Rede von
Prof. Dr.
Paul
Laufs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem schönen Beitrag des Herrn Kollegen Schmude drängt sich die Frage auf: Hat denn die SPD jedes Gefühl dafür verloren, wie sie sich mit Leuten einläßt und teilweise solidarisiert, die mit Rechtsbruch und Gewalttat den inneren Frieden und die äußere Sicherheit unseres Landes zerstören wollen?
Was ist es denn wert, wenn der SPD-Vorstand zwischen Manöverblockaden und Friedensdemonstrationen unterscheidet, aber die Proteste gegen die NATO-Manöver ausdrücklich unterstützt, obwohl er sehr gut weiß, mit welchen Mitteln diese Proteste gegen unsere Landesverteidigung vorgetragen werden?
Wo waren Sie denn, Herr Kollege Glotz, mit Ihren Klarstellungen, als vor wenigen Tagen die SPD Hessen-Süd ihre 85 000 Mitglieder zur Teilnahme an den Herbstaktionen der sogenannten Friedensbewegung aufgefordert hat?
Nichts illustriert den Niedergang rechtsstaatlicher Gesinnung mehr als die rüde Antwort des hessischen Innenministers Winterstein auf den Brief des amerikanischen Generals Wetzel, in dem der Amerikaner darauf aufmerksam gemacht hatte, daß drei Abgeordnete der GRÜNEN aus dem hessischen Landtag rechtswidrig in den Übungsplatz Wildflecken eingedrungen waren, und in dem der amerikanische General eine Verfolgung der kriminellen und unrechtmäßigen Aktionen verlangte. Bevor Minister Winterstein in unnachahmlicher Arroganz den amerikanischen General auf die hessische Verfassung verwies, hätte er — Winterstein — dort einmal Art. 2 Abs. 1 nachlesen sollen, in dem es heißt:
Der Mensch ist frei. Er darf tun und lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt oder die verfassungsmäßige Ordnung des Gemeinwesens nicht beeinträchtigt.
Was waren denn die Störaktionen im osthessischen Raum, bei denen Zäune von Militäreinrichtungen niedergerissen, Eingänge blockiert und Bremsleitungen bei Zügen durchschnitten wurden? Wie kann sich dieser hessische Innenminister in der Öffentlichkeit hinstellen und behaupten, die Absichten des Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung seien „lauter und friedlich", wenn er seit Wochen landauf, landab in den Flugblättern und aus den Reden der maßgeblichen Organisatoren etwas anderes, nämlich Blockaden und Manöverbehinderungen, auch mit den Mitteln der Sachbeschädigung, Nötigung und des Hausfriedensbruchs vernehmen konnte? Warum hat dieser hessische Innenminister seine Polizei nicht präventiv zur Verhinderung von Rechtsbrüchen und Gewalttaten aus den sogenannten Friedenscamps eingesetzt, obwohl sich beispielsweise einer der Organisatoren, der frühere Magistratsdirektor Schubart, mit nicht zu überbietender Deutlichkeit wie folgt vernehmen ließ:
Wir greifen bewußt in militärische Vorgänge ein und verstoßen, wenn notwendig, gegen bestehende Gesetze.
Es war vorauszusehen — und zwar nicht nur für Herrn Winterstein, sondern auch für die gesamte SPD —, daß aus den sogenannten Friedenscamps fortwährend, Tag für Tag Rechtsbrüche und Gewalttaten begangen würden.
Dennoch hat der SPD-Vorstand am 10. September des Jahres alle Sozialdemokraten aufgerufen, an den Veranstaltungen der Friedensbewegung im Herbst teilzunehmen und dabei — man höre und staune — „Zeichen des Friedens" zu setzen. Wie die Zeichen des Friedens ausgesehen haben, die von jedem vierten Teilnehmer der fünf osthessischen Friedenscamps ausgingen, wissen wir mittlerweile: Die Staatsanwaltschaft Fulda hat 350 strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen solche Zeichen des Friedens eingeleitet.
Meine Damen und Herren von der SPD, es gab einmal einen preußischen Innenminister, Carl Severing, aus Ihren Reihen, einen der großen Demokraten der Weimarer Republik. Von ihm stammt ein Erlaß aus dem August 1931, in dem er aus Anlaß gewalttätiger Übergriffe kommunistischer Ruhestörer seine Polizei wie folgt anweist:
Die Polizeibehörden werden angewiesen, das Vorhandensein solcher Trupps zu ermitteln, sie mit besonderer Aufmerksamkeit zu beachten und ihre gesetzwidrige Betätigung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auf das Nachdrücklichste zu verhindern.
Nichts anderes hat der amerikanische General Wetzel vom hessischen Innenminister verlangt.
Zwischen dem Minister Winterstein und dem preußischen Innenminister Severing liegen allerdings nicht nur 50 Jahre, sondern ein erschreckender Verfall rechtsstaatlichen Bewußtseins in der Sozialdemokratie.