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ID1010408800

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    Plenarprotokoll 10/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 Inhalt: Benennung des Abg. Bohl als Stellvertreter im Wahlprüfungsausschuß 7629 A Wahl des Abg. Bohl zum ordentlichen Mitglied und des Abg. Seiters zum Stellvertreter im Vermittlungsausschuß 7629 A Nachträgliche Überweisung zweier Vorlagen an Ausschüsse 7629 B Begrüßung der Knesset-Abgeordneten Frau Shulamit Aloni 7640 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250 —Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/2306, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/2326, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 10/2324 — Schäfer (Offenburg) SPD 7630 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 7634 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 7637 D Frau Seiler-Albring FDP 7640 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 7643A Dr. Nöbel SPD 7647 D Dr. Riedl (München) CDU/CSU 7651C Dr. Hirsch FDP 7654 C Kühbacher SPD 7656D, 7662 A Dr. Laufs CDU/CSU 7659 A Baum FDP 7663A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 10/2307, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 10/2316, 10/2330 — Dr. Emmerlich SPD 7664 B Austermann CDU/CSU 7666 C Frau Reetz GRÜNE 7669 D Kleinert (Hannover) FDP 7672 B Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 7674A Frau Nickels GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 7675C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/2311, 10/2330 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten — Drucksache 10/2103 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/2401 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/2492 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen 10/2315, 10/2330 — Frau Fuchs (Köln) SPD 7676 C Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . 7681 D, 7721 C Frau Seiler-Albring FDP 7685 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7687 C Glombig SPD 7691C Jagoda CDU/CSU 7696 A Hoss GRÜNE 7699 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 7703 C Peter (Kassel) SPD 7705 D Rossmanith CDU/CSU 7707 C Jaunich SPD 7710 A Eimer (Fürth) FDP 7714 B Deres CDU/CSU 7716 B Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7717 C Dr. Diederich (Berlin) SPD 7721 D Frau Schoppe GRÜNE 7723 B Frau Kelly GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 7723C Namentliche Abstimmung 7725 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/2321, 10/2330 — Zander SPD 7727 B Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7729 D Frau Dr. Bard GRÜNE 7732 C Kohn FDP 7735 B Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 7737 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/2322, 10/2330 — Dr. Rose CDU/CSU 7740 C Dr. Diederich (Berlin) SPD 7743 B Neuhausen FDP 7746 B Dr. Jannsen GRÜNE 7749 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7751 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 10/2319, 10/2330 — Purps SPD 7753 D Echternach CDU/CSU 7756 D Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 7759 D Grünbeck FDP 7762C Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 7764 C Nächste Sitzung 7769 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7771*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7771*C Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 7629 104. Sitzung Bonn, den 28. November 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 102. Sitzung: Auf Seite III, linke Spalte und auf den Seiten 7485 und 7486 ist jeweils bei den Anlagen 14, 15 und 16 statt „Parl. Staatssekretär Dr. Schulte" zu lesen: „Staatssekretär Bayer". Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 30. 11. Dr. Enders * 30. 11. Erhard (Bad Schwalbach) 30. 11. Ertl 28. 11. Dr. Faltlhauser 28. 11. Dr. Glotz 30. 11. Dr. Haack 29. 11. Haase (Fürth) * 28. 11. Hauser (Esslingen) 30. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 30. 11. Frau Huber 28. 11. Jung (Düsseldorf) 30. 11. Dr. Müller * 30. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 28. 11. Polkehn 30. 11. Frau Renger 30. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30. 11. Schmidt (Wattenscheid) 30. 11. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 11. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 28. 11. Dr. Spöri 30. 11. Dr. Sprung 30. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 11. Vahlberg 30. 11. Vosen 30. 11. Weirich 28. 11. Weiskirch (Olpe) 30. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 13 Titel 656 03 - Zuschuß des Bundes an die knappschaftliche Rentenversicherung - (Drucksache 10/2288) zuständig: Haushaltsausschuß Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. November 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt: Gesetz über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1984 (Nachtragshaushaltsgesetz 1984) Drittes Gesetz zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 14. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Stimulierung von Zusammenarbeit und Austausch im wissenschaftlichen und technischen Bereich in Europa, Plan 1985-1988 (Drucksache 10/1510 Nr. 10) Vorschlag für einen Beschluß des Rates für ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm im Bereich der Optimierung der Erzeugung und Verwendung von Kohlenwasserstoffen 1984 bis 1987 (Drucksache 10/1691 Nr. 23) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 14. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Prüfung der Anhebung der Renten wegen Contergan-Schadensfällen (Drucksache 10/1651) Der Vorsitzende des Rechtsausschusses hat mit Schreiben vom 26. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu Überfällen auf Lastkraftwagen und Diebstählen von innerhalb der Gemeinschaft beförderten Gütern (Drucksache 10/936)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will ohne alle Umschweife direkt zur Sache kommen. Wenn wir den Pulverdampf verziehen lassen und als Rabatt auch in Rechnung stellen, daß die Opposition in der Versuchung ist, die Lage schlechter darzustellen, als sie ist, und die Regierung in der Versuchung ist, die Lage besser darzustellen, als sie ist, kann man, meine ich, doch sagen: Den Rentnern geht es im allgemeinen gut.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Och, Herr Blüm! — Gegenruf des Abg. Kolb [CDU/CSU]: Sie werden bald Rentnerin aus dem öffentlichen Dienst!)

    — Doch! Meine Damen und Herren, ich will das j a gar nicht als besondere Leistung herausstellen. Denn die Rentner haben sich ihre Rente selber verdient. Sie müssen niemandem „Danke schön" sagen,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    weder der Opposition noch der Regierung. Das ist ihre Leistung. Es ist ja — das wollen wir nicht vergessen — eine Generation, die das meiste von dem mitgemacht hat, was es in diesem Jahrhundert zu erleben gab: zwei Weltkriege, zwei Inflationen, Vertreibung, Flüchtlingselend, Bombennächte. Ich denke, sie haben es in mehrfachem Sinne verdient, daß sie eine ausreichende Rente haben. Sie haben unser Land — wie man in meiner Heimat sagt — für'n Appel und 'n Ei aufgebaut. Sie haben das vollbracht, was andere später das Wirtschaftswunder genannt haben. Das war kein Wunder, das war deren Arbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Damals waren die Untergangspropheten noch nicht Mode. Die Leute haben sich an die Arbeit gemacht. Untergangsprophetie ist ein neuer Spitzensport bei der SPD, wie ich höre. Sie wollen ihn offenbar zum Breitensport machen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich will ohne parteipolitischen Egoismus erwähnen: An diesem Rentensystem hat eine Generation großer Sozialpolitiker aus allen Parteien mitgewirkt. Ich erinnere an Männer wie Ernst Schellenberg, Ludwig Preller, Anton Storch, Theo Blank, Hans Katzer.
    Es bleibt dabei: Wir haben das höchste Rentenniveau der Nachkriegszeit, ausgenommen 1977 — damals lag das Niveau für kurze Zeit einige Zehntel Prozentpunkte höher. Wir haben diesen Rentenrekord — das ist ein Rekord — gleichzeitig mit einem Preisstabilitätsrekord. Was kann den Rentnern Besseres blühen? Im nächsten Jahr werden wir trotz niedriger Rentensteigerung nach 45 Versicherungsjahren immer noch ein Rentenniveau von 72,2 % haben. Das ist immer noch über 1 Prozentpunkt mehr als im Jahre 1980, mit dem Sie, die Sozialdemokraten, sich im Wahlkampf mit einem Rentenniveau von 71 % gebrüstet haben.
    Ich will nicht verschweigen, daß es nicht allen Rentnern gut geht. Aber für die Darstellung eines Katastrophengemäldes gibt es in der Tat keinen
    7688 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984
    Bundesminister Dr. Blüm
    Grund. Ich habe es nicht so gerne, wenn Katastrophenpolitiker zuerst den Untergang ausmalen, um anschließend als Lebensretter aufzutreten. Das ist eine Politik in Form von Selbsthilfe.
    Es ist ein Trugschluß, von jeder kleinen Rente auf Armut zu schließen. Kleine Rente heißt noch nicht Armutsrente. Ich nenne Zahlen, damit Sie mich nicht verdächtigen, ich würde schlimme Verhältnisse mit schönen Worten zudecken: 50,7 % der Rentner mit weniger als 600 DM Rente im Monat haben ein Gesamthaushaltsnettoeinkommen von monatlich über 2 000 DM. Mancher Familienvater mit vielen Kindern wäre froh, er könnte mit einem solchen Haushaltseinkommen leben. Ich sage nicht, die Rentner hätten sich das nicht verdient. Ich will nur die Proportionen darstellen. 78,4 %, über drei Viertel, der Kleinrentner mit einer monatlichen Rente unter 600 DM haben ein Gesamthaushaltsnettoeinkommen von über 1 000 DM. Frauen mit einer Rente bis 400 DM monatlich — das sind Kleinrentner — leben überwiegend in Haushalten mit einem Einkommen von 1 600 DM monatlich, Männer mit einem solchen von über 2 000 DM. Das ist der alte Unterschied zwischen Männern und Frauen, der seinen Grund nicht in der Rentenversicherung, sondern in der Lohndiskriminierung der Frauen hat. Dort ist die Wurzel gelegt.
    Meine Damen und Herren, ich habe heute schlimme Nachrichten von „Rente auf Pump" gehört. Ich will feststellen: Die heutigen Nachrichten aus dem Verband der deutschen Rentenversicherungsträger betrachte ich nicht als sachdienlich. Ich habe mich vor wenigen Stunden mit dem Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Klaus Hoffmann, unterhalten und mich vergewissert, daß es sich am heutigen Tag nicht um eine Kontenüberziehung von 500 Millionen DM handelt, sondern um eine solche von 275 Millionen DM, die am Freitag völlig ausgeglichen sein wird. Das ist sozusagen nur ein Tagesproblem. Ich denke, wir sollten hier gemeinsam für eine Beruhigung sorgen. Wer es anders macht, nimmt keine Rücksicht auf die Gefühle der Rentner. Wer keine Rücksicht auf die Gefühle der Rentner nimmt, sollte nicht soziale Politik für sich beanspruchen.

    (Pohlmann [CDU/CSU]: Wollen die ja nicht!)

    Ich will darauf aufmerksam machen, daß allein in einer Woche im November 500 Millionen DM an Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen für unsere türkischen Arbeitnehmer geleistet wurden, was ja für die türkischen Arbeitnehmer, die in die Heimat gehen, günstig und für die Rentenversicherung langfristig auch kein Verlust ist.
    Meine Damen und Herren, unsere soziale Politik heißt Preisstabilität. Die hat ihren Preis. Sie können nicht Sozialleistungen mit Staatsschulden finanzieren und anschließend Preisstabilität erwarten. Das können Sie nicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer allerdings Preisstabilität — und die ist der
    größte Gewinn für die Rentner — haben will, der
    muß Schulden abbauen. Das ist auch ein Beitrag zur Stärkung der Rentensicherheit.
    Verehrte Frau Kollegin Fuchs, ich war immer ganz gespannt auf Ihr Konzept, darauf, wie Sie es anders machen wollen. Sie haben gesagt, wir hätten sozusagen die Rentenkassen heruntergewirtschaftet. Damit wir es nicht ganz vergessen: Sie selbst haben die Schwankungsreserve von 9 Monaten auf zwei Monate heruntergewirtschaftet. Sie werfen uns vor, wir hätten zuviel gespart. Woher hätten Sie, wenn Sie weniger gespart hätten, eigentlich das Geld genommen? Wir haben der Rentenversicherung durch Einnahmeverbesserungen und Leistungseinschränkungen 87 Milliarden mehr verschafft. Selbst wenn ich das abziehe, was Sie, Frau Kollegin Fuchs, kritisieren, sind es immer noch 60 Milliarden DM. Wie können Sie sich eigentlich über eine „unsolide Rentenpolitik" beschweren, wenn bei Ihnen 60 Milliarden DM weniger in der Kasse wären? Wären Sie am Ruder geblieben, wäre die Rentenversicherung im Keller; sie wäre heute im 13. Stockwerk einer Tiefgarage.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist das Ergebnis einer Politik, die weder Beiträge verbessern noch Ausgaben einschränken wollte. Wissen Sie, das ist wie ein Gesundheitsrezept, das jemand so formuliert: Abnehmen darfst du nicht, aber essen darfst du auch nicht. Ja, was denn nun? Weder Beitragsverbesserungen noch Ausgabenbeschränkungen, das geht nicht.
    Frau Kollegin Fuchs, Sie nennen mich „Napoleon Norbert". Da bin ich j a ganz stolz, denn wer hätte das nicht gern?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Waterloo!)

    Das hilft meinem Selbstbewußtsein. Und Waterloo? Da kann ich nur sagen, verehrte Frau Kollegin Fuchs, mir ist bei Ihrem Vortrag eingefallen: Kassandra wohnt in Bonn, ihr Vornahme ist Anke.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wenn über Lohnerhöhungen und Rentenerhöhungen im nächsten Jahr gesprochen wird, müssen wir, denke ich, darauf aufmerksam machen, daß Lohn- und Rentenerhöhungen nie identisch sind, denn die Renten werden doch nicht entsprechend den Löhnen des gleichen Jahres, sondern entsprechend denen der vorausgehenden Jahre angepaßt. Den Rückstand von drei Jahren haben wir ja schon verkürzt. So einen Abstand wie 1970 wird es bei uns nicht geben. Um darauf noch einmal hinzuweisen: 1970 gab es — und meines Wissens haben Sie damals regiert — 6,35% Rentenerhöhung und 15,3% Lohnerhöhung, 1971 5,5 % Rentenerhöhung und 11,3 % Lohnerhöhung. Identisch ist das nie, weil die Renten j a an die Löhne der vorhergehenden Zeit angepaßt werden. Da kann das nicht völlig deckungsgleich sein.
    Lassen Sie mich auch etwas zum Krankenversicherungsbeitrag der Rentner sagen. Wir erheben ihn jetzt mit 5%; die Rentner tragen mit 5 % ihrer Rente zu ihrer Krankenversicherung bei. Wissen
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 7689
    Bundesminister Dr. Blüm
    Sie, was die Krankenversicherung der Rentner kostet? Das sage ich nicht als Vorwurf, sondern nur, um es darzustellen: 42,9 Milliarden DM. Und wissen Sie, wieviel diese 5 % ausmachen? 6 Milliarden DM, das sind genau 13,9 %. Den Rest zahlen die Jungen. Den sollen sie auch zahlen, den müssen sie auch zahlen. Aber ich bleibe dabei: Man kann auch von den älteren Mitbürgern ein Stück Solidarität mit den jungen erwarten, denn auch deren Beitragsbelastung muß unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geprüft werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch hier will ich noch einmal auf die Proportionen aufmerksam machen. Von 537 Milliarden DM unseres Sozialbudgets — bezogen auf 1983 — werden 208 Milliarden DM für Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Anspruch genommen. Wissen Sie, wieviel für Familien und Kinder? Über 200 Milliarden DM für Alterssicherung und Hinterbliebene, für Ehe und Familie 66,8 Milliarden DM. 38% für die Alten — das sei ihnen gegönnt —, aber nur 12 % für die kinderreichen Familien. Das gehört zur Wahrheit, und das muß man öffentlich sagen. Unser Sozialsystem ist aus dem Gleichgewicht, es braucht eine neue Balance. Die Lastträger der Nation können nicht die kinderreichen Familien sein, die im übrigen auch dafür sorgen, daß es übermorgen noch Beitragszahler gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Beides geht nicht — auch das zur Ehrlichkeit —: Wir können nicht Rekordrentensteigerung und einen großen Aufbruch in der Familienpolitik gleichzeitig bezahlen. Das geht nicht. Ich will keinen Besitzstand für Rentner kürzen, aber der Zuwachs wird geringer sein, als er in der Vergangenheit gewesen ist. Ich denke, daß gerade unsere älteren Mitbürger Ehrlichkeit zu schätzen wissen. Zu lange ist Rentenpolitik mit Illusionen gemacht worden. Ich glaube, Ehrlichkeit ist eine wichtige Voraussetzung auch für Vertrauen in die Rentenpolitik. Wenn ich mehr Geld hätte und wir nicht Schulden abzuzahlen hätten, würde ich mir auch mehr Geld für die Alterssicherung wünschen. Aber wenn ich es übrig hätte, würde ich es nicht mit der Gießkanne über Steigerungssätze ausgeben.
    Frau Fuchs, micht schmerzt — das will ich ehrlich hier zu Protokoll geben —, daß wir zwar Erziehungszeiten im Rentenrecht einführen, aber daß wir es nicht für alle machen können, daß wir nicht hundert Jahre Unrecht wettmachen können, daß wir eine Grenze ziehen müssen. Wenn ich Geld zuviel hätte, würde ich das für jene Generation ausgeben. Wenn schon mehr Geld ausgegeben wird, dann für jene Mütter, an denen die Einführung der Erziehungszeiten vorübergeht.

    (Egert [SPD]: Gut, machen wir zusammen eine Ergänzungsabgabe!)

    Da appelliere ich wiederum an die älteren Mitbürgerinnen: 100 Jahre hat es Unrecht gegeben. Irgendwann müssen wir einmal anfangen, neues Recht, mehr Gerechtigkeit zu schaffen, und wenn wir es nicht für die ganze Vergangenheit schaffen, dann
    laßt uns heute anfangen, damit das Unrecht in der Zukunft beseitigt ist!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen: Kommen Sie bitte mal von Ihrem hohen Roß runter: Ihr Babyjahr, 1971/72 diskutiert, vorgeschlagen, war auch nur für die Zukunft, und es war nur für jenen Teil der Frauen, die 15 Jahre Versicherungsbeitrag geleistet hatten. Also erstens Ausschluß der Vergangenheit, zweitens wurde für die Zukunft nochmal jemand ausgeschlossen, und drittens haben Sie es nicht wie wir organisiert, für jedes Kind dasselbe Geld, sondern von der Rentenhöhe abhängig gemacht: kleine Rentnerinnen — kleines Baby, große Rentnerinnen, großes Baby, von 2,50 DM bis 50 DM. Das war Ihr Babyjahr.

    (Kolb [CDU/CSU]: Nur für die Berufstätigen!)

    Das sollte von der Rentenversicherung bezahlt werden, und das hätte uns jetzt 18 Milliarden DM gekostet. Den Hauptnachteil Ihres Babyjahres habe ich ganz vergessen. Das ist ein Nachteil, den viele Ihrer Vorschläge tragen: Sie haben immer nur darüber gesprochen, gemacht haben Sie es nicht. Wir tun es.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich will auch den zweiten Punkt von Frau Fuchs hier aufgreifen: Arbeitslosigkeit. Das muß uns alle bedrängen. Als Lehrmeister, Rezeptgeber ist mein Vertrauen zu Ihnen relativ gering. Eine Regierung, die in 13 Jahren die Arbeitslosigkeit um 1700% gesteigert hat, scheidet eigentlich aus, uns Vorschläge zu machen. Sie haben doch in der Abbruchfirma gearbeitet und tun heute so, als hätten Sie den Kölner Dom erbaut.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben das Arbeitslosengeld für die älteren Arbeitslosen verlängert. Ich freue mich, daß Sie dem zustimmen.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Nur habe ich Ihr Rechenkunststück nicht kapiert. Sie haben gesagt, die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für die älteren Arbeitnehmer würden wir durch Einführung verlängerter Sperrzeit bezahlen. Die Rechnung verstehe ich nicht. Sie brauchen nicht zu gähnen, es ist ganz spannend. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes kostet 1 Milliarde DM, die Sperrzeiten bringen 250 Millionen DM.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das ist deren Mengenlehre!)

    Das ist eine Treffsicherheit von minus 400 %, kann ich nur sagen. So sind Ihre Rechnungen!
    Meine Damen und Herren, ganz kurz: Ich will hier keine Erfolgsmeldungen verkünden.

    (Zurufe von der SPD)

    — Nein, ich will keine Erfolgsmeldungen verkünden. Bei 2 Millionen Arbeitslosen kann man hier
    nicht so tun, als seien alle Probleme gelöst. Aber



    Bundesminister Dr. Blüm
    andererseits wehre ich mich dagegen, daß so getan wird, als gebe es nicht einen Lichtschimmer am Ende des Tunnels. Verbreiten Sie doch nicht diesen Pessimismus! Wir können es schaffen, wenn wir zusammenstehen, wenn wir eine Politik des wirtschaftlichen Aufschwungs betreiben. Sie haben sich doch mit einem Minuswachstum — so haben Sie das damals genannt — von 1,1 % verabschiedet. Wir haben wieder ein Plus beim Wirtschaftswachstum. Wir schätzen 21/2 bis 3%. Mit Ihrem neuen Bündnispartner werden Sie die Arbeitslosigkeit nicht beseitigen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß, wenn Sie die Ford-Werke, wie im Kommunalwahlkampf in Köln vorgeschlagen, auf Fahrradproduktion umstellen und dann Vollbeschäftigung herstellen wollen.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen hat im Oktober um 20 000 abgenommen. Offene Stellen seit Jahresbeginn 1,2 Millionen mehr; Vermittlung 12,8 %; Kurzarbeit um 45,2 % zurückgegangen. Die Arbeitslosenquote der Jugendlichen liegt unter der Arbeitslosenquote der Erwachsenen, zum erstenmal seit langer Zeit. Nie gab es bei der Bundesanstalt mehr Arbeitsmarktmaßnahmen als in diesem Jahr. Da reden Sie dauernd von Kürzen, Sparen, davon, was wir alle für Unmenschen seien. Nie gab es mehr Arbeitsmarktmaßnahmen. 27 % mehr als in Ihrem Regierungsjahr 1982.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vorruhestand: Das ist der große tarifpolitische Renner der Saison. Nur kein Neid. Den haben wir verwirklicht. Wissen Sie, ich will die Gelegenheit doch nutzen, einiges klarzustellen; denn ich mußte meine Augen dreimal reiben, um zu sehen, was die IG Metall, meine Gewerkschaft, wieder einmal verbreitet hat. Ich habe keine andere Möglichkeit, als meinen Kollegen zu sagen: Glaubt dieser Zeitung nicht mehr; sie betreibt Arbeiterverdummung. Das sage ich hier von dem Rednerpult des Deutschen Bundestages aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Da werden Fälle dargestellt, in denen die Arbeitgeber den Vorruhestandsantrag der Arbeitnehmer ablehnen. Daran bin ich doch nicht schuld. Die IG Metall hat keinen Tarifvertrag mit einem ordentlichen Vorruhestand zustande gebracht. Ich bin doch nicht für das tarifpolitische Versagen der IG Metall zuständig. Die können das doch nicht mir in die Schuhe schieben. Die sollen sich einmal bei den Kollegen Döding, Keller, Rappe und Schmidt erkundigen, wie man das macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die sollten in Ihrer Schule in Sprockhövel abends vielleicht auch nicht um das ideologische Lagerfeuer herum sitzen, sondern sollten lernen, wie man handfeste Tarifverträge macht. Das wird den Arbeitnehmern vielleicht besser helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Erst giften sie gegen den Vorruhestand, nennen es Gesinnungslumperei, und anschließend beschweren sie sich, daß der Bundesarbeitsminister nicht nachts dem Vorstand den Vorruhestand auf dem Tablett aufs Bett legt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was ist das eigentlich für eine Art?
    Dritter Punkt — in aller Kürze —: Krankenversicherung. Es ist richtig: Wir müssen verhindern, daß die Krankenversicherung zum Selbstbedienungsladen aller Beteiligten wird. Unsere Politik ist es, den Krankenkassen den Rücken zu stärken. 200 Milliarden DM im Gesundheitssystem sind genug. Auch der medizinische Fortschritt muß aus diesem Faß bezahlt werden. Ärzte, Pharmaindustrie, Krankenhaus, Versicherte, alle müssen sich umstellen. Und wenn es mehr Ärzte gibt, muß man wissen, daß eine nachdrängende Arztgeneration nicht mehr die gleichen Einkommen haben kann. Das ist nun einmal in der Marktwirtschaft so. Knappheit bestimmt den Preis. Das muß man auch sagen, damit nicht Erwartungen erzeugt werden, die die Krankenversicherung mit Sicherheit nicht erfüllen kann.
    Ich bin auch sicher: Die Krankenversicherung ist nicht für jedes Wehwehchen und für jeden Sonderwunsch zuständig. Was mit Pflichtbeiträgen bezahlt wird, muß im Zaum gehalten werden, damit wir das Geld haben. Das einzige Tabu nämlich, das für mich gilt, heißt: dem Kranken muß geholfen werden. Das ist das einzige Tabu, das es gibt.
    Nun zur Krankenhausfinanzierung. Wir halten den Fahrplan ein. Wir haben uns geeinigt. Ich stehe auch hier nicht vor Ihnen und sage, da ist ein Wunderkind von Krankenhausgesetz geboren worden. Mit den Wundern muß man in der Politik sowieso ein bißchen vorsichtig sein. Sie haben ja bei jeder Maßnahme gleich eine große Reform verkündet. Bei Ihnen ist eine Blinddarmoperation schon eine große innere Reform gewesen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bleibe dabei: Das ist ein brauchbarer Fortschritt für das Krankenhaus mit Instrumenten der Kostendämpfung. Ich sehe große Chancen, daß in der Schiedsstelle, die wir geschaffen haben, auch eine Gleichheit der Verhandlungspartner besteht, daß Gewinn und Verlust gemacht werden kann. Das ist doch auch eine alte Erfahrung: Wer nicht Gewinn und Verlust machen kann, steht auch nicht unter Spardruck. Ein automatischer Ausgleich entspricht einer Erstattungsmentalität: Da kannst du dich auf der Chaiselongue niederlassen und warten, bis dir die Rechnungen vorgelegt werden. Vorauskalkulierte Selbstkosten machen die Selbstkosten gestaltbar und damit auch verhandelbar.
    Dieses Krankenhausgesetz bietet neue Instrumente. Ich warne davor, die Instrumente, bevor sie überhaupt ausgepackt sind, schon als untauglich zu bezeichnen. Ich hoffe, daß alle Beteiligten nicht nur auf Gesetze, Paragraphen, Bürokratie und Überwachung warten, sondern daß wir aus Einsicht und freiwilliger Solidarität die Kosten in Schach und Proportionen halten.

    (Zuruf von der SPD)

    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 7691
    Bundesminister Dr. Blüm
    Auch das gehört zur Gerechtigkeit, nicht nur die Ausgaben für die Patienten, sondern auch die Lasten der Beitragzahler im Blick zu haben. Denn Beitragzahler und Patienten, das sind dieselben Menschen.
    Ein paar Bemerkungen zu dem Opferentschädigungsgesetz, das heute, wie ich hoffe, hier einvernehmlich beschlossen wird. Es ist gut, daß wir in der Sozialpolitik nicht nur kontroverse Themen behandeln, sondern auch zur Übereinstimmung bereit und fähig sind. Ich glaube, daß es ein Fortschritt ist. Für die Betroffenen ist es relativ belanglos, ob sie ihr Schicksal mit einer Million oder nur mit 500 teilen. Den notleidenden Betroffenen muß geholfen werden.
    Ich sehe schon eine Schlagseite unseres Rechtsstaates: Er kümmert sich mehr um die Resozialisierung der Täter als um die Hilfe für die Opfer. Ich bin nicht gegen die Resozialisierung der Täter, aber zu dem Rechtsstaat, wie ich ihn mir vorstelle, gehört auch die Aufmerksamkeit für die Opfer von Gewalttaten. Wenn ich manchen spektakulär aufgemachten Bericht über ein Verbrechen lese, dann steht der Verbrecher im Mittelpunkt, aber um den angeschossenen Polizisten kümmert sich niemand mehr. Ich hoffe, daß unser Opferentschädigungsgesetz einen Beitrag dazu leisten kann, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
    Ich will meinen Beitrag schließen. Wenn wir die Preissteigerung auf weniger als 3 % gedrückt haben, dann ist das für die Arbeitnehmer 20 Milliarden DM mehr Kaufkraft, für die Rentner 7 Milliarden DM, und die Sparer sind von einem Verlust von 16 Milliarden DM verschont geblieben.
    Ein erfolgreicher Stabilitätskurs — das ist auch eine Erfahrung aus der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik —, ein Kurs, der die Kaufkraft der D-Mark stärkt, kommt letztlich gerade auch den Arbeitnehmerhaushalten mehr zugute als eine Politik, die mehr verteilen will, als produziert wird.
    Jetzt sollten Sie klatschen, meine Damen und Herren von der SPD. Sie haben nämlich vor drei Jahren, am 16. September 1981, zu dieser Aussage des geschätzten Kollegen Matthöfer stürmischen Beifall geklatscht, ausweislich des Protokolls.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Das verschlägt ihnen heute die Stimme! — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben im Sozialhaushalt 1983 10,2 Milliarden DM gespart, 1984 4,8 Milliarden DM. Das ist uns nicht leichtgefallen. Trotzdem sind diese Sparmaßnahmen nur ein Viertel des Geldes, das wir ausgeben müssen, um die Zinsen für die Schulden zu bezahlen, die Sie uns hinterlassen haben. Es mag Sie langweilen: ich rede so lange von der Erblast, bis diese Hinterlassenschaft abgebaut ist.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Glombig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eugen Glombig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Blüm will so lange von der Erblast reden, bis allen klargeworden ist, um welche Erblast es sich handelt.

    (Glos [CDU/CSU]: Bis sie bezahlt ist!)

    Ich habe den Eindruck, daß wir immer mehr von seiner Erblast sprechen müssen; sie setzt nämlich jetzt schon ein.

    (Beifall bei der SPD)

    „Dumm" ist ja unparlamentarisch, aber allmählich wird es stumpfsinnig, sich diese Argumente anzuhören.

    (Sehr wahr! bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Da sind wir anderer Meinung!)

    — Das kann ich mit vorstellen. Ich meine, dies ist stumpfsinnig und nur der Ausdruck eines schlechten Gewissens.

    (Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Ihre Aussage jetzt! — Kolb [CDU/CSU]: Kommen Sie zur Sache!)

    Meine Damen und Herren, wenn ich Bundeskanzler dieser Regierung wäre, dann würde ich den Kollegen Blüm als Arbeitsminister abberufen, und ich würde ihn zum Pressesprecher der Bundesregierung machen,

    (Egert [SPD]: Eine gute Idee!)

    zu einem Mann, der die Propaganda dieser Regierung vorantreibt und sie in die Köpfe der Menschen einhämmert, die Propaganda, die die Köpfe der Menschen vernebelt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Wissen Sie, ich habe etwas dagegen, wenn jemand sagt, er trage hier ständig die Wahrheit vor, und das, was er sagt, just das Gegenteil von Wahrheit ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Art der Auseinandersetzung hat sich Herr Blüm selbst zuzuschreiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wiederhole, daß das, was Herr Blüm seit Jahr und Tag seit der Wende hier vorträgt, der Versuch ist, aus Exkrementen der Sozialpolitik Gold zu machen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich habe versucht, dies zu umschreiben. Man könnte dies auch anders bezeichnen, aber wir bleiben ja vornehm im Umgang miteinander.
    Meine Damen und Herren, trotz allem ist das, was wir heute von Herrn Blüm gehört haben, j a nicht mehr ganz so selbstbewußt im Gegensatz zu früheren Auftritten. Er selbst merkt nämlich, daß seine Art von Sozialpolitik inzwischen von den Menschen draußen bemerkt wird. Das heißt, man fällt darauf nicht mehr ohne weiteres herein.

    (Beifall bei der SPD)

    7692 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984
    Glombig
    Die Presse ist nicht mehr bereit, ihm zuzujubeln, sondern begleitet ihn mit entsprechender Kritik; ich finde, dies ist in Ordnung.
    Nun haben wir heute allerdings ein Erlebnis gehabt — dies hat mich sehr erstaunt —, nämlich den Auftritt von Herrn Friedmann. Bei Herrn Friedmann hat eigentlich das schlechte Gewissen heute zum ersten Mal geschlagen. Wenn bei Herrn Friedmann das schlechte Gewissen schlägt, dann wird er aufgeregt, dann wird er nervös. Ich habe ihn hier immer als souverän in der Darstellung seiner Beiträge erlebt, fast wie ausgelernt. Mir hat das außerordentlich imponiert, muß ich sagen. Heute hat ihn das, was die Kollegin Fuchs gesagt hat, schwer getroffen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: So ist es! — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Ich kann ihm das überhaupt nicht verdenken. Wenn man nicht mehr so glatt reden kann, wird man nervös.
    Nun will ich nur auf ein Argument von Herrn Friedmann eingehen — es ist das letzte Mal auch von Herrn Arbeitsminister Blüm gebracht worden —, nämlich darauf, daß die Renten sicher seien, d. h. daß sie garantiert seien, daß niemand Angst zu haben braucht, daß er seine Rente nicht bekommt. Da kann ich nur sagen: Dies wäre ja wohl auch noch schöner!

    (Beifall bei der SPD)

    Darauf stolz zu sein, finde ich schon sehr merkwürdig.

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Sie verbreiten doch die Angst!)

    Lassen Sie mich aus der „Süddeutschen Zeitung" von heute zitieren. Wenn ich dies hier sagen wollte, könnte das von jemand anderem vielleicht als lauter Propaganda ausgelegt werden. Da stehen einige nette Sachen drin, Sie sollten sich das einmal durchlesen. Da heißt es:
    Die große Liquiditätslücke dieser Tage ist ein Alarmsignal für die Rentenpolitik, nicht für die Rentner; für sie wird das Kassenproblem keine Folgen haben. Auf dem Spiel steht aber das Vertrauen in ein Alterssicherungssystem, dessen Handlungsspielraum so sehr von politischen Interessen beschnitten wird. Wie peinlich der Koalition die Kreditgeschäfte der Rentenversicherung sind, zeigt sich daran, daß bereits abgesprochen ist, derartiges im nächsten Jahr nicht mehr passieren zu lassen. An die Stelle der Banken wird dann der Bund selber als Darlehensgeber treten. Renten auf Pump wird es noch für einige Zeit geben, von 1985 an allerdings heimlich, still und leise.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Erblast Blüm!)

    Meine Damen und Herren, diese 5 Milliarden, die der Rentenversicherung im nächsten Jahr als Kredit gegeben werden können, wenn es kneift, sind just die 5 Milliarden, die dieser Arbeitsminister und diese Koalition der Rentenversicherung durch die
    Verkürzung der Beiträge der Arbeitslosen an die Rentenversicherung genommen hat.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Und ihr habt die Bundesanstalt zahlen lassen!)

    Das ist die Wahrheit. Sie haben, ich sage, in schamloser Art und Weise nicht nur die Arbeitslosen

    (Kolb [CDU/CSU]: 1977 Nürnberg!)

    durch die Verkürzung der Leistungen, sondern auch die Rentner durch die Verkürzung der Mittel in diese Notlage hineingetrieben und damit die Rentenversicherungsträger und ihre Kassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich finde, dies kann Ihnen nicht deutlich genug ins Stammbuch geschrieben werden.

    (Kolb [CDU/CSU]: Was hat denn der Kollege Ehrenberg gemacht!)

    — Nein, just dies hat der Kollege Ehrenberg überhaupt — —

    (Pohlmann [CDU/CSU]: 70 %!)

    — Herr Pohlmann, Sie reden ständig über Dinge, von denen Sie nichts verstehen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen hier noch einmal sagen, wie die Sache tatsächlich gelaufen ist: Ehrenberg hat die Beitragspflichtigkeit der Arbeitslosen zur Rentenversicherung eingeführt, und zwar auf der Basis einer 100%igen Bemessungsgrundlage, d. h. 100% des letzten Lohnes.

    (Kolb [CDU/CSU]: Weil es euch sonst nicht gelangt hätte!)

    Und in der letzten Phase der Koalition, als Ehrenberg nicht mehr Arbeitsminister war, hat auf Druck der FDP

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wie immer! — Pohlmann [CDU/CSU]: Immer die anderen!)

    — nun lassen Sie mich das hier mal sagen, und halten Sie sich mal ein bißchen zurück, damit Sie von der Geschichte noch etwas mitbekommen, bevor sie an Ihnen vorbeigeht, meine Damen und Herren — die Regierung der sozialliberalen Koalition beschlossen, dies auf 70% herunterzusetzen, nicht auf 45%, auf 70 %.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Auch schon schlimm genug! — Zuruf von der CDU/ CSU: Nicht nervös werden, ruhig bleiben, Herr Glombig!)

    Dies war bitter genug. Ich habe dann am 10. September 1982 hier an diesem Pult erklärt, daß die Regierung der sozialliberalen Koalition nicht die vorgesetzte Behörde der SPD-Bundestagsfraktion ist.

    (Beifall bei der SPD)




    Glombig
    Ich habe das im Namen meiner Fraktion hier erklärt und gesagt: Dies machen wir nicht mit.

    (Kolb [CDU/CSU]: Gegen Ihren Kanzler!)

    Und wir haben es nicht mitgemacht; denn dieser Gesetzentwurf ist überhaupt nicht verabschiedet worden, hat nie Gesetzeskraft erlangt.

    (Beifall bei der SPD)

    Und ich habe gesagt: Einen zweiten Punkt machen wir nicht mit: die Einführung der unsozialen Kostenbeteiligung, die nichts anderes darstellt als die Belastung der Kranken über eine Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages, dann allerdings ohne Arbeitgeberzuschuß. So ist es gewesen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Deswegen ist euer Kanzler gestürzt!)

    An diesen beiden Beispielen mögen Sie erkennen, wie unterschiedlich, auch konzeptionell, die Sozialpolitik der Koalitionsfraktionen, einschließlich unseres damaligen Koalitionspartners war; nicht zuletzt dies hat ja auch zum Bruch der sozialliberalen Koalition geführt.

    (Zustimmung bei der SPD — Kolb [CDU/ CSU]: „Viel stärker müßt ihr einschneiden", hat Helmut Schmidt gesagt!)

    — Nun will ich Ihnen auch dazu einmal etwas sagen: In unserer Fraktion hat jeder das Recht, frei zu reden, seine Meinung zu sagen. Aber nun kann ich Ihnen auch sagen, daß diese Meinung von Helmut Schmidt in dieser Fraktion nicht ungeteilten Beifall gefunden hat.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig! — Kolb [CDU/CSU]: Aber wahr war sie!)

    Dies dürfen wir doch auch einmal sagen. Wir haben uns durchaus andere Wege vorstellen können, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Daß es auch hierüber Meinungsverschiedenheiten in der SPD gibt und auch immer wieder geben wird

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hatte aber recht!)

    und um den richtigen Weg gerungen wird, das allerdings finde ich völlig in Ordnung und demokratisch einwandfrei. Wenn ich das hier sage, ist das auch nichts gegen Helmut Schmidt, sondern ich finde, es ehrt ihn, daß er immer wieder, bei jeder Gelegenheit, seine Meinung gesagt hat und wir, wenn es sein mußte, darüber gestritten haben.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Ihr wolltet nicht hören!)

    — Ach, wissen Sie, wenn wir auf Sie gehört hätten, Herr Kolb, wäre es schrecklich geworden,

    (Beifall bei der SPD)

    nicht für Sie und Ihren Mittelstand, aber für die Arbeitnehmer. Ich erlebe ja, mit welch rückschrittlichen Meinungen Sie in Sachen Sozialpolitik versuchen, sich immer wieder im Interesse Ihrer Klientel, die Ihnen besonders anvertraut ist, einzuschalten.

    (Kolb [CDU/CSU]: Wir beschäftigen die meisten Leute, Herr Glombig!)

    Meine Damen und Herren, Herr Blüm hat nun gesagt: Den Rentnern geht es doch im allgemeinen gut. — Da kann ich nur sagen: nicht zuletzt durch die Sozialpolitik der sozialliberalen Koalition.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir — und hier schließe ich dann auch die FDP ein
    — haben in der Zeit von 1969 bis 1982

    (Zuruf von der CDU/CSU: Schulden gemacht!)

    höhere Rentensteigerungen als die Lohnsteigerungen der Arbeitnehmer gehabt. Dies ist doch nachweisbar.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn es heute Menschen — dies hat doch Herr Blüm zugegeben — im Verhältnis zu anderen, der Mehrzahl, gut geht, dann sind es Mehrfachbezieher von Leistungen. Dies ist natürlich keine große Kunst. Ich will Ihnen das auch nicht beschneiden. Aber so kommt das zustande. Es ist auch ein Ausdruck dafür, daß bei uns strukturell etwas nicht in Ordnung ist, daß wir Mehrfachbezieher haben, daß wir eine Überversorgung haben, daß wir eine Unterversorgung haben — diese Unterversorgung ist noch schlimmer als die Überversorgung — und diese Regierung weder in der Lage noch willens ist, an dieses Problem heranzugehen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Herr Kollege, seit wann gibt es dies?)

    Darüber kann man doch nicht nur schwätzen.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Seit wann gibt es das?)

    — Herr Kolb, seit gut einem Jahr haben wir den Bericht der Harmonisierungskommission vorliegen. Er ist dem Bundesarbeitsminister im Dezember vorigen Jahres übergeben worden. Daran haben alle Parteien mitgewirkt, und zwar in, wie ich meine, fabelhafter Übereinstimmung. Warum wird das Ding aber nur entgegengenommen und wie eine heiße Kartoffel in die Schublade gelegt — gemeinhin legt man dort keine heißen Kartoffeln hin —,

    (Heiterkeit — Kolb [CDU/CSU]: Sie haben ungedeckte Wechsel hineingelegt!)

    besser gesagt: Warum wird es wie eine Kartoffel, die zu heiß ist, weggeworfen? Ich will Ihnen sagen, warum: Weil Herr Blüm nicht in der Lage ist, diese Vorstellungen gegen die Interessen Ihrer Fraktion und nicht zuletzt gegen die Interessen der Fraktion der FDP durchzusetzen. Dies ist doch die Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Man muß die Wahrheit dann auch sagen.
    Dies ist eine merkwürdige Art und Weise: Auf der einen Seite werden die Rentner gelobt. Es ist von großartigen Aufbauleistungen die Rede, die die Rentner und nicht zuletzt die Rentnerinnen, die Witwen, erbracht haben. Da gibt es Leute, die überlegen, ob man den Frauen, die aufgeräumt haben, die Steine geschleppt haben, im nächsten Jahr, 40 Jahre nach Kriegsende, nicht einen besonderen Or-



    Glombig
    den für diese großartige Tat des Wiederaufbaus geben sollte. Auf den Gedanken, diese Frauen, die unter wesentlich ungünstigeren wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen ihre Kinder großgezogen haben, beim sogenannten Babyjahr mit einzubeziehen, kommt diese Koalition aber nicht.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Warum habt ihr es denn nicht getan?)

    Das ist doch alles nicht wahr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt 13 Jahre lang nichts gemacht!)

    Es sollen die Mütter ab Jahrgang 1921 in die Regelung einbezogen werden. Die Finanzierung des Babyjahres ist aber völlig unzureichend. Kein Mensch weiß, was nach 1989 passiert. Kein Mensch weiß, wie das finanziert werden soll. Es war auch eine Unart der sozialliberalen Koalition, die Kosten für solche sozialen Maßnahmen, wie die Einführung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte und den Mutterschaftsurlaub wieder auf die Versichertengemeinschaft, auf die Beitragszahler zurückzuverlagern. Für solche Geschenke auf Kosten anderer Leute bedanken wir uns.