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ID1011503800

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    Plenarprotokoll 10/115 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 115. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Inhalt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1985 — Drucksache 10/2705 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1984) sowie das Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1985 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1998 — Drucksache 10/2235 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz) — Drucksache 10/2677 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1985) — Drucksache 10/2608 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8543 A Frau Fuchs (Köln) SPD 8550 B Seehofer CDU/CSU 8554 C Frau Potthast GRÜNE 8557 D, 8573 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 8560 D Dr. Apel SPD 8563 A Fink, Senator des Landes Berlin . . . 8564 D Heyenn SPD 8566 D Feilcke CDU/CSU 8571A Cronenberg (Arnsberg) FDP 8574C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 8577 C Glombig SPD 8579 B Günther CDU/CSU 8583 C Heyenn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8586A Nächste Sitzung 8586 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8587* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 8587*B Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8543 115. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bastian 18. 1. Dr. Bugl 18. 1. Büchner (Speyer) * 18. 1. Bühler (Bruchsal) 18. 1. Clemens 18. 1. Egert 18. 1. Eylmann 18. 1. Dr. Feldmann 18. 1. Frau Geiger 18. 1. Dr. Götz 18. 1. Grünbeck 18. 1. Haar 18. 1. von Hammerstein 18. 1. Dr. Hauff 18. 1. Huonker 18. 1. Dr. Jahn (Münster) 18. 1. Jansen 18. 1. Jaunich 18. 1. Frau Kelly 18. 1. Kretkowski 18. 1. Dr. Marx 18. 1. Link (Diepholz) 18. 1. Nelle 18. 1. Neumann (Bramsche) 18. 1. Reddemann* 18. 1. Reuschenbach 18. 1. Reuter 18. 1. Rode (Wietzen) 18.1. Schmidt (Hamburg) 18. 1. Schneider (Berlin) 18. 1. Schröer (Mülheim) 18. 1. Schulte (Unna) * 18. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 18.1. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 1. Dr. Stoltenberg 18. 1. Voigt (Sonthofen) 18. 1. Dr. Waigel 18. 1. Wischnewski 18. 1. Frau Dr. Wisniewski 18. 1. Wolfram (Recklinghausen) 18. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an das Saarland Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung (Krankenhaus-Neuordnungsgesetz - KHNG) Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) Anlagen zum Stenographischen Bericht Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen Drittes Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zu dem Vertrag vom 13. März 1984 zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bezüglich Grönlands Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Mai 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 20. Januar 1984 Gesetz zu dem Vertrag vom 25. Juni 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sultanat Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, daß im Bundeshaushalt auch künftig an der Vorveranschlagung der Finanzhilfen des Bundes für die Wohnungsbau- und die Städtebauförderung festgehalten wird, solange nicht entsprechende Entscheidungen über den Abbau der Mischfinanzierungen und zur Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder getroffen sind. Da der Bund von den Ländern Mitleistungen in bestimmter Mindesthöhe verlangt, müssen die Länder schon während der Aufstellung ihrer Haushalte die Höhe der zu erwartenden Bundesfinanzhilfen kennen. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß ein ausreichendes finanzielles Engagement des Bundes im Wohnungs- und Städtebau entsprechend den bisherigen Anteilsverhältnissen der Bund-/Länder-Finanzierung unverzichtbar ist, bis ein Einvernehmen zwischen Bund und Ländern über eine Entflechtung dieses Mischfinanzierungsbereiches einschließlich eines vollen finanziellen Ausgleichs hergestellt ist. Einen einseitigen Rückzug des Bundes aus der gemeinsamen Finanzierung des Wohnungs- und Städtebaus darf es nicht geben. Insbesondere erwartet der Bundesrat, daß der Bund die im Bundeshaushalt 1985 ausgebrachten Baudarlehensmittel von 510 Mio. DM nicht weiter kürzt, sondern tatsächlich in dieser Höhe bereitstellt. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 3. Vier- teljahr des Haushaltsjahres 1984 (Drucksache 10/2592) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksache 10/2640) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 836 01 - Erhöhung des Kapitalanteils der Bundesrepublik Deutschland an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) -(Drucksache 10/2650) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsjahr 1984 bei a) Kap. 10 02 Tit. 656 53 - Landabgaberente - und b) Kap. 10 02 Tit. 656 55 - Krankenversicherung der Landwirte - (Drucksache 10/2651) zuständig: Haushaltsausschuß 8588* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Unterrichtung durch die Delegation der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die 72. Jahreskonferenz der IPU vom 24. bis 29. September 1984 in Genf (Drucksache 10/2548) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April bis September 1984) (Drucksache 10/2603) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Bericht 1984 des Bundesministers für Verkehr über die Jahre 1982 und 1983 — (Drucksache 10/2624) zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen (federführend) Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Formaldehyd — Gemeinsamer Bericht des Bundesgesundheitsamtes, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und des Umweltbundesamtes unter Beteiligung der Bundesanstalt für Materialprüfung, der Biologischen Bundesanstalt und des Vorsitzenden der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft — (Drucksache 10/2602) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Einfuhrbeschränkung der USA für Stahlröhren aus der EG (Drucksache 10/2683) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu dem 13. Bericht der Europäischen Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Wettbewerbspolitik (Drucksache 10/2691) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Einundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 10/2721) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. April 1985 vorzulegen Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 15. Januar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Annahme eines mehrjährigen Forschungsaktionsprogramms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der Biotechnologie (1985-1989) (Drucksache 10/1691 Nr. 22) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 13. Dezember 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung des Rates mit besonderen Übergangsmaßnahmen für die Ernennung von 56 am Sitz der Europäischen Gesellschaft für Zusammenarbeit tätigen Bediensteten zu Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 9/1950 Nr. 53, 10/358 Nr. 20)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Roswitha Verhülsdonk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sieben Jahre Modelldiskussion über die Reform der Hinterbliebenenversorgung, das war alles, was die Regierung Kohl vorfand. Am Ende dieser Diskussion hatten sich zwar Politiker aller Parteien und Fachleute auf das Modell einer 70%igen Teilhaberente geeinigt, aber diese Lösung war inzwischen nicht mehr finanzierbar,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wer sagt das?)

    denn die Rentenkasse haben Sie bekanntlich so leer hinterlassen wie die Bundeskasse. Die Teilhaberente von 70% würde aber pro Jahr Mehrkosten von 2,5 Milliarden DM verursachen. Mehr Geld für die Neuregelung der Witwen- und Witwerrenten können wir leider nicht aufbringen. Mindestens die Sozialpolitiker in diesem Hause wissen sehr genau, was in den nächsten Jahren auf die Rentenkasse zukommt, wenn immer weniger Beitragszahler große Rentnerjahrgänge finanzieren müssen.
    Das politisch bemerkenswerteste Ergebnis dieser langen Modelldiskussion war aber, daß bei den Frauen im Land eine große Erwartung geweckt worden war. Vor allem die Hausfrauen freuten sich schon auf eine 10 % höhere Witwenrente, und die Mütter warteten darauf, in Bälde eine eigene Erziehungsrente als gerechten Ausgleich für viele Opfer und Verzichte zu erhalten.
    Meine Damen und Herren, wir alle stehen unter dieser politischen Hypothek. Dabei geht es in der Sache um etwas ganz anderes, nämlich um die Herstellung der Gleichberechtigung der Männer beim Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Bisher haben nämlich Witwer nur in seltenen Fällen Anspruch auf die 60%ige Hinterbliebenenrente. Witwen haben ihn immer, wenn der verstorbene Ehemann versichert war. Da nun die Bedingung der Kostenneutralität absolut zwingend ist, kann die verfassungsrechtlich gebotene Gleichberechtigung der Witwer nur durch Einsparungen bei den Witwen finanziert werden. Berufstätige Ehefrauen haben bekanntlich als Witwen zwei Rentenansprüche: die eigene Versichertenrente und die abgeleitete. Wenn wir Witwern in Zukunft Hinterbliebenenrente von 70% geben wollten, wie es die SPD vorschlägt, und Hausfrauen dann entsprechend auch 70% statt 60 %, dann müßten wir bei den erwerbstätigen Frauen tief in die heutigen Anwartschaften eingreifen. Ein Drittel aller Frauen, die heute zwei Rentenansprüche haben, würde für diese Lösung trotz der entstehenden Mehrkosten von 2,5 Milliarden DM zur Kasse gebeten werden.



    Frau Verhülsdonk
    Nun gibt es Leute, die sagen: Dann macht doch 65%, das ist annähernd kostenneutral. —

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Nein, das geht nicht!)

    Dies geht wirklich nicht. Nur ein Beispiel. Wir müßten dann sogar schon einer Witwe mit 150 DM eigener Rente, deren Mann 1 000 DM Rente hatte, etwas wegnehmen. Das geht wirklich nicht an.
    Nur zwei Jahre nach der Regierungsübernahme liegt uns nun ein Gesetzentwurf zur Hinterbliebenenrente mit Freibetrag vor, der finanzierbar, sozial ausgewogen und frauenfreundlich ist. Gleichzeitig beraten wir ein Gesetz zur Einführung von Erziehungszeiten im Rentenrecht, das mit dem hundert Jahre alten Unrecht, Erziehungsleistungen in der Sozialpolitik absolut zu mißachten, endlich Schluß macht.
    Meine Damen und Herren von der SPD, Sie schlagen nun vor; 70%ige Teilhabe, Verbesserung der Rente nach Mindesteinkommen und Ausdehnung der Erziehungsjahre, auch auf die heutigen Rentnerinnen. Ich verkenne nicht, daß dieses teure Paket von 8 bis 9 Milliarden DM Mehrkosten auf den ersten Blick durchaus wählerwirksam ist. Sie wissen aber selbst, daß die große Strukturreform, die Sie zur Kostendeckung vorschlagen, notwendig ist, um die langfristige Sanierung der Rentenversicherung zu bewirken, d. h. Probleme zu lösen, die uns ab 1990 auf den Nägeln brennen werden.

    (Glombig [SPD]: Wie dürfen wir das verstehen? — Heyenn [SPD]: Zur Entlastung des Bundeshaushalts!)

    — Ich habe zuwenig Zeit, um noch darauf eingehen zu können. Das ist hier heute schon mehrfach erklärt worden.
    Der Gesetzentwurf für die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag mag in diesem oder jenem Detail noch diskussionswürdig sein. Dafür haben wir die Beratungen im Ausschuß. Er hat aber den großen Vorteil, daß er im bestehenden System der Rentenversicherung bleibt. Als ehemaligem Mitglied der sogenannten '84er Kommission der Regierung Schmidt stehen mir die damals ungelöst gebliebenen Probleme des Teilhabemodells, dem Sie anhängen, natürlich noch lebhaft vor Augen. Es sieht nur Witwenrente in Bedarfssituationen vor, also Abschaffung der kleinen Witwenrenten. Für Witwen unter 45 Jahren, die keinen Anspruch auf Rente wegen der Kindererziehung haben und die man heute weiß Gott nicht auf den unsicheren Arbeitsmarkt verweisen kann, ist Teilhaberente überhaupt nicht machbar. Das haben Sie ja auch erkannt. Zudem entstehen beim Zusammentreffen von Beamtenpension und Sozialversicherung schwierigste Probleme. Was ist dann die Teilhaberente? Ist sie Pension, die zu versteuern ist, oder Rente, die nur mit dem Ertragsanteil besteuert wird?
    Nun gibt es Leute, die behaupten, die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag sei ein Einbruch in das bestehende System.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Weiß Gott!)

    Es werde erstmals das Bedarfsprinzip im Rentenrecht eingeführt, da Einkommen angerechnet wird. Einkommensanrechnungen, liebe Frau Fuchs, hat es bei Hinterbliebenenrenten aber schon immer gegeben. Das wissen Sie auch. Bisher wird den Männern, die in der Regel keine Witwerrente erhalten, das eigene Einkommen total, nämlich zu 100% angerechnet.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Jetzt machen Sie die Ausnahme zur Regel!)

    Einer Witwe, die wieder heiratet, werden die Unterhaltsansprüche gegenüber dem neuen Ehemann auch total angerechnet. Sie wird abgefunden. Schließlich darf man nicht übersehen: Auch bei der Teilhaberente wird angerechnet, nämlich je nach Modell 30% oder 35% der eigenen Versichertenrente.
    Der Unterschied des Freibetragsmodells zu den anderen Anrechnungsmodellen besteht darin, daß hier erstmalig eine gleitende Einkommensanrechnung vorgenommen wird. Sie hat unbestreitbar die Wirkung, das Modell sozial ausgeglichen zu machen. Lassen Sie mich diese Wirkung an einem Beispiel verdeutlichen. Eine jüngere Witwe erhält eine Hinterbliebenenrente von 600 DM. Sie ist gezwungen zu arbeiten. Ihr Nettoeinkommen beträgt 1 200 DM. In diesem Falle ruhen nach dem Freibetragsmodell 120 DM von ihrer Witwenrente. Erreicht diese Frau das Rentenalter, dann wird ihre eigene Rente mit hoher Wahrscheinlichkeit den Freibetrag von 900 DM unterschreiten, und damit lebt im gleichen Augenblick die Witwenrente von 600 DM wieder voll auf.
    Man sieht an diesem Beispiel gut die Wirkung des Modells. Wer noch arbeitet und seinen Unterhalt selbst verdient, muß Abstriche an der abgeleiteten Rente hinnehmen. Wer im Rentenalter die Hinterbliebenenrente braucht, der erhält sie auch. Wir alle wissen j a genau, daß Rentenversicherung vorrangig Alterssicherung ist. Diese Funktion bleibt unangetastet.
    Es bleibt das Problem der Frauen, die wegen Haushaltsführung und Kindererziehung keine eigenen Renten erworben haben und nur 60 % Hinterbliebenenrente erhalten. Ihnen bringt das Freibetragsmodell keine Verbesserung.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Deswegen sind die Abgeordneten der Union sehr froh darüber, daß es gelungen ist, gleichzeitig mit dem Hinterbliebenenrenten-Gesetz das Erziehungszeiten-Gesetz vorzulegen, in dem Mütter für jedes Kind ein Rentenjahr erhalten. Das bringt 25 DM Rente pro Monat. Ein Heer von Frauen, die nie ein eigenes Rentenkonto besessen haben, wird, weil sie Kinder hatten, ab 1. Januar 1986 zu Mitgliedern der Rentenversicherung. Wer fünf Kinder hatte, erfüllt sofort die Mindestvoraussetzung für eine eigene Altersrente ab dem 65. Lebensjahr und erhält dann 125 DM für die Erziehungsleistung. Wer weniger als fünf Kinder hatte, der kann die fehlenden Beitragsjahre freiwillig nachbelegen und erhöht damit seine Erziehungsrente.
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8579
    Frau Verhülsdonk
    Wir Abgeordneten der Union haben allerdings einen schweren Kummer, das räume ich ein: Wir können die 5 Milliarden DM nicht herbeischaffen, um .auch der Generation der heutigen Rentnerinnen Erziehungsjahre zurechnen zu können. Diese Frauen haben unter besonders schwierigen Bedingungen ihre Kinder aufgezogen, in Krieg und Nachkriegszeit. Wir empfinden sehr die Härte, daß wir sie nicht einbeziehen können. Aber Frau Fuchs, Sie selbst wissen ja sehr gut, daß im Jahre 1981 der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt auf Ihr Drängen hin erklärt hat: für Erziehungsjahre ist kein Geld vorhanden. 1983 war dann noch weniger Geld da. Alle Verbesserungen in der Sozialpolitik, meine Damen und Herren, waren bisher immer nur in die Zukunft hinein finanzierbar. Wenn man bei jedem neuen Schritt auch die sozialen Mißstände der Vergangenheit hätte korrigieren wollen, dann wäre man wohl zu keiner Zeit dazu gekommen, sozialpolitisches Neuland zu betreten, was wir hier tun. Ich möchte aber die Regierung auffordern, ernsthaft darüber nachzudenken, ob im Rahmen der Strukturreform nicht doch etwas für die Generation der sogenannten Trümmerfrauen mit kleinen Witwenrenten getan werden kann.
    Die SPD-Kollegen sollten sich daran erinnern, daß das 1972 von ihnen vorgeschlagene Baby-Jahr auch nicht auf den Rentenbestand ausgedehnt werden sollte.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aber die hätten das jetzt schon zwölf Jahre gekriegt!)

    Es hatte zudem andere schwerwiegende Mängel: Nur erwerbstätige Mütter sollten es erhalten, Hausfrauen nicht. Das Ungerechteste daran war, daß das Baby-Jahr sehr unterschiedliche Rentenzuschläge erbracht hätte, je nach der vorherigen Beitragsleistung: bei kleiner Rente ein kleines Baby-Jahr, bei hoher Rente ein großes. Da war weiß Gott keine sozialpolitische Sternstunde der SPD, Frau Fuchs.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, namhafte Vertreterinnen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen haben Ihnen öffentlich geraten, Ihre Kritik an dem Regierungsmodell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag zu überdenken.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Jetzt hat die ASF einstimmig zugestimmt, damit Sie es wissen!)

    Diese Frauen haben erkannt, daß dieses Modell die Rentenansprüche von 90 % der erwerbstätig gewesenen Ehefrauen nicht antastet, und das, meine ich, ist sozialpolitisch richtig und notwendig, weil Frauen auch bei zwei Rentenansprüchen in der Regel nicht bessergestellt sind als Männer, die nur ihre eigene Versichertenrente erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eugen Glombig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte neigt sich allmählich dem Ende entgegen, und es tritt Müdigkeit ein. — Ich sage das für uns alle. — Bevor wir nun von der
    Müdigkeit übermannt werden, sollten wir versuchen, ein paar Klarstellungen herbeizuführen.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Aber ruhig bleiben!)

    Frau Verhülsdonk, ich werde auf die Fragen der Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung nicht im einzelnen eingehen — dies hat mein Kollege Günther Heyenn bereits getan —, weil ich ganz gern auf die strukturellen Probleme der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherung eingehen möchte, von denen Sie gesagt haben, sie müßten später geklärt werden. Sie haben gesagt, die Strukturreform müsse später geklärt werden, und die dadurch freigemachten Mittel könnten auf keinen Fall für die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung zur Verfügung stehen. Wenn Sie noch der Überzeugung wären, die Sie damals in der Kommission zur Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung, die von dem damaligen Minister Ehrenberg ins Leben gerufen worden ist, geäußert haben, daß nämlich das Teilhabeprinzip das richtige Modell ist — ich meine, wir hätten damals in dieser Frage eine Übereinstimmung herbeiführen können —, dann müßten Sie das Ergebnis der Lösung der strukturellen Probleme auf dem finanzpolitischen Sektor für die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung einsetzen. Dann wäre es die einzige Möglichkeit — wie wir das vorschlagen —, beide Dinge miteinander zu verbinden,

    (Beifall bei der SPD)

    d. h. Reform der Hinterbliebenenversorgung auf der einen Seite und Lösung der strukturellen Probleme.
    Das haben Sie abgelehnt, weil Sie die Ergebnisse einer solchen Strukturreform eben nicht für die Teilhaberente, für eine Verbesserung der Hinterbliebenenversorgung einsetzen möchten. Sie möchten damit vielmehr die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung konsolidieren, ohne die Leistungen für die Hinterbliebenen verbessert zu haben. Vielleicht wollen Sie damit sogar auch den Bundeshaushalt konsolidieren, wie Sie das in den vergangenen Jahren ja getan haben; denn all Ihre Konsolidierungsbemühungen haben der Rentenversicherung nichts gebracht, sondern eigentlich nur dem Bundeshaushalt. Deswegen möchten wir Sie auffordern, sich noch einmal zu überlegen, ob es nicht doch richtiger und wichtiger ist, sich jetzt über Probleme der Neuordnung der Rentenversicherung im strukturellen Bereich Gedanken zu machen.
    Diese Diskussion steht ja wohl unter der Überschrift: Die große Wende in der Rentenversicherung. Von dieser großen Wende kann überhaupt nicht die Rede sein, wenn die Dinge weiterhin so schmalspurig betrieben werden, wie es diese Bundesregierung und diese Regierungsmehrheit vorhaben. Ich sehe heute morgen in der „Süddeutschen Zeitung" einen Leserbrief, in dem folgendes steht:
    Da sind sie nun endlich enttarnt, die angeblich „armen" Rentner mit einer Rente unter 600,—DM. Sie sind in Wirklichkeit wahre Großeinnehmer, haben doch laut Sozialminister Blüm



    Glombig
    immerhin 77 % von ihnen zwischen 1 000,— und 2 000,— DM Nettoeinkünfte im Monat. Das erstaunt nun in der Tat, und der Minister muß sich fragen lassen, woher denn diese Daten seiner Übersicht stammen. Hat er sie von der Rentenversicherung, von betrieblichen Altersversorgungen, privaten Lebensversicherungen, Banken oder gar irgendwelchen amtlichen Stellen, die derartige personenbezogenen Daten sammeln und weitergeben? Oder hat als Sozialministerium Erhebungen darüber in Auftrag gegeben — und an wen?
    Das, was Herr Bundesarbeitsminister Blüm in der, ich glaube, vorigen Woche der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz hinsichtlich des Wohllebens der Rentner vorgestellt hat, halte ich aller- dings auch für große, große Übertreibungen. Wenn es durchaus auch Renten in dieser Höhe gibt, so trifft das auf den Personenkreis, der nur auf seine Rente angewiesen ist, auf gar keinen Fall zu.
    Ich habe vor mir ein Flugblatt der Union liegen, genaugenommen der CSU. Herr Seehofer hat vorhin ja so eine fabelhafte Rede gehalten. Ich weiß nicht, ob er noch da ist, aber er kann sich auch so daran erfreuen. Da heißt es: „SPD, FDP — zwei, die die Rente gefährden." Für die FDP will ich das nachträglich, in der historischen Rückschau auch zugeben. Die FDP hat natürlich immer geglaubt, sie müsse streichen, sie müsse das Rentenrecht verschlechtern.

    (Widerspruch des Abg. Mischnick [FDP])

    — Ich habe schon in der letzten Debatte gesagt, Herr Fraktionsvorsitzender: Ich habe nun wirklich intime Kenntnisse über die Dinge, die sich in den Koalitionsgesprächen abgespielt haben, die wir miteinander geführt haben. Es ist doch nicht so, daß da aus Überzeugung Kompromisse zustande gekommen sind. Vielfach ist das doch nur mit dem Holzhammer möglich gewesen. Ich kann mir vorstellen, daß das heute genauso läuft.

    (Feilcke [CDU/CSU]: So gemein war die FDP zu Ihnen?)

    — Wissen Sie, ob sie gemein ist, müssen Sie einmal die CSU fragen. Ich habe mit den Kollegen trotz allem ganz gut zusammenarbeiten können. In der Sache gab es — das muß ich sagen — fast unüberbrückbare Gegensätze. So will ich das einmal darlegen. Deswegen ist es auch richtig, das noch einmal zu unterstreichen.
    Jedenfalls wird alles das jetzt gemacht, was uns damals als eine Sache angekreidet wurde, die wir machen wollten, z. B. die Einführung der netto- statt der bruttolohnbezogenen Rente. Das, was jetzt in dieser Höhe, in diesem Umfang mit dem Krankenversicherungsbeitrag geschieht, ist nichts anderes als die nettolohnbezogene Rente. Das haben wir nie vorgehabt. Oder die Verzögerung der Rentenerhöhung, d. h. die Verschiebung vom 1. Januar auf den 1. Juli: Das haben nicht wir gemacht. Das haben Sie gemacht. Sie haben allerdings 1972, weil Sie vorübergehend eine Stimme Mehrheit hatten, zwei Rentenanpassungen beschlossen. Die finanziellen
    Auswirkungen dieser parlamentarischen Entscheidung gehen den Rentenfinanzen heute noch nach.
    Eines kann ja nicht stimmen. Wie war es denn mit der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung? Hat sie den Rentnern zuviel gegeben, wie die einen behaupten, oder hat sie den Rentnern zuwenig gegeben, wie Herr Fink als Berliner Sozialsenator uns heute klarzumachen versuchte?
    Auch die Erhöhung des Beitrags zur Rentenversicherung wird uns wieder vorgeworfen. Auch die Kappung der höheren Renten ist etwas, was laut diesem Flugblatt als mögliche Entscheidung der sozialliberalen Koalition eine Rolle gespielt hat.
    Ich wende mich jetzt den strukturellen Fragen zu. Es gibt keinen besseren Beweis für die Notwendigkeit der von uns Sozialdemokraten geforderten Strukturreform in der Rentenversicherung als das heillose Durcheinander, das Bundesregierung und Koalition in den letzten zwei Jahren in der Rentenpolitik veranstaltet haben und noch immer veranstalten.
    Trotz massiver Kürzungen und offener und versteckter Beitragserhöhungen sind die Renten nicht sicherer, sondern unsicherer geworden; die Renten müssen auf Pump finanziert werden; und wie es in den 90er Jahren angesichts der Verschiebungen in der Alterspyramide der Bevölkerung weitergehen soll, steht in den Sternen, weil diese Regierung nicht die Kraft hat, die strukturellen Probleme anzupacken. In dieser Woche trifft von den Rentenversicherungsträgern die Nachricht ein, daß die Beitragseinnahmen des vergangenen Jahres um mehr als eine Milliarde DM hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind und daß die gesetzlich vorgeschriebene Mindest-Schwankungsreserve von einer Monatsausgabe am Jahresende unterschritten worden ist.
    Mit den Verschiebebahnhöfen und den pausenlosen Raparaturmaßnahmen muß endlich Schluß gemacht werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist der Grund, warum wir Sozialdemokraten in unserem Rentenreformgesetzentwurf neben unseren Vorschlägen zur Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung auch ein umfassendes Konzept zur langfristigen Stabilisierung der Rentenversicherung und zur Wiederherstellung der Verläßlichkeit des Generationenvertrags vorlegen.
    Die Ursachen für die ständigen Schwierigkeiten mit den Renten liegen zum Teil in politischen Fehlern, aber auch in den unzureichenden gesetzlichen Grundlagen für die Rentendynamik und die Rentenfinanzierung:
    Erstens. Die Rentenfinanzen sind zu abhängig von konjunkturellen Schwankungen.
    Zweitens. Das bisherige Finanzierungssystem ist nicht flexibel genug; es verfügt über keine eingebauten Anpassungsmechanismen, die bei Änderungen der Rahmenbedingungen für einen Ausgleich sorgen; es erfordert daher ständige Reparaturmaßnahmen des Gesetzgebers.



    Glombig
    Drittens. Mit der jetzigen Rentenformel wird dem Grundsatz der gleichgewichtigen Entwicklung der Renten und der verfügbaren Arbeitseinkommen nicht Rechnung getragen.
    Viertens. Mit dem jetzigen System der Rentenfinanzierung und der Rentendynamik wird es nicht möglich sein, die Finanzierungsprobleme zu bewältigen, die infolge der Änderung der Altersstruktur ab den 90er Jahren auf uns zukommen werden.
    Für die seit langem fällige Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen machen wir konkrete, sozial ausgewogene, finanzierbare und exakt durchgerechnete Gesetzesvorschläge. Unsere Reformvorschläge beruhen auf zwei Grundsätzen, erstens auf dem Grundsatz der sozialen Ausgewogenheit aller Maßnahmen und zweitens auf dem Grundsatz der größtmöglichen Unabhängigkeit der Rentenversicherung von tagespolitischen Entscheidungen; das heißt, im Gesetz müssen Mechanismen verankert werden, die im Eventualfall eines Finanzierungsengpasses einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben herbeiführen, ohne daß die Notwendigkeit von Gesetzesänderungen besteht.
    Man kann einwenden — und dieses Argument hat der Arbeitsminister bereits öffentlich gebraucht —, daß eine hundertprozentige Unabhängigkeit der Rentenversicherung von allen Umwelteinflüssen in einer komplizierten und ständigem Wandel unterworfenen Gesellschaft nicht möglich sei. Das ist zweifellos richtig. Aber es ist kein Grund, überhaupt nichts zu tun und so weiterzuwursteln wie bisher.
    Die erste Maßnahme, die wir zur dauerhaften Sicherung der Renten vorschlagen, ist die schrittweise Wiederherstellung voller Rentenversicherungsbeiträge der Bundesanstalt für Arbeit für die Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld und Schlechtwettergeld. Statt an der Höhe der Barleistungen sollen diese Beiträge zunächst wieder an 75 % des entgangenen Bruttolohns, ab 1990 an 100 % des entgangenen Bruttolohns orientiert werden.
    Als zweites schlagen wir ein Maßnahmenbündel vor, mit dem wir nicht nur die aktuelle Einnahmesituation der Rentenversicherung verbessern, sondern vorbeugend einen Mechanismus zur Bewältigung künftig möglicher Finanzierungsprobleme schaffen wollen. Das ist notwendig, damit endlich Klarheit, Zuverlässigkeit und Regelgebundenheit in die Rentenversicherung einkehren.
    In welch erschreckend hohem Maße die Rentenversicherung in den letzten Jahren — nicht zuletzt unter dem Eindruck der generell schwieriger gewordenen Wirtschaftssituation — an Verläßlichkeit eingebüßt hat, zeigt ein Rückblick auf die letzten Jahre. In den acht Jahren von 1977 bis 1984 hat der Gesetzgeber nicht weniger als siebenmal in das Rentenrecht eingegriffen, um die Zahlungsfähigkeit der Rentenversicherung sicherzustellen. Angesichts der Rentenpolitik dieser Bundesregierung ist mit weiteren Eingriffen zu rechnen.
    Sieben Konsolidierungsgesetze in acht Jahren — das kennzeichnet einen unhaltbaren Zustand. Das ist wie ein Auto, das nur anderthalb Monate im Jahr fahrtüchtig ist und den Rest der Zeit in der Werkstatt steht.
    In den acht Jahren von 1977 bis 1984 hat es nur eine einzige völlig ungeschmälerte bruttolohnbezogene und der Rentenformel entsprechende Rentenanpassung gegeben, und das war im Jahre 1982. In allen anderen Jahren mußte auf die eine oder andere Weise in die Rentenanpassung eingegriffen werden, um die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen, und zwar durch Verschiebung des Anpassungstermins oder durch Heranziehen der Rentner zum Krankenversicherungsbeitrag, durch Abkoppelung der Rentenanpassung von der Lohnentwicklung oder durch Verkürzung der Zeitverzögerung bei der Rentenanpassung gegenüber der Lohnentwicklung.
    Nicht nur 1985, sondern auch 1986 wollen Regierung und Koalition weiter an der Rentnerkrankenversicherungsbeitragsschraube drehen, und es wird wiederum keine formelmäßige Rentenerhöhung geben. Das war am vergangenen Mittwoch in Agenturberichten zu lesen. Deswegen meine ich, daß die bruttolohnbezogene Rentenformel, von welcher der Arbeitsminister sagt, daß sie nur über seine Leiche angetastet werden kann, mittlerweile zum Phantom zu werden droht. Der Arbeitsminister Blüm hat jedenfalls in seiner Amtszeit noch keine einzige bruttolohnbezogene Rentenerhöhung zustande gebracht,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    die auch wirklich ungeschmälert bei den Rentnern angekommen wäre. Es ist auch nicht abzusehen, wann ihm dies gelingen könnte.
    Die strikte Anwendung der Rentenformel ist zum seltenen Ausnahmefall geworden. Die Regel in der Rentenversicherung ist der politische Zufall, der sich jeweils in den Koalitionsrunden und als Resultat der Ressortstreitigkeiten innerhalb der Bundesregierung ergibt.
    Es ist höchste Zeit, meine Damen und Herren, daß dieser unhaltbare Zustand beendet wird. Im Grunde ist es ein Skandal, daß die Bundesregierung so weitreichende Entscheidungen wie die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung oder die Einführung eines Kindererziehungsjahres treffen will, ohne gleichzeitig die finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung dauerhaft in Ordnung zu bringen. Ich nenne das unverantwortlich.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn das ständige Reparieren an der Rentenversicherung ein Ende haben soll, dann genügt es nicht, etwa zu beschließen, was nach dem jeweiligen Stand der Vorausberechnungen die Einnahmen erhöht oder die Ausgaben mindert. Wir müssen vielmehr eine langfristig angelegte Entscheidung treffen und im vorhinein im Gesetz präzise bestimmen, was zu geschehen hat, wenn sich in Zukunft Einnahmen und Ausgaben wieder auseinanderentwickeln sollten.
    Dazu gibt es im Prinzip zwei extreme Wege: Entweder läßt man die Renten weiter entsprechend der
    8582 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985
    Glombig
    Bruttorentenformel steigen und muß dann gegebenenfalls die Beiträge entsprechend erhöhen — nach allen uns vorliegenden langfristigen Prognosen bedeutet dies aber, daß die Arbeitnehmer immer stärker mit Beiträgen belastet werden müßten, wenn das Nettorentenniveau stark steigen würde —, oder man friert den Beitragssatz ein und hält die Rentner so kurz, daß man mit den gegebenen Beitragseinnahmen auskommt. Die Folge wäre aber, daß die Rentner von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt würden und das Nettorentenniveau sinken müßte. Beides wäre unsozial.
    Deshalb müssen wir einen Mittelweg gehen und die Lasten auf die Generationen gerecht verteilen. Das tun wir Sozialdemokraten, indem wir in unserem Gesetzentwurf folgende Instrumente vorsehen: eine neue dynamische Rentenformel, in der die Rentensteigerung mit der Beitragssatzentwicklung verzahnt wird; die Beteiligung des Bundes am demographischen Risiko und die flexible Gestaltung des Beitragssatzes.
    Damit schaffen wir einen Regelmechanismus, von dem ja auch der Bundesarbeitsminister Blüm gesprochen hat — er hat ihn als notwendig herausgestellt —, der folgendermaßen funktioniert: Wenn die Beitragseinnahmen nicht reichen, muß zwar der Beitragssatz steigen, weil wir die alten Menschen nicht von der Einkommensentwicklung abkoppeln dürfen, aber gleichzeitig muß der Rentenanstieg gebremst werden, und zwar so, daß die Renten in demselben Umfang geschmälert werden, in dem die Nettolöhne durch die erforderliche Beitragssatzerhöhung gemindert werden. Außerdem muß sich aber der Bund stärker an der Finanzierung der Renten beteiligen, und zwar ebenfalls in dem Umfang, in dem die Beitragszahler erhöhte Lasten tragen müssen. Ohne zusätzliche Bundesbeteiligung würde der staatliche Finanzierungsanteil an der Rentenversicherung in Zukunft immer weiter abnehmen, und zwar ausgerechnet in einer Periode, in der die Finanzierung der Alterslast ohnehin immer schwieriger wird.
    Ein wesentliches Element unseres Gesetzesvorschlages ist, daß wir die Rentenpolitik regelgebundener und kontinuierlicher machen wollen. Wir schlagen vor, daß der Gesetzgeber jetzt eine einmalige, aber wohlüberlegte und langfristig konzipierte Entscheidung trifft, wie die künftigen Belastungen der Rentenversicherung getragen werden müssen. Von da an sollen auf absehbare Zeit ständige Reparaturen und Korrekturen überflüssig werden. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, daß der praktische Vollzug der einmal getroffenen Grundsatzentscheidung dann nicht mehr durch jährliche Gesetze, sondern durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung geschehen soll. Dies betrifft sowohl die jährliche Festlegung der allgemeinen Bemessungsgrundlage als auch die Anpassung der Bestandsrenten, die Berechnung des Bundeszuschusses und die Festlegung des erforderlichen Beitragssatzes. Wir wollen der Bundesregierung dabei keinen politischen Gestaltungsspielraum geben; sie soll lediglich die statistischen Daten amtlich feststellen und die im Gesetz exakt vorherbestimmten Regeln exekutieren.
    Wir wollen auch keinen Souveränitätsverzicht des Gesetzgebers; denn der Bundestag kann ja eine neue Gesetzesgrundlage und einen anderen Regelmechanismus schaffen, wenn diese Lösung sich nicht bewähren sollte. Im Gegenteil, der Bundestag soll durch eine umfassende und weitblickende Reformgesetzgebung endlich einmal selbst über die Zukunft der Renten entscheiden, statt von Jahr zu Jahr unter dem Druck drohender Zahlungsunfähigkeit der Rentenversicherung und mehr oder weniger widerstrebend nachträglich die Entscheidungen der Bundesregierung absegnen zu müssen. Wir haben dies in den letzten Jahren ja häufig genug erlebt — übrigens auch wir Sozialdemokraten.
    Wir Sozialdemokraten glauben, daß unser Modell letztlich auch im wohlverstandenen Interesse der Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen liegen müßte; denn sie sind ja in den letzten Jahren vom Arbeitsminister immer wieder überfahren worden und mußten, mehr oder weniger willenlos, die in den Fachabteilungen des Arbeitsministeriums und in den kleinen Koalitionszirkeln ausgehandelten Weichenstellungen nachvollziehen.
    Eine langfristige Stabilisierung der Alterssicherung kann sich nicht auf die gesetzliche Rentenversicherung beschränken. In unserem Gesetzentwurf konzentrieren wir uns zwar auf das Teilgebiet der Rentenversicherung, weil wir als Oppositionsfraktion nicht die umfassenden technischen Möglichkeiten der Bundesregierung zur Verfügung haben, aber unsere Position ist: Ohne die Harmonisierung der Alterssicherungssysteme kann die Generationensolidarität nicht erhalten werden. Dabei geht es nicht um Sozialneid oder um die Abschaffung des Berufsbeamtentums. Wir sind als SPD doch auch eine Partei und eine Fraktion des öffentlichen Dienstes. Die Berufsbeamten sind meine Freunde, in großer Zahl.

    (Zustimmung der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Wie sollte ich eigentlich dazu kommen, mich für die Abschaffung des Berufsbeamtentums einzusetzen! Dies ist natürlich eine Verleumdung und nichts anderes. Wie gesagt, es geht hier nicht um Sozialneid und die Abschaffung des Berufsbeamtentums, wie die Vertreter privilegierter Interessengruppen bis hinauf zum Bundesaußenminister und FDP-Vorsitzenden uns einreden wollen.

    (Zustimmung der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Das Problem ist ein ganz anderes: Es kann nicht hingenommen werden, daß in einer Zeit, in der wegen der wirtschaftlichen Probleme und der zunehmend ungünstiger werdenden Bevölkerungsstruktur in der Alterssicherung der Arbeitnehmer das Verhältnis zwischen Rentenleistungen und Beitragsbelastung immer ungünstiger wird, in den wesentlich üppiger ausgestalteten Sonder- und Zusatzversorgungssystemen alles beim alten bleibt und



    Glombig
    sich auf diese Weise eine Klassengesellschaft in der Alterssicherung herausbildet.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!)

    Die Sachverständigenkommission der Bundesregierung hat in ihrem Gutachten vom Dezember 1983 — der Kollege Günther hat da mitgewirkt — mit statistischem Material, an dem niemand vorbeigehen kann, belegt, was für uns alle inzwischen eigentlich Gemeingut sein sollte. Dann aber müssen wir auch den Mut haben, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Da nützt es nichts, leisetreterisch um die Lösung dieses Problems herumzugehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist nicht einzusehen, daß wir jedes Jahr über die Finanznot der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Lande streiten und daß über die anderen Versorgungssyteme überhaupt kein Wort geredet wird, weil da die Finanzierung ohne Beiträge der Anspruchsberechtigten durch die Haushalte sichergestellt ist. Ich meine, dies ist nicht in Ordnung, und dies wird auf die Dauer so nicht hingenommen werden können.
    Unserem Gesetzentwurf sind detaillierte Kostenschätzungen und umfassende Modellrechnungen bis zum Jahre 1998 beigefügt, aus denen ersichtlich ist, daß unser Gesetzentwurf insgesamt finanzierbar ist. Meine Damen und Herren, es ist ein Märchen, daß die Teilhaberente und die Rente nach Mindesteinkommen wegen der Kassenlage der Rentenversicherung nicht finanzierbar wären. Man muß nur den Mut haben, die entsprechenden Umschichtungen im Rentenrecht vorzunehmen, was wir ja tun, und zugleich die finanziellen Grundlagen im Hinblick auf die später bevorstehenden Belastungen in Ordnung zu bringen. Unsere Rechnungen zeigen, daß die Änderungen im Leistungsrecht mit Ausnahme des Kindererziehungsjahres, für das die Kosten vom Bundeshaushalt getragen werden müssen, mit einer Ausgabensteigerung von lediglich 0,9 %, d. h. mit einer Beitragssatzsteigerung von 0,1 bis 0,2 %, finanzierbar sind.
    Ich bedaure, daß ich vom Präsidenten jetzt rotes Licht bekomme. Zwar hat der Präsident völlig recht, aber ich werde jetzt geradezu eingekreist: Links ist rot, rechts ist rot;

    (Heiterkeit — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aber rot ist eine schöne Farbe, Herr Kollege!)

    ich muß also zum Schluß kommen, was, wie ich weiß, für Sie alle und für mich eine Erleichterung ist.
    Ich wollte mit dieser Rede wirklich einmal ganz sachlich versuchen, zu den Problemen Stellung zu nehmen. Ich weiß, das hat Ihre Stimmung nicht besonders angeheizt —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)

    ich kann das nicht ändern —, aber auch dies ist, finde ich, bei aller politischen Auseinandersetzung notwendig.
    Ich würde sehr hoffen, daß wir bei den weiteren Beratungen im Ausschuß nicht nur vom Konsens reden, sondern uns wirklich bemühen, darüber nachzudenken, ob nicht etwas mehr als das, was im Regierungsentwurf enthalten ist, Gegenstand unserer Beratungen im einzelnen sein kann. Wenn wir diese Chance in diesem Jahr nicht nutzen, wird sie lange Zeit nicht wiederkommen.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)