Rede von
Dr.
Alfred
Emmerlich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte gehofft, daß wir gemeinsam die Chance, die diese Aktuelle Stunde geboten hat, nutzen würden, um deutlich zu machen, daß dieser Deutsche Bundestag darin übereinstimmt, daß Gewalt und strafbare Handlungen kein Mittel der Politik sind und daß wir es gemeinsam nicht dulden, daß strafbare Handlungen und Gewalt zu einem Mittel der Politik gemacht werden.
Deutscher Bundestag — l0. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Oktober 1984 6423
Dr. Emmerlich
Gemeinsam sollten wir unterstreichen, daß jeder Bürger unseres Landes gegen Gewaltmaßnahmen Anspruch auf unseren Schutz, auf den Schutz dieses Staates hat, jeder Bürger, auch und insbesondere unsere Polizeibeamten und unsere Soldaten.
— Hören Sie mal zu, Graf Huyn: Ich habe den Eindruck gewonnen und bin davon überzeugt, daß sehr viele Bürger unseres Landes sehr wohl bemerken, daß diese Aktuelle Stunde für Sie leider Gottes zwei Funktionen gehabt hat. Erstens geht es um eine Diskriminierung der Friedensbewegung, um eine Diskriminierung, die darauf hinauslaufen soll, die Friedensbewegung insgesamt in den Augen der Bevölkerung als gewalttätig und kriminell erscheinen zu lassen und herabzusetzen. Die zweite Funktion war die, daß Sie die Sozialdemokraten in den Verdacht der Zusammenarbeit mit Gewalttätern bringen wollen.
Ich meine, Sie sollten sich sehr davor hüten, eine Partei, die das Vertrauen nahezu der Hälfte der Bürger dieses Landes genießt,
in einer solchen Weise herabzusetzen.
Dadurch untergraben Sie die Grundlagen, auf denen unser Staat steht. Ich verstehe überhaupt nicht, daß Sie kein Gefühl dafür haben, was es bedeutet, wenn Sie Debatten so führen, daß der innenpolitische Kontrahent als ein Feind der Verfassung, als ein Feind unserer Ordnung erscheinen muß. Diess ist etwas, was im Endergebnis auf Sie selbst und auf unser parlamentarisches System negativ zurückschlagen wird. Sie sägen den Ast ab, auf dem wir alle sitzen. Und das werfe ich Ihnen vor, daß Sie hier nicht verantwortungsbewußt handeln und die Verantwortung, die Sie als eine große Volkspartei wahrzunehmen haben, nicht wahrnehmen können und wollen.
Lassen Sie mich auch noch eine Bemerkung machen, die hier hingehört. Ich protestiere ganz entschieden dagegen, daß die Bundesregierung und die Regierungskoalition für sich das Recht in Anspruch nehmen, die Aufgaben an sich zu ziehen, die der unabhängigen Justiz unseres Landes übertragen worden ist. Jetzt werden Sie fragen, was ich meine. Ich meine z. B. die Aufforderung des Regierungsmitglieds Würzbach an die Justiz, in bezug auf strafbare Handlungen, die bei diesen Manövern begangen worden sind, hart durchzugreifen. Und, Herr Wittmann, es steht der Bundesregierung auch nicht an, sich auf Fragen von Abgeordneten dazu zu äußern, welche Handlungen strafbar sind und welche Handlungen nicht strafbar sind. Dies ist Aufgabe der Justiz, und wir sollten alles tun, was wir tun können, um zu vermeiden, daß der Eindruck entsteht, wir wollten der Justiz Anweisungen erteilen. Ich bin der Auffassung, daß der Respekt vor dem Rechtsstaat solche Eingriffe in die Justiz verbieten sollte.