Rede von
Dr.
Herbert W.
Köhler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte heute unserer Kollegin Hamm-Brücher einen Gefallen tun und sie bei dem Versuch unterstützen, die Parlamentsreform etwas voranzutreiben. Leider hat sie in diesem Augenblick das „Lokal" verlassen, was ich bedaure. Ich will nämlich frei sprechen; ich benutze nicht einmal Notizen. Daher bitte ich um Nachsicht, wenn das nicht alles so gut geht, wie man es sich vorstellt bei einer Rede, die schön abgelesen wird. Ich habe die berufliche Erfahrung gemacht — die berufliche nur —, daß man das, was man nicht im Kopf hat, anderen Menschen nur sehr schwer an den Verstand bringen kann. Ich nehme Sie natürlich alle ausdrücklich aus.
Ich fange mit dem Thema an. Anders als das System, das wir uns Laisser-faire, Laisser-aller zu nennen angewöhnt haben — meistens mit etwas negativem Beiklang —, ist die Soziale Marktwirtschaft ein System, in dem eine Reihe von Grundentscheidungen ordnungspolitischer Art gefällt werden, die sicherstellen, daß die im übrigen freie Entfaltung der betroffenen Unternehmen an Kriterien gebunden ist, die dem volkswirtschaftlichen und gemeinwohlabhängigen Rahmen entsprechen. Das gilt aber nicht nur für die gewerbliche Wirtschaft — dazu will ich mich hier ganz kurz fassen —, sondern das gilt auch für Geld und Kredit.
Das Geld — ein sehr sensibles Gebiet, ebenso wie das Gebiet der Kreditvergabe — ist ordnungspolitisch im Bundesbankgesetz geregelt. Das Wichtigste dabei ist: das Bundesbankgesetz garantiert der Bundesbank die volle Unabhängigkeit von der jeweils wechselnden Regierungsmehrheit und verpflichtet sie zugleich bei ihrer Geldumlaufpolitik auf das Ziel der Geldwertstabilität. Das ist also ein Gesetz von hohem ordnungspolitischem Rang.
Heute ist insofern ein historischer Tag, als wir gewissermaßen über das Grundgesetz des Kreditwesens zu entscheiden haben, indem wir das geltende Gesetz novellieren. Ich möchte das ganz besonders hervorheben. Wir sind ja geübt in einer großen Zahl von Maßnahmegesetzen, die wir jeden Tag hier verabschieden. Dieses Gesetz unterscheidet sich qualitativ von diesen anderen Formen der Gesetzgebung, weil es den Rahmen für die deutsche Kreditwirtschaft bestimmt und gleichzeitig sicherstellt, daß im übrigen die freie Bewegungsfähigkeit der Kreditinstitute nicht beeinträchtigt wird, also nicht dirigistisch in Einzelentscheidungen der jeweiligen Unternehmer oder Kreditinstitute eingegriffen wird.
Es ist natürlich verlockend, nun auch noch das historische Datum zu nennen. Es ist der 6. Dezember, und zu Haus werden wir ja heute abend
noch etwas von Nikolaus und Sankt Ruprecht zu hören haben.
Ich werde mich nicht allzulange bei diesem ja etwas an den Haaren herbeigezogenen Vergleich aufhalten, obwohl es verlockt, auch dazu etwas zu sagen. Ich höre damit auf und fange damit an, zu sagen, warum das gegenwärtige Kreditwesengesetz geändert werden mußte. Denn das ist ja die wichtigste Frage, die man sich stellen muß, wenn wir uns an sparsame Gesetzgebung gewöhnen wollen.
Nun, die Reformbedürftigkeit besteht schon fast ein Jahrzehnt, und zwar aus zwei Gründen. Im Inland gab es, man kann sagen, relativ gut verteilt auf alle Arten von Instituten, große Schwierigkeiten. Ich nenne Landesbanken, ich nenne Privatbanken, aber ich nenne auch Genossenschaftsbanken, bei denen es große Schwierigkeiten gegeben hat. Das ist der eine Komplex, der begründet, warum Reformbedürftigkeit bestand.
Das Zweite betrifft die Aktivitäten, in der Hauptsache von Landesbanken, von größeren Landesbanken und von Privatbanken im Ausland. Wie Sie wissen, hat das Gesetz es zugelassen — und davon haben die Landesbanken und Privatbanken auch in reichlichem Maße Gebrauch gemacht —, über in-und ausländische Tochtergesellschaften Kreditpyramiden aufzubauen, die keinerlei angemessene Beziehung mehr zu der Eigenkapitalversorgung des Gesamtinstituts hatten. Diese beiden Gründe machten die Reformbedürftigkeit dringlich.
Nun hat sich eine Strukturkommission damit beschäftigt, und wir haben auch eine EG-Richtlinie auf diesem Gebiete. Wir haben hier auch eine ganze Reihe von Entwürfen schon der alten Regierung zu sehen gekriegt. Da gibt es aber die alte parlamentarische Regel: alle Entwürfe werden Makulatur, wenn sie keine Mehrheiten bekommen. Deswegen können wir sie beiseite legen.
Nach dem Regierungswechsel hat es die Bundesregierung sofort unternommen, ein Gesetzgebungsverfahren in Gang zu setzen. Wir haben — wenn ich die Methoden der Beratung betrachte — über ein Jahr lang diese Gesetzesnovellierung sehr gründlich besprochen. Wir — und zwar die Kollegen aller Parteien — haben im Finanzausschuß wirklich das
8082 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Dezember 1984
Dr. Köhler
äußerste an sachlicher Verbesserungsdiskussion getan. Ich kann da alle Beteiligten nur loben. Ich nehme allerdings — mit Verlaub — die GRÜNEN aus. Deren Realitätssinn ist so ausgebildet, daß sie mit beiden Beinen fest in der Luft stehen. Das macht es natürlich etwas schwieriger, sich mit ihnen sachlich auseinanderzusetzen. Aber was die große Oppositionspartei anbetrifft, möchte ich hier ausdrücklich erwähnen, daß wir in großer Sachlichkeit beraten haben.
Wir haben alle, die unmittelbar vom Gesetz betroffen sind, gehört. Es gehört dazu, daß ich in diesem Zusammenhang an einem solchen historischen Tag — das ist jetzt der Nikolaus-Teil — einigen Dank ausspreche und den Dank mit einem hohen Lob verbinde. An die Spitze gehört der Finanzminister. Es war seiner Führungskraft zu verdanken, daß das Gesetz wirklich so zügig und mit diesem Ergebnis beraten worden ist. Die Gruppe, die ich hier zweitens loben möchte, sind die Sachverständigen des Ministeriums, der Bundesbank und der Aufsichtsbehörde die ihren Sachverstand eingebracht und uns bei den Beratungen sehr geholfen haben.
Kein Betroffener kann sich darüber beklagen, daß er nicht ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Wir haben ein öffentliches Hearing veranstaltet und eine große Zahl von Eingaben geprüft. Ich habe es nicht genau gemessen, aber wenn man die Protokolle des Hearings und die Eingaben aufeinanderschichtet, kommt man schon ganz gut auf zwei Meter Papier. Das sagt auch etwas über das Engagement der Beteiligten, das übrigens noch bis heute früh angehalten hat. Alle Beteiligten an diesem Geschäft sind gestern, vorgestern und noch heute vormittag mit dem Nötigen versorgt worden, damit sie hier eine weise Entscheidung treffen.
Was ist der Inhalt dieser Entscheidung? Die Bundesregierung hat die Ergebnisse der Strukturkommission überprüft und zwei wichtige Entscheidungen gefällt: erstens hält sie die Konsolidierung für eilbedürftig und zweitens meint sie, ein Handlungsbedarf für andere Fragen der Struktur sei nicht vorhanden, wobei ich offenlasse, ob man das mit dem Wort „gegenwärtig" verbindet.
In den Beratungen ist allerdings eine wesentliche Ergänzung in das Gesetz aufgenommen worden. Ich leugne für meine Person nicht — aber ich sage das auch für viele andere hiervon Betroffene —, daß es sehr schwer geworden wäre, den Wunsch der Sparkassen abzuwehren, einen Haftungszuschlag vorzusehen, wenn es nicht gelungen wäre, zweierlei zu tun. Erstens wurde in das Gesetz die Möglichkeit einer anderen Art von Eigenkapitalbildung aufgenommen, nämlich die sogenannten Genußrechte, die sich übrigens vom haftenden Kapital hinsichtlich der Haftung und der Gewinn- und Verlustteilnahme in gar nichts von normalem Eigenkapital unterscheiden, aber wohl einen wesentlichen Unterschied in sich tragen: Sie sind gewissermaßen wie stimmrechtslose Aktien nur an Gewinn und Verlust und Haftung beteiligt, haben aber keine Mitwirkungsrechte. Das ist ein wesentlicher Unterschied, insbesondere was die Argumentation aus bestimmten Bereichen der Kommunalpolitik hinsichtlich der Befürchtung angeht, die Sparkassen könnten ihre Selbständigkeit verlieren oder den Anfang einer Privatisierungsentwicklung durchmachen.
Das zweite war, daß der Finanzminister im Finanzausschuß zu Protokoll gegeben hat, er werde mit dem Inkrafttreten des Gesetzes gleichzeitig von seiner Ermächtigung Gebrauch machen, den Haftsummenzuschlag der Genossenschaften in einer sehr komfortablen Übergangszeit von heute 50 auf dann 25% zu halbieren.
Ich finde, wenn ich mich jetzt an die Bewertung mache, daß dies ein Gesetz ist, mit dem alle Beteiligten leben können. Gleichzeitig verhindert es aber nicht das Ziel der Konsolidierung. Durch die Möglichkeit, normales Eigenkapital neu aufzunehmen oder über die Genußrechte zu anderen Formen des Eigenkapitals zu kommen, setzt es vor allen Dingen die Landesbanken und natürlich die Privatbanken instand, ihre Kreditvergabe nicht einschränken zu müssen. Das ist sehr wichtig. Wir brauchen diese Kreditinstitute nicht nur zu Finanzierung der Expansion der Wirtschaft im Inland, wir brauchen sie auch zur Förderung des Exports. Aber wir brauchen sie auch für die Mithilfe bei der Umschuldung von vielen Ländern der Welt in Ost und Süd, wenn ich das einmal so allgemein apostrophieren darf.
Insofern bin ich persönlich der Meinung, daß das ein wohlgelungenes Werk ist, das es verdient, auch eine längere Zeit in Kraft zu bleiben, weil nämlich nur diese längere Zeit die Beteiligten instand setzt, ihre unternehmerischen Entscheidungen an diesen neuen Rahmenbedingungen langfristig zu orientieren.
Was nun die Anträge der SPD betrifft
— also, da kommt der Sankt Ruprecht nicht der Nikolaus —, so muß ich sagen, daß dies der Sankt Ruprecht etwas anders beurteilt, als Sie es erwarten. Deswegen kann ich namens der Fraktion — Einzelheiten wird mein Kollege von Wartenberg dazu noch zu sagen haben — nur sagen: — —