Rede von
Werner
Broll
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir regeln in dem Gesetz zur Begrenzung der Nebentätigkeit sehr unterschiedliche Sachverhalte. Da ist der Polizeibeamte, der mit seinem Privatwagen eine Werbung für seine Privatfirma durchführt, während der Dienstzeit auf den Dienstparkplatz fährt und jedermann sichtbar dokumentiert, daß er nebenbei noch einen anderen Job hat. Da ist der Vorsteher eines Finanzamtes, der an einigen Wochenenden des Jahres im Bereich der Fortbildung des Steuerbeamtennachwuchses tätig ist, also auch Nebentätigkeit ausübt. Da ist der Chefarzt, der eine städtische Klinik leitet, aber in der Regel in der Klinik eine Privatpraxis mit Genehmigung seines Dienstherrn unterhält. Da
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ist ein Elektromeister der Post, der eine ganze Kolonne von Kollegen privat damit beschäftigt, Installationen, elektrische Einrichtungen in Privathäusern durchzuführen; da er in der Handwerkerrolle steht, ist er auch berechtigt, die Installation abzunehmen. Und da ist schließlich z. B. der Professor, der große Gutachten für die Anhörung im Bundestag schreibt. Auch er übt Nebentätigkeit aus.
Es gibt mancherlei Neid in diesem Zusammenhang innerhalb des öffentlichen Dienstes und von außerhalb gegenüber dem öffentlichen Dienst. Es gibt sehr viel Arger unter den Kollegen und sehr viel Arger von Selbständigen und abhängig Tätigen in der freien Wirtschaft wegen dieser Erscheinungen innerhalb eines Teils des öffentlichen Dienstes, so daß es nötig gewesen ist, das Gesetz zu novellieren und gewisse Bestimmungen zu klären und zu verschärfen.
Wir stehen dabei zwischen zwei Grenzen. Die eine Grenze ist die Bestimmung des Beamtengesetzes, daß sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat, und zwar rundherum und grundsätzlich ohne Beschränkung. Da ist andererseits der Art. 2 des Grundgesetzes, der von höchsten Gerichten so ausgelegt wird, daß auch der Beamte das Recht hat, außerhalb seiner Dienstzeit mit seiner Arbeitskraft zu machen, was er will.
In diesen beiden Grenzen bewegen wir uns, und Sie können sich vorstellen, daß die Entscheidung nicht leicht ist.
Zu den Motiven, aus denen die Regelungen nötig geworden sind, gehört zunächst der Arbeitsmarkt. Die Lage ist im Augenblick so, daß wir nicht wünschen, daß in Amt und Würden befindliche Beamte, Angestellte oder Arbeiter des öffentlichen Dienstes als Konkurrenten auftreten, da es über 2 Millionen Arbeitslose gibt, besonders nicht dort, wo mancher freiberuflich Tätige große Schwierigkeiten hat, überhaupt noch eine Existenz durchzuhalten,
noch dazu in Konkurrenz mit Beamten, die teilweise bisher infolge schlechter Dienstaufsicht dienstliche Einrichtungen benutzen und deswegen ihre Leistungen viel billiger als der Selbständige anbieten können.
Das zweite Motiv war das, das uns im Innenausschuß vorwiegend bewegt hat: Wir wollen den öffentlichen Dienst so halten und bewahren, daß jeder Beamte dem § 54 des Beamtengesetzes gerecht wird: daß er mit voller Hingabe und ganzer Kraft, auch geistiger Energie, im Dienst arbeitet und nicht seine dienstlichen Pflichten als Job ansieht und sein Hauptinteresse gar etwa auf die Nebentätigkeit richtet. Wir wollen, daß das Ansehen des öffentlichen Dienstes, j a ich möchte sogar sagen: die Sauberkeit des öffentlichen Dienstes gewahrt oder wiederhergestellt wird. Denn es gibt im Bereich der Nebentätigkeiten auch Erscheinungen, die gefährlich sind, wenn nämlich Beamte, deren Kollegen in den Behörden hoheitlich tätig sind, im gleichen Bereich etwa Privatanbieter von Leistungen sind. Im Baugewerbe ist so etwas üblich, wenn auch — das wissen wir — viele Baufirmen in Zeiten der Hochkonjunktur selber dazu beigetragen haben, daß solche Beamte an Nebentätigkeiten gewöhnt worden sind, indem man sie beschäftigt hat. Aber die Lage ist anders geworden.
Neid war kein Motiv der Politiker, die sich mit diesem Gesetz zu beschäftigen hatten; und er wäre auch ein schlechter Ratgeber gewesen.
Es ist paradox, daß in einer Zeit, in der manche nach immer stärkerer Verkürzung der Arbeitszeit drängen, viele Mitbürger durchaus Freude an Arbeit, auch Beamte Freude an Mehrarbeit haben, selbst dann, wenn sie „zufällig" mit etwas Nebenverdienst verbunden sein könnte, obwohl vom Begriff des Beamten her der Drang nach Verdienst eigentlich gar nicht möglich sein sollte.
Wir haben sehr hilfreiche Ratschläge von einigen mitberatenden Ausschüssen bekommen. Der Finanzausschuß etwa riet uns, die Gesetze lockerer zu machen. Er hatte Befürchtungen, daß etwa Professoren gehindert sein könnten, bei Drittmittelforschung tätig zu sein oder den Kontakt zur Praxis rechtzeitig zu halten.
Gegenteilige Tendenzen kamen vom Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Er empfahl uns, die Nebentätigkeit aus Arbeitsmarktgesichtspunkten überhaupt zu verbieten und sogar Verdienst aus Nebentätigkeit auf das Gehalt anzurechnen —
ein unbrauchbarer Vorschlag;
denn wenn etwas genehmigt ist, also rechtmäßig gearbeitet wird, hat der Staat nicht das Recht, in die privaten Verhältnisse eines solchen Bürgers einzugreifen, sei er Beamter oder nicht Beamter. Ein eigentümliches Staatsverständnis, muß ich sagen, steckt hinter einem solchen Vorschlag.
Verbände und Gewerkschaften hatten die Befürchtung, daß Verbands- und gewerkschaftliche Tätigkeit in ihrer Art von den Vorgesetzten kontrolliert werden könnte. Das wäre weder richtig noch wollen wir so etwas. Das Gesetz nimmt gewerkschaftliche Tätigkeit selbstverständlich ausdrücklich aus, es sei denn, daß Dienstpflichtverletzungen vorliegen. Dienstpflicht ist für jeden Beamten, auch für den gewerkschaftlich engagierten, das Oberste.
Ich hoffe, daß wir auch angesichts der sehr langen Beratung — viel längere Zeit haben wir gebraucht, als man für so wichtige Dinge wie Rentenreform oder Steuerreform üblicherweise in diesem Haus braucht — etwas Vernünftiges zustande gebracht haben.
Den Vorschlag der SPD-Fraktion allerdings, arbeitsmarktpolitische Gründe im Gesetz für die Möglichkeit der Verweigerung von Nebentätigkeit anzuführen, konnten wir nicht annehmen, weil wir diesen Vorschlag nicht für praktikabel halten. Erstens ist es für Dienstvorgesetzte schlechterdings nicht möglich, die Beschäftigungs- oder Verdienstlage etwa freier Berufe zu beurteilen. Zweitens konnten wir das deshalb nicht tun, weil wir die —
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gegenwärtig nicht günstige — Arbeitsmarktlage für ein vorübergehendes Phänomen halten. Wir wollen aber ein Dienstrecht haben, das auch dann gelten kann, wenn sich diese Verhältnisse ändern. So waren wir bemüht, dienstliche Interessen, dienstliche Prinzipien in unserem Gesetz voranzustellen. Daraus ergeben sich einige Regeln, die wir in diesem Gesetz neu getroffen haben.
Erstens. Kein Beamter darf Nebentätigkeit in Zukunft mehr in einem Bereich ausüben — gemeint ist der räumliche und auch der fachliche Bereich —, in dem seine Behörde tätig ist oder tätig werden könnte. Bestimmte schlimme Erscheinungen, z. B. im Bereich des Bauwesens, der Vermessungsämter usw., auch der Steuerverwaltung, soll es in Zukunft nicht mehr geben.
Zweitens. Wir haben die geringe Zahl der Nebentätigkeiten, die genehmigungsfrei sind, ausdrücklich erwähnt. Selbstverständlich sind wissenschaftliche Vorträge, künstlerische Tätigkeit usw. genehmigungsfrei. Es gibt manche Dinge, die man nur dann ausüben kann und die auch nur dann verlangt und gewünscht werden, wenn der Betreffende die Kompetenz und die Autorität hat. Bestimmte wissenschaftliche, künstlerische und sonstige Leistungen kann manchmal eben nur ein bestimmter Gelehrter, ein bestimmter Beamter im Staatsdienst erbringen und sonst keiner. Das ist volkswirtschaftlich erwünscht und wird nicht verboten.
Drittens. Wir haben im Gesetz verankert, daß keine Nebentätigkeit mehr als ein Fünftel der üblichen Dienstzeit umfassen darf, weil wir annehmen, Nebentätigkeit, die über diese Grenze hinausgeht, hindert den Beamten, seine ganze Kraft dem Staate zu widmen. Wir haben ein Verbot von Nebentätigkeit für diejenigen Beamten ins Gesetz aufgenommen, die im Hinblick auf später vielleicht lukrative Tätigkeit vor ihrer Pensionierung bereits im Dienst mit sehr schwierigen Entscheidungen, etwa Bestellungen bei Firmen usw., befaßt sind. Wir wollen nicht, daß auch nur der Hauch von Bestechlichkeit oder Korruption auf dem öffentlichen Dienst liegen könnte, hervorgerufen durch die Vermutung, jemand habe während des Dienstes in seiner hoheitlichen Entscheidung für eine Firma in der Erwartung etwas Gutes getan, daß er nach der Pensionierung dort noch für einige Jahre einen lukrativen Job bekommen könnte.
So hoffe ich, daß wir ein insgesamt brauchbares, handhabbares, aus dem Dienstrecht heraus strukturiertes Gesetz geschaffen haben. Ich fordere nun erstens die öffentlich Bediensteten auf, sich persönlich nach dem Wortlaut und den Zielen dieses Gesetzes zu richten, und zweitens die Dienstvorgesetzten, dieses Gesetz auch konsequent anzuwenden. Dann bietet es eine gute Handhabe, um Mißbräuchen vorzubeugen.