Rede von
Gabriele
Gottwald
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Wenn ich Herrn Genscher richtig verstanden habe, so hatte die Konferenz von Costa Rica im wesentlichen zwei Ziele. Zum einen soll Europa in der Zukunft in der Region präsent sein. Zum zweiten soll eine regionale Zusammenarbeit der Staaten in Zentralamerika untereinander und mit der EG gefördert werden, und es sollen die Verhandlungen und Prozesse, die innerhalb der Contadora-Initiative ablaufen, seitens der Europäischen Gemeinschaft aktiv mitgetragen werden.
Ich bin ein bißchen verwundert über die Art und Weise der Diskussion; denn wenn man sich überlegt, was sowohl am Rande der Konferenz als auch seit dem Wochenende passiert ist, stellt man doch fest, daß genau diese Punkte nicht so ohne weiteres gelaufen sind. Der einzige, der darauf hingewiesen hat, ist Herr Brück. Er hat nämlich z. B. dieses wichtige Telegramm von Herrn Shultz erwähnt. Herr Shultz hat direkt und ganz bewußt den Versuch unternommen, genau die Absicht der europäischen Staaten, eine regionale Zusammenarbeit anzufangen, zu torpedieren,
indem er explizit versucht hat, Nicaragua auszuschließen. Ich bin sehr verwundert darüber, daß das hier von seiten der Regierung überhaupt nicht angesprochen wird.
Zweitens zur Contadora-Initiative: Man muß sich vielleicht noch einmal vor Augen führen, was eigentlich seit dem Beginn der Initiative Anfang letzten Jahres passiert ist. Mir hat es sich so dargestellt: Zuerst waren die USA gegen die Initiative, weil nämlich eine Entmilitarisierung der Region primär bedeuten würde, daß die USA ihre Militärpläne in Mittelamerika einstellen müssen. Deswegen haben sie von Anfang an versucht, diese Initiative zu behindern.
Die zweite Stufe war, daß eine zunehmende Zahl von Staaten diese Initiative verbal unterstützte, weil man den Eindruck hatte, daß sie eh keine realen Erfolge mit sich bringen würde. Von daher machte sich Gleichgültigkeit breit, und man sagte: Okay, alle unterstützen Contadora. Die USA sagten das auch.
Die dritte Stufe war, daß deutlich wurde, daß diese Initiative den Willen hat, eine Entmilitarisierung herbeizuführen. Von rechts versuchte man dann, diese Initiative gegen Nicaragua zu wenden, indem z. B. auch Mitglieder der CDU/CSU gesagt haben: Nicaragua wird beweisen müssen, ob es den Willen zur Abrüstung hat, und dieser Beweis wird daran festgemacht werden müssen, ob sie Contadora unterzeichnen.
— Selbstverständlich, Herr Pinger. — Dann passierte am Wochenende folgendes Absurde. Nicaragua hat gesagt: Wir unterzeichnen die Akte vorbehaltlos. Und dann haben die USA gesagt: Wir sind mit der Akte nicht mehr einverstanden. Das ist der Stand, der heute noch existiert, und ich wundere mich, warum das von Ihrer Seite, Herr Genscher, hier überhaupt nicht erwähnt wird. Heute steht in der „Frankfurter Rundschau", daß die Länder — man bedenke — El Salvador, Guatemala, Honduras und Costa Rica gesagt haben: Wir sind ebenfalls für eine Änderung der Akte. Jetzt können Sie sich einmal selber zusammenrechnen, wie diese Prozesse zustande kommen. Da kann man doch nicht sagen, Nicaragua ist gegen eine Friedensprozeß in Zentralamerika. Das ist absurd. Diese Sachen machen ganz deutlich: Die USA sind diejenigen, die überhaupt kein Interesse an einer Entmilitarisierung in der Region haben.