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ID1008506400

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    Plenarprotokoll 10/85 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 85. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6147A Begrüßung des Präsidenten der Nationalversammlung des Staates Kuwait und einer Delegation 6158 D Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6225 B Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Beschluß des deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984, ab 1. Januar 1986 nur noch abgasentgiftete Kraftfahrzeuge neu zuzulassen Dr. Vogel SPD 6147 B Schmidbauer CDU/CSU 6148 B Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 6149 C Hoffie FDP 6150 D Schäfer (Offenburg) SPD 6151C Hanz (Dahlen) CDU/CSU 6152 C Baum FDP 6153B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6154A Dr. Hauff SPD 6155A Dr. Lippold CDU/CSU 6156A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 6157 A Duve SPD 6158 D Fellner CDU/CSU 6159 D Lennartz SPD 6160 D Jung (Lörrach) CDU/CSU 6161C Erste Beratung des von den Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Tietjen, Bernrath, Duve, Frau Dr. Hartenstein, Jansen, Kiehm, Dr. Nöbel, Dr. Penner, Reuter, Schröer (Mülheim), Wartenberg (Berlin), Dr. Wernitz, Paterna, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1115 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1316 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN zum Gesetz über Personalausweise — Drucksache 10/1016 — Schäfer (Offenburg) SPD 6162 C Dr. Miltner CDU/CSU 6166 B Dr. Hirsch FDP 6169 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 6171 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 6175 D Wartenberg (Berlin) SPD 6179A Clemens CDU/CSU 6180 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes — Drucksache 10/1180 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksachen 9/2386, 10/1719 — in Verbindung mit Beratung des Sechsten Tätigkeitsberichts des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksache 10/877 — Dr. Wernitz SPD 6182 D Dr. Laufs CDU/CSU 6186 B Dr. Hirsch FDP 6189 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6191 D Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 6193 D Fellner CDU/CSU 6197 D Baum FDP 6198 A Dr. Blank CDU/CSU 6200 B Stellung und Arbeit des Deutschen Bundestages Dr. Barzel CDU/CSU 6202 A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6204 C Waltemathe SPD 6206 C Dr. Langner CDU/CSU 6208 B Frau Nickels GRÜNE 6210A Frau Geiger CDU/CSU 6211 B Dr. Vogel SPD 6213 A Dr. Lammert CDU/CSU 6215A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 6216D Kleinert (Hannover) FDP 6218 D Stratmann GRÜNE 6220 B Klein (München) CDU/CSU 6222 C Conradi SPD 6223 D Ertl FDP 6225 C Dr. Daniels CDU/CSU 6227 A Kuhlwein SPD 6228 B Werner CDU/CSU 6230 A Frau Dr. Hartenstein SPD 6231 D Dr. Czaja CDU/CSU 6233 D Dr. Schöfberger SPD 6235 C Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 6236 D Bamberg SPD 6238 C Dr. Blank CDU/CSU 6239 D Burgmann GRÜNE 6240 D Mischnick FDP 6242 D Buschbom CDU/CSU 6244 B Sielaff SPD 6246 A Schwarz CDU/CSU 6247 C Reimann SPD 6248 B Dr. Feldmann FDP 6249 D Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 6250 D Eylmann CDU/CSU 6251 D Bindig SPD 6252 D Reddemann CDU/CSU 6253 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6254 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 6255 B Stiegler SPD 6256A Lowack CDU/CSU 6256 D Schreiner SPD 6257 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 6258 C Toetemeyer SPD 6259 C Dr. Müller CDU/CSU 6259 D Dr. Hornhues CDU/CSU 6260 D Schulte (Unna) SPD 6261 B Gansel SPD 6262 B Vizepräsident Stücklen 6222 C Nächste Sitzung 6263 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6265* Anlage 2 Einstellung von Ingenieuren bei der Bundespost vor und ab 1984; Verzicht auf die Absenkung des Eingangsamtes MdlAnfr 5, 6 14.09.84 Drs 10/1979 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP 6265* B Anlage 3 Stärkung des Zonenrandgebietes durch Verlagerung von Behörden MdlAnfr 7 14.09.84 Drs 10/1979 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 6265* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6147 85. Sitzung Bonn, den 20. September 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 21. 9. Buckpesch 21. 9. Büchner (Speyer) 21. 9. Dr. Göhner 20. 9. Haase (Fürth)** 20. 9. Dr. Häfele 21. 9. Jaunich 21. 9. Keller 21. 9. Dr. Kreile 21. 9. Frau Renger 21. 9. Reuschenbach 21. 9. Schmidt (Hamburg) 21. 9. von Schmude 21. 9. Frau Schoppe 21. 9. Frau Simonis 21. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 21. 9. Dr. Stoltenberg 21. 9. Tietjen 21. 9. Dr. Voigt (Northeim) 21. 9. Weiskirch (Olpe) 21. 9. Frau Dr. Wex 20. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Fragen 5 und 6): Wie entwickelt sich die Zahl der Einstellungen von Ingenieuren bei der Deutschen Bundespost im Jahre 1984 im Vergleich zu den vergangenen Jahren? Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, von der im Haushaltbegleitgesetz 1984 vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch zu machen und auf die Absenkung des Eingangsamtes zu verzichten? Zu Frage 5: Im Jahre 1984 konnten bei der Deutschen Bundespost bisher 374 Diplomingenieure der Fachhochschulen als Nachwuchskräfte für die Laufbahnen des gehobenen fernmeldetechnischen, posttechnischen und hochbautechnischen Dienstes eingestellt werden. Mit weiteren 200 Einstellungen wird 1984 gerechnet, so daß sich die Gesamtzahl der Einstellungen des Jahres 1984 auf rund 580 Nachwuchskräfte belaufen wird. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 929 Einstellungen, 1981: 1 033 Einstellungen, 1982: 1 043 Einstellungen und 1983: 904 Einstellungen. In die entsprechenden Laufbahnen des höheren technischen Dienstes der Deutschen Bundespost wurden im Jahre 1984 bisher 45 Diplomingenieure der Technischen Hochschulen und Universitäten eingestellt. Im Jahr 1984 wird mit weiteren 10 bis 15 Einstellungen gerechnet. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 56 Einstellungen, 1981: 88 Einstellungen, 1982: 66 Einstellungen und 1983: 63 Einstellungen. Zu Frage 6: Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob besoldungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Frage 7): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Zonenrandgebiet durch Verlagerung von wenig publikumsintensiven Behörden dorthin zu stärken, und wenn ja, was käme dafür in Frage? Die Verwaltungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland ist auf eine ausreichende und bürgernahe Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Dienstleistungen ausgerichtet. Der förderative Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat dazu geführt, daß sich die Behörden nicht in einzelnen Gebieten konzentrieren. Für eine umfassende Verlagerung von Behörden besteht daher keine Veranlassung. Die Bundesregierung wird jedoch bei etwaigen Standortveränderungen darum bemüht bleiben, Bundesbehörden bzw. -einrichtungen in strukturschwache Gebiete, insbesondere in das Zonenrandgebiet zu legen, soweit keine aufgabenbezogenen Gesichtspunkte entgegenstehen. Bei Neugründungen von Bundesbehörden bzw. -einrichtungen ist Standorten im Zonenrandgebiet aufgrund des Raumordnungsgesetzes und des Zonenrandförderungsgesetzes Vorrang einzuräumen. Wie eine Umfrage bei den Bundesressorts gezeigt hat, werden neue Behörden nur noch in Ausnahmefällen errichtet. Deshalb kommt es derzeit besonders darauf an, Behörden und sonstige öffentliche Einrichtungen und damit Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet zu erhalten. Falls ein Behördenabzug aus gewichtigeren betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für unumgänglich erachtet wird, sind nach Möglichkeit durch flankierende Maßnahmen negative Folgen für den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Der für die Raumordnung zuständige Bundesminister wirkt im Rahmen der Abstimmung von Standortentscheidungen für Bundesbehörden bzw. -einrichtungen nach § 4 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes auf diese Zielsetzungen hin.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerd Wartenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine merkwürdige Art und Weise, in der sich die Bundesregierung in wirklich schwerwiegenden und wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen darstellt. Es ist ja nicht das erste Mal, daß sie nicht in der Lage ist, rechtzeitig Anfragen des Parlaments zu beantworten, daß sie aber dann so tut, als sei das ein normaler Vorgang. In der Ausländerfrage, wo eine Große Anfrage aussteht, ist es das gleiche.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu dieser wichtigen Frage des Personalausweisgesetzes rattern Sie dem Parlament gegenüber Antworten auf die Frage herunter. Das ist eine Mißachtung parlamentarischer Gebräuche.

    (Beifall bei der SPD)

    Gleichzeitig zeigt sich natürlich, wie unsicher in der Abstimmung diese Regierung ist

    (Duve [SPD]: Koordinierungsunfähig!)

    und wie wenig überzeugend diese Regierung in ganz bestimmten wichtigen Fragen ist, obwohl zum Teil ein bis zwei Jahre Zeit ist, sich abzustimmen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegt ja nun schon relativ lang zurück.

    (Zuruf des Abg. Duve [SPD])

    Und in der Rede selbst, die der Herr Zimmermann hier soeben lustlos heruntergerattert hat, ist, bezogen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, im Grund genommen wenig ausgesagt.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Leider wahr! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Während Sie mit einer Lust sprechen!)

    Was will denn die Bundesregierung konkret tun? Sie kann es immer noch nicht sagen. Und weil sie es nicht sagen kann, muß sie einen Tag vor der Debatte auf die Terminverschiebung ausweichen.
    Wir begrüßen es, daß auch Sie jetzt den Gesetzesantrag gestellt haben, den Termin des Inkrafttretens nicht iri den November zu legen, sondern einen späteren Zeitpunkt zu wählen. Das zeigt deutlich, daß Sie nicht in der Lage sind, so etwas rechtzeitig
    zu machen, obwohl die Opposition es schon seit langem gefordert hat. Daß eine ganze Menge passiert ist — da gehe ich auf Herrn Miltner ein, der vorhin sentimental gesagt hat: Was waren das für schöne Zeiten, als wir mit Herrn Pensky gemeinsam diesen Entwurf eingebracht haben —, geht doch wohl schon daraus hervor, daß die Bundesregierung jetzt selber verschieben muß und nicht in der Lage ist, das, was damals beschlossen worden ist, durchzusetzen.
    Daran hat ohne Frage auch die FDP einen Anteil. Die Rede, die Herr Hirsch hier gehalten hat, hörte sich ganz ordentlich an. Nur, ich bin nach dem, was der Herr Zimmermann hier gesagt hat, nicht sicher, ob auch nur die Hälfte davon durchgesetzt wird. Nach allen Erfahrungen mit Ihnen und mit Abstimmungen in dieser Koalition glaube ich nicht, daß dabei sehr viel herauskommt. Einen Punkt habe ich noch im Ohr. Er hat gesagt: Es ist nichts gegen die Personenkennziffer einzuwenden; sie sei wünschenswert. Das ist für uns einer der kritischen Punkte.
    Ich gehe noch einmal auf das ein, was uns bei der Einführung des neuen Personalausweises so beunruhigt und warum wir es uns nicht mit einer gefallsüchtigen Pseudoradikalität, die manchmal bei Herrn Fischer durchklang, leichtmachen, indem wir etwa einfach nur sagen, dieser Personalausweis muß weg, und den Eindruck erwecken, damit seien die Probleme vom Tisch.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sehr wahr!)

    Der neue Personalausweis ist nur ein Indiz für eine neue technische Infrastruktur, die — das hat Herr Fischer auch im zweiten Teil seiner Rede gesagt — uns größte Sorgen machen muß, weil damit die Kontroll- und Überwachungsmechanismen unseres Staates eine ganz neue Qualität erfahren.
    Wir Sozialdemokraten machen es uns aber nicht so leicht, indem wir einfach nur sagen: der Ausweis muß weg; sondern wir versuchen, die technische Entwicklung durch datenschutzrechtliche Maßnahmen, die wir sowieso brauchen, ob dieser Personalausweis nun kommt oder nicht, einzugrenzen. Das ist für uns der entscheidende Punkt der Debatte. Wir stehen im Augenblick vor der Frage, inwieweit durch diesen neuen Personalausweis die Kontrolldichte, die größere Quantität der Kontrollen in eine neue Qualität umschlägt, ob beispielsweise Bewegungsprofile des Bürgers entstehen können.
    Diese Fragen können nicht nur durch Zurücknehmen des Personalausweises gelöst werden. Wir wissen, daß die technische Entwicklung auch bei herkömmlichen und anderen Papieren dazu führen wird, daß qualitative Veränderungen möglich sind. Das bedeutet: Unabhängig von dieser Diskussion werden Gesetze zum Datenschutz über den mißbrauchverhindernden Datenschutz hinaus bis zur informationellen Selbstbestimmung geschaffen werden müssen. Das ist der entscheidende Punkt in der augenblicklichen Diskussion.
    Ich weise noch einmal auf das hin, was nicht gerade sehr radikale Leute wie die Datenschützer — die Landesdatenschützer und die Bundesdaten-



    Wartenberg (Berlin)

    Schützer — gesagt haben. Wer die Erklärungen dieser wichtigen Personengruppe zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts studiert, der erkennt, daß die Sorgen, die wir als Opposition haben, von diesen Institutionen voll geteilt werden. Ich führe, da es schon von anderen Kollegen im einzelnen gemacht worden ist, nicht noch mal die einzelnen Punkte auf, zu denen die Datenschützer intensive Forderungen stellen, um den Mißbrauch dieses neuen Personalausweises einzugrenzen.
    Es besteht nach wie vor die Gefahr, daß neue große Datenbestände angelegt und abgefragt werden können, und zwar unbemerkt von dem Betroffenen. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt, der auch vielen Bürgern nicht klar ist, nämlich daß sie diese neue Qualität in eine andere Lage dem Staat gegenüber versetzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Er wird sich in einer anderen Position den Staatsorganen gegenüber befinden. Viele Bürger wiegen sich jedoch in Sicherheit gemäß dem banalen Satz: „Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen; was soll mir eigentlich passieren?"
    Das Problem besteht darin, daß sich das Individuum durch diese neue Infrastruktur der Kontroll-
    und Überwachungsmechanismen in einer neuen Situation befindet. Dies wird langfristig Auswirkungen haben, die unseren Staat ganz massiv verändern können.
    Meine Damen und Herren, die Fragen, die sich daran knüpfen, können wahrscheinlich an Hand des Personalausweisgesetzes allein nicht gelöst werden. Aber gerade der Personalausweis symbolisiert die neue Qualität der Auseinandersetzungen. Ich meine, daß die Forderung erhoben werden muß, als Begleitschutzmaßnahme im Zusammenhang mit der technischen Entwicklung bezüglich des neuen Personalausweises einen wirklich vorwärtsweisenden Datenschutz zu entwickeln.
    Wir sind in der großen Sorge, daß diese Bundesregierung dazu nicht in der Lage ist oder aber auch nicht will, weil einige Mitglieder wie Herr Zimmermann auch von ihrer Ideologie her dazu nicht bereit sind. Für Leute wie Zimmermann steht an erster Stelle das Ziel, die Kontroll- und Überwachungsmechanismen des Staats zu verschärfen. Wir sind nicht sicher, ob die liberalen Ansätze, die bei der FDP in dieser Frage noch bestehen — zum Teil wohl nur aus Profilierungsgründen —, in den Koalitionsabsprachen dazu führen, daß das vorliegende Gesetz gemäß den Forderungen der Datenschützer entschärft und die Freiheitsräume für das Individuum in unserem Staat in Zukunft gesichert bleiben werden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Clemens.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joachim Clemens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erblast aus den Jahren der sozialliberalen Koalition

    (Zurufe von der SPD)

    — ich weiß, das hören Sie nicht gern — besteht nicht nur aus Schulden, sondern sie besteht auch aus Gesetzesvorhaben, die nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet werden müssen. Deshalb muß, wie der Herr Bundesinnenminister gerade ausgeführt hat, die Einführung des fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweises nochmals aufgeschoben werden. Ich persönlich bedauere das sehr.
    Die Unionsfraktion hält den neuen Personalausweis sowie in Ergänzung dazu einen deutschen Europapaß für sicherheitspolitisch erforderlich. Wir werden uns deshalb in der Koalition dafür einsetzen, daß möglichst bald ein datenschutzrechtlich ergänzter Gesetzentwurf eingebracht und verabschiedet wird.
    Wesentliche Vorarbeiten — ich möchte sagen: sehr gute Vorarbeiten — sind im Hause des Bundesinnenministers bereits geleistet worden. Ich hoffe, daß dieses dann auch zu einer vernünftigen Regelung führt.
    Herr Kollege Wartenberg, Sie haben sich eben bemüht, Herrn Hirsch nach seiner Rede ein paar Korsettstangen einzuziehen. Ich hoffe dennoch, daß wir ein vernünftiges Dokument hier vorlegen, das letzten Endes der Verbrechensbekämpfung dient.
    Aus zwei Gründen ist es wichtig, den ganzen Sachverhalt noch einmal zu betonen, und zwar zum einen allen denjenigen gegenüber, die nicht aufhören, in möglichst kräftigen Farben am Bild des Innenministers Dr. Zimmermann als dem ewig unbelehrbaren, gegenüber Verfassungsargumenten unempfindlichen Dickhäuter

    (Dr. Ehmke [Ettlingen] [GRÜNE]: Da haben wir unsere Erfahrungen!)

    im innenpolitischen Porzellanladen herumzumalen. Wir sind, was Urteile des Bundesverfassungsgerichts angeht, sehr wohl lernfähig. Wir werden diesen Anregungen und Bedenken Rechnung tragen.
    Die CDU/CSU-Fraktion, die sich der Menschenwürde und den Bürgerrechten unseres Grundgesetzes zutiefst verpflichtet fühlt, wird sich für die Belange des echten Datenschutzes einsetzen.

    (Dr. Wernitz [SPD]: Was ist denn unechter Datenschutz?)

    Nun behandeln wir heute in Erster Lesung den Gesetzentwurf der GRÜNEN, der, wie nicht anders erwartet, ein offenes Nein zum neuen Personalausweis sagt. Sie sind immer dagegen, warum nicht hier. Insofern ist das wenigstens offen.
    Dann haben wir einen Gesetzentwurf der SPD, der vorgibt, die Einführung des neuen Ausweises zur Klärung datenschutzrechtlicher Fragen aufzuschieben. Ich meine, nach der Rede von Herrn Schäfer — die von Herrn Wartenberg war so ähnlich —(Zuruf von der SPD: Die Rede war gut!)




    Clemens
    kann man heute schon sagen: Das ist nur ein Schleiertanz, wo man noch nicht das sieht, was man gern sehen möchte. — Sie haben dieses Vorhaben längst aufgegeben.

    (Zurufe von den GRÜNEN) Deswegen muß man Sie erheblich kritisieren.

    Nun muß man Sie mal fragen, meine Damen und Herren von der SPD: Was soll eigentlich dieser Umdenkungsprozeß? Man muß Ihnen vorhalten, wie das früher war. Vorhin wurde schon der Kollege Pensky genannt. Ich nenne auch noch den Kollegen Hugo Brandt, der auszog, dem Vogel in Rheinland-Pfalz das Fürchten zu lernen, und heute dort nur Oppositionsführer ist. Der Brandt hat in seiner Rede damals im Jahre 1982 erklärt: Die Einführung fälschungssicherer Personalausweise ist ein wirklicher Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit. — Sehr schön. Nun könnte ich Sie zitieren, Herr Dr. Wernitz — ich habe ein hervorragendes Zitat, aber ich will das jetzt in dieser kurzen Zeit nicht alles bringen —, und ich könnte auch noch einmal den Herrn Pensky zitieren. Alle waren sie dafür, so schnell wie möglich hier den neuen fälschungssicheren Personalausweis einzuführen. Sie haben sich sogar beklagt, das sei ein Chaos, weil die Länder ihnen ein bißchen Schwierigkeiten wegen des Geldes machten. Es ist aber nichts geschehen. Nun kritisieren Sie uns. Irgendwo paßt das nicht zueinander.
    Damals wandte sich nicht nur der Kollege Brandt — ich habe das ausgeführt — energisch dagegen, die Einführung der neuen Ausweise auf die lange Bank zu schieben. Nachdem aber eine hysterische Kampagne unter maßgeblicher Mitwirkung der GRÜNEN gegen den neuen Personalausweis entfacht worden war, sind für die SPD offensichtlich die Belange der Kriminalitätsbekämpfung zu einem lästigen Ballast auf dem Weg in ein bundesweites rot-grünes Bündnis geworden.

    (Dr. Ehmke [Ettlingen] [GRÜNE]: Ich habe doch gewußt, daß das kommt!)

    So ließ sich der SPD-Kollege Vahlberg am 2. Februar dieses Jahres im Pressedienst seiner Partei mit der Forderung vernehmen, das Gesetz zur Einführung des neuen Personalausweises doch insgesamt im Bundestag zu kassieren, weil der neue maschinenlesbare und fälschungssichere Ausweis ein Schritt in den totalen Überwachungsstaat sei. Das sind genau dieselben Vokabeln, die wir hier von den GRÜNEN hören.
    Ich möchte daran erinnern, meine Damen und Herren von der SPD: Sie haben am 14. März in dem uns jetzt vorliegenden Gesetzentwurf die Einführung aufschieben wollen, um angeblich die datenschutzrechtlichen Fragen zu lösen. Nachdem nun, einen Monat später, der Gesetzentwurf der GRÜNEN vorliegt, machen Sie einen Rückzieher und sind im Prinzip dagegen. In diesem Zusammenhang zitiere ich auch noch den Herrn Kollegen Schäfer, der am 17. Juli 1984 ausgeführt hat: der Sicherheitsgewinn durch den neuen Ausweis sei nur marginal, die vom Bundesinnenministerium vorbereiteten datenschutzrechtlichen Verbesserungen des Gesetzes
    seien absolut untauglich. Das konsequente Ende dieses bemerkenswerten Erkenntnisprozesses bildete schließlich der hessische Justizminister Günther, der vor wenigen Wochen mit entwaffnender Deutlichkeit empfahl, auf den neuen Ausweis ganz zu verzichten; im Orwell-Jahr würde damit eine Last von unserem Land genommen. Ich halte hier jeden Kommentar für überflüssig.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Dann bringen Sie auch keinen!)

    Offenbar müssen bei der SPD kriminalpolitische Einsichten proportional zur Annäherung an die GRÜNEN unter den Teppich gekehrt werden. Ich glaube, daß muß man hier so deutlich aussprechen.
    Die Gegner des neuen fälschungssicheren Personalausweises haben sich auch heute wieder auf den Leiter des Hamburgischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Lochte, berufen, der sich im vergangenen Jahr im „Spiegel" über den Gesetzentwurf mokiert hatte. Ich möchte hier sagen: Schuster — wenn jetzt Herr Fischer da wäre, würde ich auch sagen: Fischer — bleib' bei deinem Leisten.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Bei der Angel! — Broll [CDU/CSU]: Fischer bleib' bei deinen Gräten!)

    Ich möchte Sie eigentlich fragen: Ist es denn belanglos, wenn z. B. Terroristen, wie Mohnhaupt und Dutzi bei ihrer Festnahme verfälschte Bundespersonalausweise hatten oder am 2. Juli die festgenommenen Terroristen Eckes und Staub ebenfalls verfälschte Bundespersonalausweise mit sich führten?

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Alles ausländische Fälschungen!)

    Will man eigentlich nicht wahrhaben, daß etwa eine Reihe von Deutschen in der ersten Hälfte des Jahres 1983 unter Vorlage verfälschter Personalausweise im Raum Hessen und Nordrhein-Westfalen mit ungedeckten Schecks eine Vielzahl von Pkw kauften und dann ins Ausland verschoben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    oder daß eine Straftätergruppe seit 1978 in großem Stil unter Verwendung von hier entwendeten Blanko-Pässen und -Personalausweisen, die sie mit fiktiven Personalien versah, gestohlene Kraftfahrzeuge über Norditalien in den Nahen Osten verschob?
    Wir haben es hier also mit Bandenkriminalität zu tun. Auch das alles läßt Sie aber völlig kalt. Sie wollen das Gesetzgebungsprojekt verhindern. „Verbrechensbekämpfung" ist für Sie jetzt offensichtlich ein Fremdwort. Wie schön war es damals, als Ihre Kollegen hier etwas anderes gesagt haben!
    Gewiß wird auch nach der Einführung des neuen Ausweises ein Mißbrauch ausländischer Personalpapiere möglich sein, und es mag vielleicht auch dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR gelingen, nach einigen Jahren einen neuen Personalausweis zu fälschen. Aber ich meine, wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Verfälschung der herkömmlichen Personalausweise in den letzten Jahren immer leichter geworden ist, weil die zunehmend aus Plastikmaterial hergestellten Fotos nicht



    Clemens
    mehr dauerhaft mit dem Ausweispapier verbunden werden können.
    Bei der Kriminalitätsbekämpfung soll offensichtlich auf einmal nichts mehr gelten. Wir sollen wohl so lange warten, bis die Gewähr für eine hundertprozentige Aufgriffquote beim Mißbrauch von Personaldokumenten gegeben ist. Diese gegenüber der unseren unterschiedliche Haltung der SPD zeigt auch eine Unehrlichkeit in der Argumentation zum neuen Personalausweis, und das möchte ich hier noch einmal herausgestrichen haben.
    Ganz anders verhalten sich das Ministerkomitee des Europarates und die internationale Zivilluftfahrtorganisation. Beide waren realistischer, als sie 1977 und 1980 die Einführung fälschungssicherer und automatisch lesbarer Ausweiskarten empfahlen. Es kommt im übrigen nicht von ungefähr, daß seit einigen Jahren in den USA ein fälschungssicherer und maschinenlesbarer Paß ausgegeben wird. Das gleiche erleben wir in Großbritannien.
    Ich kann in diesem Zusammenhang eigentlich nur an die Bundesregierung appellieren, möglichst bald in Abstimmung mit den Ländern einen datenschutzrechtlich überarbeiteten Gesetzentwurf vorzulegen. Die CDU/CSU-Fraktion wird jedenfalls dafür eintreten.
    Ich bedanke mich dafür, daß Sie mir zugehört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)