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ID1008105900

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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Barzel, die Zusatzfrage, die Sie jetzt gestellt haben, heißt: „Apropos etwas anderes. Denn eines ist auch völlig klar: Das, was Sie eben gesagt haben, ist zu bestätigen. Ich habe nahegelegt, übrigens auch nach Rücksprache mit den Drei Mächten, daß es vielleicht besser wäre, mitten in den Verhandlungen eine solche Sitzung nicht zu machen. Das hat aber überhaupt nichts mit
    dem zu tun, was Sie vorhin gesagt haben. Ich kann dazu nur wiederholen und hinzufügen: Der damalige Bundeskanzler hat sich auch in dieser Frage direkt an den Generalsekretär der KPdSU gewendet und ihm erklärt, mit ihm sei die Selbständigkeit der Berliner Parteien nicht zu machen; es gibt nur eine SPD, und das gilt auch für andere Parteien. —Daß Sie sich freundlicherweise im Westen auch noch bemüht haben, will ich Ihnen danken. Ich wollte Sie nur daran erinnern, das, was wir getan haben, bitte nicht zu vergessen.

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen, meine Damen und Herren, darf doch nicht übersehen werden, daß diese Art von BerlinDiskussion nicht an der Tatsache vorbeiführen darf, daß diese Bundesregierung einen Erfolg, den sie in ihren Verhandlungen mit der DDR gehabt hat und den wir j a anerkannt haben, nicht in der Lage gewesen ist auf Berlin auszudehnen. Das ist doch der Vorwurf von Herrn Brandt gewesen, und darauf haben Sie nicht geantwortet, und darauf können Sie gar nicht antworten. Ich kann zum Schluß nur mit dem Bundeskanzler sagen: Man muß eben sehen,, was hinten rauskommt. In diesem Falle ist eben für die Berliner nichts herausgekommen, und das werden wir auch weiter anmahnen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Rühe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Debatte im Hinblick auf das Thema Gemeinsamkeit mehr Klarheit gebracht hat. Klar ist, wir bleiben in der Deutschlandpolitik zur Gemeinsamkeit bereit. Es gibt eine klare Grundlage, nämlich die gemeinsame Entschließung aller Bundestagsparteien mit Ausnahme der GRÜNEN vom Februar dieses Jahres. Wir alle sollten daran interessiert sein, diese Gemeinsamkeit auch künftig zu pflegen. Wir werden jedenfalls an dieser Resolution festhalten, und wir fordern die Sozialdemokraten auf, genau dasselbe zu tun.
    Ich möchte noch ein Wort über die Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition in der Deutschlandpolitik sagen. Als Sie noch regiert haben, hat die Opposition, also wir, Sie hart bedrängt, kämpferisch bedrängt.

    (Zurufe von der SPD)

    — Sie bestätigen das gerade noch einmal, was ich gesagt habe. Wir haben aber stets Ihre Verhandlungsposition gegenüber der DDR-Regierung gefestigt, indem wir vor falscher Nachgiebigkeit gewarnt haben. Wie sieht es heute aus? Da erleben wir häufig leider das Gegenteil, da werden von manchen sozialdemokratischen Kollegen deutschlandpolitische Positionen in Frage gestellt, da wird das Offensein der deutschen Frage relativiert, da wird die Regierung zu Zugeständnissen an die DDR gedrängt, für die es keine praktischen Bedürfnisse gibt; ja, einige von ihnen raten gar zum Ausscheren aus der gemeinsamen westlichen Sicherheitspolitik,



    Rühe
    weil davon angeblich die deutsch-deutschen Beziehungen profitieren würden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Haben Sie Bahr nicht zugehört?)

    Ich meine also, daß Sie als Opposition sich einmal sehr sorgfältig prüfen sollten, wie weit nicht auch Sie einen Beitrag zu einer Stärkung statt zu einer Schwächung der Verhandlungsposition der Bundesregierung leisten könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Debatte hat gezeigt, daß die schrillen Schuldzuweisungen und die versuchten Legendenbildungen, die es in den ersten Tagen nach der Verschiebung des Besuchs von Erich Honecker gegeben hat, von Ihnen jetzt nicht mehr aufrechterhalten werden.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Strauß, oder was?)

    — Nun, man kann sich über mangelnde Diskretion und auch über Gerede beklagen, aber ich habe hier heute von niemandem gehört, daß das der Grund für die Verschiebung sein könnte.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Dies zu behaupten ist von Ihnen in den ersten Tagen in schriller Weise versucht worden. Diese Legende ist geplatzt, und das ist gut so.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen: Wir können und sollten uns bemühen, die Vordiskussion vor dem hoffentlich in Zukunft stattfindenden Besuch abzukürzen. Nur, wir können keinem Besucher der Bundesrepublik Deutschland, woher auch immer er kommt, eine keimfreie Diskussionsatmosphäre garantieren. Ich glaube, daß gerade Sie es sich bei Besuchern aus anderen Regionen der Welt doch sehr verbitten würden, wenn im Vorfeld eine unkritische Diskussion verlangt werden würde. Das ändert nichts daran, daß wir uns, wie gesagt, bemühen sollten, das Vorspiel zu einem solchen Besuch abzukürzen. Daran sollten wir gemeinsam mitwirken.
    Nun gibt es einen anderen Vorwurf von Ihnen, und Willy Brandt hat ihn mir gegenüber heute mittag auch noch einmal angesprochen. Es geht um den Zusammenhang zwischen der Sicherheitspolitik und der Deutschlandpolitik, zwischen der Nachrüstungsentscheidung des vergangenen Jahres und der Deutschlandpolitik heute.
    Hier geht es in der Tat um eine existentielle Grundlage unserer Politik, um eine Kernfrage. Unsere Zugehörigkeit zur westlichen Verteidigungsgemeinschaft ist für uns eine unabdingbare Grundlage. Eben deshalb sind wir nicht bereit, unsere Sicherheit, unsere Bündnistreue und unsere Partnerschaft mit den westlichen Freunden gegen unsere ost- und deutschlandpolitischen Interessen ausspielen zu lassen. Das ist ja die Alternative, die manche von Ihnen im vergangenen Jahr aufgebaut haben. Hier werden wir weder falsche Hoffnungen erfüllen noch falschen Ratschlägen folgen. Wir jedenfalls lassen uns auch in Zukunft nicht die verfehlte Alternative „entweder Bündnisloyalität pflegen und zu den Bündnisentscheidungen stehen oder konstruktive Beziehungen zu unseren Nachbarn im Osten unterhalten" aufzwingen. Das ist eine falsche Alternative. Dies wird niemals unsere Politik werden!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es würde uns im übrigen in eine Sackgasse führen, wenn wir eine solche Politik des Entweder-Oder betreiben würden.
    Diese Bundesregierung trifft die für unser Land sicherheitspolitisch notwendigen Entscheidungen und sucht dabei zugleich den konstruktiven Dialog und eine gegenseitig nützliche Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, ich meine, nur wer oberflächlich urteilt, kann leugnen, daß diese Politik trotz der angespannten internationalen Situation ihre Früchte getragen hat. Lassen Sie mich doch daran erinnern, daß die Geraer Forderungen in ihrer ultimativen Form 1980 geäußert wurden, nicht 1983 oder 1984, und daß es 1980 war, als der Mindestumtausch in dramatischer Weise heraufgesetzt wurde. Wie sieht es 1984 aus? Es gibt noch die Geraer Forderungen, aber die DDR hat Gott sei Dank den Weg zu einer Politik des „Machen wir das Machbare" gefunden und diese Forderungen, die zu Ihrer Regierungszeit erhoben wurden, eher an den Rand gestellt. Wir haben auch in dieser Situation, im Jahre 1984, weitere Vereinbarungen erreichen können.
    Insofern ist das Wort von der Schadensbegrenzung mißbräuchlich. Es ist seit unserer sicherheitspolitischen Entscheidung vom vergangenen Jahr nichts von- den deutsch-deutschen Vereinbarungen abgebaut worden, es ist sogar noch etwas hinzugekommen, Herr Vogel. Dieses haben Sie im vergangenen Jahr falsch eingeschätzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben auch niemals versucht, Politik an der Sowjetunion vorbei zu machen. Im Augenblick ist es etwas schwierig, mit der Sowjetunion Politik zu machen. Das stellen nicht nur wir fest. Es ist schon fast eine Nicht-Außenpolitik, die dort manchmal betrieben wird. Man kann nur hoffen, daß die Vereinbarung eines Gesprächs zwischen dem sowjetischen Außenminister und dem amerikanischen Präsidenten hier vielleicht ein erstes Lichtzeichen ist. Wir wünschen der sowjetischen Führung j eden-falls bald die Kraft, wieder einen Neuansatz in ihrer Westpolitik zu finden.
    Nun gibt es ein anderes, wie ich finde etwas merkwürdiges Argument, das von Ihnen in den letzten Tagen verwandt wurde. Es wurde gesagt: Die Elle, an der man unsere Deutschlandpolitik messen wolle, sei die Politik der Regierungen Brandt und Schmidt in der Vergangenheit, und Sie würden sich fragen, ob der Bundeskanzler Kohl die Kraft finden würde, diese Politik kontinuierlich fortzusetzen. Da muß ich Sie nun allerdings sehr enttäuschen; denn hier scheint offensichtlich ein Mißverständnis zu bestehen. Schon vor zwei Jahren habe ich klargemacht, daß unsere Deutschland-, Ost- und Außenpolitik unter der Überschrift läuft: Kontinuität plus neue Akzente. „Kontinuität" meint die Verträge mit der DDR, mit den anderen Staaten des Warschauer



    Rühe
    Pakts, die wir uneingeschränkt einhalten, die wir in praktische Politik umsetzen und die wir natürlich ausbauen wollen. Aber „neue Akzente" bedeuten die klare Positionsbestimmung unseres Staates im Ost-West-Verhältnis, uneingeschränkte Bündnistreue und die Absage an alle Neutralismusideen. Das bedeutet Ost- und Deutschlandpolitik ohne Illusionen über etwaige Konvergenzen zwischen demokratischem Sozialismus in der SPD und Realsozialismus in der DDR. Das bedeutet nicht zuletzt, daß wir nicht länger das Problem der offenen deutschen Frage, etwa aus Opportunismus, verschweigen.
    Um das noch einmal mit aller Klarheit zu sagen: Die Lösung dieser Frage bleibt auf der Tagesordnung der Geschichte. Sie ist derzeit nicht auf der aktuellen politischen Tagesordnung und kann deshalb auch nicht Gegenstand der operativen Tagespolitik sein. Es geht aber darum, vor der Weltöffentlichkeit klarzustellen, daß die deutsche Frage nicht durch die Vertragspolitik erledigt ist, sondern so lange bestehen bleibt, bis sie durch die freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen beantwortet wird.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Dieser legitime Anspruch des deutschen Volkes richtet sich gegen niemanden. Er richtet sich insbesondere auch nicht gegen die Souveränität und die Integrität anderer Staaten. Der Bundeskanzler hat hierzu auf dem Tag der Heimat ganz eindeutige Aussagen gemacht, denen wir voll zustimmen.
    Kurz gesagt, die Ost- und Deutschlandpolitik dieser Koalition hat ein eigenes und klares Profil im Vergleich zur Vorgängerregierung. Die Behauptung, wir würden keine Brandt/Schmidt-Politik mehr betreiben, trifft zweifellos zu.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ein echtes Kompliment ist das!)

    Aber ich kann das aus unserer Sicht nicht als einen Vorwurf verstehen. Insofern geht es an den politischen Realitäten vorbei.
    Lassen Sie mich noch etwas zu dem verschobenen Honecker-Besuch sagen. Wir bedauern diese Entscheidung, weil damit ein sicherlich wünschenswerter deutsch-deutscher Meinungsaustausch auf höchster Ebene, jedenfalls jetzt, nicht zustande gekommen ist. So bedauerlich die Besuchsverschiebung auch ist, nach unserer Einschätzung liegt darin aber kein politischer Kurswechsel der DDR. Ganz offensichtlich gilt das Honecker-Interview vom 18. August 1984 weiterhin als die verbindliche Grundlage der DDR-Politik. Ein deutsch-deutsches Gipfeltreffen bleibt nach wie vor sinnvoll, und je eher es stattfinden kann, desto besser. Entscheidend aber für die Verbesserung der Verhältnisse im geteilten Deutschland bleiben kontinuierliche Entwicklungen und geduldige Verhandlungen. Die bisher eingeschlagene vernünftige Linie muß also fortgesetzt werden; das Machbare muß auch weiterhin verwirklicht werden. Der Spielraum der DDR-Führung ist vor der Besuchsverschiebung von manchen Beobachtern überschätzt worden. Ich warne jetzt davor, den anderen Fehler zu machen, ihn zu unterschätzen.
    Natürlich darf der Einfluß, den beide Staaten in einer positiven Weise ausüben können, nicht überschätzt werden; denn die deutsch-deutschen Beziehungen sind natürlich nicht vom internationalen Geschehen abgekoppelt, sondern in das generelle Ost-West-Verhältnis eingebettet. Aber dieses darf uns nicht zu einem passiven Verhalten verleiten. Die beiden deutschen Staaten können und müssen vielmehr für Mäßigung, für Vernunft, für Spannungsabbau und für konstruktive Zusammenarbeit in Europa werben, und werben kann man nur, wenn man eben glaubwürdig am eigenen Beispiel demonstriert und in den eigenen gegenseitigen Beziehungen mit gutem Beispiel vorangeht. Diese aktive Rolle der beiden deutschen Staaten darf unter keinen Umständen mit einer Sonderrolle verwechselt werden. Unsere auf Ausgleich gerichtete Politik kann auch in der Zukunft nur dann erfolgreich sein, wenn sie nicht ins Zwielicht gerät und nicht Argwohn erregt.
    Deshalb — und da wende ich mich vor allem an die sozialdemokratische Seite — muß klar sein, daß die uneingeschränkte Bündnisloyalität der beiden Staaten in Deutschland eine der prinzipiellen Geschäftsgrundlagen für diese Politik ist. Das sage ich besonders in Ihre Richtung. Alle Neutralismustendenzen und alle Gedankenspielereien über eine Lockerung unserer Bündnisbeziehungen sind für eine Verbesserung der innerdeutschen Beziehungen schädlich. Wer als Bündnispartner nicht zuverlässig ist, wer als Bündnispartner nicht berechenbar ist, der reduziert, Herr Vogel, so wie die Dinge heute nun einmal sind, den Spielraum in den deutsch-deutschen Beziehungen auf Null, und das ist etwas, was wir unter allen Umständen vermeiden müssen.
    Eine vernünftige Gestaltung der innerdeutschen Beziehungen muß von der bitteren Realität der deutschen Teilung ausgehen. Unsere operativen Bemühungen richten sich j a gerade darauf, die Folgen der Teilung für die Menschen erträglicher und weniger gefährlich zu machen, wie es der Bundeskanzler Kohl formuliert hat.
    Wir bleiben bei unserer Hoffnung und auch unserem Willen, die deutsche Teilung eines Tages zu überwinden. Aber die heute handelnden Politiker müssen von der tatsächlichen Lage ausgehen und dürfen nicht das Wünschbare mit dem heute Machbaren verwechseln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin ganz sicher, daß ein ganz wesentlicher Grund für den Erfolg — den ich sehe — in der Politik der Bundesregierung darin liegt, daß sie dies immer beachtet hat: das Wünschbare von dem heute Machbaren trennen zu können und dafür zu sorgen, daß trotz aller Schwierigkeiten etwas gemacht wird, etwas durchgesetzt wird, auch in dem schwierigen deutsch-deutschen Verhältnis.
    Wir brauchen für diese Politik der Vernunft möglichst viele Partner in Europa, und wir wollen mit allen einen breiten Dialog führen. Niemand wird dabei ausgeklammert, schon gar nicht die Sowjetunion.
    Wer immer sich dazu bereit findet, Konfrontation abzubauen und Kooperation aufzubauen, ist uns als



    Rühe
    Partner willkommen. Wir wollen an unserer Politik des guten Willens festhalten, auch wenn es böswillige Kampagnen gibt, die gegen uns inszeniert werden. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken, müssen aber diejenigen, die das tun, fragen, ob sie damit wirklich ihren eigenen Interessen dienen.
    Das sage ich auch im Hinblick auf manches, was in den polnischen Medien zu lesen ist. Was der Bundeskanzler am 2. September in seiner Rede in Braunschweig zum deutsch-polnischen Verhältnis gesagt hat, ist die Linie der gesamten Koalition. Der Bundeskanzler hat für alle Mitglieder des Bundeskabinetts und für alle Fraktionen dieser Koalition gesprochen. Und — Herr Bahr, das sage ich innenpolitisch in Ihre Richtung, und ich sage es außenpolitisch in Richtung Warschau — der Versuch, einzelne Mitglieder der Bundesregierung oder die Parteien der Koalition in diesen Fragen gegeneinander auszuspielen, ist aussichtslos. Hier sollte sich niemand falsche Hoffnungen machen. Die Rede des Bundeskanzlers gilt!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Gut gebrüllt!)

    Im Interesse der deutsch-polnischen Beziehungen muß ich auch heute an dieser Stelle eindringlich zu Mäßigung, zu Besonnenheit und zu Vernunft mahnen. Dies gilt gewißt für beide Seiten. Nur kann ich nicht erkennen, daß man sich hüben und drüben in gleicher Weise an dieses Postulat hält. Ich sage das mit großem Ernst, weil nur bei einem entsprechenden Klima die Voraussetzungen für praktische Schritte zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen auch und gerade im deutsch-polnischen Verhältnis gegeben sind. Wir sind dazu bereit. Unsere Hand bleibt ausgestreckt. Wer sie ergreifen will, muß allerdings auch den dafür notwendigen Schritt tun. Auch die deutsch-polnischen Beziehungen sind keine Einbahnstraße. Die Qualität jedes Dialogs — zum Dialog gehören immer zwei — hängt auch vom Entgegenkommen und Verständnis der anderen Seite ab.
    Wer Realismus und Vernunft zum Maßstab seiner Politik macht, läßt sich von konjunkturellen Schwankungen in der internationalen Politik — wenn man die historische Sichtweise bewahrt, haben wir es damit im Augenblick zu tun — ebensowenig beirren wie von einzelnen spektakulären Vorgängen, sondern er hält einen klaren und beständigen Kurs mit Gelassenheit und einer möglichst ruhigen Hand. Dies gilt für die Ost-WestBeziehungen im allgemeinen, es gilt auch für die deutsch-deutschen Beziehungen im besonderen.
    Wenn derzeit ein Gespräch auf höchster Ebene nicht möglich ist, dann müssen eben die Gespräche auf allen anderen Ebenen fortgesetzt, vertieft und auch ausgeweitet werden. Geeignete Ansatzpunkte dafür lassen sich durchaus finden.
    Ich möchte einen konkreten Vorschlag machen: So ist z. B. bei der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages — der Herr Bundestagspräsident hat darauf hingewiesen, daß hier auch noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind — eine mündliche Konsultationsvereinbarung über alle politischen
    Fragen von gegenseitigem Interesse getroffen worden. Diese Gelegenheit zum politischen Dialog könnte künftig bewußt und mit einer gewissen Regelmäßigkeit genutzt werden. Fachgespräche und Sachverhandlungen behalten unabhängig davon natürlich ihren vorrangigen Stellenwert, weil es dort um ganz konkrete Anliegen geht. Aber zusätzliche Themen, an denen die eine oder andere Seite interessiert ist, könnten im Rahmen dieser politischen Konsultationen ausführlich erörtert werden. Dies würde — im wörtlichen Sinne — der gegenseitigen Verständigung dienen. Ich bin deshalb überzeugt, daß ein solcher breit angelegter Meinungsaustausch die beiderseitigen Beziehungen weiter fördern und auch die eigentlichen Verhandlungen flankierend unterstützen könnte.
    Wer es mit den deutsch-deutschen Beziehungen und den Ost-West-Beziehungen insgesamt gut meint, sollte sich von vorübergehenden Eintrübungen jedenfalls nicht irritieren lassen, sich auch als Opposition manche Möglichkeit zur innenpolitischen Polemik vielleicht im Interesse der Sache lieber verkneifen. Er sollte jede Möglichkeit, jeden sinnvollen Ansatz zum Ost-West-Dialog nutzen.
    Auch und gerade in schwierigen Zeiten im Gespräch zu bleiben, Vertrauen zu schaffen, das ist eine gute Investition für die Zukunft.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Die Zeiten werden sich auch wieder ändern. Dann ist es gut, auf einen Vorrat an Vertrauens- und Gesprächskapital zurückgreifen zu können. Von dieser Erkenntnis wird sich jedenfalls die Koalition in der Ost- und Deutschlandpolitik in diesen Tagen und auch künftig leiten lassen.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)