Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag und die Begründung des Antrages der GRÜNEN, den wir heute als letzten Tagesordnungspunkt zu dieser späten Stunde noch behandeln müssen, mehrmals in der Hoffnung durchgelesen, einen Begründungspunkt ausfindig machen zu können, der mich überzeugt — leider allerdings vergeblich.
Solche Anträge, meine ich, tragen nur dazu bei, die öffentliche Diskussion um den Tierschutz emotional aufzuladen und anzuheizen.
Ich wehre mich, da mitzumachen.
Wir sollten doch hier im Hause endlich einmal dazu übergehen, Sachpolitik zu betreiben.
Erstens sieht es nach der Antragsbegründung fast so aus, als ob Forscher in großer Zahl Versuchstiere für die Laborarbeit ohne das nötige Verantwortungsgefühl verwendeten.
Von Forschungszielen ist nicht die Rede. Eine Partei, auch die GRÜNEN, kann doch nicht ernsthaft
glauben, daß das Verteidigungsministerium Tier-
6554 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Oktober 1984
Bredehorn
versuche durchführt, um die Effizienz neuer Waffentechniken zu erproben.
— Sie wissen doch genau, daß das nicht zutrifft.
Zweitens appellieren die GRÜNEN mit ihrem Antrag, den Frieden zu erhalten. Jeder von uns hier will den Frieden. Es wäre schön, wenn es keine Krisenherde auf der Erde mehr gäbe. Aber die Welt ist nun leider nicht so.
Ich werde den Verdacht nicht los: Dieser Antrag der GRÜNEN soll auch den Auftrag der Bundeswehr in Frage stellen. Wenn Sie in dem Antrag schon von ethischen Gefühlen den Versuchstieren gegenüber sprechen, erlaube ich mir, auch an Ihr ethisches Gefühl einem Soldaten gegenüber zu appellieren. Im Verteidigungsauftrag der Bundeswehr ist auch von der Verantwortung für die ihr anvertrauten Menschen die Rede, nämlich diese im Ernstfall, den wir alle nicht herbeiwünschen, vor feindlichen Waffen zu schützen oder gegebenenfalls ihre Verletzungen bestens zu versorgen. Möglicherweise ist es dann aber zu spät, Heilmethoden zu testen. An den verletzten Soldaten herumzuprobieren, verbietet sich schon allemal. Dann kann es in Sekundenschnelle um Tod oder Leben gehen.
Ethik hat mehrere Seiten. Spätestens dann, wenn das Leben eines nahestehenden Menschen oder sogar eigenes Leben auf dem Spiel steht, wird so mancher nicht mehr umhin können, seine absolute Ablehnung von Tierversuchen zu überprüfen. Soweit zur Ethik und zur brüchigen Logik Ihres Antrages.
Bei den Tierversuchen im wehrmedizinischen Bereich geht es in erster Linie um die Erprobung spezieller Arzneimittel gegen die Wirkungen von Waffen. Das Arzneimittelgesetz, das Chemikaliengesetz und das Tierschutzgesetz sind auch für die Bundeswehr verpflichtend. Tierversuche im Zusammenhang mit der Entwicklung und Erprobung neuer Waffen werden weder von der Bundeswehr noch in ihrem Auftrag durchgeführt. Nochmals: Vorrangiges Ziel der Forschungsarbeiten bei der Bundeswehr ist die Suche nach geeigneten Heilsubstanzen, und zwar sowohl für eine vorbeugende Anwendung als auch für die Therapie.
Wie wichtig es ist, hier Erkenntnisse zu sammeln, habe ich eben in unmißverständlicher Weise zum Ausdruck gebracht.
Angriffsfläche zur Diskussion bietet die Tatsache — das sage ich hier ganz deutlich; Frau Schmidt, da bin ich mit Ihnen einer Meinung —, daß die Dienststellen der Bundeswehr für ihre eigenen wehrmedizinischen Tierversuche verantwortlich zeichnen. In der Praxis bedeutet das, daß sie ihre Tierversuche selber genehmigen. Nun vertrete ich zwar die Ansicht, daß eine Kommission, bestehend aus vernünftig denkenden Menschen, selbst, wenn sie dem Verteidigungsministerium angehören, diese Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen kann, aber ich sehe ein, daß Tierschützer hier eine Schwachstelle in der Überwachung entdecken, eben weil es diesen Experten an unabhängiger Meinungsbildung fehlen könnte. Ich meine, hier müssen wir in der anstehenden parlamentarischen Diskussion über das Tierschutzgesetz darüber nachdenken und entscheiden, ob die bundeswehreigene Aufsicht nicht durch unabhängige Fachleute ergänzt werden muß, damit eine bestmögliche Absicherung notwendiger Tierversuche gewährleistet ist. Dabei sind natürlich die besonderen Umstände unserer Verteidigung zu sehen, besonders die Notwendigkeit der Geheimhaltung. Die vielen Fragen, die mit der Wehrmedizin und darüber hinaus mit dem Tierschutz in Zusammenhang stehen, lassen sich durch eine Radikalkur, d. h. durch eine vollständige Abschaffung von Tierversuchen, nicht lösen. Denn das würde neue Probleme in der wissenschaftlichen Forschung in der Humanmedizin usw. heraufbeschwören. Wir wollen Tierversuche auf das notwendige Maß beschränken.
Zu fragen ist allerdings: Wie prüft man denn, ob Tierversuche unerläßlich sind?
Gibt es allgemeingültige Unerläßlichkeitskriterien, die wir als Parlamentarier bundesweit festschreiben sollten?
Vor einem uneingeschränkten Ja zur letzten Frage warne ich. Denn nur zu schnell könnten unsere eigenen Entscheidungen von neuen Forschungen überrollt werden.
Ich sehe gerade: Das Licht hier leuchtet. Ich komme zum Schluß.
— Ich habe leider keine Zeit, darauf einzugehen.
Die FDP fordert schon seit langem, daß dort, wo alternative Forschungsmethoden zur Verfügung stehen, Tierversuche verboten werden. Besonders im kosmetischen Bereich wird sich die FDP für ein Verbot von Tierversuchen einsetzen.
Im Ernährungsausschuß sollten wir den vorliegenden Antrag im Rahmen der Diskussion über die Novellierung des Tierschutzgesetzes behandeln,
aber dann bitte mit Sachverstand und ohne Gefühlsduselei.
Schönen Dank.