Rede von
Dr.
Erika
Hickel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion DIE GRÜNEN beantrage ich im Zusammenhang mit der heutigen Wahl des Bundestagspräsidenten, die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten zu erhöhen, und zwar auf fünf, und den fünften Stellvertretersitz in der Reihe der stellvertretenden Bundestagspräsidenten den GRÜNEN zuzusprechen.
Der Antrag liegt Ihnen schriftlich vor. Wir haben ihn bereits bei der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages im März 1983 gestellt. Ich begründe ihn heute noch einmal angesichts der inzwischen eingetretenen Veränderungen wie folgt.
Die gleiche Situation wie damals besteht dadurch, daß die Anzahl der stellvertretenden Präsidenten weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages festgelegt ist. Daher ist der Bundestag frei, die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten zu bestimmen. Nach langjähriger Praxis dieses Hauses spielt dabei die Größe der Fraktion keine Rolle.
Zur Begründung führe ich ferner an — und das sind jetzt die Punkte, die sich seit März/April 1983 geändert haben —: Seit dem vergangenen Jahr haben die GRÜNEN durch die Erfolge in den Landtags-, Kommunal- und Europawahlen den alten Einwand der Altparteien vom vorigen Jahr entkräftet, daß man einer kurzlebigen kleinen Splitterpartei keinen Vizepräsidenten zugestehen könne. Davon kann wohl inzwischen keine Rede mehr sein.
Ich begründe unseren Antrag ferner mit folgender Überlegung: Wegen der zunehmenden Krise des Vertrauens in die Vertrauenswürdigkeit von Parlamentariern, von der ja soeben sehr lang die Rede war, halten wir es heute im Interesse dieses Hauses für wichtig, daß gerade die GRÜNEN mit einer Vizepräsidentin dem Präsidium angehören; denn es gehört, wie Sie wissen, zu den Pflichten des Präsidiums, Vorwürfen wegen des Unterlaufens der Verhaltensregeln für Abgeordnete nachzugehen; und dabei sollte diejenige Fraktion, die von diesen Vorwürfen nicht betroffen ist,
jedenfalls beteiligt sein.
Ich begründe unseren Antrag weiter damit: Das alte Argument, das im letzten Jahr gebracht wurde, daß wegen der Rotation grüner Abgeordneter unserer Fraktion keine Vizepräsidentin zugestanden werden könne, ist ja wohl spätestens seit der Neuwahl eines Bundestagspräsidenten heute mitten in der Legislaturperiode hinfällig geworden.
Es stünde unseres Erachtens diesem Hause wohl an, wenn gerade der heutige Tag nicht nur den Amtsantritt eines neuen Bundestagspräsidenten, sondern auch die Normalisierung in der Besetzung des Bundestagspräsidiums überhaupt zum Inhalt hätte,
damit das, was hier jahrelang gute Praxis und parlamentarische Sitte in diesem Hause war, wieder Platz greift, daß nämlich jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellt. Es handelt sich hier um eine politische Entscheidung und nicht um eine Entscheidung, bei der man künstlich irgendwelche Paragraphen der Geschäftsordnung beiziehen sollte. Überlegen Sie sich gut, ob Sie hier politisch oder rein formal argumentieren wollen.