Rede von
Dr.
Wolfgang
Ehmke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Nein, ich kann leider keine Zwischenfrage zulassen.
Doch was tut die Bundesregierung angesichts dieser Notsituation? Sie tut das, was sich unter diesem Kanzler offensichtlich zur höchsten politischen Tugend entwickelt hat, nämlich Aussitzen und den Wald sterben lassen. Glauben Sie denn, der Wald wird von selbst wieder gesund?
Meine Damen und Herren, wenn der Wald so langsam stürbe, wie sich bei Ihnen die Erkenntnisse über notwendige Maßnahmen durchsetzen, dann bräuchten wir in diesem Jahrtausend keine Sorgen mehr um den Wald zu haben.
Doch der Wald tut uns diesen Gefallen nicht. Die Natur folgt nicht dem politischen Willen — und auch nicht der Rechtsprechung. Sie folgt ganz allein ökologischen Gesetzmäßigkeiten. Wenn wir zu der Erkenntnis kommen, daß wir den Wald um unserer Zukunft willen erhalten müssen — und ich möchte den in diesem Haus sehen, der offen behaupten wollte, wir könnten ohne weiteres auf den Wald verzichten —,
dann müssen wir notfalls, in Notfällen wie jetzt, eben die Politik und gegebenenfalls das Recht ändern, um den Wald zu retten.
Eines dieser ökologischen Gesetze lautet — damit bin ich bei meinem Antrag zur Geschwindigkeitsbegrenzung —: Alles bleibt irgendwo. Die 1,4 Millionen Tonnen Stickoxide pro Jahr, die Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, Ruß und andere Schadstoffe, die der Kraftverkehr bei uns erzeugt, lösen sich nicht in Luft auf, sondern sie kommen in irgendeiner Form wieder zu uns herunter und tragen u. a. zum Waldsterben, zur Gesundheitsgefährdung und zur Bodenbelastung bei. Die Autoabgase können durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung deutlich vermindert werden, viel deutlicher als mit dem verhungerten Katalysatorkonzept der Bundesregierung, dessen Verwirklichung angesichts unserer Erfahrungen mit Ihrer Umfallpolitik ohnehin in den Sternen steht.
Meine Damen und Herren, die Zahlen liegen längst auf dem Tisch. Ich habe vorhin schon ausgeführt, welche Wirkungen ein Tempolimit nach den Berechnungen des Umweltbundesamtes haben würde. Doch das Innenministerium und die CDU/ CSU-Fraktion desavouieren nach wie vor ihre eigene Fachbehörde, die trotz ihrer erschwerten Arbeitsbedingungen national und international einen sehr guten Ruf genießt. Sie klammern sich statt dessen verzweifelt an die Zahlen des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, den man wohl besser als Verband der deutschen Automobilideologen bezeichnen sollte. Dieser ist nicht nur mit seiner Katalysatorkostenberechnung vor einigen Wochen voll auf die Nase gefallen, sondern er hat auch den Innenausschuß in billigster Roßtäuschermanier an der Nase herumzuführen versucht; aber nur Sie sind darauf hereingefallen.
Es wurden nicht nur Zahlen des TÜV Rheinland falsch zitiert, sondern es wurden auch angeblich höhere Schadstoffausstöße bei Tempolimit herausgerechnet, indem der VDA Abgasmessungen vom Prüfstand mit Abgasmessungen bei echten Fahrten in unzulässiger Weise durcheinanderwarf.
Man kann einfach nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, und ich werde nicht müde, meine Damen und Herren, auch als Wissenschaftler, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt, dieses unseriöse, unwissenschaftliche, ja primitive Verhalten des VDA so lange anzuprangern, bis der VDA diese Zahlen öffentlich korrigiert hat.