Rede von
Dr.
Alois
Mertes
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Herr Kollege, das am 13. Januar 1985 in Addis Abeba unterzeichnete äthiopischägyptische Handelsabkommen bezieht sich nicht auf äthiopische Lieferungen von. Lebensmitteln an Ägypten, die für die Bekämpfung der Hungersnot dringend benötigt werden. Es regelt den Handelsaustausch beider Länder für das Jahr 1985.
Die äthiopische Regierung hat unserem Botschafter in Addis Abeba am 15. Januar- hierzu erläutert, daß der Export von — nun zitiere ich — „lebendem Vieh, Fleisch und anderen landwirtschaftlichen Produkten" vorgesehen ist, während Ägypten u. a. medizinische Geräte und Düngemittel liefert. Dabei ist bestätigt worden, daß es sich bei den „anderen landwirtschaftlichen Produkten" nicht um Getreide oder andere Grundnahrungsmittel handelt.
Nach äthiopischer Einschätzung hat die strukturelle Überbesetzung der Weideflächen mit Vieh seit Jahren zur Überweidung geführt und damit wesentlich zu der für die äthiopische Landwirtschaft und Ernährungslage verhängnisvollen Bodenerosion beigetragen. Die Tiere seien von der derzeitigen Dürrekatastrophe in gleichem Maße betroffen wie die Menschen, da es in den Hungergebieten keine Futtermöglichkeiten mehr gibt. Es sei daher sinnvoll, das Vieh für den Export zu nutzen, um auf diese Weise schnell lebenswichtige Güter wie medizinische Geräte und Düngemittel von Ägypten importieren zu können.
Der zur Katastrophenbekämpfung mögliche Beitrag durch Notschlachtungen von Tieren bleibe erheblich zurück hinter dem insoweit erzielbaren Nutzen der erwähnten importierten Produktionsmittel und medizinischen Hilfsgüter. Dieser bei allen sachkundigen westlichen Beobachtern und auch in der Mediendokumentation im wesentlichen unstreitige Sachverhalt bietet keine Grundlage, der äthiopischen Regierung die Absicht verantwortungslosen Handelns zu unterstellen.
In diesem Licht verdient die Feststellung der äthiopischen Regierung Verständnis, wonach es nicht angängig sei, daß Äthiopien im Hinblick auf seine Dürrekatastrophe nunmehr jedweden Handel einstelle. Die äthiopische Regierung müsse vielmehr versuchen, sich im Wege des Handelsaustauschs dringend benötigte Güter zu beschaffen und dafür andere Güter herzugeben, die sie eher entbehren könne.
Daher erwägt nach unserer Kenntnis auch keiner unserer westlichen Partner eine Intervention in dieser Sache.