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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Büchler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es mir erlaubt ist, kurz vor Ende eine Bewertung des Nachmittags abzugeben, dann würde ich sagen: Wir haben einen Höhepunkt mit der Rede Willy Brandts über Deutschlandpolitik erfahren, wir haben einen schwachen Bundeskanzler erlebt. Seither sind die Reden, die Statements zur Deutschlandspolitik von Rede zu Rede besser, inhaltsreicher und kompromißfähiger geworden. Das ist, so meine ich, auch wichtig für unsere zukünftige Debatte.
    Herr Rühe hat uns nun gesagt, daß wir diese Bundesregierung zu stark kritisieren. Ich glaube, daß wir mit dieser Bundesregierung äußerst zahm umgehen. Sie haben uns damals nicht bedrängt, wie Sie festgestellt haben, sondern Sie haben uns einwandfrei diffamiert. Bei jeder deutschlandspolitischen Debatte ist es um diese Diffamierungspositionen gegangen.
    Herr Barzel hat die Geschichte aufgearbeitet. Was klarzustellen war, hat Egon Bahr getan. Auch dies ist ein Anfang einer zukünftigen Zusammenarbeit, auf der wir ebenfalls aufbauen können.



    Büchler (Hof)

    Was die Äußerungen von Herrn Dregger angeht, über die wir uns empört haben, so glaube ich, daß er von uns mit Recht stark kritisiert worden ist. Denn was er sich in Berlin geleistet hat, sollte im normalen Umgang zwischen Abgeordneten und Fraktionen nicht vorkommen.
    Meine Damen und Herren, wenn wir über Deutschlandpolitik reden und geschichtlich einiges aufarbeiten wollen, müssen wir eben einfach damit anfangen, daß der Bundeskanzler in dieser Woche die Gemeinsamkeit zwischen Sozialdemokraten und der Union sowie der Regierung in der Deutschlandpolitik mehr oder weniger aufgekündigt hat. Er hat von dem Bruch in dieser Politik gesprochen. Nun könnte man meinen, daß das neue Töne sind, und sich dann fragen, wer denn andere Positionen eingenommen hat, die zu diesem Bruch führten: Wir oder die Union. Herr Barzel, auch Sie haben ja danach gefragt. Irgend jemand muß sich dann ja bewegt haben, wenn wir jetzt eine Situation haben, die anders ist als die in den letzten Wochen und Monaten. Sie haben — mit Recht — auf die Gemeinsamkeiten hingewiesen, die nach der Bildung der letzten Bundesregierung sicher vorhanden waren und die wir miteinander erarbeitet haben; darüber gibt es gar keinen Zweifel.
    Meine These ist die, daß Gemeinsamkeiten in der Deutschlandpolitik zwischen konservativen Politikern und Sozialdemokraten bei wirklichen Belastungen zerbrechen mußten, weil die Union versäumt hatte oder nicht willens war, nach der Regierungsübernahme all ihre alten Vorstellungen über Bord zu werfen und unsere Deutschlandpolitik wirklich zu übernehmen. Schon bei der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl am 13. Oktober 1982 ist es jedem, der hören wollte, aufgefallen: Da mogelt sich einer um eine klare Aussage zur Deutschlandpolitik herum.

    (Lintner [CDU/CSU]: Seit damals haben Sie doch immer Kontinuität behauptet, Herr Büchler!)

    — Dies ist keine Frage. Wir wissen auch, warum, Herr Lintner. Es wäre ja fast einem Wunder gleichzustellen gewesen, wenn Helmut Kohl nach 13jähriger Gegnerschaft zur sozialliberalen Entspannungspolitik von einem Tag zum anderen umgeschwenkt wäre und wenn aus den vielen CDU/CSUFalken über Nacht Tauben geworden wären.
    Wie hieß es damals: Wir haben 13 Jahre sozialliberale Deutschlandpolitik nicht bekämpft, um sie im 14. Jahr fortzusetzen. Das sagte, wie Sie wissen, Franz Josef Strauß. Darin wußte er sich mit vielen von Ihnen einig. Die Auswirkungen haben wir in den letzten Wochen und Monaten gemerkt.
    Anderen dämmerte aber schon damals, daß Reden und das Formulieren von Parolen etwas anderes ist, als in der Regierungsverantwortung zu handeln. Die Kluft zwischen konservativen Sonntagsreden und den Erfordernissen einer praktischen Deutschlandpolitik gab es also schon immer. Diese Kluft wurde eben ab Oktober 1982 offensichtlich. Sie wurde mehr; sie wurde fast zu einem Graben. Man sah ja auch den Graben noch nicht so deutlich vor sich; denn eine Milliarde DM Kredit, noch dazu
    von einem Mann wie Franz Josef Strauß eingefädelt, wirkte wie Blendzeug.
    Das war das Neue, von dem gesprochen worden ist: Man konnte nicht sehen und wollte vielleicht auch nicht glauben, daß die Atmosphäre, der Umgang der beiden deutschen Staaten miteinander, das Grundlegende in bezug auf das Verständnis, um sich in den anderen hineindenken zu können, auf die Dauer ebenso wichtig sind wie wirtschaftliche Verflechtungen und die praktischen Erfolge in der einen oder anderen Detailfrage. Die Zeit der Stammtischreden, der Sonntagsveranstaltungen war aber vorbei.
    Der Bundeskanzler hätte also die Chance gehabt, von vornherein zu sagen, was in der Deutschlandpolitik nicht geht. Ich möchte das so formulieren: Arroganz gegenüber einem gleichberechtigten Partner, Ignoranz gegenüber Andersdenkenden, Intoleranz gegenüber einem Staat, der zur gleichen Nation gehört. Dies wäre eine Chance für den Bundeskanzler gewesen, aber er hat sie verpaßt. Erst heute beginnen wir zu sehen, daß durch seine notorische Gelassenheit und dadurch, daß man die Dinge hat treiben lassen, nicht nur z. B. die moderaten Ansätze deutschlandpolitischer Art von Richard von Weizsäcker auf der Strecke geblieben sind, sondern daß es jetzt an die Substanz geht. Dabei meine ich nicht so sehr die Absage von Erich Honecker. Da gibt es ein weites Feld von Motiven, auf die ich vielleicht noch zu sprechen komme, wenn die Zeit ausreicht.
    Aber auch hier haben Sie Instinktlosigkeit bewiesen und wieder kräftig dreingeschlagen. Herr Rühe und Herr Barzel, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie sich in bezug auf Verlautbarungen im Vorfeld warnend an Ihre Fraktion gewandt, denn uns können Sie doch nicht gemeint haben; wir haben uns doch konstruktiv verhalten. Wir haben Sie in der fraglichen Zeit doch gewarnt und aufgefordert, mit diesem ewigen Gerede aufzuhören.
    Wir sind heute schon soweit, daß die tragfähige Grundlage der von uns geschaffenen soliden Deutschlandpolitik akut gefährdet ist. Die Regierung hat in den letzten zwei Jahren so getan, als könne sie den Bau des von uns begonnenen Hauses einfach fortsetzen, als brauche sie das Gebälk nur zusammenzuzimmern. Jetzt merken wir immer mehr, daß es an tragenden Teilen in diesem Gebälk fehlt, so daß die Gefahr besteht, daß das Haus zusammenstürzt. Wir hören tagtäglich von Unionspolitikern, die sich daranmachen, an den Grundmauern dieses Hauses zu rütteln.
    Wir fragen uns mehr denn je, ob angesichts der Zwiespältigkeit innerhalb der Regierungskoalition überhaupt die Chance besteht, deutschlandpolitisch erfolgreich zu sein. Typisch ist folgendes: Die Vernachlässigung der Berliner z. B. bei der Aushandlung von Reiseerleichterungen kann man doch nicht als Panne oder ähnliches abtun oder verniedlichen. Willy Brandt hat heute gesagt, was es ist: Es ist ein schwerer Fehler gewesen. Dieser Fehler ist unverzeihlich.

    (Beifall bei der SPD)




    Büchler (Hof)

    Egon Bahr hätte nie mit einem solchen Ergebnis nach Hause kommen dürfen.

    (Lintner [CDU/CSU]: Hätten wir das andere ablehnen sollen?)

    — Nein, Sie hätten weiterverhandeln sollen, wie auch wir das in der Vergangenheit gemacht haben, und zwar so lange, bis eine befriedigende Berlin-Regelung erreicht worden wäre. Sie hatten doch Zeit; man hat Sie doch nicht gedrängt. Sie haben nicht gemerkt, daß Sie übers Ohr gehauen worden sind. Das ist die Wahrheit.
    Noch eine weitere scheinbare Kleinigkeit belegt das, Herr Lintner. Es war unser Anliegen, den kleinen Grenzverkehr für die Bewohner des Zonenrandes auf zwei Tage zu erweitern. Dabei wollten wir erreichen, daß man an einer Stelle einreisen und an anderer Stelle wieder ausreisen kann. Das ist uns nicht gelungen. Aber es war nie unser Anliegen, den kleinen Grenzverkehr mit einem normalen Besuch in der DDR gleichzustellen mit der Folge, daß die heraufgesetzten Visagebühren zu entrichten sind. Sie haben es versäumt, den besonderen Status des kleinen Grenzverkehrs aufrechtzuerhalten. Der kleine Grenzverkehr ist nicht mehr das, was er einmal war, nämlich eine besondere Möglichkeit für die Bewohner des grenznahen Raumes. Sie haben nicht aufgepaßt; Sie haben einen mühsam ausgehandelten Fortschritt in der Deutschlandpolitik zerstört.

    (Lintner [CDU/CSU]: Herr Büchler, das zu sagen, trauen Sie sich nicht zu!)

    — Natürlich traue ich mir das zu.
    Auch in der Frage der Übersiedlung haben Sie nicht sorgfältig gearbeitet. Heute wissen Sie nicht, was Sie mit den Menschen tun sollen. Sie sind nicht eingegliedert, weil sie nicht entsprechend vorbereitet wurden. Sie sind auch nicht in der Lage, mit denen zu reden, die wieder zurück wollen, weil sie sich hier nicht zurechtfinden.
    Sie haben unsere Politik abgekupfert und dabei vor lauter Betriebsamkeit die Ergebnisse unserer Politik zerstört. Es fehlt Ihnen — auch das will ich hier deutlich sagen — an der Umsicht eines Politikers vom Schlage Egon Bahrs. Dies ist eine Tatsache.
    Man muß feststellen: Ihre Bilanz ist nicht so positiv, wie es nach außen scheint. Sie weist erhebliche Mängel auf, die von Tag zu Tag deutlicher sichtbar werden.
    Sie waren zu selbstsicher und haben unsere Warnungen und Vorschläge, die wir hier und im Ausschuß ständig ausgesprochen haben, überhört. Sie haben sich alles zu leicht gemacht. Dabei hätten Sie eine Richtschnur gehabt: Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, das fortzuführen, was am Werbellinsee ausgehandelt worden ist. Bei umsichtigem Handeln wären Einschränkungen vermieden worden, und Sie hätten die vorher getroffenen Vereinbarungen nicht vernachlässigt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

    Die zentrale Botschaft von Werbellin, Herr Bötsch, ist aber die Frage, was die beiden deutschen Staaten zur Stabilität und zur Friedenssicherung in Europa beitragen, was sie leisten können; wir haben heute wiederholt darüber gesprochen. Deswegen
    meine ich, daß ein neues Gespräch zwischen dem Kanzler und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR wohl dort anknüpfen muß.
    Am Werbellinsee ging es damals auch, wie wir wissen, um einige Wünsche der DDR, um Teile der sogenannten Geraer Forderungen; darüber soll geredet werden. Warum denn nicht? Da ist doch einiges klärungsbedürftig. Sie kennen unsere Auffassung zur Elbe-Grenze. Sie kennen unsere Auffassung hinsichtlich der Respektierung der DDRStaatsbürgerschaft.

    (Lintner [CDU/CSU]: Da gibt es zwei Auffassungen!)

    — Da gibt es keine zwei Lesarten. — Alles das, was der Bundeskanzler heute getan hat, ist auch nur eine Verleumdung gewesen. Er hat uns hier etwas unterstellt, und als wir nachgefragt haben, ob er es beweisen könne, hat er eben geschwiegen. Dies ist eines Bundeskanzlers unwürdig, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union.

    (Beifall bei der SPD)

    Und Sie kennen unsere klare Auffassung zur Erfassungsstelle Salzgitter.

    (Lintner [CDU/CSU]: Auch da gibt es zwei Meinungen!)

    Sie können mit unserer Kooperation rechnen, und Sie können mit uns darüber reden. Sie werden erleben, daß wir Sie dann, wenn Sie zu Verhandlungsergebnissen kommen, die für beide Seiten erträglich sind, nicht in der Art und Weise angreifen, wie Sie das in der Vergangenheit mit uns, als wir regiert haben, gemacht haben.
    Lassen Sie mich noch etwas zur Rolle Moskaus bei dieser Absage sagen. Natürlich wirkt jede Großmacht mit Bitten, Ratschlägen und manchmal auch Drohungen in das jeweilige Bündnis hinein. Wichtige Besuche werden, wie wir wissen, in Ost und West vorbesprochen. Zweifelsohne ist es für uns einfacher, unerwünschte Forderungen der USA zurückzuweisen, als für Honecker, sich gegenüber Moskau zu behaupten.

    (Lintner [CDU/CSU]: Was sind denn z. B. unerwünschte Forderungen seitens der USA?)

    — Z. B. die Forderung, wir sollten keine Röhren in die Sowjetunion liefern. — Das ist mit Sicherheit — das sage ich hier deutlich — nicht zu vergleichen.
    Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, machen Sie sich von der Illusion frei, daß in Moskau nun absolut vorgegeben wird, was der DDR-Staatsratsvorsitzende zu tun hat! Die DDR ist Herr ihrer eigenen Entscheidungen.

    (Bohlsen [CDU/CSU]: Phantast!)

    Honecker hat abgewogen, was ihm der Besuch einbringen und was er ihn kosten würde. Auf der einen Seite der Bilanz stand: Ärger mit Moskau. Auf der anderen Seite stand: eventuell Fortschritte in den deutsch-deutschen Beziehungen. Dann hätte Honecker natürlich entscheiden können, ob er den Ärger in Kauf nimmt, wenn sich etwas bewegt hätte. Aber wenn ihm im Vorfeld schon gesagt wird, daß sich nichts bewegen werde, und sich der Bundes-



    Büchler (Hof)

    kanzler auch so verhält, warum soll er dann den Ärger auf sich nehmen? Darin liegt im Grunde genommen Ihre Mitschuld an dem Nichtzustandekommen dieses Besuches.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Schneider [Berlin] [GRÜNE])

    Machen Sie deshalb jetzt nicht einen zweiten Fehler! Warten Sie jetzt nicht auf Initiativen von Ost-Berlin, sondern verhalten Sie sich positiv, und räumen Sie das weg, was weggeräumt werden kann! Überlegen Sie, was zu tun ist, und machen Sie den Weg frei!
    Wir werden Ihnen dabei keine Schwierigkeiten machen, ganz gleich, ob das Protokollfragen oder andere, fast lächerliche Dinge sind. Wir bieten Ihnen konstruktive Mitarbeit an und stehen zu Gesprächen zur Verfügung. Wir wollen in der Deutschlandpolitik keine Obstruktion betreiben, wie Sie das in Ihrer Zeit als Oppositionsabgeordnete getan haben. Wir wollen mit Ihnen daran arbeiten, daß die Verantwortungsgemeinschaft beider deutscher Staaten für den Frieden auch wirklich entwickelt wird. Willy Brandt hat es heute schon gesagt: Es ist kein Fehler, wenn auf dem Feld der Deutschlandpolitik Einigkeit möglich wird.
    Deshalb noch ein paar Bemerkungen.
    Erstens. Wir müssen davon ausgehen, daß an erster Stelle die Gleichberechtigung der beiden deutschen Staaten steht; das wurde heute auch von Ihnen gesagt. Wir haben die besondere Verantwortung für den Frieden. Wir werden ihr nur gerecht, wenn wir unsere Existenz nicht gegenseitig in Frage stellen.
    Zweitens. Die beiden deutschen Staaten sind Staaten, in denen Deutsche in einer gemeinsamen Nation leben. Deshalb bleiben wir dabei: zwei Staaten, aber eine Nation. Daraus ergeben sich Aufgaben für die Politik. Sie hat dafür zu sorgen, daß die Menschen miteinander reden, daß sie sich treffen und ihre Zusammengehörigkeit pflegen können.
    Drittens. Wenn es aus dem, was ich eben über Werbellin gesagt habe, noch nicht deutlich genug geworden ist, wiederhole ich es hier in aller Deutlichkeit: Deutschlandpolitik ist in erster Linie Friedenspolitik.
    Viertens. Beides — die Kontakte der Menschen ermöglichen und dem Frieden dienen — ist in Europa nur auf der Grundlage von Stabilität möglich. Voraussetzung der Deutschlandpolitik ist es folglich, daß beide deutsche Staaten in ihr jeweiliges Bündnis fest eingebunden sind. Damit ist, glaube ich, die Antwort auf Ihre Frage gegeben.

    (Rühe [CDU/CSU]: Erzählen Sie das Herrn Lafontaine!)

    Es ist gar keine Frage: Dies ist der Standpunkt der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Noch! — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Die Idee eines deutschen Sonderweges, Neutralisierungstendenzen und erst recht verbale Kraftakte
    über die Grenzen von 1937 gefährden diese Stabilität und sind gefährlich für unsere Politik.
    Wir müssen fünftens, wenn wir Stabilität sagen, natürlich auch sagen, daß die Sicherheitspartnerschaft hinzukommen muß, daß Rüstung und Abrüstung behandelt werden müssen. Die Sicherheitspartnerschaft ist ein wichtiger Schritt zum Abbau der Konfrontation und auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung. Also: gesichertes Zusammenleben der Staaten mit unterschiedlichen Systemen, ohne daß die Änderung dieser Systeme zur Voraussetzung für den Frieden erklärt wird. Darauf kommt es wohl auch an.
    Ich sage sechstens noch einmal ganz deutlich: Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Gebietsansprüche gegen andere Staaten. Aber dies ist, glaube ich, heute schon deutlich geworden. Nur die Europäer können die Grenzen überwinden, nicht allein die Deutschen. Ich glaube, dies sollten wir alle miteinander so sehen.
    Siebtens. Die Deutschlandpolitik hat nicht das Ziel, die DDR zu destabilisieren. Unsere Deutschlandpolitik muß die Realität der DDR mit ihrem politischen System, ihrer wirtschaftlichen und politischen Ordnung zur Kenntnis nehmen und davon ausgehen. Die Deutschlandpolitik muß das gleiche allerdings auch von der DDR in bezug auf die Bundesrepublik und auf unsere Ordnung verlangen dürfen. Auch darüber gibt es keinen Zweifel.
    Lassen Sie mich noch kurz zusammenfassen. Die Pflege dessen, was die deutsche Nation ausmacht, ist ein selbstverständliches Ziel der Deutschlandpolitik und, so glaube ich, in diesem Hause nicht umstritten.
    In der jetzigen Situation ist es Auftrag der Deutschlandpolitik, von der Grundlage der in Europa bestehenden Grenzen ausgehend Beiträge der beiden deutschen Staaten zu wachsender Friedfertigkeit zwischen den Blöcken zu leisten. Mit anderen Worten steht dieser Auftrag auch im Grundlagenvertrag, den mit Leben zu erfüllen jetzt Ihre Aufgabe in der Regierungsverantwortung ist. Sie werden unsere Unterstützung haben, wenn Sie sich auf diese Realität besinnen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die heutige Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. September 1984, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.