Rede von
Egon
Lutz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, man muß schon sehr mutig sein, wenn man im Jahre 1985 den Entwurf eines Arbeitzeitgesetzes präsentiert, der noch um die Jahrhundertwende als bemerkenswerte Reform gegolten hätte, heute aber als politische Zumutung angesehen werden muß.
Heute, Herr Staatssekretär, arbeiten 97 % aller Arbeitnehmer 40 Stunden und weniger an fünf Tagen
in der Woche. Und Sie wagen es heute noch, die 48Stunden-Woche an sechs Tagen gesetzlich festlegen zu wollen. Sie verewigen mit diesem Entwurf das Überstundenunwesen, das Sie angeblich so vehement bekämpfen,
und Sie durchlöchern die Sonn- und Feiertagsruhe wie einen Schweizer Käse, so daß Sie eigentlich schreiben müßten:
„Wer nach diesem Gesetz immer noch nicht unter die Ausnahmebestimmungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 19 fällt, hat Anspruch darauf, daß ihn die Aufsichtsbehörde nach § 9 zur Sonntagsarbeit zwingt." So müßten Sie formulieren; dann würden Sie ehrlich formulieren.
Diese Regierung ist taub gegenüber den gesundheitspolitischen Überlegungen, die zu einer Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitzeit zwingen, wie das die SPD-regierten Länder im Bundesrat vorgeschlagen haben. Sie ist taub gegenüber dem Argument, daß allein die Verewigung der 48Stunden-Woche in jeder Woche mindestens acht Überstunden über die tarifliche Arbeitzeit hinaus zuläßt.
Dazu, Frau Kollegin Adam-Schwaetzer, kommen dann noch einmal 120 Stunden Mehrarbeit im Jahr, die nicht durch Freizeit ausgeglichen werden müssen. Stattliche 440 Stunden sind es nach Ihrem neuen Entwurf, gegen die sich der einzelne Arbeitnehmer nicht wehren kann und für die er keinen Freizeitausgleich beanspruchen kann.
Rechnen wir es auf die Gesamtwirtschaft um, werden derzeit rund 1,4 bis 1,5 Milliarden Überstunden geleistet. Sie sanktionieren diese Überstunden mit Ihrem Gesetzenwurf. Das sind — vorsichtig gerechnet — Beschäftigungschancen für 300 000 Arbeitslose, die Sie so blockieren.
Diese 440 Überstunden, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf geradezu betonieren, sind auch noch die gefährlichsten Arbeitsstunden wie man weiß.