderthalb Jahre zurück.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Und Sie hatten überhaupt keine Verhandlungen über Reaktorsicherheit, zehn Jahre nicht!)

    Der ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR hat vor kurzem geäußert — Sie waren dabei, Herr Reddemann —: Das Klima bei all diesen Gesprächen ist ein gutes. Nun, das ist, mit Verlaub, die Diplomatenformel dafür, daß nichts läuft.
    Aber da ist schließlich dann noch das Kulturabkommen. Das Verhandlungsklima soll ein „sehr gutes" sein. Herr Barzel hat schon bei seiner Antrittsrede — das ist einige Zeit her — „besonders erfreuliche Fortschritte bei den Verhandlungen über das Kulturabkommen" zur Kenntnis gegeben. Dasselbe hat Herr Windelen mehrere Male getan, und der Bundeskanzler hat heute gesagt: Gut vorangekommen sind auch die Verhandlungen über das Kulturabkommen.
    Ich möchte im übrigen feststellen: Nicht Sie haben die Verhandlungen über das Kulturabkommen wieder in Gang gesetzt — Sie tun manchmal so —, sondern das Angebot zu Weiterverhandlungen ging von der Regierung der DDR an Helmut Schmidt im September 1982. Das war dann allerdings Herr Hennig, der genau wußte, wie die Verhandlungen wieder in Gang gesetzt worden sind. Denn am 4. August sagte er in einem Deutschlandfunk-Interview: „Ich glaube, es gibt jetzt erneut als Folge des Strauß-Besuches ein grundsätzliches Ja von Herrn Honecker, daß diese Verhandlungen wieder aufgenommen werden." Sehen Sie einmal, so einfach machen Sie sich das.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Wer sich hier etwas einfach macht, sind Sie!)

    Vor dem dann geplatzten Honecker-Besuch im Sommer 1984 suggerierten Sie dann mit Hilfe Ihrer Presse, er, der Herr Honecker, würde mit dem unterschriftsreifen Vertrag kommen. Er kam nicht, und das Abkommen kam auch nicht.
    Was also geschah denn nun bei den letzten beiden Verhandlungsterminen am 22. November vorigen Jahres und am 21. Februar dieses Jahres? Wir haben darüber bis jetzt nichts gehört. Herr Windelen bezeichnet ja diesen Kulturvertrag immer als das Herzstück deutscher Ostpolitik — so jedenfalls in der Presse zu lesen. Wie sieht es mit der Berlin-Klausel aus? Wollen Sie eine andere als die in dem Kulturabkommen mit anderen Ostblockländern, und welche Schwierigkeiten ergeben sich da konkret? Hat es mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eventuell eine neue Wende gegeben? Bei wem bitte? Will die DDR nun doch die Nofretete und den „Mann mit dem Goldhelm" haben?

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Oder wollen Sie dringlich bundesdeutsche Kulturzentren in der DDR errichten

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — ja, ich möchte das wissen, denn das war ja wohl eine Ihrer Vorstellungen —, und will das vielleicht die DDR nicht? Wie steht es mit dem Austausch von kleineren Chören, Laienspielgruppen und Sportgruppen oder Sportvereinen, auf die der Minister für innerdeutsche Beziehungen so besonderen Wert legt? Gibt es da erheblichen Widerstand von seiten der DDR? Wenn Sie es hier nicht beantworten wollen oder wenn Sie meinen, es nicht beantworten zu können, dann tun Sie es bitte im Ausschuß; aber wir möchten nun endlich wissen, wie der Stand der Dinge ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Oder hapert es bei der DDR an dem Ausbau des kulturellen Tourismus, der erleichtert werden sollte? Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie meinen, Weimar war zu keiner Zeit so attraktiv, jedenfalls was den Kern der Stadt betrifft, wie jetzt, und es fehle eigentlich nur an preiswerten Hotelbetten; das übrigens nicht nur in Weimar.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Weimar war früher wesentlich attraktiver!)

    — War nie so schön wie jetzt.
    Vielleicht holen Sie auch zu weit aus, wie das Herr Lintner tut, indem er sagt: Es wird die bisher umfassendste Vereinbarung zwischen den beiden deutschen Staaten. Das wäre so etwas wie eine Superkontinuität, und daran kann ich nicht glauben. Oder geht es eventuell auch um die Gagenforderungen unserer Stars, die „die drüben" — das ist aller-



    Schlaga
    dings Originalton „Capital" — angeblich niemals erfüllen können? Ist es nach allem, was man hört, richtig, Herr Minister, daß Sie sich bereit erklärt haben, gegebenenfalls zu subventionieren, wie das vom Auswärtigen Amt bei ähnlichen Veranstaltungen im Ausland geschieht? Oder hat der „Spiegel" wieder einmal recht, wenn er vom „Dollpunkt" in der Präambel schreibt und meint, die DDR verlange den folgenden Text, „diese beiden Staaten seien entschlossen, die Beziehungen auf der Grundlage der KSZE-Schlußakte, insbesondere der Prinzipien der souveränen Gleichheit der Staaten und Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten zu entwickeln"? Das sollten Sie doch nicht akzeptieren, meine ich.
    Wie dem auch sei, ich könnte Ihnen jedenfalls nachfühlen, wenn Sie heute der Meinung sind, Sie seien zu großmäulig gewesen, als Sie unsere Deutschlandpolitik über Jahre hinweg maßlos kritisiert haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Verbleiben wir so: Sie sagen uns deutlich, wann und wo wir ihnen helfen können, und ich bin sicher, die Deutschen in der DDR und in der Bundesrepublik werden uns das danken.

    (Zurufe der Abg. Schulze [Berlin] und Reddemann [CDU/CSU])

    Über die mit der DDR gemeinsame Kultur, über ihre Wurzeln, über Begriffe wie „Kulturnation" ist hinreichend diskutiert und gedeutet worden. Ich verstehe das. Das wird auch ein Dauerthema bleiben.
    Ich bin gar nicht glücklich darüber — insofern deckt sich manches mit dem, was mein Vorredner angesprochen hat —, daß die DDR auf ihre Weise Akzente setzt, daß sie z. B. die preußische, j a die gesamte deutsche Geschichte als Baustein für ein DDR-Nationalbewußtsein benutzt. Friedrich der Große ist wieder da, Gneisenau, von Clausewitz, Freiherr vom Stein, Bismarck und alle anderen auch, und, was weit wichtiger ist, es gibt die Konstituierung des „Nationalen Rates der DDR zur Pflege und Verbreitung des deutschen Kulturerbes" als Organ des Ministerrats in Ost-Berlin. Der ist längst gegründet, ist sehr aktiv und arbeitet.
    Es ist schon faszinierend, unmittelbar als Zeitgenosse zu erleben, wie eine ohnehin in ihrem Wahrheitsgehalt umstrittene Geschichte nun noch einmal „neu gemacht" wird, um dann als Beweis für in der DDR gepflegte Ideologien herangezogen zu werden. Ich kann unsere Geschichtswissenschaftler, Politiker, uns alle also, alle, die es angeht — und wen betrifft das nicht? —, nur bitten, das sehr genau zur Kenntnis zu nehmen und diese Herausforderung anzunehmen, zu diskutieren und sich mit der DDR auseinanderzusetzen. Nur das kann Sinn mit sich bringen,

    (Beifall bei der SPD)

    nicht aber, das was CDU und CSU tun, die sich von der DDR-Regierung und diesem Vorgang in der DDR offensichtlich abgrenzen wollen und in den bundesdeutschen Schulen heute ein einheitliches
    deutsches Geschichtsbild und Geschichtsbewußtsein gelehrt wissen möchten.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Sie wissen doch, daß das nicht so ist!)

    — Es regiert sich natürlich leichter ohne Pluralismus; das verstehe ich schon. Sie sollten aber ganz schnell wieder die entscheidenden Worte aus Ihrer Kulturerklärung, nämlich „neue Akzente" setzen zu wollen, herausnehmen, möglichst auch aus Ihren Hirnen. Oder wollen Sie unbedingt einer SED-Kultur- und -Geschichtsauffassung eine CDU-geprägte Kultur- und Geschichtsauffassung gegenübersetzen? Ich würde das für grundfalsch halten.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lintner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eduard Lintner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland muß nach meiner Auffassung mindestens zweierlei Ansprüchen gerecht werden. Er muß erstens einen ungeschminkten Blick auf die Realitäten im geteilten Deutschland bieten und zweitens aus diesen Realitäten heraus deutschlandpolitische Perspektiven aufzeigen.
    Beides, meine Damen und Herren, ist Bundeskanzler Helmut Kohl heute mit seinem Bericht gelungen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sehr gut gelungen!)

    Er hat einerseits die konkreten und deprimierenden Folgen der Teilung unseres Vaterlandes aufgezeigt. Er konnte aber auch auf den tatsächlich vorhandenen, sich täglich manifestierenden Willen der Deutschen hier und in der DDR hinweisen, kurzfristig die Folgen dieser Teilung und langfristig die Teilung selbst zu überwinden.
    Ein unübersehbarer Beweis dafür sind die Hunderttausende von Ausreiseanträgen, mit denen sich die Behörden des SED-Regimes derzeit befassen müssen. Auch die 40 000 Übersiedler im Jahr 1984 sind ein Eingeständnis der Richtigkeit dieser Annahme.

    (Büchler [Hof] [SPD]: Die Leute sind ziemlich alleingelassen!)

    Dieser Sachverhalt vermittelt aber über die bloße Tatsache hinaus auch eine Perspektive. Diese Fakten belegen nämlich zugleich den ungebrochenen Willen der Deutschen zur Einheit und ihren unauslöschbaren Drang nach Freiheit. Hier zeigt sich übrigens auch im politischen Alltag deutlich die Richtigkeit der Aussage im Bericht des Bundeskanzlers, daß nämlich die „Freiheit der Kern der deutschen Frage" sei.
    Diese Gegebenheiten, meine Damen und Herren, sind freilich nicht nur für uns hier in der Bundesrepublik Deutschland bedeutsam; sie gelten auch für die Regierung und die SED in der DDR.
    Welche Konsequenzen ergeben sich daraus nun für die Machthaber in der DDR? Möglich sind im Grunde genommen nur drei Wege:



    Lintner
    Der erste Weg besteht in einer möglichst vollkommenen Abkapselung vor allem von der Bundesrepublik, mit der Konsequenz, den Wunsch der Bevölkerung nach mehr Freizügigkeit rücksichtslos unterdrücken und Ausreisewillige einer ausweglosen Diskriminierung aussetzen zu müssen. Dieser Weg ist längst gescheitert. Er hat dem DDR-Regime Heerscharen von „Außenseitern" im Staat beschert, die ohne eine positive persönliche oder berufliche Perspektive für sich und ihre Kinder geradezu zwangsläufig am Willen zur Ausreise festhalten müssen. Die DDR hat eigentlich selbst eingesehen, daß dies kein sinnvoller Umgang mit der eigenen Bevölkerung sein kann. Denn sonst hätte sie nicht ihre Übersiedlungsaktion im Jahr 1984 durchgeführt.
    Der zweite Weg bestünde darin, so weiterzumachen wie bisher. Das schafft ebenfalls Hunderttausende von Ausreisewilligen, ohne daß ein entscheidender Rückgang dieser Welle zu erwarten ist, jedenfalls so lange nicht, wie es zur Ausreise in der DDR keinerlei Alternative gibt. Dabei wissen wir doch, daß viele unserer Landsleute in der DDR eigentlich gar nicht endgültig ausreisen wollen, sondern sie empfinden die Verweigerung jedweder Freizügigkeit in Richtung Westen als so bedrükkend, so diskriminierend, daß sie mittels Ausreise dem Gefühl des Eingesperrtseins entfliehen wollen.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Richtige Erkenntnis!)

    Drittens. Die SED wäre deshalb meines Erachtens gut beraten, wenn sie vorsichtig Schritte in Richtung auf mehr Freizügigkeit machte. Diese Schritte müßten aber verläßlich und beständig sein. Denn nur dann könnte die SED ein gewisses Vertrauen bei der Bevölkerung für diese Möglichkeit gewinnen. Ich habe keinen Zweifel, meine Damen und Herren, daß ein solches Vorgehen in der DDR tatsächlich Erleichterungen schaffen würde. Andere Länder im kommunistischen Machtbereich haben diesen Weg gewagt und dadurch deutlich an Vertrauen bei der eigenen Bevölkerung gewonnen. Warum sollte das im Falle der DDR anders sein? Von Erich Honecker selbst stammt die Aufforderung, die innerdeutschen Bemühungen sollten sich auf das „Machbare" konzentrieren. Ein Mehr an Freizügigkeit ist „machbar", wie die genannten Beispiele zeigen.
    Deshalb appelliere ich geradezu an das SED-Regime, in diesem Punkte mehr Bewegung und damit mehr Verständnis für die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu zeigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die beiderseitige Konzentration auf das Machbare hat der Bundesregierung seit 1982 beachtliche Erfolge in der Deutschlandpolitik beschert. Ich verweise nur auf die eindrucksvolle Aufzählung durch den Bundeskanzler im Bericht zur Lage der Nation. Die Regierungskoalition hat diese Fortschritte erreicht, ohne daß die Unionsparteien irgendwelche deutschlandpolitischen Grundsätze aufgegeben hätten.

    (Berger [CDU/CSU]: Das war wichtig!)

    Diese Erkenntnis sollten wir nicht außer acht lassen und den bewährten Weg nicht verlassen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In diesem Zusammenhang muß ich — leider — die Aufforderung an die SPD richten, auf ihrer in letzter Zeit immer schneller werdenden deutschlandpolitischen Wanderschaft nicht fortzufahren.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Ach, Herr Lintner, hören Sie auf! — Büchler [Hof] [SPD]: Herr Lintner geht rückwärts!)

    Die SPD ist heute schon so weit — Sie wissen das j a selber —, daß sie die Grundsätze, die sie noch vor einem Jahr, nämlich am 9. Februar 1984, gemeinsam mit uns hier in diesem Hause beschlossen hat, heute nicht mehr mitzutragen bereit ist.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Herr Lintner, nicht wir wandern, sondern Sie schwimmen! — Büchler [Hof] [SPD]: Sie haben wieder nicht zugehört!)

    — Ihr Protest bestätigt eigentlich nur die Richtigkeit meiner Ausführungen.
    Zum Beweis dafür kann ich anführen: Wir haben heute einen Entschließungsantrag eingebracht, der wortwörtlich der gemeinsamen Entschließung der Fraktionen der SPD, FDP und CDU/CSU vom 9. Februar 1984 entspricht. Heute, ein Jahr später, findet dieser Text nicht mehr die Zustimmung der SPD.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Büchler [Hof] [SPD]: Das ist doch nicht wahr, Herr Lintner!)

    Liest man den eigenen Entschließungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion von diesem Jahr daraufhin durch,

    (Büchler [Hof] [SPD]: Stimmt doch nicht! — Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Herr Büchler, wir bleiben auf unserem Hintern sitzen!)

    was im Unterschied zum letzten Jahr jetzt nicht mehr gelten soll, so möchte ich folgendes herausziehen. Die beiden deutschen Staaten — so schreibt die SPD — sollten sich als „gleichberechtigte Staaten deutscher Nation behandeln".

    (Zuruf von der SPD: Das steht im Grundlagenvertrag!)

    Wie dies ohne Verstoß gegen das Grundgesetz, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und viele andere auch von der SPD vor einem Jahr offiziell noch als verpflichtend bezeichnete Dokumente möglich sein soll,

    (Büchler [Hof] [SPD]: Herr Lintner, lesen Sie das Manuskript, das Sie vorgestern geschrieben haben! — Zuruf von der SPD: Sind Sie gegen einen gleichberechtigten Dialog mit der DDR?)




    Lintner
    bleibt das Geheimnis der SPD. Herr Büchler, Sie befinden sich nicht in Fortentwicklung der deutschlandpolitischen Auffassung, sondern Sie sind dabei, sich von dem rechtlich vorgegebenen Pfad der Deutschlandpolitik zu entfernen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Zusammen mit Herrn Rühe!)

    Die SPD postuliert für sich einfach, ihre Deutschlandpolitik gehe vom Grundgesetz einschließlich dem Brief zur deutschen Einheit aus.