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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Der Kollege Barzel hat am Anfang seiner Ausführungen bedauert, daß der Sprecher der CDU erst jetzt zum Zuge kommt. Ich kann mich ihm insofern anschließen, als ich bedauere, nach dem Ablauf der Debatte nicht mehr Zeit zu haben, als ich jetzt habe.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich schließen Sie sich auch sonst an!)

    Zur Sache selbst habe ich festgestellt, daß der Bundeskanzler offenbar nicht in der Lage ist, die Fragen zu beantworten, die mein Parteivorsitzender heute gestellt hat, sondern dazu waren zum Teil offenbar Sie vorgesehen oder nötig, zum Teil der Bundesaußenminister. Wenn man sich in Erinnerung ruft, was der Bundeskanzler gesagt hat, dann muß man zu dem Ergebnis kommen: Er hat es offenbar gar nicht nötig gehabt, aus dem Urlaub zurückzukommen und endlich Ordnung zu schaffen. Man hat den Eindruck, als ob die Diskussionen über die Pannenregierung gar nicht existent gewesen wären. Es war doch wohl nicht so, daß er aus dem Urlaub zurückkommen mußte, um mit den Er-



    Bahr
    folgen fertig zu werden oder die Erfolge zu stoppen, sondern er mußte die Pannen stoppen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Nach dieser Rede nun Ihre Rede, Herr Bahr? Mein Gott!)

    Aber das ist nicht der wichtigste Punkt. Der wichtigste Punkt ist, daß wir zu den Fragen, die hier aufgeworfen worden sind, keine Antworten bekommen haben, jedenfalls nicht durch den Bundeskanzler. Statt dessen hat er sich — der Kollege Barzel ebenso — über Revanchismus ausgelassen. Er hat das mit Vorwürfen gegen die SPD verbunden.
    Meine Damen und Herren, das, was hier gesagt worden ist, kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es keine einzige Äußerung der SPD gibt, mit der wir die Vertriebenen angegriffen haben. Das gibt es doch gar nicht. Das, was wir gemacht haben, war, darauf hinzuweisen, daß der Bundeskanzler es für richtig hielt, am 2. September dort zu sein, daß er es aber nicht für richtig hielt, am 1. September aus anderen Gründen etwas zu sagen.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist ein Skandal!)

    Wenn wir über Revanchismus reden, dann finde ich es im Grunde unglaublich, daß weder der Bundeskanzler noch der Kollege Barzel zur Kenntnis nehmen oder berücksichtigen, daß es Äußerungen von Sozialdemokraten gegeben hat, die dem Vorwurf eines undifferenzierten Revisionismus gegen die Bundesrepublik Deutschland entgegengetreten sind.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Was heißt denn „undifferenziert"!)

    Herr Kollege Barzel, der Brief zur deutschen Einheit, über den Sie eben so ausführlich geredet haben,

    (Boroffka [CDU/CSU]: War Ihnen das zu ausführlich?)

    ist doch nicht eine Erfindung der CDU gewesen.

    (Zuruf von der SPD: Wohl wahr!)

    Das ist doch eine Erfindung gewesen, von der der Kollege Mertes sagt, es sei meine gewesen. Wie kommen Sie denn dazu, so zu tun, als müßten Sie heute den Brief zur deutschen Einheit gegen die Sozialdemokraten verteidigen?

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen wissen Sie doch — die beiden Herren, die dort hinten sitzen — genauso wie alle anderen,

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Die hören gerade nicht zu! Herr Bahr gibt eine Antwort, und er hört nicht zu!)

    daß ich zur Mitte dieses Jahres in Moskau durchaus die Gelegenheit genutzt habe, um Gesprächspartner kompetenter Art darauf hinzuweisen, daß vor dem Brief zur deutschen Einheit gegenüber dem sowjetischen Außenminister von mir darauf aufmerksam gemacht worden ist: In der Perspektive des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion ist es nicht möglich, das legitime Recht und den natürlichen Anspruch auf Selbstbestimmung unter den Vorwurf des Revisionismus zu stellen. Wer das tut, schließt die Perspektive eines vielleicht sogar freundschaftlichen Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion aus. Als Ergebnis dieser von ihm akzeptierten Darlegungen ist dann der Brief zur deutschen Einheit geschrieben und auch angenommen worden.
    Ich habe darauf hingewiesen und wiederhole das vor dem Deutschen Bundestag: Wer diese Frage mit Revisionismus gleichsetzt, legt die Axt an die Wurzeln des Moskauer Vertrages.
    Auch der Kollege Barzel hätte feststellen können — entgegen dem, was er hier gesagt hat —, daß seit dieser Diskussion dieser unqualifizierte Vorwurf des Revisionismus, verbunden mit dem Brief zur deutschen Einheit, aus Moskau nicht mehr zu hören ist. Das, was heute aus der Sowjetunion an Revisionismusvorwürfen erhoben wird, richtet sich allein und ausschließlich gegen das Infragestellen bestehender Grenzen in Europa. In diesem Punkte sind wir, hoffe ich, einer Meinung.
    Ich habe vorhin sehr genau beachtet, daß es in den Ausführungen des Bundesaußenministers Passagen gegeben hat, denen die FDP-Mitglieder und die SPD-Mitglieder in diesem Hause applaudiert haben, aber leider nicht die Mitglieder der CDU/ CSU.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das ist doch auch ein Punkt, Herr Bundeskanzler, wo Sie nicht so tun können, als gäbe es gar nichts an unterschiedlichen Meinungen in der Koalition. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen: Das, was der Bundesaußenminister vorhin gesagt hat zur Verbindlichkeit der Grenzen, zur Gültigkeit der Verträge, zum Nichterheben von Ansprüchen, auch in Zukunft nicht, findet die uneingeschränkte Billigung der SPD. Das entspricht übrigens auch den Verträgen. Wer das in Frage stellt und etwas anderes sagt, stellt im Grunde auch die Verträge in Frage.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die Grenze des Jahres 1937 kann jeder in der Diskussion fordern; denn wir sind ein freies Land. Aber wenn man das tut, muß man wissen, daß man jedenfalls gegen Geist und Buchstaben der Verträge handelt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn das ein Kabinettsmitglied tut und das ungeahndet durchgeht, darf man sich nicht wundern, wenn man das in Moskau und vielleicht auch anderswo wahrnimmt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wenn der Bundeskanzler sagt, es gibt keinen Revisionismus, so sage ich: Das finde ich ja fabelhaft.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Es wäre gut, wenn es so wäre! Es gibt ihn natürlich!)

    Aber ich muß wirklich sagen, ich habe mit großen
    Bedenken gelesen — ich glaube, der eine oder an-



    Bahr
    dere von Ihnen wird das nachempfinden und vielleicht genauso lesen können —, daß der Kollege Dr. Hennig als Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen zur Feder gegriffen hat, wie es hier heißt — er ist immerhin Parlamentarischer Staatssekretär dieser Regierung und wird übrigens auch daran gemessen —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch er ist ein guter Mann! — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das tun Sie lieber nicht bei dem, was der sagt!)

    und zu den Ausführungen des Kardinals Glemp Stellung genommen hat. Zu denen ist ja in der Tat eine ganze Menge zu sagen. Darüber sind wir uns sicher einig. Aber die Formulierungen, die er dort benutzt hat, sind so nicht akzeptabel, finde ich. Er sagt:
    Übersieht der Oberhirte der katholischen polnischen Kirche wirklich, daß die so charakterisierten Menschen
    — die Vertriebenen —
    Betroffene eines völkerrechtlichen Verbrechens sind, das auf dem Gewissen des polnischen Volkes lastet wie die Verbrechen Hitlers auf dem unseren?
    Waren die Polen mit völkerrechtlichen Verbrechen so belastet wie wir durch Hitler?

    (Zuruf von der SPD: Ein schlimmer Satz!)

    Diese Gleichstellung kann man nicht akzeptieren.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Verbrechen sind Verbrechen! — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Kohl wird es schon richten!)

    Ein paar Absätze später fügt er hinzu:
    Wie sollen sich Deutsche, wie soll sich gar eine deutsche Bundesregierung nach dieser unbegreiflichen Entgleisung für das Projekt einer groß angelegten kirchlichen Hilfe einsetzen?

    (Duve [SPD]: Hört! Hört! Das ist christliche Solidarität! Klein [München] [CDU/ CSU]: Eine Frage!)

    — Die Frage zu stellen heißt schon, die Hälfte der Antwort zu geben.
    Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, daß in dieser Revanchismus-Debatte außerdem klar sein muß, wo wir auf der Basis der Verträge stehen und stehen bleiben und wo wir aufpassen müssen, die Verträge nicht zu verletzen. Wenn das der Fall ist, gäbe es in der Tat keine Gemeinsamkeit.
    Jetzt möchte ich ein paar Bemerkungen zu dem machen, was der Kollege Genscher vorhin gesagt hat: „Übringens sollte niemand der Kampagne Vorschub leisten. Nicht alles, was aus dem Osten kommt, ist Propaganda." Diese Auffassung des Bundesaußenministers teile ich. Sie ist übrigens auch zu manchen Äußerungen zu sagen, die drüben vielleicht mißverstanden wurden und zu dem Vorwurf des Revanchismus geführt haben. Ich finde, daß seine Forderung, sich behutsam zu äußern, weniger an Sozialdemokraten gerichtet war als vielmehr an
    andere. Aber, Herr Bundeskanzler, hier hatten wir es doch mit der Größtkoalition zu tun, die man sich überhaupt nur vorstellen kann. Die Kritik an dem „Gerede", an den „Quatschereien", an dem „unqualifizierten Gerede" oder an dem „Affentheater" hat man aus Ost-Berlin, von Sozialdemokraten, von Herrn Strauß, von Herrn Jenninger gehört. Da gibt es doch eine Größtkoalition. Sie können doch nicht so tun, als gäbe es das gar nicht.
    Herr Genscher hat sehr interessant auf das reagiert, was die Kollegin Vollmer vorhin gesagt hat, und hat darauf aufmerksam gemacht, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland in unseren Vorstellungen davon ausgehen müssen, was ist. Das heißt, daß wir in Bindungen sind, aus denen wir nicht herauskommen, und daß andere in Bindungen sind, aus denen sie auch nicht herauskommen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]:... wollen!) Diese Auffassung teile ich uneingeschränkt.

    Ich glaube, Frau Kollegin Vollmer, daß die Vorstellungen, die Sie heute von einem eigenständigen und neutralen deutschen Weg entwickelt haben, für Sozialdemokraten nicht gangbar sind. Ich möchte dies auch noch mit einem Wort der Begründung versehen. Wir sind der Auffassung, daß es Sicherheit in dieser Zeit nur gemeinsam gibt. Das heißt, ich glaube nicht, daß, wie groß auch immer unsere Anstrengungen der Verteidigung sein mögen, wir in der Lage sein werden, einseitig Sicherheit vor dem Gegner zu bekommen.

    (Boroffka [CDU/CSU]: Welchem Gegner?)

    — Dem potentiellen Gegner, dem Warschauer Pakt, Sir. — Ich glaube, daß es nur möglich sein wird, gemeinsam mit dem Gegner Sicherheit zu bekommen. Das bedeutet aber gleichzeitig, wenn es nur gemeinsam Sicherheit gibt, daß es den Weg des Aussteigens nicht gibt. Das heißt, daß wir nur mit unseren Verbündeten und mit den Bündnissen Sicherheit bekommen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit anderen Worten: Der Weg aus der Gemeinschaft in die Vereinzelung oder in die Neutralität wird nicht gehen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht groß genug — nicht einmal ein wiedervereinigtes Deutschland wäre groß genug —, Sicherheit außerhalb der Bündnisse zu erreichen. Das ist vorbei.
    Der Bundesaußenminister hat im übrigen darauf hingewiesen, daß die Bilanz des Jahres 1984 noch nicht so schlecht ist. Ich bin der Auffassung, wir sollten in der Tat darauf zurückkommen. Ich fürchte, daß die Hoffnungen, die im Augenblick gemacht werden, sich nicht erfüllen werden. Aber bitte, wir werden darauf zurückkommen.
    Ich möchte nur auf eines noch hinweisen. Kollege Barzel hat sich darüber beklagt, daß die Opposition kritisiert und nicht eigentlich ihr Bedauern ausgedrückt hat über das, was dieser Bundesregierung nicht geglückt ist. Kollege Barzel, da Sie hier schon so 'oft und gerne zitiert haben, möchte ich Ihnen mit einem eigenen Zitat antworten, daß Sie einmal als Vorsitzender der Opposition in einer gleichfalls in-
    5942 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984
    Bahr
    teressanten Debatte im Februar 1972 gesagt haben:
    Allein diese Bundesregierung — ihre Fehler und ihre Unterlassungen — ist Gegner in dieser Debatte; allein diese Bundesregierung, nicht die Verantwortlichen in den Hauptstädten des Auslands, auch nicht in Moskau.
    Auch dies gilt, Herr Kollege Barzel, heute.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Aber Herr Bahr, das ist ein anderer Zusammenhang! Jetzt wirft er Nüsse und Birnen und Weihnachtsbäume, alles auf den Markt!)

    Jetzt komme ich auf die Situation der Jahre 1971 und 1972, jetzt komme ich auf das, was Sie gesagt haben, zum Thema Berlin. Zunächst einmal: Herr Kollege Barzel, hier ist völlig klar und muß auch völlig klar sein, daß das Ergebnis der Viermächteverhandlungen und das, was erreicht worden ist, das Ergebnis der Bemühungen der damaligen Bundesregierung gewesen ist. Auch ein Zweites muß völlig klar sein. Was Sie vorhin gesagt haben, war die Erinnerung an einige Wünsche und Forderungen des Ostens. Das ist völlig richtig. Die haben in der Tat eine viel stärkere Einschränkung der Aktivitäten des Deutschen Bundestages gewünscht. Die haben in der Tat auch gewünscht, was Sie vorhin gesagt haben, daß es nämlich selbständige Parteien in Berlin geben soll. Das stimmt. Bloß hätten Sie hinzufügen sollen und können,, daß wir in diesem Punkte völlig einer Meinung waren und daß es nicht akzeptiert werden kann, derartigen Forderungen nachzugeben, sie zu akzeptieren. Und, um das noch hinzuzufügen, wir haben ja auch erreicht, was wir gewollt haben.


Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Barzel?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Aber natürlich. Vizepräsident Wurbs: Bitte sehr.