Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich in diesen Wochen und Monaten so manchen Sicherheitsapostel höre, dann kommen mir wirklich die Tränen. Das gilt sowohl dann, wenn über den Datenschutz diskutiert wird, als auch dann, wenn über den fälschungssicheren Personalausweis gesprochen wird. Gleichzeitig, meine Damen und Herren, schafft man die Grenzkontrollen ab, ohne daß ir-
6194 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984
Minister Dr. Schnoor
gend jemand weiß, wie man die Sicherheitsdefizite ausgleichen soll.
Es gab im Jahre 1983 an unseren westlichen Grenzen 14 000 Festnahmen, meine Damen und Herren, doch die Polizei weiß nicht, wie das Sicherheitsdefizit ausgeglichen werden soll. Und dann sprechen Sie davon, welche Gefahren uns für die Sicherheit durch den Datenschutz entstehen können.
Meine Damen und Herren, wer für den Datenschutz politisch verantwortlich ist, kann den Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der SPD nur nachdrücklich begrüßen.
Endlich, verehrter Herr Kollege, nimmt sich jetzt auch der Bundesgesetzgeber dieses drängenden Themas an, auch wenn sich Bundesregierung und Koalition ihrer Pflicht bisher noch zu entziehen suchen.
— Doch, Herr Hirsch! Bisher ja. Es ist ganz erstaunlich, Herr Hirsch, daß es die Bundesregierung nicht fertiggebracht hat, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Ich begrüße es außerordentlich, daß wir jetzt Gelegenheit haben, im Bundestag durch Initiative der SPD-Bundestagsfraktion das Thema „Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes" voranzutreiben. Ich meine auch, daß das, was die Fraktion hier vorgelegt hat, der richtige Schritt in die richtige Richtung ist.
— Ich habe sehr genau zugehört, Herr Hirsch. Ich werde gleich etwas dazu sagen.
Der Gesetzentwurf gibt mit einer Vielzahl geänderter und neuer Vorschriften neue Denkanstöße. Er ist in einigen Punkten nicht ausreichend; das ist für mich eindeutig. Aber er ist ein wesentlicher Schritt zur praktischen Verbesserung des Datenschutzes im Interesse der Bürger.
Das Bundesdatenschutzgesetz und die Datenschutzgesetze der Länder, so fortschrittlich sie einmal gewesen sein mögen, geben Antworten auf Fragen von vorgestern, nicht auf Fragen von heute, geschweige denn auf Fragen von morgen, meine Damen und Herren.
Mit der Zunahme der Informationsverarbeitung in Verwaltung und Wirtschaft und mit dem Aufkommen neuer Technologien müssen weitergehende Vorschriften als bisher vorgesehen werden, und — meine Damen und Herren, das sage ich mit allem Ernst — wir müssen der Gefahr vorbeugen, daß der einzelne durch Staat und öffentliche Stellen zunehmend durchleuchtet und vereinnahmt werden kann und wird. Wir müssen die Rechte der betroffenen Bürger stärken.
Gleichzeitig müssen wir natürlich die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1983 ziehen. Zu Recht hat der Datenschutz in der Öffentlichkeit die erforderliche Resonanz gefunden und, wie ich meine, zu einem Datenschutzbewußtsein in der Öffentlichkeit geführt.
Natürlich ist die Verwaltung im modernen Sozialstaat auf Daten angewiesen. Natürlich muß der Staat, der für den Bürger Leistungen zu erbringen hat, von diesem auch personenbezogene Informationen verlangen. Das ist ganz selbstverständlich; sonst könnten wir unsere Aufgaben gar nicht erfüllen. Aber die notwendige Akzeptanz der Datenverarbeitung — verehrter Herr Hirsch, darauf haben Sie aufmerksam gemacht —, auf die wir angewiesen sind, wird im wesentlichen von der Qualität des Datenschutzes abhängen.
Der Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion bietet eine deutlich verbesserte Grundlage für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Ich meine, er bietet auch einen Ansatz, um die notwendige Leitfunktion für den bereichsspezifischen Datenschutz zu übernehmen. Denn das Bundesdatenschutzgesetz soll ja auch eine Grundlage für die bereichsspezifischen Regelungen sein, die hier ergänzend notwendig sind.
Die Tatsache, daß die SPD-Fraktion einen solchen Gesetzentwurf vorlegt, wirft allerdings ein bezeichnendes Licht auf die Rolle der Bundesregierung und wirft auch einige kritische Fragen auf. Trotz jahrelanger Vorarbeiten, meine Damen und Herren, auch in der früheren Bundesregierung — —
— Oh, die waren sehr gut. Herr Laufs, wenn der Bundesinnenminister doch wenigstens den Entwurf übernommen hätte, den Herr Baum damals erarbeitet hatte, wieviel weiter wären wir dann in der Diskussion jetzt schon! Wir müssen ihn ergänzen; denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist hinzugekommen.
Trotz jahrelanger Vorarbeiten — ich wiederhole es — ist es dem Bundesminister des Innern nicht gelungen, dem Kabinett einen abgestimmten Entwurf zur Entscheidung vorzulegen. Er will dies — das haben wir vorhin deutlich gehört — auch nicht tun, sondern er will die Verbesserung den Fraktionen des Bundestages überlassen. Wenn ich mich allerdings auf das verlasse, Herr Laufs, was Sie dazu gesagt haben, als Sie von Hypertrophie spra-
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Chen, von den Schaukünstlern, die sich auf dem Eis bewegen, dann höre ich solche Worte wohl, aber gleichzeitig höre ich: Es soll sich möglichst wenig ändern.
Meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung keinen Gesetzentwurf vorlegt, erstaunt mich sehr. Ich habe nicht damit gerechnet, daß Herr Zimmermann, verehrter Herr Kollege Waffenschmidt, auch hier resignieren würde.
Sie haben darauf hingewiesen, welche schwierige Rechtsmaterie hier zu regeln sei. Ist es da nicht die Aufgabe des Bundesinnenministers und des Bundesjustizministers, dem Kabinett einen abgestimmten Entwurf vorzulegen?
Oder ist es Aufgabe von Koalitionsfraktionen, das im einzelnen zu erarbeiten? Ich meine, das wirft ein bezeichnendes Licht auch auf die Führungsfähigkeit dieser Bundesregierung.
Eine ähnliche Zurückhaltung ist auch beim bereichsspezifischen Datenschutz festzustellen, im Sicherheitsbereich, meine Damen und Herren. Während die Länder in der Innenministerkonferenz intensiv an den erforderlichen Änderungen ihrer Polizeigesetze arbeiten — Sie haben zu Recht darauf hingewiesen —, inwieweit nämlich bereichsspezifische Regelungen notwendig sind, ist immer noch ungeklärt, wie weit die Vorschriften des Bundesrechts geändert werden. Meine Damen und Herren, insbesondere vermisse ich Vorstellungen über die Änderung der Strafprozeßordnung. Denn das, was die Innenministerkonferenz zur Novellierung des Musterentwurfs für ein Polizeigesetz vorlegen kann, bleibt ein Torso, wenn nicht gleichzeitig die Strafprozeßordnung geändert wird. Aber hier scheinen sich der Innenminister und der Justizminister im Zaudern zu finden.
Offenbar sieht die Bundesregierung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur ein vorübergehendes Gewitter, dessen unvermeidlichen Flurschaden es im nachhinein soweit wie möglich zu begrenzen gilt.
Was ist die Folge dieses Verhaltens, meine Damen und Herren? Nachdem ich Herrn Kollegen Hirsch gehört habe — ich habe aufmerksam zugehört — und Herrn Laufs und sehr wohl die Töne und Zwischentöne gehört habe, bin ich sehr gespannt, auf was sie sich einigen werden. Herr Hirsch, das, was ich in Nordrhein-Westfalen vorgelegt habe, ist ein Referentenentwurf. Das ist wohl wahr. Aber Sie können davon ausgehen, daß dieser Referentenentwurf in Punkt und Komma meine
Handschrift trägt. Sonst würde ich in dieser Situation nicht einen solchen Entwurf vorlegen. Es ist sehr wohl so, Herr Hirsch, daß hier manches noch unzulänglich ist. Wer etwas vorlegt, setzt sich der Kritik aus. Das ist sicher richtig. Aber, verehrter Herr Kollege Hirsch, ob es Ihnen gelingt, sich mit Herrn Laufs auf das zu verständigen, was ich für den öffentlichen Bereich vorgelegt habe, darauf bin ich sehr gespannt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie das könnten, wenn Sie vielleicht auch noch weiter gehen könnten.