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ID1008106100

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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
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    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Debatte im Hinblick auf das Thema Gemeinsamkeit mehr Klarheit gebracht hat. Klar ist, wir bleiben in der Deutschlandpolitik zur Gemeinsamkeit bereit. Es gibt eine klare Grundlage, nämlich die gemeinsame Entschließung aller Bundestagsparteien mit Ausnahme der GRÜNEN vom Februar dieses Jahres. Wir alle sollten daran interessiert sein, diese Gemeinsamkeit auch künftig zu pflegen. Wir werden jedenfalls an dieser Resolution festhalten, und wir fordern die Sozialdemokraten auf, genau dasselbe zu tun.
    Ich möchte noch ein Wort über die Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition in der Deutschlandpolitik sagen. Als Sie noch regiert haben, hat die Opposition, also wir, Sie hart bedrängt, kämpferisch bedrängt.

    (Zurufe von der SPD)

    — Sie bestätigen das gerade noch einmal, was ich gesagt habe. Wir haben aber stets Ihre Verhandlungsposition gegenüber der DDR-Regierung gefestigt, indem wir vor falscher Nachgiebigkeit gewarnt haben. Wie sieht es heute aus? Da erleben wir häufig leider das Gegenteil, da werden von manchen sozialdemokratischen Kollegen deutschlandpolitische Positionen in Frage gestellt, da wird das Offensein der deutschen Frage relativiert, da wird die Regierung zu Zugeständnissen an die DDR gedrängt, für die es keine praktischen Bedürfnisse gibt; ja, einige von ihnen raten gar zum Ausscheren aus der gemeinsamen westlichen Sicherheitspolitik,



    Rühe
    weil davon angeblich die deutsch-deutschen Beziehungen profitieren würden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Haben Sie Bahr nicht zugehört?)

    Ich meine also, daß Sie als Opposition sich einmal sehr sorgfältig prüfen sollten, wie weit nicht auch Sie einen Beitrag zu einer Stärkung statt zu einer Schwächung der Verhandlungsposition der Bundesregierung leisten könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Debatte hat gezeigt, daß die schrillen Schuldzuweisungen und die versuchten Legendenbildungen, die es in den ersten Tagen nach der Verschiebung des Besuchs von Erich Honecker gegeben hat, von Ihnen jetzt nicht mehr aufrechterhalten werden.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Strauß, oder was?)

    — Nun, man kann sich über mangelnde Diskretion und auch über Gerede beklagen, aber ich habe hier heute von niemandem gehört, daß das der Grund für die Verschiebung sein könnte.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Dies zu behaupten ist von Ihnen in den ersten Tagen in schriller Weise versucht worden. Diese Legende ist geplatzt, und das ist gut so.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen: Wir können und sollten uns bemühen, die Vordiskussion vor dem hoffentlich in Zukunft stattfindenden Besuch abzukürzen. Nur, wir können keinem Besucher der Bundesrepublik Deutschland, woher auch immer er kommt, eine keimfreie Diskussionsatmosphäre garantieren. Ich glaube, daß gerade Sie es sich bei Besuchern aus anderen Regionen der Welt doch sehr verbitten würden, wenn im Vorfeld eine unkritische Diskussion verlangt werden würde. Das ändert nichts daran, daß wir uns, wie gesagt, bemühen sollten, das Vorspiel zu einem solchen Besuch abzukürzen. Daran sollten wir gemeinsam mitwirken.
    Nun gibt es einen anderen Vorwurf von Ihnen, und Willy Brandt hat ihn mir gegenüber heute mittag auch noch einmal angesprochen. Es geht um den Zusammenhang zwischen der Sicherheitspolitik und der Deutschlandpolitik, zwischen der Nachrüstungsentscheidung des vergangenen Jahres und der Deutschlandpolitik heute.
    Hier geht es in der Tat um eine existentielle Grundlage unserer Politik, um eine Kernfrage. Unsere Zugehörigkeit zur westlichen Verteidigungsgemeinschaft ist für uns eine unabdingbare Grundlage. Eben deshalb sind wir nicht bereit, unsere Sicherheit, unsere Bündnistreue und unsere Partnerschaft mit den westlichen Freunden gegen unsere ost- und deutschlandpolitischen Interessen ausspielen zu lassen. Das ist ja die Alternative, die manche von Ihnen im vergangenen Jahr aufgebaut haben. Hier werden wir weder falsche Hoffnungen erfüllen noch falschen Ratschlägen folgen. Wir jedenfalls lassen uns auch in Zukunft nicht die verfehlte Alternative „entweder Bündnisloyalität pflegen und zu den Bündnisentscheidungen stehen oder konstruktive Beziehungen zu unseren Nachbarn im Osten unterhalten" aufzwingen. Das ist eine falsche Alternative. Dies wird niemals unsere Politik werden!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es würde uns im übrigen in eine Sackgasse führen, wenn wir eine solche Politik des Entweder-Oder betreiben würden.
    Diese Bundesregierung trifft die für unser Land sicherheitspolitisch notwendigen Entscheidungen und sucht dabei zugleich den konstruktiven Dialog und eine gegenseitig nützliche Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, ich meine, nur wer oberflächlich urteilt, kann leugnen, daß diese Politik trotz der angespannten internationalen Situation ihre Früchte getragen hat. Lassen Sie mich doch daran erinnern, daß die Geraer Forderungen in ihrer ultimativen Form 1980 geäußert wurden, nicht 1983 oder 1984, und daß es 1980 war, als der Mindestumtausch in dramatischer Weise heraufgesetzt wurde. Wie sieht es 1984 aus? Es gibt noch die Geraer Forderungen, aber die DDR hat Gott sei Dank den Weg zu einer Politik des „Machen wir das Machbare" gefunden und diese Forderungen, die zu Ihrer Regierungszeit erhoben wurden, eher an den Rand gestellt. Wir haben auch in dieser Situation, im Jahre 1984, weitere Vereinbarungen erreichen können.
    Insofern ist das Wort von der Schadensbegrenzung mißbräuchlich. Es ist seit unserer sicherheitspolitischen Entscheidung vom vergangenen Jahr nichts von- den deutsch-deutschen Vereinbarungen abgebaut worden, es ist sogar noch etwas hinzugekommen, Herr Vogel. Dieses haben Sie im vergangenen Jahr falsch eingeschätzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben auch niemals versucht, Politik an der Sowjetunion vorbei zu machen. Im Augenblick ist es etwas schwierig, mit der Sowjetunion Politik zu machen. Das stellen nicht nur wir fest. Es ist schon fast eine Nicht-Außenpolitik, die dort manchmal betrieben wird. Man kann nur hoffen, daß die Vereinbarung eines Gesprächs zwischen dem sowjetischen Außenminister und dem amerikanischen Präsidenten hier vielleicht ein erstes Lichtzeichen ist. Wir wünschen der sowjetischen Führung j eden-falls bald die Kraft, wieder einen Neuansatz in ihrer Westpolitik zu finden.
    Nun gibt es ein anderes, wie ich finde etwas merkwürdiges Argument, das von Ihnen in den letzten Tagen verwandt wurde. Es wurde gesagt: Die Elle, an der man unsere Deutschlandpolitik messen wolle, sei die Politik der Regierungen Brandt und Schmidt in der Vergangenheit, und Sie würden sich fragen, ob der Bundeskanzler Kohl die Kraft finden würde, diese Politik kontinuierlich fortzusetzen. Da muß ich Sie nun allerdings sehr enttäuschen; denn hier scheint offensichtlich ein Mißverständnis zu bestehen. Schon vor zwei Jahren habe ich klargemacht, daß unsere Deutschland-, Ost- und Außenpolitik unter der Überschrift läuft: Kontinuität plus neue Akzente. „Kontinuität" meint die Verträge mit der DDR, mit den anderen Staaten des Warschauer



    Rühe
    Pakts, die wir uneingeschränkt einhalten, die wir in praktische Politik umsetzen und die wir natürlich ausbauen wollen. Aber „neue Akzente" bedeuten die klare Positionsbestimmung unseres Staates im Ost-West-Verhältnis, uneingeschränkte Bündnistreue und die Absage an alle Neutralismusideen. Das bedeutet Ost- und Deutschlandpolitik ohne Illusionen über etwaige Konvergenzen zwischen demokratischem Sozialismus in der SPD und Realsozialismus in der DDR. Das bedeutet nicht zuletzt, daß wir nicht länger das Problem der offenen deutschen Frage, etwa aus Opportunismus, verschweigen.
    Um das noch einmal mit aller Klarheit zu sagen: Die Lösung dieser Frage bleibt auf der Tagesordnung der Geschichte. Sie ist derzeit nicht auf der aktuellen politischen Tagesordnung und kann deshalb auch nicht Gegenstand der operativen Tagespolitik sein. Es geht aber darum, vor der Weltöffentlichkeit klarzustellen, daß die deutsche Frage nicht durch die Vertragspolitik erledigt ist, sondern so lange bestehen bleibt, bis sie durch die freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen beantwortet wird.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Dieser legitime Anspruch des deutschen Volkes richtet sich gegen niemanden. Er richtet sich insbesondere auch nicht gegen die Souveränität und die Integrität anderer Staaten. Der Bundeskanzler hat hierzu auf dem Tag der Heimat ganz eindeutige Aussagen gemacht, denen wir voll zustimmen.
    Kurz gesagt, die Ost- und Deutschlandpolitik dieser Koalition hat ein eigenes und klares Profil im Vergleich zur Vorgängerregierung. Die Behauptung, wir würden keine Brandt/Schmidt-Politik mehr betreiben, trifft zweifellos zu.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ein echtes Kompliment ist das!)

    Aber ich kann das aus unserer Sicht nicht als einen Vorwurf verstehen. Insofern geht es an den politischen Realitäten vorbei.
    Lassen Sie mich noch etwas zu dem verschobenen Honecker-Besuch sagen. Wir bedauern diese Entscheidung, weil damit ein sicherlich wünschenswerter deutsch-deutscher Meinungsaustausch auf höchster Ebene, jedenfalls jetzt, nicht zustande gekommen ist. So bedauerlich die Besuchsverschiebung auch ist, nach unserer Einschätzung liegt darin aber kein politischer Kurswechsel der DDR. Ganz offensichtlich gilt das Honecker-Interview vom 18. August 1984 weiterhin als die verbindliche Grundlage der DDR-Politik. Ein deutsch-deutsches Gipfeltreffen bleibt nach wie vor sinnvoll, und je eher es stattfinden kann, desto besser. Entscheidend aber für die Verbesserung der Verhältnisse im geteilten Deutschland bleiben kontinuierliche Entwicklungen und geduldige Verhandlungen. Die bisher eingeschlagene vernünftige Linie muß also fortgesetzt werden; das Machbare muß auch weiterhin verwirklicht werden. Der Spielraum der DDR-Führung ist vor der Besuchsverschiebung von manchen Beobachtern überschätzt worden. Ich warne jetzt davor, den anderen Fehler zu machen, ihn zu unterschätzen.
    Natürlich darf der Einfluß, den beide Staaten in einer positiven Weise ausüben können, nicht überschätzt werden; denn die deutsch-deutschen Beziehungen sind natürlich nicht vom internationalen Geschehen abgekoppelt, sondern in das generelle Ost-West-Verhältnis eingebettet. Aber dieses darf uns nicht zu einem passiven Verhalten verleiten. Die beiden deutschen Staaten können und müssen vielmehr für Mäßigung, für Vernunft, für Spannungsabbau und für konstruktive Zusammenarbeit in Europa werben, und werben kann man nur, wenn man eben glaubwürdig am eigenen Beispiel demonstriert und in den eigenen gegenseitigen Beziehungen mit gutem Beispiel vorangeht. Diese aktive Rolle der beiden deutschen Staaten darf unter keinen Umständen mit einer Sonderrolle verwechselt werden. Unsere auf Ausgleich gerichtete Politik kann auch in der Zukunft nur dann erfolgreich sein, wenn sie nicht ins Zwielicht gerät und nicht Argwohn erregt.
    Deshalb — und da wende ich mich vor allem an die sozialdemokratische Seite — muß klar sein, daß die uneingeschränkte Bündnisloyalität der beiden Staaten in Deutschland eine der prinzipiellen Geschäftsgrundlagen für diese Politik ist. Das sage ich besonders in Ihre Richtung. Alle Neutralismustendenzen und alle Gedankenspielereien über eine Lockerung unserer Bündnisbeziehungen sind für eine Verbesserung der innerdeutschen Beziehungen schädlich. Wer als Bündnispartner nicht zuverlässig ist, wer als Bündnispartner nicht berechenbar ist, der reduziert, Herr Vogel, so wie die Dinge heute nun einmal sind, den Spielraum in den deutsch-deutschen Beziehungen auf Null, und das ist etwas, was wir unter allen Umständen vermeiden müssen.
    Eine vernünftige Gestaltung der innerdeutschen Beziehungen muß von der bitteren Realität der deutschen Teilung ausgehen. Unsere operativen Bemühungen richten sich j a gerade darauf, die Folgen der Teilung für die Menschen erträglicher und weniger gefährlich zu machen, wie es der Bundeskanzler Kohl formuliert hat.
    Wir bleiben bei unserer Hoffnung und auch unserem Willen, die deutsche Teilung eines Tages zu überwinden. Aber die heute handelnden Politiker müssen von der tatsächlichen Lage ausgehen und dürfen nicht das Wünschbare mit dem heute Machbaren verwechseln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin ganz sicher, daß ein ganz wesentlicher Grund für den Erfolg — den ich sehe — in der Politik der Bundesregierung darin liegt, daß sie dies immer beachtet hat: das Wünschbare von dem heute Machbaren trennen zu können und dafür zu sorgen, daß trotz aller Schwierigkeiten etwas gemacht wird, etwas durchgesetzt wird, auch in dem schwierigen deutsch-deutschen Verhältnis.
    Wir brauchen für diese Politik der Vernunft möglichst viele Partner in Europa, und wir wollen mit allen einen breiten Dialog führen. Niemand wird dabei ausgeklammert, schon gar nicht die Sowjetunion.
    Wer immer sich dazu bereit findet, Konfrontation abzubauen und Kooperation aufzubauen, ist uns als



    Rühe
    Partner willkommen. Wir wollen an unserer Politik des guten Willens festhalten, auch wenn es böswillige Kampagnen gibt, die gegen uns inszeniert werden. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken, müssen aber diejenigen, die das tun, fragen, ob sie damit wirklich ihren eigenen Interessen dienen.
    Das sage ich auch im Hinblick auf manches, was in den polnischen Medien zu lesen ist. Was der Bundeskanzler am 2. September in seiner Rede in Braunschweig zum deutsch-polnischen Verhältnis gesagt hat, ist die Linie der gesamten Koalition. Der Bundeskanzler hat für alle Mitglieder des Bundeskabinetts und für alle Fraktionen dieser Koalition gesprochen. Und — Herr Bahr, das sage ich innenpolitisch in Ihre Richtung, und ich sage es außenpolitisch in Richtung Warschau — der Versuch, einzelne Mitglieder der Bundesregierung oder die Parteien der Koalition in diesen Fragen gegeneinander auszuspielen, ist aussichtslos. Hier sollte sich niemand falsche Hoffnungen machen. Die Rede des Bundeskanzlers gilt!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Gut gebrüllt!)

    Im Interesse der deutsch-polnischen Beziehungen muß ich auch heute an dieser Stelle eindringlich zu Mäßigung, zu Besonnenheit und zu Vernunft mahnen. Dies gilt gewißt für beide Seiten. Nur kann ich nicht erkennen, daß man sich hüben und drüben in gleicher Weise an dieses Postulat hält. Ich sage das mit großem Ernst, weil nur bei einem entsprechenden Klima die Voraussetzungen für praktische Schritte zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen auch und gerade im deutsch-polnischen Verhältnis gegeben sind. Wir sind dazu bereit. Unsere Hand bleibt ausgestreckt. Wer sie ergreifen will, muß allerdings auch den dafür notwendigen Schritt tun. Auch die deutsch-polnischen Beziehungen sind keine Einbahnstraße. Die Qualität jedes Dialogs — zum Dialog gehören immer zwei — hängt auch vom Entgegenkommen und Verständnis der anderen Seite ab.
    Wer Realismus und Vernunft zum Maßstab seiner Politik macht, läßt sich von konjunkturellen Schwankungen in der internationalen Politik — wenn man die historische Sichtweise bewahrt, haben wir es damit im Augenblick zu tun — ebensowenig beirren wie von einzelnen spektakulären Vorgängen, sondern er hält einen klaren und beständigen Kurs mit Gelassenheit und einer möglichst ruhigen Hand. Dies gilt für die Ost-WestBeziehungen im allgemeinen, es gilt auch für die deutsch-deutschen Beziehungen im besonderen.
    Wenn derzeit ein Gespräch auf höchster Ebene nicht möglich ist, dann müssen eben die Gespräche auf allen anderen Ebenen fortgesetzt, vertieft und auch ausgeweitet werden. Geeignete Ansatzpunkte dafür lassen sich durchaus finden.
    Ich möchte einen konkreten Vorschlag machen: So ist z. B. bei der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages — der Herr Bundestagspräsident hat darauf hingewiesen, daß hier auch noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind — eine mündliche Konsultationsvereinbarung über alle politischen
    Fragen von gegenseitigem Interesse getroffen worden. Diese Gelegenheit zum politischen Dialog könnte künftig bewußt und mit einer gewissen Regelmäßigkeit genutzt werden. Fachgespräche und Sachverhandlungen behalten unabhängig davon natürlich ihren vorrangigen Stellenwert, weil es dort um ganz konkrete Anliegen geht. Aber zusätzliche Themen, an denen die eine oder andere Seite interessiert ist, könnten im Rahmen dieser politischen Konsultationen ausführlich erörtert werden. Dies würde — im wörtlichen Sinne — der gegenseitigen Verständigung dienen. Ich bin deshalb überzeugt, daß ein solcher breit angelegter Meinungsaustausch die beiderseitigen Beziehungen weiter fördern und auch die eigentlichen Verhandlungen flankierend unterstützen könnte.
    Wer es mit den deutsch-deutschen Beziehungen und den Ost-West-Beziehungen insgesamt gut meint, sollte sich von vorübergehenden Eintrübungen jedenfalls nicht irritieren lassen, sich auch als Opposition manche Möglichkeit zur innenpolitischen Polemik vielleicht im Interesse der Sache lieber verkneifen. Er sollte jede Möglichkeit, jeden sinnvollen Ansatz zum Ost-West-Dialog nutzen.
    Auch und gerade in schwierigen Zeiten im Gespräch zu bleiben, Vertrauen zu schaffen, das ist eine gute Investition für die Zukunft.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Die Zeiten werden sich auch wieder ändern. Dann ist es gut, auf einen Vorrat an Vertrauens- und Gesprächskapital zurückgreifen zu können. Von dieser Erkenntnis wird sich jedenfalls die Koalition in der Ost- und Deutschlandpolitik in diesen Tagen und auch künftig leiten lassen.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Büchler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Büchler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es mir erlaubt ist, kurz vor Ende eine Bewertung des Nachmittags abzugeben, dann würde ich sagen: Wir haben einen Höhepunkt mit der Rede Willy Brandts über Deutschlandpolitik erfahren, wir haben einen schwachen Bundeskanzler erlebt. Seither sind die Reden, die Statements zur Deutschlandspolitik von Rede zu Rede besser, inhaltsreicher und kompromißfähiger geworden. Das ist, so meine ich, auch wichtig für unsere zukünftige Debatte.
    Herr Rühe hat uns nun gesagt, daß wir diese Bundesregierung zu stark kritisieren. Ich glaube, daß wir mit dieser Bundesregierung äußerst zahm umgehen. Sie haben uns damals nicht bedrängt, wie Sie festgestellt haben, sondern Sie haben uns einwandfrei diffamiert. Bei jeder deutschlandspolitischen Debatte ist es um diese Diffamierungspositionen gegangen.
    Herr Barzel hat die Geschichte aufgearbeitet. Was klarzustellen war, hat Egon Bahr getan. Auch dies ist ein Anfang einer zukünftigen Zusammenarbeit, auf der wir ebenfalls aufbauen können.



    Büchler (Hof)

    Was die Äußerungen von Herrn Dregger angeht, über die wir uns empört haben, so glaube ich, daß er von uns mit Recht stark kritisiert worden ist. Denn was er sich in Berlin geleistet hat, sollte im normalen Umgang zwischen Abgeordneten und Fraktionen nicht vorkommen.
    Meine Damen und Herren, wenn wir über Deutschlandpolitik reden und geschichtlich einiges aufarbeiten wollen, müssen wir eben einfach damit anfangen, daß der Bundeskanzler in dieser Woche die Gemeinsamkeit zwischen Sozialdemokraten und der Union sowie der Regierung in der Deutschlandpolitik mehr oder weniger aufgekündigt hat. Er hat von dem Bruch in dieser Politik gesprochen. Nun könnte man meinen, daß das neue Töne sind, und sich dann fragen, wer denn andere Positionen eingenommen hat, die zu diesem Bruch führten: Wir oder die Union. Herr Barzel, auch Sie haben ja danach gefragt. Irgend jemand muß sich dann ja bewegt haben, wenn wir jetzt eine Situation haben, die anders ist als die in den letzten Wochen und Monaten. Sie haben — mit Recht — auf die Gemeinsamkeiten hingewiesen, die nach der Bildung der letzten Bundesregierung sicher vorhanden waren und die wir miteinander erarbeitet haben; darüber gibt es gar keinen Zweifel.
    Meine These ist die, daß Gemeinsamkeiten in der Deutschlandpolitik zwischen konservativen Politikern und Sozialdemokraten bei wirklichen Belastungen zerbrechen mußten, weil die Union versäumt hatte oder nicht willens war, nach der Regierungsübernahme all ihre alten Vorstellungen über Bord zu werfen und unsere Deutschlandpolitik wirklich zu übernehmen. Schon bei der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl am 13. Oktober 1982 ist es jedem, der hören wollte, aufgefallen: Da mogelt sich einer um eine klare Aussage zur Deutschlandpolitik herum.

    (Lintner [CDU/CSU]: Seit damals haben Sie doch immer Kontinuität behauptet, Herr Büchler!)

    — Dies ist keine Frage. Wir wissen auch, warum, Herr Lintner. Es wäre ja fast einem Wunder gleichzustellen gewesen, wenn Helmut Kohl nach 13jähriger Gegnerschaft zur sozialliberalen Entspannungspolitik von einem Tag zum anderen umgeschwenkt wäre und wenn aus den vielen CDU/CSUFalken über Nacht Tauben geworden wären.
    Wie hieß es damals: Wir haben 13 Jahre sozialliberale Deutschlandpolitik nicht bekämpft, um sie im 14. Jahr fortzusetzen. Das sagte, wie Sie wissen, Franz Josef Strauß. Darin wußte er sich mit vielen von Ihnen einig. Die Auswirkungen haben wir in den letzten Wochen und Monaten gemerkt.
    Anderen dämmerte aber schon damals, daß Reden und das Formulieren von Parolen etwas anderes ist, als in der Regierungsverantwortung zu handeln. Die Kluft zwischen konservativen Sonntagsreden und den Erfordernissen einer praktischen Deutschlandpolitik gab es also schon immer. Diese Kluft wurde eben ab Oktober 1982 offensichtlich. Sie wurde mehr; sie wurde fast zu einem Graben. Man sah ja auch den Graben noch nicht so deutlich vor sich; denn eine Milliarde DM Kredit, noch dazu
    von einem Mann wie Franz Josef Strauß eingefädelt, wirkte wie Blendzeug.
    Das war das Neue, von dem gesprochen worden ist: Man konnte nicht sehen und wollte vielleicht auch nicht glauben, daß die Atmosphäre, der Umgang der beiden deutschen Staaten miteinander, das Grundlegende in bezug auf das Verständnis, um sich in den anderen hineindenken zu können, auf die Dauer ebenso wichtig sind wie wirtschaftliche Verflechtungen und die praktischen Erfolge in der einen oder anderen Detailfrage. Die Zeit der Stammtischreden, der Sonntagsveranstaltungen war aber vorbei.
    Der Bundeskanzler hätte also die Chance gehabt, von vornherein zu sagen, was in der Deutschlandpolitik nicht geht. Ich möchte das so formulieren: Arroganz gegenüber einem gleichberechtigten Partner, Ignoranz gegenüber Andersdenkenden, Intoleranz gegenüber einem Staat, der zur gleichen Nation gehört. Dies wäre eine Chance für den Bundeskanzler gewesen, aber er hat sie verpaßt. Erst heute beginnen wir zu sehen, daß durch seine notorische Gelassenheit und dadurch, daß man die Dinge hat treiben lassen, nicht nur z. B. die moderaten Ansätze deutschlandpolitischer Art von Richard von Weizsäcker auf der Strecke geblieben sind, sondern daß es jetzt an die Substanz geht. Dabei meine ich nicht so sehr die Absage von Erich Honecker. Da gibt es ein weites Feld von Motiven, auf die ich vielleicht noch zu sprechen komme, wenn die Zeit ausreicht.
    Aber auch hier haben Sie Instinktlosigkeit bewiesen und wieder kräftig dreingeschlagen. Herr Rühe und Herr Barzel, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie sich in bezug auf Verlautbarungen im Vorfeld warnend an Ihre Fraktion gewandt, denn uns können Sie doch nicht gemeint haben; wir haben uns doch konstruktiv verhalten. Wir haben Sie in der fraglichen Zeit doch gewarnt und aufgefordert, mit diesem ewigen Gerede aufzuhören.
    Wir sind heute schon soweit, daß die tragfähige Grundlage der von uns geschaffenen soliden Deutschlandpolitik akut gefährdet ist. Die Regierung hat in den letzten zwei Jahren so getan, als könne sie den Bau des von uns begonnenen Hauses einfach fortsetzen, als brauche sie das Gebälk nur zusammenzuzimmern. Jetzt merken wir immer mehr, daß es an tragenden Teilen in diesem Gebälk fehlt, so daß die Gefahr besteht, daß das Haus zusammenstürzt. Wir hören tagtäglich von Unionspolitikern, die sich daranmachen, an den Grundmauern dieses Hauses zu rütteln.
    Wir fragen uns mehr denn je, ob angesichts der Zwiespältigkeit innerhalb der Regierungskoalition überhaupt die Chance besteht, deutschlandpolitisch erfolgreich zu sein. Typisch ist folgendes: Die Vernachlässigung der Berliner z. B. bei der Aushandlung von Reiseerleichterungen kann man doch nicht als Panne oder ähnliches abtun oder verniedlichen. Willy Brandt hat heute gesagt, was es ist: Es ist ein schwerer Fehler gewesen. Dieser Fehler ist unverzeihlich.

    (Beifall bei der SPD)




    Büchler (Hof)

    Egon Bahr hätte nie mit einem solchen Ergebnis nach Hause kommen dürfen.

    (Lintner [CDU/CSU]: Hätten wir das andere ablehnen sollen?)

    — Nein, Sie hätten weiterverhandeln sollen, wie auch wir das in der Vergangenheit gemacht haben, und zwar so lange, bis eine befriedigende Berlin-Regelung erreicht worden wäre. Sie hatten doch Zeit; man hat Sie doch nicht gedrängt. Sie haben nicht gemerkt, daß Sie übers Ohr gehauen worden sind. Das ist die Wahrheit.
    Noch eine weitere scheinbare Kleinigkeit belegt das, Herr Lintner. Es war unser Anliegen, den kleinen Grenzverkehr für die Bewohner des Zonenrandes auf zwei Tage zu erweitern. Dabei wollten wir erreichen, daß man an einer Stelle einreisen und an anderer Stelle wieder ausreisen kann. Das ist uns nicht gelungen. Aber es war nie unser Anliegen, den kleinen Grenzverkehr mit einem normalen Besuch in der DDR gleichzustellen mit der Folge, daß die heraufgesetzten Visagebühren zu entrichten sind. Sie haben es versäumt, den besonderen Status des kleinen Grenzverkehrs aufrechtzuerhalten. Der kleine Grenzverkehr ist nicht mehr das, was er einmal war, nämlich eine besondere Möglichkeit für die Bewohner des grenznahen Raumes. Sie haben nicht aufgepaßt; Sie haben einen mühsam ausgehandelten Fortschritt in der Deutschlandpolitik zerstört.

    (Lintner [CDU/CSU]: Herr Büchler, das zu sagen, trauen Sie sich nicht zu!)

    — Natürlich traue ich mir das zu.
    Auch in der Frage der Übersiedlung haben Sie nicht sorgfältig gearbeitet. Heute wissen Sie nicht, was Sie mit den Menschen tun sollen. Sie sind nicht eingegliedert, weil sie nicht entsprechend vorbereitet wurden. Sie sind auch nicht in der Lage, mit denen zu reden, die wieder zurück wollen, weil sie sich hier nicht zurechtfinden.
    Sie haben unsere Politik abgekupfert und dabei vor lauter Betriebsamkeit die Ergebnisse unserer Politik zerstört. Es fehlt Ihnen — auch das will ich hier deutlich sagen — an der Umsicht eines Politikers vom Schlage Egon Bahrs. Dies ist eine Tatsache.
    Man muß feststellen: Ihre Bilanz ist nicht so positiv, wie es nach außen scheint. Sie weist erhebliche Mängel auf, die von Tag zu Tag deutlicher sichtbar werden.
    Sie waren zu selbstsicher und haben unsere Warnungen und Vorschläge, die wir hier und im Ausschuß ständig ausgesprochen haben, überhört. Sie haben sich alles zu leicht gemacht. Dabei hätten Sie eine Richtschnur gehabt: Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, das fortzuführen, was am Werbellinsee ausgehandelt worden ist. Bei umsichtigem Handeln wären Einschränkungen vermieden worden, und Sie hätten die vorher getroffenen Vereinbarungen nicht vernachlässigt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

    Die zentrale Botschaft von Werbellin, Herr Bötsch, ist aber die Frage, was die beiden deutschen Staaten zur Stabilität und zur Friedenssicherung in Europa beitragen, was sie leisten können; wir haben heute wiederholt darüber gesprochen. Deswegen
    meine ich, daß ein neues Gespräch zwischen dem Kanzler und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR wohl dort anknüpfen muß.
    Am Werbellinsee ging es damals auch, wie wir wissen, um einige Wünsche der DDR, um Teile der sogenannten Geraer Forderungen; darüber soll geredet werden. Warum denn nicht? Da ist doch einiges klärungsbedürftig. Sie kennen unsere Auffassung zur Elbe-Grenze. Sie kennen unsere Auffassung hinsichtlich der Respektierung der DDRStaatsbürgerschaft.

    (Lintner [CDU/CSU]: Da gibt es zwei Auffassungen!)

    — Da gibt es keine zwei Lesarten. — Alles das, was der Bundeskanzler heute getan hat, ist auch nur eine Verleumdung gewesen. Er hat uns hier etwas unterstellt, und als wir nachgefragt haben, ob er es beweisen könne, hat er eben geschwiegen. Dies ist eines Bundeskanzlers unwürdig, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union.

    (Beifall bei der SPD)

    Und Sie kennen unsere klare Auffassung zur Erfassungsstelle Salzgitter.

    (Lintner [CDU/CSU]: Auch da gibt es zwei Meinungen!)

    Sie können mit unserer Kooperation rechnen, und Sie können mit uns darüber reden. Sie werden erleben, daß wir Sie dann, wenn Sie zu Verhandlungsergebnissen kommen, die für beide Seiten erträglich sind, nicht in der Art und Weise angreifen, wie Sie das in der Vergangenheit mit uns, als wir regiert haben, gemacht haben.
    Lassen Sie mich noch etwas zur Rolle Moskaus bei dieser Absage sagen. Natürlich wirkt jede Großmacht mit Bitten, Ratschlägen und manchmal auch Drohungen in das jeweilige Bündnis hinein. Wichtige Besuche werden, wie wir wissen, in Ost und West vorbesprochen. Zweifelsohne ist es für uns einfacher, unerwünschte Forderungen der USA zurückzuweisen, als für Honecker, sich gegenüber Moskau zu behaupten.

    (Lintner [CDU/CSU]: Was sind denn z. B. unerwünschte Forderungen seitens der USA?)

    — Z. B. die Forderung, wir sollten keine Röhren in die Sowjetunion liefern. — Das ist mit Sicherheit — das sage ich hier deutlich — nicht zu vergleichen.
    Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, machen Sie sich von der Illusion frei, daß in Moskau nun absolut vorgegeben wird, was der DDR-Staatsratsvorsitzende zu tun hat! Die DDR ist Herr ihrer eigenen Entscheidungen.

    (Bohlsen [CDU/CSU]: Phantast!)

    Honecker hat abgewogen, was ihm der Besuch einbringen und was er ihn kosten würde. Auf der einen Seite der Bilanz stand: Ärger mit Moskau. Auf der anderen Seite stand: eventuell Fortschritte in den deutsch-deutschen Beziehungen. Dann hätte Honecker natürlich entscheiden können, ob er den Ärger in Kauf nimmt, wenn sich etwas bewegt hätte. Aber wenn ihm im Vorfeld schon gesagt wird, daß sich nichts bewegen werde, und sich der Bundes-



    Büchler (Hof)

    kanzler auch so verhält, warum soll er dann den Ärger auf sich nehmen? Darin liegt im Grunde genommen Ihre Mitschuld an dem Nichtzustandekommen dieses Besuches.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Schneider [Berlin] [GRÜNE])

    Machen Sie deshalb jetzt nicht einen zweiten Fehler! Warten Sie jetzt nicht auf Initiativen von Ost-Berlin, sondern verhalten Sie sich positiv, und räumen Sie das weg, was weggeräumt werden kann! Überlegen Sie, was zu tun ist, und machen Sie den Weg frei!
    Wir werden Ihnen dabei keine Schwierigkeiten machen, ganz gleich, ob das Protokollfragen oder andere, fast lächerliche Dinge sind. Wir bieten Ihnen konstruktive Mitarbeit an und stehen zu Gesprächen zur Verfügung. Wir wollen in der Deutschlandpolitik keine Obstruktion betreiben, wie Sie das in Ihrer Zeit als Oppositionsabgeordnete getan haben. Wir wollen mit Ihnen daran arbeiten, daß die Verantwortungsgemeinschaft beider deutscher Staaten für den Frieden auch wirklich entwickelt wird. Willy Brandt hat es heute schon gesagt: Es ist kein Fehler, wenn auf dem Feld der Deutschlandpolitik Einigkeit möglich wird.
    Deshalb noch ein paar Bemerkungen.
    Erstens. Wir müssen davon ausgehen, daß an erster Stelle die Gleichberechtigung der beiden deutschen Staaten steht; das wurde heute auch von Ihnen gesagt. Wir haben die besondere Verantwortung für den Frieden. Wir werden ihr nur gerecht, wenn wir unsere Existenz nicht gegenseitig in Frage stellen.
    Zweitens. Die beiden deutschen Staaten sind Staaten, in denen Deutsche in einer gemeinsamen Nation leben. Deshalb bleiben wir dabei: zwei Staaten, aber eine Nation. Daraus ergeben sich Aufgaben für die Politik. Sie hat dafür zu sorgen, daß die Menschen miteinander reden, daß sie sich treffen und ihre Zusammengehörigkeit pflegen können.
    Drittens. Wenn es aus dem, was ich eben über Werbellin gesagt habe, noch nicht deutlich genug geworden ist, wiederhole ich es hier in aller Deutlichkeit: Deutschlandpolitik ist in erster Linie Friedenspolitik.
    Viertens. Beides — die Kontakte der Menschen ermöglichen und dem Frieden dienen — ist in Europa nur auf der Grundlage von Stabilität möglich. Voraussetzung der Deutschlandpolitik ist es folglich, daß beide deutsche Staaten in ihr jeweiliges Bündnis fest eingebunden sind. Damit ist, glaube ich, die Antwort auf Ihre Frage gegeben.

    (Rühe [CDU/CSU]: Erzählen Sie das Herrn Lafontaine!)

    Es ist gar keine Frage: Dies ist der Standpunkt der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Noch! — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Die Idee eines deutschen Sonderweges, Neutralisierungstendenzen und erst recht verbale Kraftakte
    über die Grenzen von 1937 gefährden diese Stabilität und sind gefährlich für unsere Politik.
    Wir müssen fünftens, wenn wir Stabilität sagen, natürlich auch sagen, daß die Sicherheitspartnerschaft hinzukommen muß, daß Rüstung und Abrüstung behandelt werden müssen. Die Sicherheitspartnerschaft ist ein wichtiger Schritt zum Abbau der Konfrontation und auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung. Also: gesichertes Zusammenleben der Staaten mit unterschiedlichen Systemen, ohne daß die Änderung dieser Systeme zur Voraussetzung für den Frieden erklärt wird. Darauf kommt es wohl auch an.
    Ich sage sechstens noch einmal ganz deutlich: Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Gebietsansprüche gegen andere Staaten. Aber dies ist, glaube ich, heute schon deutlich geworden. Nur die Europäer können die Grenzen überwinden, nicht allein die Deutschen. Ich glaube, dies sollten wir alle miteinander so sehen.
    Siebtens. Die Deutschlandpolitik hat nicht das Ziel, die DDR zu destabilisieren. Unsere Deutschlandpolitik muß die Realität der DDR mit ihrem politischen System, ihrer wirtschaftlichen und politischen Ordnung zur Kenntnis nehmen und davon ausgehen. Die Deutschlandpolitik muß das gleiche allerdings auch von der DDR in bezug auf die Bundesrepublik und auf unsere Ordnung verlangen dürfen. Auch darüber gibt es keinen Zweifel.
    Lassen Sie mich noch kurz zusammenfassen. Die Pflege dessen, was die deutsche Nation ausmacht, ist ein selbstverständliches Ziel der Deutschlandpolitik und, so glaube ich, in diesem Hause nicht umstritten.
    In der jetzigen Situation ist es Auftrag der Deutschlandpolitik, von der Grundlage der in Europa bestehenden Grenzen ausgehend Beiträge der beiden deutschen Staaten zu wachsender Friedfertigkeit zwischen den Blöcken zu leisten. Mit anderen Worten steht dieser Auftrag auch im Grundlagenvertrag, den mit Leben zu erfüllen jetzt Ihre Aufgabe in der Regierungsverantwortung ist. Sie werden unsere Unterstützung haben, wenn Sie sich auf diese Realität besinnen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD)