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ID1011503600

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    Plenarprotokoll 10/115 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 115. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Inhalt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1985 — Drucksache 10/2705 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1984) sowie das Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1985 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1998 — Drucksache 10/2235 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz) — Drucksache 10/2677 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1985) — Drucksache 10/2608 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8543 A Frau Fuchs (Köln) SPD 8550 B Seehofer CDU/CSU 8554 C Frau Potthast GRÜNE 8557 D, 8573 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 8560 D Dr. Apel SPD 8563 A Fink, Senator des Landes Berlin . . . 8564 D Heyenn SPD 8566 D Feilcke CDU/CSU 8571A Cronenberg (Arnsberg) FDP 8574C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 8577 C Glombig SPD 8579 B Günther CDU/CSU 8583 C Heyenn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8586A Nächste Sitzung 8586 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8587* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 8587*B Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8543 115. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bastian 18. 1. Dr. Bugl 18. 1. Büchner (Speyer) * 18. 1. Bühler (Bruchsal) 18. 1. Clemens 18. 1. Egert 18. 1. Eylmann 18. 1. Dr. Feldmann 18. 1. Frau Geiger 18. 1. Dr. Götz 18. 1. Grünbeck 18. 1. Haar 18. 1. von Hammerstein 18. 1. Dr. Hauff 18. 1. Huonker 18. 1. Dr. Jahn (Münster) 18. 1. Jansen 18. 1. Jaunich 18. 1. Frau Kelly 18. 1. Kretkowski 18. 1. Dr. Marx 18. 1. Link (Diepholz) 18. 1. Nelle 18. 1. Neumann (Bramsche) 18. 1. Reddemann* 18. 1. Reuschenbach 18. 1. Reuter 18. 1. Rode (Wietzen) 18.1. Schmidt (Hamburg) 18. 1. Schneider (Berlin) 18. 1. Schröer (Mülheim) 18. 1. Schulte (Unna) * 18. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 18.1. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 1. Dr. Stoltenberg 18. 1. Voigt (Sonthofen) 18. 1. Dr. Waigel 18. 1. Wischnewski 18. 1. Frau Dr. Wisniewski 18. 1. Wolfram (Recklinghausen) 18. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an das Saarland Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung (Krankenhaus-Neuordnungsgesetz - KHNG) Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) Anlagen zum Stenographischen Bericht Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen Drittes Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zu dem Vertrag vom 13. März 1984 zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bezüglich Grönlands Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Mai 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 20. Januar 1984 Gesetz zu dem Vertrag vom 25. Juni 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sultanat Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, daß im Bundeshaushalt auch künftig an der Vorveranschlagung der Finanzhilfen des Bundes für die Wohnungsbau- und die Städtebauförderung festgehalten wird, solange nicht entsprechende Entscheidungen über den Abbau der Mischfinanzierungen und zur Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder getroffen sind. Da der Bund von den Ländern Mitleistungen in bestimmter Mindesthöhe verlangt, müssen die Länder schon während der Aufstellung ihrer Haushalte die Höhe der zu erwartenden Bundesfinanzhilfen kennen. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß ein ausreichendes finanzielles Engagement des Bundes im Wohnungs- und Städtebau entsprechend den bisherigen Anteilsverhältnissen der Bund-/Länder-Finanzierung unverzichtbar ist, bis ein Einvernehmen zwischen Bund und Ländern über eine Entflechtung dieses Mischfinanzierungsbereiches einschließlich eines vollen finanziellen Ausgleichs hergestellt ist. Einen einseitigen Rückzug des Bundes aus der gemeinsamen Finanzierung des Wohnungs- und Städtebaus darf es nicht geben. Insbesondere erwartet der Bundesrat, daß der Bund die im Bundeshaushalt 1985 ausgebrachten Baudarlehensmittel von 510 Mio. DM nicht weiter kürzt, sondern tatsächlich in dieser Höhe bereitstellt. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 3. Vier- teljahr des Haushaltsjahres 1984 (Drucksache 10/2592) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksache 10/2640) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 836 01 - Erhöhung des Kapitalanteils der Bundesrepublik Deutschland an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) -(Drucksache 10/2650) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsjahr 1984 bei a) Kap. 10 02 Tit. 656 53 - Landabgaberente - und b) Kap. 10 02 Tit. 656 55 - Krankenversicherung der Landwirte - (Drucksache 10/2651) zuständig: Haushaltsausschuß 8588* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Unterrichtung durch die Delegation der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die 72. Jahreskonferenz der IPU vom 24. bis 29. September 1984 in Genf (Drucksache 10/2548) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April bis September 1984) (Drucksache 10/2603) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Bericht 1984 des Bundesministers für Verkehr über die Jahre 1982 und 1983 — (Drucksache 10/2624) zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen (federführend) Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Formaldehyd — Gemeinsamer Bericht des Bundesgesundheitsamtes, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und des Umweltbundesamtes unter Beteiligung der Bundesanstalt für Materialprüfung, der Biologischen Bundesanstalt und des Vorsitzenden der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft — (Drucksache 10/2602) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Einfuhrbeschränkung der USA für Stahlröhren aus der EG (Drucksache 10/2683) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu dem 13. Bericht der Europäischen Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Wettbewerbspolitik (Drucksache 10/2691) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Einundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 10/2721) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. April 1985 vorzulegen Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 15. Januar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Annahme eines mehrjährigen Forschungsaktionsprogramms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der Biotechnologie (1985-1989) (Drucksache 10/1691 Nr. 22) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 13. Dezember 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung des Rates mit besonderen Übergangsmaßnahmen für die Ernennung von 56 am Sitz der Europäischen Gesellschaft für Zusammenarbeit tätigen Bediensteten zu Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 9/1950 Nr. 53, 10/358 Nr. 20)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Frau Dr. Adam-Schwaetzer sich heute morgen mit der aktuellen Rentenanpassungsproblematik auseinandergesetzt hat, möchte ich noch ein paar Bemerkungen zu den langfristigen Strukturproblem, insbesondere zur Hinterbliebenenversorgung, machen. Das ist sicher ein kompliziertes Thema. Wenn der eine oder andere nicht mehr in der Lage ist, im Detail zu folgen, so habe ich für diese Kollegen — mit Verlaub gesagt — sehr viel Verständnis; denn so viele Mißverständnisse, wie in der öffentlichen Diskussion um diesen Fragenkomplex inzwischen verbreitet worden sind, kann man fast nicht ausräumen.
    Meine Damen und Herren, Rentenpolitik vollzieht sich nicht im luftleeren Raum. Sie ist nun einmal eingebettet in die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Sie steht im Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik, mit der Haushaltspolitik, und selbstverständlich muß Rentenpolitik die langfristige Perspektive eines wachsenden Anteils älterer Mitbürger stärker berücksichtigen, als das bisher der Fall war. Wir müssen uns den wachsenden Anteil von Rentnern einfach bewußt machen. Die Fachleute haben uns vorgerechnet, im Jahre 2035 dürften wir auf jeden Erwerbstätigen einen Rentner haben.
    Es ist schon deutlich gemacht worden, daß wir, wenn wir nichts machen würden, dann einen Beitragssatz von 45 % haben würden oder aber, wenn der Beitragssatz konstant bleiben würde, ein stark vermindertes Rentenniveau. Beides, meine Damen und Herren, ist selbstverständlich unerträglich.
    Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber außerdem zur Schulaufgabe gemacht, die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung zu treffen und darüber hinaus — das darf nicht vergessen werden — die Frage der Besteuerung der Alterseinkommen zu lösen. Beides muß im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Strukturdiskussion selbstverständlich ausführlich beraten werden.
    Kollege Glombig hat zu wiederholten Malen darauf aufmerksam gemacht, wie ich meine, richtigerweise, daß es eine offene Diskussion zwischen Op-



    Cronenberg (Arnsberg)

    position und Regierungskoalition zu diesem Fragenkomplex geben müsse. Ich meine, die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe, sowohl der der Opposition als auch der der Regierungskoalition, sind eine gute Grundlage, um eine solche offene Diskussion zu führen.
    Ich möchte auch einmal auf Gemeinsamkeiten in beiden Gesetzgebungsvorschlägen hinweisen. Da ist beiden Seiten des Hauses klar, daß z. B. die Harmonisierung der Alterssicherungssysteme ein dringendes Anliegen ist, das im Zusammenhang mit der Strukturreform geregelt werden muß.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!)

    Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir Freien Demokraten im Zusammenhang mit der Hinterbliebenenversorgung unsere Position verändert haben. Ich mache überhaupt keinen Hehl daraus, daß es mir persönlich außerordentlich schwergefallen ist, von dem Teilhabemodell, das in der Alterssicherungskommission meiner Partei 1979 entwickelt worden ist, herunterzukommen. Ich will das später im Detail begründen.
    Was die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung anlangt, orientieren sich die Liberalen an vier grundsätzlichen Punkten: erstens, Gleichbehandlung von Männern und Frauen entsprechend der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, zweitens, Erhaltung des Versicherungsprinzips und damit der beitragsbezogenen Rente, drittens, möglichst weitgehende Kostenneutralität bei der Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung, da zusätzliche Belastungen, wie eben schon dargelegt, nicht zu verantworten und nicht zu verkraften sind. Viertens halten wir es für die Akzeptanz jeder Neuregelung in der Hinterbliebenenversorgung für unerläßlich, die Kindererziehungszeiten einzuführen.
    Die teilweise Abkehr von unseren programmatischen Beschlüssen, die mir, wie ich eben schon sagte, außerordentlich schwergefallen ist, ist darauf zurückzuführen, daß wir nach gründlicher Prüfung und Diskussion unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze und Prämissen zu der Erkenntnis gekommen sind, daß die Realisierung der 70%igen Teilhaberente oder auch einer 65%igen Teilhaberente zu mehr Ungerechtigkeiten im Einzelfall führte und ihr auch, wenn ich den Vorschlag der SPD nehme, erhebliche systematische Bedenken gegenüberstehen. Von großer Bedeutung bei der Beurteilung der Vorschläge war für uns der schon angesprochene Gesichtspunkt der Kostenneutralität.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam machen, daß wir auch im Rahmen unserer 32 Thesen, und zwar in der These 27 Abs. 2, 1979 das Instrument der Anrechnung prinzipiell be-j aht haben.
    Wenn ich eben davon gesprochen habe, daß wir in erschreckend hohem Umfang auch bei den Kollegen Abgeordneten hier im Hause Unkenntnis über den Gesamtsachverhalt beobachten müssen, möchte ich das an dem Beispiel klarmachen. Nicht wenige Kollegen hier, draußen in noch größerem Umfang, stellen immer wieder die Frage, in welchem Umfang denn eigenes Einkommen mit der Rente verrechnet werde. Zum hundertsten Male muß wiederholt werden: Nach den Vorstellungen der Regierung und selbstverständlich erst recht der Freien Demokraten wird es bei der eigenen Rente überhaupt keine Anrechnung geben.

    (Beifall bei der FDP)

    Anrechnungen wird es vielmehr ausschließlich im Hinterbliebenenbereich geben.

    (Glombig [SPD]: Das wäre auch noch schöner!)

    — Natürlich wäre es noch schöner. Aber, Eugen Glombig, Sie wissen ganz genau, daß dieser Irrtum weit verbreitet ist und gelegentlich in öffentlichen Veranstaltungen zu meinem größten Bedauern sogar gepflegt wird. Und dagegen möchte ich mich hier an dieser Stelle wehren.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wir sind — und das wird auch in Zukunft so bleiben — immer hartnäckig dafür eingetreten, daß die durch eigene Beitragsleistungen erworbenen Ansprüche uneingeschränkt garantiert werden. Auch für alle diejenigen, die zur Zeit eine Hinterbliebenenrente beziehen, wird sich am geltenden Recht überhaupt nichts ändern. Laut werdende Ängste sind nicht berechtigt, und solche zu schüren ist unverantwortlich.
    Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1975 deutlich gemacht, daß dem Gesetzgeber bei der Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Sogar die Übertragung der jetzt geltenden Witwerregelung auf Witwen hat das Bundesverfassungsgericht für zulässig angesehen; eine Regelung, die wir ablehnen, weil nämlich bis ins Detail, bis auf die letzte Mark nachgeprüft wird, wer überwiegend zum gemeinsamen Familienunterhalt beigetragen hat. Wir lehnen diese Regelung ab, weil sie nach unserer Auffassung dem Versicherungsprinzip widerspricht. Aber all die Kritiker, die jetzt sagen, unsere Vorschläge würden dem Versicherungsprinzip widersprechen, haben während der Zeit, in der diese Witwerregelung praktiziert wurde, diese nie als ein Argument angesehen, das dem Versicherungsprinzip widerspricht.
    Interessanterweise — für mich erstaunlicherweise — knüpft bei der vorzeitigen Rente nach dem Tod des Ehegatten der SPD-Entwurf wieder an diese Witwerregelung an. Diese Rente wird — soweit nicht Kindererziehung vorliegt — davon abhängig gemacht, ob beim Tod des Ehegatten ein Unterhaltsbedarf vorliegt. Ob die vorgesehene Einschränkung der Prüfung des Unterhalts eine Verbesserung ist, muß ich bezweifeln. Prinzipiell knüpft die SPD für diesen Sachverhalt wieder an die derzeitige Witwerregelung an. Mit Verlaub gesagt: Dies hat mich überrascht. Verlockend wäre sicherlich auch der Gedanke gewesen, die jetzige Witwenregelung auf die Witwer zu übertragen. Aber das hätte Kosten von mehr als 2 Milliarden DM mit steigender Tendenz verursacht und ist bei der Si-
    8576 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985
    Cronenberg (Arnsberg)

    tuation unserer Rentenversicherung nicht zu verantworten.
    Das 70%ige Teilhabemodell des SPD-Entwurfs — das wird j a auch von den Sozialdemokraten eingeräumt — ist nicht zum Null-Tarif zu haben. Es kostet ca. 2,5 Milliarden DM. Und, meine Damen und Herren, das muß man sich bewußt machen: Alle Frauen, deren eigene Rente höher ist als 30 % der Mannesrente, erleiden Einbußen. Das sind knapp eine halbe Million Frauen, die dieses Modell finanzieren sollen. Denjenigen, die mit der Idee spielen, um der Kostenneutralität willen eine 65%ige Teilhaberente einzuführen, muß man sagen, daß alle Frauen, die eine eigene Rente haben, die höher ist als 14 % der Mannesrente, zahlen müssen, kräftige Verluste in ihrem Gesamtrenteneinkommen haben. Mit anderen Worten: 1,2 Millionen Frauen zahlen die Zeche. Hier wird ein erheblicher Teil berufstätiger Frauen, die eigene Beiträge geleistet haben, zur Kasse gebeten, um ein Modell zu finanzieren, das es ermöglicht, auch denjenigen, die über relativ hohe eigene Einkommen verfügen, eine höhere Rente zu gewähren. Ich meine, auch nach dem Selbstverständnis sozialdemokratischer Sozialpolitik ist dies nicht zu verantworten.

    (Günther [CDU/CSU]: Das mußte einmal gesagt werden!)

    Die Bedenken gegen die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag haben wir durchaus ernst genommen. Es ist mir nicht leichtgefallen, diesem Modell zuzustimmen, und es hat in der Tat langer Diskussionen und Überlegungen bedurft — das sei mit allem Freimut zugegeben —, um zu der Erkenntnis zu kommen, daß der vorgesehene Entwurf den Ansprüchen, die wir selber an eine solche Hinterbliebenenversorgung gestellt haben, gerecht wird.
    Ich möchte ausdrücklich feststellen — das ist für uns von ganz entscheidender Bedeutung —, daß mit der Hinterbliebenenrente keine sozialhilfeähnliche Leistung gewährt wird. Natürlich ist die Hinterbliebenenrente Teil des Versicherungsanspruchs und auch durch die gezahlten Beiträge gerechtfertigt. Sie wissen, wir bejahen das Versicherungsprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir halten das Prinzip für eine entscheidende Grundlage unseres Alterssicherungssystems, und das gilt selbstverständlich auch für die Hinterbliebenenversorgung.
    Aber deswegen kann man doch nicht verkennen, daß der verfassungsrechtlich garantierte eigene Rentenanspruch eine andere Qualität hat als der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente. Steht bei der eigenen Rente die eigene Leistung im Vordergrund, so finden bei der Hinterbliebenenrente Elemente des sozialen Ausgleichs stärker Berücksichtigung. Selbstverständlich ist deswegen die Hinterbliebenenversorgung nicht von dem Gesamtversicherungsschutz abgelöst. Und natürlich, Frau Kollegin Fuchs — das kann und wird niemand bestreiten —, beruht die Hinterbliebenenrente — selbstverständlich auch nach dem Modell des Bundesarbeitsministers — auf einem Rechtsanspruch. Das ist keine Fürsorgeleistung, die da gewährt wird.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Die Rente variiert aber nach Einkommensanrechnungen!)

    — Natürlich werden bestimmte Anrechnungselemente zugrunde gelegt. Aber es ist ein Rechtsanspruch, nur ruht dieser Anspruch für die Zeit, in der ein höheres eigenes Einkommen vorhanden ist oder eine hohe eigene Rente gewährt wird. Es ist also nicht so, daß der Anspruch prinzipiell geleugnet wird, sondern er kann für eine bestimmte Zeit ruhen. Ich meine, das sollte man bei der Beurteilung der Vorschläge berücksichtigen.

    (Burgmann [GRÜNE]: Auch Sozialhilfe ist ein Rechtsanspruch!)

    Ich möchte auch darauf hinweisen, daß das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang den Unterhaltersatzcharakter der Hinterbliebenenrente durchaus betont hat und wir uns von dieser Feststellung nicht völlig loslösen können. Es hat gesagt: „Von den Begünstigten nicht durch besondere Aufwendungen erkauften Versicherungsschutz ihrer Hinterbliebenen abweichend vom Schutz der Versicherung selbst zu regeln", dies sei dem Gesetzgeber durchaus erlaubt. Von dieser Möglichkeit hat er Gebrauch gemacht.
    Meine Damen und Herren, ich bedaure, daß mir die Zeit so sehr wegläuft. Ich möchte deswegen nur noch auf zwei Punkte, die mir ganz besonders wichtig sind, stichwortartig eingehen.
    Bedingung für uns war und ist, daß Zusatzversorgungen, welcher Art auch immer, ob Höherversicherung, Betriebsrente, auch VBL, nicht in die Anrechnung einbezogen werden können.

    (Beifall bei der FDP)

    Das ist von entscheidender Bedeutung. Hier müßten die Sozialdemokraten eigentlich auch zustimmen können. Denn Sie sagen in Ihrer Vorlage ja selber — diesen Satz unterstreiche ich sehr —:
    Es ist nicht sinnvoll, daß sich die Rentenversicherung zu Lasten von privaten Vorsorgesystemen entlastet.
    Wer diesen Satz sagt, muß unterschreiben, daß derartige Zusatzleistungen aus dem Anrechnungsverfahren herausgenommen werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Ich möchte auch betonen, daß es mir persönlich außerordentlich schwergefallen ist, zu akzeptieren, daß die berufsständischen Versorgungswerke, soweit sie nicht reine Zusatzversorgungswerke sind, in das Anrechnungsverfahren einbezogen werden müssen. Denn ich verkenne nicht, daß diese berufsständischen Versorgungszwerke ausschließlich aus Beiträgen finanziert sind. Aber, meine Damen und Herren, verfassungsrechtlich hat man mich belehrt — ich habe mich davon überzeugen müssen —, daß die berufsständischen Versorgungswerke, soweit sie Ersatz für Pflichtversicherung sind, so behandelt werden müssen wie die übrigen Pflichtversicherungen. Dies ist der einzige Grund, warum wir



    Cronenberg (Arnsberg)

    einer solchen Regelung — jetzt muß ich sagen: leider — unsere Zustimmung geben mußten. Es ist sehr zu überlegen, ob nicht die Elemente der berufsständischen Versorgungswerke, die Zusatzversorgungscharakter haben, durch pauschale Abschläge in höherem Umfang berücksichtigt werden sollen, als das jetzt der Fall ist.
    Meine Damen und Herren, ausdrücklich und mit aller Hartnäckigkeit — das wird sicherlich niemanden überraschen — möchte ich den Versuch in dem SPD-Entwurf zurückweisen, die berufsständischen Versorgungswerke auszutrocknen, indem man den Zugang auf Selbständige beschränkt. Meine Damen und Herren, das wird im Ergebnis den Tod der berufsständischen Versorgungswerke bedeuten, weil dann der Zugang so eingeschränkt wird, daß das notwendige Potential für den Aufbau dieser Werke nicht mehr vorhanden ist. Ich bitte die SPD, unabhängig davon, wie sie zum Regierungsentwurf steht, diesen Teil ihres eigenen Entwurfs einer ernsthaften Überprüfung zu unterziehen.
    Einen Satz zur Unfallversicherung. Hier verkennen wir nicht, meine Damen und Herren, daß es sich um ein anderes System handelt. Trotzdem legen wir Wert darauf, daß dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bei den Anpassungen im Prinzip Rechnung getragen wird. Darum haben wir uns auch in der sozialliberalen Koalition immer bemüht. Insofern gibt es einen Anpassungsverbund.
    Positiv möchte ich bewerten, daß unsere Forderung, die wir seit langem erhoben haben, nach Kindererziehungszeiten endlich erfüllt wird. Wir glauben, daß hierdurch die Möglichkeit geschaffen worden ist, daß denjenigen Frauen die Kinder geboren haben und die durch das vorgelegte Modell selber nicht begünstigt sind, so eine verbesserte Alterssicherung erhalten.

    (Beifall bei der FDP)

    Alles in allem, meine Damen und Herren: Das Modell der SPD und das Modell der Regierungskoalition werden in den Ausschüssen ernsthaft beraten werden müssen. Der Hauptvorwurf gegen das Modell der SPD aus meiner Sicht ist, daß viele Einsparungsmöglichkeiten, strukturelle Veränderungen, die ich zum Teil für sinnvoll halte, z. B. die Neubewertung beitragsfreier Zeiten und beitragsgeminderter Zeiten, für die Finanzierung der Hinterbliebenenversorgung verbraucht werden.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist der Sinn!)

    Wir sind der Meinung, daß diese Einsparungsmöglichkeiten — die ich durchaus ernst nehme — gebraucht werden, um die Strukturreform zu finanzieren, denn wir dürfen nicht zu zu hohen Beiträgen kommen.
    Im Zusammenhang mit der Strukturreform, meine Damen und Herren, Herr Präsident, darf es keine Tabus geben, weder das Rentenniveau — deswegen lehnen wir eine Rentenniveausicherungsklausel ab — noch das Beitragsniveau noch der Bundeszuschuß. Alle diese Elemente werden im Zusammenhang mit der Strukturreform einer ernsthaften Überprüfung unterzogen werden.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Verhülsdonk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Roswitha Verhülsdonk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sieben Jahre Modelldiskussion über die Reform der Hinterbliebenenversorgung, das war alles, was die Regierung Kohl vorfand. Am Ende dieser Diskussion hatten sich zwar Politiker aller Parteien und Fachleute auf das Modell einer 70%igen Teilhaberente geeinigt, aber diese Lösung war inzwischen nicht mehr finanzierbar,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wer sagt das?)

    denn die Rentenkasse haben Sie bekanntlich so leer hinterlassen wie die Bundeskasse. Die Teilhaberente von 70% würde aber pro Jahr Mehrkosten von 2,5 Milliarden DM verursachen. Mehr Geld für die Neuregelung der Witwen- und Witwerrenten können wir leider nicht aufbringen. Mindestens die Sozialpolitiker in diesem Hause wissen sehr genau, was in den nächsten Jahren auf die Rentenkasse zukommt, wenn immer weniger Beitragszahler große Rentnerjahrgänge finanzieren müssen.
    Das politisch bemerkenswerteste Ergebnis dieser langen Modelldiskussion war aber, daß bei den Frauen im Land eine große Erwartung geweckt worden war. Vor allem die Hausfrauen freuten sich schon auf eine 10 % höhere Witwenrente, und die Mütter warteten darauf, in Bälde eine eigene Erziehungsrente als gerechten Ausgleich für viele Opfer und Verzichte zu erhalten.
    Meine Damen und Herren, wir alle stehen unter dieser politischen Hypothek. Dabei geht es in der Sache um etwas ganz anderes, nämlich um die Herstellung der Gleichberechtigung der Männer beim Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Bisher haben nämlich Witwer nur in seltenen Fällen Anspruch auf die 60%ige Hinterbliebenenrente. Witwen haben ihn immer, wenn der verstorbene Ehemann versichert war. Da nun die Bedingung der Kostenneutralität absolut zwingend ist, kann die verfassungsrechtlich gebotene Gleichberechtigung der Witwer nur durch Einsparungen bei den Witwen finanziert werden. Berufstätige Ehefrauen haben bekanntlich als Witwen zwei Rentenansprüche: die eigene Versichertenrente und die abgeleitete. Wenn wir Witwern in Zukunft Hinterbliebenenrente von 70% geben wollten, wie es die SPD vorschlägt, und Hausfrauen dann entsprechend auch 70% statt 60 %, dann müßten wir bei den erwerbstätigen Frauen tief in die heutigen Anwartschaften eingreifen. Ein Drittel aller Frauen, die heute zwei Rentenansprüche haben, würde für diese Lösung trotz der entstehenden Mehrkosten von 2,5 Milliarden DM zur Kasse gebeten werden.



    Frau Verhülsdonk
    Nun gibt es Leute, die sagen: Dann macht doch 65%, das ist annähernd kostenneutral. —

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Nein, das geht nicht!)

    Dies geht wirklich nicht. Nur ein Beispiel. Wir müßten dann sogar schon einer Witwe mit 150 DM eigener Rente, deren Mann 1 000 DM Rente hatte, etwas wegnehmen. Das geht wirklich nicht an.
    Nur zwei Jahre nach der Regierungsübernahme liegt uns nun ein Gesetzentwurf zur Hinterbliebenenrente mit Freibetrag vor, der finanzierbar, sozial ausgewogen und frauenfreundlich ist. Gleichzeitig beraten wir ein Gesetz zur Einführung von Erziehungszeiten im Rentenrecht, das mit dem hundert Jahre alten Unrecht, Erziehungsleistungen in der Sozialpolitik absolut zu mißachten, endlich Schluß macht.
    Meine Damen und Herren von der SPD, Sie schlagen nun vor; 70%ige Teilhabe, Verbesserung der Rente nach Mindesteinkommen und Ausdehnung der Erziehungsjahre, auch auf die heutigen Rentnerinnen. Ich verkenne nicht, daß dieses teure Paket von 8 bis 9 Milliarden DM Mehrkosten auf den ersten Blick durchaus wählerwirksam ist. Sie wissen aber selbst, daß die große Strukturreform, die Sie zur Kostendeckung vorschlagen, notwendig ist, um die langfristige Sanierung der Rentenversicherung zu bewirken, d. h. Probleme zu lösen, die uns ab 1990 auf den Nägeln brennen werden.

    (Glombig [SPD]: Wie dürfen wir das verstehen? — Heyenn [SPD]: Zur Entlastung des Bundeshaushalts!)

    — Ich habe zuwenig Zeit, um noch darauf eingehen zu können. Das ist hier heute schon mehrfach erklärt worden.
    Der Gesetzentwurf für die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag mag in diesem oder jenem Detail noch diskussionswürdig sein. Dafür haben wir die Beratungen im Ausschuß. Er hat aber den großen Vorteil, daß er im bestehenden System der Rentenversicherung bleibt. Als ehemaligem Mitglied der sogenannten '84er Kommission der Regierung Schmidt stehen mir die damals ungelöst gebliebenen Probleme des Teilhabemodells, dem Sie anhängen, natürlich noch lebhaft vor Augen. Es sieht nur Witwenrente in Bedarfssituationen vor, also Abschaffung der kleinen Witwenrenten. Für Witwen unter 45 Jahren, die keinen Anspruch auf Rente wegen der Kindererziehung haben und die man heute weiß Gott nicht auf den unsicheren Arbeitsmarkt verweisen kann, ist Teilhaberente überhaupt nicht machbar. Das haben Sie ja auch erkannt. Zudem entstehen beim Zusammentreffen von Beamtenpension und Sozialversicherung schwierigste Probleme. Was ist dann die Teilhaberente? Ist sie Pension, die zu versteuern ist, oder Rente, die nur mit dem Ertragsanteil besteuert wird?
    Nun gibt es Leute, die behaupten, die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag sei ein Einbruch in das bestehende System.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Weiß Gott!)

    Es werde erstmals das Bedarfsprinzip im Rentenrecht eingeführt, da Einkommen angerechnet wird. Einkommensanrechnungen, liebe Frau Fuchs, hat es bei Hinterbliebenenrenten aber schon immer gegeben. Das wissen Sie auch. Bisher wird den Männern, die in der Regel keine Witwerrente erhalten, das eigene Einkommen total, nämlich zu 100% angerechnet.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Jetzt machen Sie die Ausnahme zur Regel!)

    Einer Witwe, die wieder heiratet, werden die Unterhaltsansprüche gegenüber dem neuen Ehemann auch total angerechnet. Sie wird abgefunden. Schließlich darf man nicht übersehen: Auch bei der Teilhaberente wird angerechnet, nämlich je nach Modell 30% oder 35% der eigenen Versichertenrente.
    Der Unterschied des Freibetragsmodells zu den anderen Anrechnungsmodellen besteht darin, daß hier erstmalig eine gleitende Einkommensanrechnung vorgenommen wird. Sie hat unbestreitbar die Wirkung, das Modell sozial ausgeglichen zu machen. Lassen Sie mich diese Wirkung an einem Beispiel verdeutlichen. Eine jüngere Witwe erhält eine Hinterbliebenenrente von 600 DM. Sie ist gezwungen zu arbeiten. Ihr Nettoeinkommen beträgt 1 200 DM. In diesem Falle ruhen nach dem Freibetragsmodell 120 DM von ihrer Witwenrente. Erreicht diese Frau das Rentenalter, dann wird ihre eigene Rente mit hoher Wahrscheinlichkeit den Freibetrag von 900 DM unterschreiten, und damit lebt im gleichen Augenblick die Witwenrente von 600 DM wieder voll auf.
    Man sieht an diesem Beispiel gut die Wirkung des Modells. Wer noch arbeitet und seinen Unterhalt selbst verdient, muß Abstriche an der abgeleiteten Rente hinnehmen. Wer im Rentenalter die Hinterbliebenenrente braucht, der erhält sie auch. Wir alle wissen j a genau, daß Rentenversicherung vorrangig Alterssicherung ist. Diese Funktion bleibt unangetastet.
    Es bleibt das Problem der Frauen, die wegen Haushaltsführung und Kindererziehung keine eigenen Renten erworben haben und nur 60 % Hinterbliebenenrente erhalten. Ihnen bringt das Freibetragsmodell keine Verbesserung.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Deswegen sind die Abgeordneten der Union sehr froh darüber, daß es gelungen ist, gleichzeitig mit dem Hinterbliebenenrenten-Gesetz das Erziehungszeiten-Gesetz vorzulegen, in dem Mütter für jedes Kind ein Rentenjahr erhalten. Das bringt 25 DM Rente pro Monat. Ein Heer von Frauen, die nie ein eigenes Rentenkonto besessen haben, wird, weil sie Kinder hatten, ab 1. Januar 1986 zu Mitgliedern der Rentenversicherung. Wer fünf Kinder hatte, erfüllt sofort die Mindestvoraussetzung für eine eigene Altersrente ab dem 65. Lebensjahr und erhält dann 125 DM für die Erziehungsleistung. Wer weniger als fünf Kinder hatte, der kann die fehlenden Beitragsjahre freiwillig nachbelegen und erhöht damit seine Erziehungsrente.
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8579
    Frau Verhülsdonk
    Wir Abgeordneten der Union haben allerdings einen schweren Kummer, das räume ich ein: Wir können die 5 Milliarden DM nicht herbeischaffen, um .auch der Generation der heutigen Rentnerinnen Erziehungsjahre zurechnen zu können. Diese Frauen haben unter besonders schwierigen Bedingungen ihre Kinder aufgezogen, in Krieg und Nachkriegszeit. Wir empfinden sehr die Härte, daß wir sie nicht einbeziehen können. Aber Frau Fuchs, Sie selbst wissen ja sehr gut, daß im Jahre 1981 der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt auf Ihr Drängen hin erklärt hat: für Erziehungsjahre ist kein Geld vorhanden. 1983 war dann noch weniger Geld da. Alle Verbesserungen in der Sozialpolitik, meine Damen und Herren, waren bisher immer nur in die Zukunft hinein finanzierbar. Wenn man bei jedem neuen Schritt auch die sozialen Mißstände der Vergangenheit hätte korrigieren wollen, dann wäre man wohl zu keiner Zeit dazu gekommen, sozialpolitisches Neuland zu betreten, was wir hier tun. Ich möchte aber die Regierung auffordern, ernsthaft darüber nachzudenken, ob im Rahmen der Strukturreform nicht doch etwas für die Generation der sogenannten Trümmerfrauen mit kleinen Witwenrenten getan werden kann.
    Die SPD-Kollegen sollten sich daran erinnern, daß das 1972 von ihnen vorgeschlagene Baby-Jahr auch nicht auf den Rentenbestand ausgedehnt werden sollte.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aber die hätten das jetzt schon zwölf Jahre gekriegt!)

    Es hatte zudem andere schwerwiegende Mängel: Nur erwerbstätige Mütter sollten es erhalten, Hausfrauen nicht. Das Ungerechteste daran war, daß das Baby-Jahr sehr unterschiedliche Rentenzuschläge erbracht hätte, je nach der vorherigen Beitragsleistung: bei kleiner Rente ein kleines Baby-Jahr, bei hoher Rente ein großes. Da war weiß Gott keine sozialpolitische Sternstunde der SPD, Frau Fuchs.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, namhafte Vertreterinnen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen haben Ihnen öffentlich geraten, Ihre Kritik an dem Regierungsmodell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag zu überdenken.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Jetzt hat die ASF einstimmig zugestimmt, damit Sie es wissen!)

    Diese Frauen haben erkannt, daß dieses Modell die Rentenansprüche von 90 % der erwerbstätig gewesenen Ehefrauen nicht antastet, und das, meine ich, ist sozialpolitisch richtig und notwendig, weil Frauen auch bei zwei Rentenansprüchen in der Regel nicht bessergestellt sind als Männer, die nur ihre eigene Versichertenrente erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)