Rede von
Rainer
Haungs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst dem Herrn Kollegen Antretter kurz antworten, der die Feststellung getroffen hat, die Bürger glaubten uns, der CDU, nicht, deshalb glaubten sie Ihnen, und deshalb schlage die SPD sicherlich bei allen Wahlergebnissen neue Rekorde. So glaubwürdig sind Sie in Ihrer Politik!
Meine Damen und Herren, leistungsfähige Verkehrswege gehören zu den Voraussetzungen einer Industriegesellschaft. Es ist deshalb logisch, wenn die GRÜNEN einen Stopp des Bundesfernstraßenbaus beschließen wollen. Wer nicht weiß oder nicht wissen will, wie eine Arbeitsteilung der Volkswirtschaft funktioniert, tut sich mit solchen Anträgen nicht schwer.
Es soll nach dem Wunsch der GRÜNEN festgestellt werden, daß das bestehende Fernstraßennetz für den heutigen Verkehr ausreicht und deshalb auf einen weiteren Ausbau verzichtet werden kann. Dies gilt aber sinnigerweise nicht nur für den Neubau, sondern auch der Ausbau soll eingestellt werden. Selbst der Bau von Ortsumgehungen, für viele lärm- und abgasgeplagte Mitbürger ein dringender Wunsch,
ist nach dem Willen der GRÜNEN nur noch unter sehr restriktiven Bedingungen möglich. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, macht ziemlich klar, wie utopisch die Verkehrspolitik der GRÜNEN angelegt ist
und wie wenig sie sich um die Fakten und Wünsche unserer Mitbürger kümmern.
Ich hätte mir an dieser Stelle schon ein klares Wort des Kollegen Antretter gewünscht, ob seine „realistische Politik", die in der Vergangenheit in der Regel aus Kürzungen von Verkehrsinvestitionen bestand, hier den GRÜNEN folgt oder worin der neue „Realismus" und der angekündigte „Mut"
bestehen. Doch sicherlich wird er uns darüber im Ausschuß Auskunft geben.
Die Zahl der Pkws steigt. Sie stieg von Mitte 1982 bis Mitte 1983 um knapp eine halbe Million auf 24,6 Millionen Fahrzeuge. Sie wird allen Prognosen nach von heute ca. 25 Millionen auf 31,5 Millionen Fahrzeuge im Jahr 2000 weiter zunehmen. 20 % mehr Fahrleistungen werden bei den Pkws erwartet; der Straßengüterverkehr soll nach den Prognosen um bis zu 47 % zunehmen. Es gibt wenig Grund, an diesen Prognosen zu zweifeln. Wer dann — wie die GRÜNEN — von einer Stagnation im Straßenverkehr spricht, weist schon einen erheblichen Verlust an Realitätssinn auf.
Wer mit offenen Augen auf unseren Straßen fährt, sieht, daß unsere Bevölkerung in einem nie gekannten Maß mobil ist. Gerade die junge Generation betrachtet die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges als selbstverständlich, und dies sicherlich unabhängig von ihrer politischen Einstellung.
Es darf deshalb keinen Stopp beim Straßenbau geben. Unsere politischen Anstrengungen müssen vielmehr verstärkt dahin gehen, das Straßennetz entsprechend dem Bedarfsplan weiter auszubauen.
Man kann in diesem Zusammenhang durchaus einmal der oft wiederholten, aber dadurch nicht besser gewordenen Behauptung entgegentreten, daß in der Bundesrepublik unvertretbar große Flächen vom Verkehr genutzt würden. Es sind ganze 0,15 % für Bundesautobahnen, 0,19 % für Bundesfernstraßen, insgesamt nicht mehr als 1,3 % des Bundesgebietes, die für den Verkehr genutzt werden.
Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist es unerläßlich, daß die Bundesautobahnen ergänzt, ausgebaut, modernisiert werden. Die deutschen Autobahnen sind Verkehrswege von hoher Leistungsfähigkeit und Sicherheit. Mehr als ein Viertel aller Fahrleistungen werden auf ihnen erbracht. Wenn dies so ist, daß sie mit Abstand die sichersten Straßen sind, obwohl dieser Straßentyp der einzige ist, für den kein starres Tempolimit erlassen wurde, kann der Sinn einer sicheren Verkehrspolitik nicht darin bestehen, hier zu stoppen.
Ich bin mit dem Kollegen Antretter einig, daß wir bei der Diskussion über Verkehrspolitik vor allem an die Sicherheit, vor allem an die viel zu hohe Zahl von 11 715 im Jahr 1983 im Straßenverkehr Getöteten denken müssen. Aber wir müssen in diesem Zusammenhang sehen, daß es auf den Autobahnen bei über 25% der Verkehrsleistung nur 877 Tote waren, auf Landstraßen mit Tempolimit 6 568 und in der Stadt 4 270. Alle, die heute — aus welchen Gründen auch immer — ein starres Tempolimit fordern, sollten bedenken, daß bei Verlagerungen des Verkehrs auf ein nachgeordnetes Straßennetz das Risiko einer Erhöhung der Zahl der Unfälle mit Personenschäden auf bis das Dreizehnfache, der Zahl der Getöteten auf mehr als das Vierfache befürchtet werden muß. Auch dies wäre eine sehr ern-
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ste Seite der gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs, die nach dem Willen der GRÜNEN heute diskutiert werden sollen.
Die meisten schweren Unfälle, nämlich 74 % der Unfälle mit schwerem Sachschaden und 69 % der Unfälle mit Personenschaden, ereigneten sich 1982 innerorts. 1982 verunglückten 93 % aller Fußgänger innerhalb von Ortschaften; bei Krafträdern waren es 71 %, bei Pkw 50 %. Das Risiko zu verunglücken ist hingegen auf Ortsumgehungen ca. 30 % geringer als innerorts. Deshalb sollten wir für die Zukunft mit großer Entschiedenheit Ortsumgehungsmaßnahmen durch Wort und Tat fördern und nicht — wie viele Umweltschützer — behindern.
Es ist für uns selbstverständlich, daß die Belange des Umweltschutzes rechtzeitig, schon im Planungsstadium, mit einbezogen werden. Es geht also nicht um das „Ob" neuer Verkehrswege, sondern um das „Wie" der Ausführung und um die Umweltverträglichkeit von Erschließungsmaßnahmen. Es mag durchaus sein, daß hier die Planung mehr gefordert wird als früher, und es ist sicherlich so, daß es Fälle gibt, in denen die Straßenplaner nicht die optimale Anpassung an Natur und Landschaft. gefunden haben.
Ich halte es für unklug und kurzsichtig, wenn bei der Verkehrsdiskussion versucht wird, das Auto gegen die Eisenbahn auszuspielen und sogar — wie heute — das Fahrrad als ernsthafte Alternative zu erwähnen. Wenn gegen das Auto polemisiert wird, so muß jedes Argument herhalten. Es ist deshalb zu begrüßen, wenn die Bundesregierung in Beantwortung der Anfrage nach den Kosten des Autoverkehrs lapidar bemerkt, daß der Kraftfahrzeugverkehr unbestreitbar Vorteile und Nachteile mit sich bringt. Die Vorteile sind uns allen bekannt. Selbst die GRÜNEN fahren in Bonn nicht mit dem Fahrrad, sondern bedienen sich eines sicherlich nicht sehr umweltfreundlichen, weil stinkenden Autos.
Es heißt, die Dinge ökonomisch auf den Kopf stellen, wenn man weiß, daß allein 23 Milliarden DM an Mineralölsteuer gezahlt werden, die GRÜNEN aber in ihren Fragen den Eindruck zu erwecken suchen, die braven Benutzer der Bundesbahn und des öffentlichen Personennahverkehrs bezahlten durch ihre Fahrpreise und ihre persönlichen Steuern den habgierigen Autofahrer. Ich glaube schon, daß sich durch Wegekostenberechnungen ziemlich eindeutig beweisen läßt, daß die Kosten verursachungsgerecht belastet werden.
Bleiben die sogenannten gesellschaftlichen Kosten, über die man durchaus reden kann. Der Bericht des Bundesverkehrsministers über Unfallverhütung im Straßenverkehr zeigt eindeutig, was getan wurde und was noch getan werden muß, um weniger Unfälle, weniger Verkehrstote und weniger Lärm oder Abgase zu erreichen.
Ich habe versucht, kurz darzulegen, daß Straßenbaumaßnahmen jeglicher Art — natürlich auch Radwege — dazu gehören. Mehr Straßenbau, gezielt an Unfallschwerpunkten, konzentriert auf
Ortsumgehungen, heißt mehr Verkehrssicherheit. Verkehrssicherheit ist nicht in erster Linie abhängig von der Zahl der Vorschriften und Verkehrsschilder, sondern von der Qualität der Verkehrswege und der Vernunft und Einsicht der Verkehrsteilnehmer. Die Vernunft gebietet es, die Verkehrsströme soweit wie möglich auf jene Straßen, nämlich die Autobahnen, zu lenken, die ein Höchstmaß an Sicherheit bieten.
Wer sich um Arbeitsplätze sorgt, darf den Aspekt der Produktion und des Exports unserer Fahrzeuge, die deshalb einen hohen Sicherheitsstandard haben, nicht vernachlässigen. Wer allerdings am liebsten ganze Industriezweige stillegen möchte wie Sie von den GRÜNEN, läßt hunderttausend Arbeitnehmer für sein pathologisches Verhältnis zum Auto büßen.
Für die Scheinheiligkeit der Argumentation ist es auch bezeichnend, daß in der jetzigen Umweltschutzdiskussion gerade diejenigen schärfere Gesetze, Überwachungen und Vorschriften wollen, die sonst in der täglichen Praxis ganz locker mit Gesetzesüberschreitungen umgehen.
Wer die Umwelt von Schadstoffen aus Kraftfahrzeugen weitgehend befreien will, muß die Abgase der neuen und der im Verkehr befindlichen Autos drastisch reduzieren.
Dafür stehen die technischen Mittel heute zur Verfügung. Man muß die SPD fragen: Warum wissen Sie in der heutigen Diskussion dies alles, warum aber haben Sie keinerlei Initiative ergriffen, auch nicht bei der Umrüstung vorhandener Fahrzeuge, als Sie die Verantwortung hatten?
Ich komme zum Schluß. Der Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung des schadstoffarmen Personenkraftwagens will durch kräftige steuerliche Anreize möglichst vielen Autofahrern die Anschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge erleichtern.
— Doch, die gibt es.
Sie können doch nachher versuchen, das Gegenteil zu beweisen.
Auch die Umrüstung von Altwagen hat eine wesentliche Herabsetzung der Schadstoffemissionen zum Ziel, ohne daß sich der Benzinverbrauch wesentlich erhöht.
Warum die SPD und die GRÜNEN den Großversuch ablehnen, ist mir unerklärlich. Es kann nur so sein, daß die GRÜNEN wie immer von vornherein die Ergebnisse des Versuchs kennen, so nach dem
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Motto: Vor Beginn muß das Ergebnis feststehen. Große Enttäuschung breitet sich regelmäßig aus, wenn eine vorher angekündigte Katastrophe nicht eintritt.
Ich möchte auch korrigieren: Es sind keine — —