Rede:
ID1010400200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Schäfer,: 1
    4. gestatten: 1
    5. Sie: 1
    6. eine: 1
    7. Zwischenfrage: 1
    8. der: 1
    9. Abgeordneten: 1
    10. Frau: 1
    11. Nickels?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 Inhalt: Benennung des Abg. Bohl als Stellvertreter im Wahlprüfungsausschuß 7629 A Wahl des Abg. Bohl zum ordentlichen Mitglied und des Abg. Seiters zum Stellvertreter im Vermittlungsausschuß 7629 A Nachträgliche Überweisung zweier Vorlagen an Ausschüsse 7629 B Begrüßung der Knesset-Abgeordneten Frau Shulamit Aloni 7640 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250 —Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/2306, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/2326, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 10/2324 — Schäfer (Offenburg) SPD 7630 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 7634 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 7637 D Frau Seiler-Albring FDP 7640 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 7643A Dr. Nöbel SPD 7647 D Dr. Riedl (München) CDU/CSU 7651C Dr. Hirsch FDP 7654 C Kühbacher SPD 7656D, 7662 A Dr. Laufs CDU/CSU 7659 A Baum FDP 7663A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 10/2307, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 10/2316, 10/2330 — Dr. Emmerlich SPD 7664 B Austermann CDU/CSU 7666 C Frau Reetz GRÜNE 7669 D Kleinert (Hannover) FDP 7672 B Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 7674A Frau Nickels GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 7675C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/2311, 10/2330 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten — Drucksache 10/2103 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/2401 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/2492 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen 10/2315, 10/2330 — Frau Fuchs (Köln) SPD 7676 C Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . 7681 D, 7721 C Frau Seiler-Albring FDP 7685 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7687 C Glombig SPD 7691C Jagoda CDU/CSU 7696 A Hoss GRÜNE 7699 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 7703 C Peter (Kassel) SPD 7705 D Rossmanith CDU/CSU 7707 C Jaunich SPD 7710 A Eimer (Fürth) FDP 7714 B Deres CDU/CSU 7716 B Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7717 C Dr. Diederich (Berlin) SPD 7721 D Frau Schoppe GRÜNE 7723 B Frau Kelly GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 7723C Namentliche Abstimmung 7725 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/2321, 10/2330 — Zander SPD 7727 B Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7729 D Frau Dr. Bard GRÜNE 7732 C Kohn FDP 7735 B Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 7737 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/2322, 10/2330 — Dr. Rose CDU/CSU 7740 C Dr. Diederich (Berlin) SPD 7743 B Neuhausen FDP 7746 B Dr. Jannsen GRÜNE 7749 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7751 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 10/2319, 10/2330 — Purps SPD 7753 D Echternach CDU/CSU 7756 D Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 7759 D Grünbeck FDP 7762C Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 7764 C Nächste Sitzung 7769 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7771*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7771*C Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 7629 104. Sitzung Bonn, den 28. November 1984 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 102. Sitzung: Auf Seite III, linke Spalte und auf den Seiten 7485 und 7486 ist jeweils bei den Anlagen 14, 15 und 16 statt „Parl. Staatssekretär Dr. Schulte" zu lesen: „Staatssekretär Bayer". Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 30. 11. Dr. Enders * 30. 11. Erhard (Bad Schwalbach) 30. 11. Ertl 28. 11. Dr. Faltlhauser 28. 11. Dr. Glotz 30. 11. Dr. Haack 29. 11. Haase (Fürth) * 28. 11. Hauser (Esslingen) 30. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 30. 11. Frau Huber 28. 11. Jung (Düsseldorf) 30. 11. Dr. Müller * 30. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 28. 11. Polkehn 30. 11. Frau Renger 30. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30. 11. Schmidt (Wattenscheid) 30. 11. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 11. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 28. 11. Dr. Spöri 30. 11. Dr. Sprung 30. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 11. Vahlberg 30. 11. Vosen 30. 11. Weirich 28. 11. Weiskirch (Olpe) 30. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 13 Titel 656 03 - Zuschuß des Bundes an die knappschaftliche Rentenversicherung - (Drucksache 10/2288) zuständig: Haushaltsausschuß Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. November 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt: Gesetz über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1984 (Nachtragshaushaltsgesetz 1984) Drittes Gesetz zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 14. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Stimulierung von Zusammenarbeit und Austausch im wissenschaftlichen und technischen Bereich in Europa, Plan 1985-1988 (Drucksache 10/1510 Nr. 10) Vorschlag für einen Beschluß des Rates für ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm im Bereich der Optimierung der Erzeugung und Verwendung von Kohlenwasserstoffen 1984 bis 1987 (Drucksache 10/1691 Nr. 23) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 14. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Prüfung der Anhebung der Renten wegen Contergan-Schadensfällen (Drucksache 10/1651) Der Vorsitzende des Rechtsausschusses hat mit Schreiben vom 26. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu Überfällen auf Lastkraftwagen und Diebstählen von innerhalb der Gemeinschaft beförderten Gütern (Drucksache 10/936)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Die Politik der Bundesregierung und der von ihr vorgelegte Haushalt — dies gilt insonderheit für den Haushalt des Bundesministers des Innern — müssen sich daran messen lassen, ob sie den arbeitsmarkt- und umweltpolitischen Herausforderungen, den beiden Hauptproblemen der deutschen Innenpolitik, gerecht werden. Dies gilt insonderheit für die Politik des Umweltministers Zimmermann. Ich will mich in meinem Beitrag auf diesen Bereich beschränken. Meine Kollegen Dr. Nöbel und Kühbacher werden auf die anderen Felder der Innenpolitik eingehen.
    Meine Damen und Herren, die politischen Rahmenbedingungen für eine effektive und vorbeugende Umweltpolitik sind heute günstig. Das Umweltbewußtsein der Bürger ist in den letzten Jahren rapide gewachsen.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Man kann es kaum glauben, daß es ein wichtiges Ziel des Umweltprogramms 1971 der Bundesregierung Willy Brandt gewesen war, das Umweltbewußtsein der Bürger zu wecken und zu fördern.

    (Beifall bei der SPD — Strube [CDU/CSU]: Späte Blumen für Brandt!)

    Dieses Ziel ist heute eindeutig erreicht, meine Damen und Herren. Heute wird die Notwendigkeit von Umweltschutz allgemein anerkannt. Der Bürger akzeptiert auch finanzielle Belastungen zugunsten einer gesunden Umwelt.
    Im Gegensatz zu früher, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, tritt die heutige parlamentarische Opposition nicht auf die umweltpolitische Bremse. Im Gegenteil: Mehr als einmal haben wir der Regierung und allen anderen Fraktionen dieses Hauses eine umweltpolitische Koalition zur Um-und Durchsetzung wirksamer — auch unpopulärer — Maßnahmen zum Schutze der Umwelt angeboten. Wir stehen zu diesem Angebot, meine Damen und Herren, wir erneuern es heute.
    Die fortschreitende Umweltzerstörung und die davon ausgehende Gefährdung der menschlichen Gesundheit sowie die Milliardenschäden für unsere Volkswirtschaft gebieten schnelles, wenn möglich gemeinsames Handeln aller Fraktionen dieses Hauses. Unser Wissen, meine Damen und Herren, um die Schadensursachen und Schadensfolgen reicht zum Handeln aus.
    In Ihren Reden, Herr Zimmermann, stimmen Sie darin mit uns überein. Die Wirklichkeit Ihrer Politik, Herr Innenminister, sieht völlig anders aus. Das ist das Hauptdilemma Ihrer Politik, Herr Zimmermann. Reden und Handeln, Ankündigen und Durchsetzen passen nicht zueinander.

    (Beifall bei der SPD — Strube [CDU/CSU]: Sie haben nicht einmal darüber geredet!)

    Sie tun in Ihrer Umweltpolitik lediglich so, als ob Sie etwas täten.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Ihre Umweltpolitik ist mehr auf Medienwirkung bedacht, aber nicht darauf, tatsächlich etwas real zu bewirken.

    (Beifall bei der SPD — Stockhausen [CDU/ CSU]: Das müßt ihr gerade sagen!)

    Mir fällt zu Ihnen, Herr Zimmermann, und ihrer Politik ein Aphorismus des Polen Stanislaus Leč ein — ich zitiere —: „Und wieder zerschlug sich die Wirklichkeit an ihren Träumen."
    Sie, Herr Zimmermann, haben es systematisch versäumt, Ihren Ankündigungen auch rechtskräftige Entscheidungen mit absehbaren umweltpolitischen Fortschritten folgen zu lassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben jetzt schon mehr getan als Sie in 13 Jahren!)

    Ich will dies an einigen wenigen Beispielen belegen:
    Beispiel eins: Kraftfahrzeugemissionen: Der Kraftfahrzeugverkehr ist am Waldsterben maßgeblich beteiligt. 1,5 Millionen Tonnen Stickoxide pro Jahr, die unsere Umwelt belasten, stammen von ihnen. Auf einen Schlag könnten wir von heute auf morgen, ohne große Umstände, ohne finanzielle Opfer, ohne Belastung unserer Wirtschaft bei Einführung eines Tempolimits die Luft um mindestens 180 000 Tonnen Stickoxide,

    (Weiß [CDU/CSU]: Das, was Sie sagen, ist eine Illusion!)

    um rund 10 000 Tonnen Kohlenwasserstoffe, um mehr als 400 000 Tonnen Kohlenmonoxide entlasten.

    (Clemens [CDU/CSU]: Das ist doch ein Witz!)

    Alle vorliegenden Untersuchungen sind sich darin einig. Statt entschlossen zu handeln, Herr Zimmermann, planen Sie einen Großversuch zum Tempolimit, eine reine Alibiveranstaltung,

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    ein mehr als 12 Millionen DM teurer Großversuch zur Täuschung der Bürger, meine Damen und Herren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber böse! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich will dies belegen: Bundeskanzler Kohl hat erklärt, bis Ende August 1985 würden die Ergebnisse dieses Großversuchs vorliegen. Sie wissen doch, meine Damen und Herren, Sie, Herr Zimmermann — auch Verkehrsminister Dollinger weiß es —, daß nach übereinstimmender Aussage der TÜVs minde-



    Schäfer (Offenburg)

    stens 14 Monate Untersuchungszeit notwendig wären.

    (Strube [CDU/CSU]: Ja, und!)

    Und dann wären die Landstraßen in den Großversuch noch nicht einmal mit einbezogen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie verschenken zwei Jahre Zeit, in denen Sie etwas Wirksames zur Umweltentlastung tun könnten. Statt zu handeln, reden Sie, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Strube [CDU/CSU]: Sie machen reinen Aktionismus! — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    — Ihr Verhalten, lieber Herr Friedmann, ist unverantwortlich. Der Wald stirbt nämlich viel schneller, als Sie handeln.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Seit zehn Jahren stirbt der Wald!)

    1983 waren 34 % des Waldes krank; 1984 sind es bereits 50%.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Und Ihre Regierung?)

    Freiherr von Boeselager, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Waldbesitzerverbände, hat recht, wenn er folgendes Bild gebraucht — ich zitiere —:
    Der Wald gleicht dem Wanderer, der zwischen Jerusalem und Jericho unter die Räuber fiel.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Sie waren ja die Räuber!)

    Der schwerverletzte Wanderer wurde gerettet, weil seine Wunden sofort verbunden wurden und nicht erst eine Kommission gebildet wurde, die feststellen sollte, wie viele Räuber es gewesen waren.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Nennen Sie doch mal die Räuber!)

    Dieses Bild trifft genau die Situation, in der sich Ihre hinhaltende Umweltpolitik befindet.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — von Hammerstein [CDU/CSU]: 13 Jahre Zeit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Rose [CDU/CSU]: Harald, wie hast du dir verändert! Wie Ali Baba!)

    Jetzt will ich gern Ihre Zwischenrufe aufgreifen. Sie sagen: 13 Jahre lang nichts getan in der Umweltpolitik. Doch!

    (Strube [CDU/CSU]: So ist es!)

    — Sie bestätigen es. — Jetzt sollten Sie sich Ihre Argumente genau überlegen. Am 28. Oktober 1982, wenige Wochen, nachdem Sie, Herr Innenminister Zimmermann, Ihr Amt übernommen hatten, hat der Innenminister von diesem Pult aus erklärt, er werde seine Umweltpolitik in der Kontinuität der Umweltpolitik seiner Vorgänger fortführen. Überlegen Sie bitte Ihre Argumentation. Wenn die Umweltpolitik so schlecht gewesen wäre, wie Sie es
    behaupten, könnte er die Kontinuität der Umweltpolitik nicht als seinen Maßstab erklären.

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen gehe ich davon aus, daß die Kollegen der FDP, die die Umweltminister Genscher, Maihofer, Baum gestellt haben, endlich einmal der historischen Wahrheit zuliebe ihre Behauptung, 13 Jahre lang sei nichts geschehen, hier vor dem Plenum des Deutschen Bundestages zurechtrücken werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will etwas zu dem zweiten Beispiel sagen: der Einführung des abgasarmen Autos. Auch die mehr als zögerliche Einführung des abgasarmen Autos, wie Sie von der Bundesregierung und Sie von der CDU/CSU und der FDP sie betreiben, wird dem Wald in den nächsten Jahren nicht helfen. Wir hatten im Deutschen Bundestag einstimmig am 9. Februar 1984 beschlossen, bereits zum 1. Januar 1986 nur noch solche Pkws zuzulassen, die den amerikanischen Abgaswerten entsprechen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die haben acht Jahre dazu gebraucht!)

    Die Bundesregierung und ihre Mehrheit haben sich wie im Fall Buschhaus über diesen einstimmigen Bundestagsbeschluß hinweggesetzt. Sie wissen, daß es so möglich gewesen wäre, jährlich die Luft um 300 000 t Stickoxide zu entlasten. Das Schneckentempo, mit dem die Bundesregierung die Einführung des abgasarmen Autos betreibt, bringt bis zum Jahr 1990 noch nicht einmal die Hälfte dieser sonst bis 1990 Jahr für Jahr möglichen Umweltentlastung.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Hätten Sie es doch 1972 schon eingeführt!)

    Beispiel drei: Bodenschutzkonzept. Der Boden ist, wir alle wissen es, eine der natürlichen Lebensgrundlagen für die Menschen, für Tiere und Pflanzen.

    (Weiß [CDU/CSU]: Wie weise!)

    Alle Parteien sind sich darin einig, daß ein Schutzkonzept für den Boden überfällig ist. In der vorigen Haushaltsdebatte am 6. Dezember 1983 haben Sie, Herr Zimmermann, angekündigt, Sie würden Anfang 1984 ein entsprechendes Konzept vorlegen. Heute, elf Monate später, warten wir noch immer auf die Vorlage einer abgestimmten Bodenschutzkonzeption durch die Bundesregierung. Am 20. August haben Sie, Herr Zimmermann, einen nicht abgestimmten Referentenentwurf, großartig die Bürger, die Öffentlichkeit täuschend, als Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung vorgestellt — übrigens fünf Tage, nachdem wir unseren entsprechenden Antrag zum Schutz des Bodens der Öffentlichkeit vorgelegt hatten.
    In Ihrem nicht abgestimmten Referentenentwurf, Herr Zimmermann, steht viel Richtiges. Ich will das ausdrücklich unterstreichen. Nur können Sie sich damit bei Ihren Ministerkollegen nicht durchsetzen, weder beim Verkehrsminister mit Ihrer richtigen Forderung nach besonderer Förderung der Schiene — der Verkehrsminister baut lieber



    Schäfer (Offenburg)

    Straßen und kürzt die Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr, eine umweltpolitische Sünde ersten Ranges — noch beim Landwirtschaftminister mit Ihrer richtigen Forderung nach Artenschutz noch beim Bauminister mit Ihrer richtigen Forderung nach Begrenzung des Siedlungsflächenverbrauchs.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Stimmt nicht!)

    Die Beispiele Ihrer Fehler in der Umweltpolitik ließen sich nahezu mühelos für alle Bereiche fortsetzen. Viel reden, wenig tun — Zimmermann, wie er leibt und lebt.
    Ich will die Behandlung Ihrer Umweltpolitik mit wenigen Zitaten vom Deutschlandtag der Jungen Union abschließen. Sie erhalten von der Jungen Union, dem wahrlich lammfrommen Parteinachwuchs der CDU/CSU,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Von den Jusos spricht keiner mehr!)

    für Ihre Politik, insbesondere Ihre Umweltpolitik, Bewertungen wie „Schwachstellen", „Pannen", „Skandale". Ihre Haltung zum abgasarmen Auto sei alles andere als „das Gelbe vom Ei".

    (Zuruf von der CDU/CSU: So sind halt junge Leute!)

    Bei der Einführung eines Tempolimits dürfe „nicht länger gefackelt" werden.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Sagen Sie, was Sie wollen!)

    Wo die Junge Union recht hat, hat sie recht. In diesem Falle hat sie recht, so schlimm und verheerend ihr Beschluß zur Oder-Neiße-Grenze ist.
    Meine Damen und Herren, wir sprechen inzwischen, auch in diesem Haus, nicht mehr von Umweltschutzpolitik, sondern von Umweltpolitik, von Ökologiepolitik. Umweltpolitik, Ökologiepolitik, das ist in der Tat mehr als die Vermeidung und die Beseitigung von Umweltbeeinträchtigungen und Umweltschäden. Umweltpolitik, Ökologiepolitik, das muß heute zugleich Politik zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Umwelt sein, Politik zur Erhaltung der menschlichen Gesundheit, Politik zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, Politik zur Vermeidung von Milliardenschäden und zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft, Politik zur Förderung von umweltfreundlichen, rohstoffschonenden, energiesparenden, exportträchtigen Technologien. Das ist heute Umweltpolitik, das ist Ökologiepolitik. Eine solche umfassende Umweltpolitik, die Ökologie und Ökonomie miteinander verbindet, die Arbeitsplätze schafft und die Umwelt sichert und erhält, vermissen wir leider bei Ihnen, Herr Bundesinnenminister.

    (Beifall bei der SPD — Rossmanith [CDU/ CSU]: Die haben wir von 1969 bis 1982 vermißt!)

    Als einzige Fraktion dieses Hauses, meine Damen und Herren, geben wir Sozialdemokraten mit
    unserem Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" eine Antwort auf diese Herausforderung.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir fordern Sie schon heute auf, unserem Antrag zuzustimmen. Wir helfen damit unserer Umwelt und schaffen mehrere hunderttausend dauerhafte, zukunftssichere, weil umweltfreundliche Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der SPD — Stockhausen [CDU/ CSU]: Die Arbeitsplätze haben Sie abgebaut!)

    Wir werden unseren Antrag in der nächsten Sitzungswoche im Bundestag einbringen. An Ihrem Verhalten, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition und auch von den GRÜNEN, werden wir sehen, wie ernst es Ihnen mit Ihren Bekenntnissen für besseren Umweltschutz und Schaffung neuer Arbeitsplätze ist.
    Herr Innenminister, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, auch von der FDP, Sie setzen auch in Ihrer Umweltpolitik fast ausschließlich auf den Markt. Deshalb muß Ihre Umweltpolitik scheitern. Der Markt hat zweifelsohne große wirtschaftliche Vorteile, aber er ist wertblind. Deshalb gehört Umweltpolitik zu den Bereichen, in denen der Staat Daseinsvorsorge betreiben muß, wenn er seiner Verantwortung auch für die nach uns kommenden Generationen gerecht werden will. Gebote und Verbote, ökonomische Anreize, Bewirtschaftungspläne sind unverzichtbare Instrumente einer staatlichen vorsorgenden Umweltpolitik.
    Mit anderen Worten: Umwelt darf nicht zum Nulltarif genutzt werden. Wie die Faktoren Kapital und Arbeit muß auch der Faktor Natur in die betriebliche Kostenkalkulation eingehen. Wir müssen ökonomische Anreize zur Vermeidung von Umweltschäden schaffen. Es muß für die Betriebe wirtschaftlich günstiger sein, durch entsprechende Investitionen Umweltschäden zu vermeiden, als die Umwelt erst zu belasten und dann zu reparieren. Umweltreparaturen, sofern sie überhaupt möglich sind, sind in aller Regel teurer als vorbeugende Umweltschutzmaßnahmen.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Hättet ihr mal ein bißchen früher vorgebeugt!)

    Warum, Herr Zimmermann, weigern Sie sich, diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen? Warum legen Sie nicht beispielsweise einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Schadstoffabgabe vor? Wir haben doch mit dem Instrument der Abwasserabgabe sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir Sozialdemokraten werden einen entsprechenden Entwurf eines Schadstoffabgabegesetzes vorlegen. Ihr Verhalten dazu wird ein weiterer Prüfstein für die Ernsthaftigkeit Ihrer Umweltschutzbekenntnisse sein.

    (Beifall bei der SPD)

    In der vergangenen Woche konnten Sie, Herr Bundesinnenminister, dann endlich einmal handeln statt ankündigen. Sie, Herr Bundesinnenminister, sind dabei prompt in Ihre Lieblingsrolle verfallen, nämlich in die des starken Mannes. Ich spreche
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. November 1984 7633
    Schäfer (Offenburg)

    von Ihrer Entscheidung zur Genehmigung von NUKEM II.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die hessische Landesregierung hatte bekanntlich mit ihrem Genehmigungsvorbehalt für die nukleare Brennelementefabrik zur Herstellung von kernwaffenfähigem Material durch die Reduzierung des Anreicherungsgrades von dort verwendetem Uran ausschließen wollen, daß die Proliferationsgefahr erhöht wird. Dieser Genehmigungsvorbehalt der hessischen Landesregierung war ein konkreter Schritt, einen wirksamen Schutz vor der Weiterverbreitung kernwaffenfähigen Materials zu erreichen.
    Herr Zimmermann, wir verurteilen Ihre Anweisung an die hessische Landesregierung entschieden!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann ich mir denken!)

    Sie unterlaufen damit die Empfehlungen zur internationalen Bewertung des Kernbrennstoffkreislaufs.

    (Broll [CDU/CSU]: War der hessische Beschluß auch ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung?)

    Diesen Empfehlungen von mehr als 100 Staaten hatte die sozialdemokratische Bundesregierung besondere Bedeutung zugemessen. Dem Mißbrauch der Kernenergie zu militärischen Zwecken sollte nach diesen Empfehlungen durch technische Maßnahmen begegnet werden. Dazu gehört auch ausdrücklich die Reduzierung des Anreicherungsgrades von waffenfähigem Uran. Genau dies hatte der Genehmigungsvorbehalt der hessischen Landesregierung zum Inhalt.
    Ihre Entscheidung, Herr Bundesinnenminister Zimmermann, begründet berechtigte Zweifel an der Glaubwürdigkeit Ihrer Nichtverbreitungspolitik.

    (Zustimmung bei der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Nickels?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein. —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht einmal bei den GRÜNEN?)

    Sie verpassen zudem die Chance eines verantwortungsbewußten Umgangs mit Kernenergiefragen.
    Ich bestätige noch einmal unsere Position: Mit uns Sozialdemokraten wird es keinen Einstieg in die Plutoniumgesellschaft geben. Wir lehnen die kommerzielle Wiederaufarbeitung ab. Ich bekräftige und bestätige unsere Entscheidung.

    (Weiß [CDU/CSU]: Zurück zur Steinzeit!)

    Nur, meine Damen und Herren, nehmen wir zur Kenntnis — und dies müssen auch die GRÜNEN zur Kenntnis nehmen —: Die Rechtslage nach dem Atomgesetz ist eindeutig. Die Länder handeln bei Fragen der atomrechtlichen Genehmigung als Auftragsverwaltung. Die Landesregierung von Hessen muß demnach der Anweisung der Bundesregierung folgen.
    Das wissen auch Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, in Bonn, in Hessen und anderswo. Wer von der hessischen Landesregierung etwas anderes verlangt, der fordert offenen Rechtsbruch. Wir Sozialdemokraten hüten den Rechtsstaat als eine der wesentlichsten Errungenschaften des Kulturstaates wie einen Augapfel.

    (Zuruf der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    Wir wissen, daß der Rechtsstaat zudem in besonderem Umfange dem Schutz der Minderheiten dient.
    Wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ernst ist mit Ihrer Feststellung,

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Klopfen Sie sich einmal an die eigene Brust!)

    angesichts der weltweiten Hochrüstung, angesichts der Massenarbeitslosigkeit und angesichts des Waldsterbens sei es 5 Minuten vor 12, können Sie, wenn Sie glaubwürdig sein wollen, die Zusammenarbeit mit anderen Parteien nicht aus dem Blickwinkel von kurzfristiger Taktik und Politspielereien behandeln,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das tut doch keiner!)

    um meine Kollegen Michael Müller und Horst Peter zu zitieren.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von den GRÜNEN)

    Oskar Lafontaine hat recht, und dies Ihnen ins Stammbuch: Den Ausstieg aus der Kernenergie erreicht man nur auf dem Wege des Einstiegs in die Verantwortung, meine Damen und Herren von den GRÜNEN!

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der Abg. Frau Nickels)

    Sie müssen endlich mit sich selbst ins reine kommen.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Vor allen Dingen Sie als SPD! Sie wissen nicht, was Sie wollen! So ein Unsinn!)

    Sie müssen entscheiden, ob Sie bereit sind, Exekutivverantwortung zu übernehmen, oder ob Sie damit so lange warten wollen, wie die Zerfallszeit des Plutoniums beträgt, nämlich 24 000 Jahre, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.

    (Beifall bei der SPD)

    Es genügt nicht, die Welt nur zu interpretieren. Man muß, wenn man seine politischen Forderungen tatsächlich ernst meint, wenn man die Zustände, die man beklagt, gestaltend verändern will, auch bereit sein, Regierungsverantwortung zu übernehmen, ja geradezu nach Regierungsverantwortung streben, weil man nur dann die Verhältnisse, die man be-



    Schäfer (Offenburg)

    klagt, auch zum besseren verändern kann, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.

    (Beifall bei der SPD — Frau Nickels [GRÜNE]: Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit zur Genüge bewiesen, Herr Schäfer!)

    — Ich weiß und habe dafür sogar partiell Verständnis, Frau Nickels, noch fehlt es Ihnen als einer Partei ohne Vergangenheit,

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Und Ihnen an Konsequenz!)

    dazu an dem nötigen Selbstbewußtsein. Ihre Angst, in der Regierungsverantwortung könne aus Grün leicht Grau werden,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Grüne Früchte!)

    ist offensichtlich größer als Ihre Entschlossenheit, die von Ihnen beklagten Umstände zu ändern.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Sagen Sie das mal dem Börner in Hessen!)

    Dies ist, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, freilich Ihr Problem, aber es wird zunehmend — das sagen wir voraus, wenn Sie bei Ihrer Haltung bleiben — auch zu einem Problem Ihrer Wähler, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Vor allen Dingen für die SPD wird es ein Problem!)

    Der von Ihnen, Herr Bundesinnenminister Zimmermann, vorgelegte Entwurf wird den umwelt-
    und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen nicht gerecht. Wir werden Ihren Entwurf ablehnen. Wir bekräftigen damit einmal mehr: Wir Sozialdemokraten wollen keinen Zimmermann-Staat.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Genau!)