Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kolbow, jetzt wissen wir es endlich:
Was uns schon am frühen Morgen Unbehagen bereitet, sind nicht die Ereignisse, über die wir zu
sprechen haben, sondern Verursacher sind diejenigen, die dazu eine Aktuelle Sunde im Deutschen Bundestag beantragt haben.
Wenn man einmal zurückverfolgt, aus welchen Gründen Sie uns manchmal zur frühen Morgenstunde zusammengerufen haben, kann man sich nur wundern. Es ist ja überhaupt nicht richtig, daß die Dinge nicht in der notwendigen Abgewogenheit, aber auch Deutlichkeit behandelt würden.
Ich will mit einer Vorbemerkung beginnen, weil dies nicht unter den Tisch fallen darf. In zweierlei Richtung ist Positives festzustellen. Wenn man im Vorfeld dieser Herbstmanöver verfolgt, was sich die Anzettler strafbarer Unternehmungen erwartet haben, so sieht man, daß sie bitter enttäuscht worden sind. Der Zulauf zu denen, die gewaltsam darangegangen sind, Störungen vorzunehmen, war weit geringer, als dies die Hintermänner hoffend im Hinterkopf hatten.
Ich will nochmals unterstreichen was der Kollege Wörner bereits ausgeführt hat:
Die Bevölkerung, die in den Manövergebieten natürlich betroffen ist, die auch Behinderungen und Störungen ausgesetzt ist, hat sich mit den Störern nicht solidarisiert, hat nicht schmunzelnd, mit stillem Beifall zur Kenntnis genommen, was dort passiert ist, sondern sie hat sich dagegengestellt, sie hat das abgelehnt. Das sollten alle diejenigen wissen, die in die Zukunft hinein ähnliches wieder anzuzetteln vorhaben.
Die Fülle der strafbaren Handlungen, die bei diesen Herbstmanövern wieder erfolgt ist, zwingt erneut dazu festzustellen — aber haben wir es eigentlich noch nötig, das immer wieder zu sagen —, daß die Behauptung, es handele sich hier um ein politisches Anliegen und die höhere moralische Qualität liege bei jenen, die sich Friedensfreunde nennen, es aber fertigbringen, in diesem friedlichen Land in weiten Bereichen unfriedliche Zustände hervorzurufen,
lediglich ein Vorwand ist. Das festzustellen ist erneut notwendig.
Ich glaube, man kann das, was diese Demokratie und dieser Staat den Menschen ermöglichen, zusammenfassen mit jenem kurzen Wort — dort verläuft auch die Grenze des Zulässigen —, das der Präsident des Deutschen Bundestages gestern bei Eröffnung des Jugendtages des deutschen Parlaments an den Anfang gestellt hat: Widerspruch ja, Widerstand nein.
So einfach ist das, meine Damen und Herren.
Nur, wenn jemand einiges der Art bietet, wie es Frau Kelly hier getan hat, wird man schon feststellen müssen, daß auch in diesem Hause leider die
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Oktober 1984 6419
Bundesminister Engelhard
geistigen Brückenbauer derjenigen sitzen, die sagen, sie hätten gemeint, das alles sei ja nicht so schlimm, das sei zulässig, j a es sei in einem höheren Sinne gerechtfertigt.
Was soll es, wenn gesagt wird, Gewalt gegen Menschen nein? Wie ist es mit den Sachen?
Die Frage, die von Frau Kelly aufgeworfen worden ist — wer handelt denn eigentlich verbrecherisch —,
stellt die geistige Brücke dar, die zu allen jenen hin gebaut werden soll, die sich bei der nächsten Aktion — wenn nicht gesetzlich, so doch innerlich — gerechtfertigt fühlen.
Ich will am Schluß eine Frage anschneiden, die meines Erachtens von zentraler Bedeutung ist: Manövertruppen sind verteidigungsfähig, und machten sie von jenen technischen und waffenmäßigen Mitteln Gebrauch, stünde wohl außer Zweifel, wer den Sieg davontrüge. Aber wir befinden uns nicht im Krieg,
wir haben nicht den Verteidigungsfall.
Manövertruppen haben keine andere Möglichkeit als jeder andere Bürger: Ihnen steht das Notwehrrecht und sonst nichts zu Gebote.
Nein, es ist sogar anders: Ihnen steht weniger zu Gebote, weil in diesem Staat aus gutem Grunde die Anweisung besteht, daß sich der einzelne Soldat bis zum Extremfall hin nicht gegen Angriffe wehren soll. Er muß die äußerste Zurückhaltung üben, und das aus gutem Grunde.
Damit ist sichergestellt, daß wir das Manöver in diesem Lande nicht als ein Kriegsspiel praktizieren. Vielmehr erfolgt das Manöver zu unserem Schutze. Dabei ist dem einzelnen Soldaten aufgegeben, sich bis zum äußersten zurückzuhalten, auch wenn er angegriffen wird.
Was ist die Folgerung daraus? — Daß es die Aufgabe der Polizeikräfte ist, in allen künftigen Fällen für den Schutz der Soldaten, an der Spitze für den Schutz unserer Verbündeten, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln bereitzustehen.