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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein.
    Ich appelliere von dieser Stelle aus eindringlich an alle Verantwortlichen, ihr Angebot an Ausbildungsplätzen noch einmal zu überprüfen. Mein Appell richtet sich besonders auch an diejenigen, die bisher noch nicht ausgebildet haben und die diese Chance noch wahrnehmen könnten.

    (Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wo ist die Garantieerklärung?)

    — Ich habe keine Garantieerklärung abgegeben.

    (Zurufe von der SPD)

    — Entschuldigung, es ist doch nun wirklich meine freie Entscheidung, wie ich mein Angebot formuliere. Da brauche ich nicht Ihren Rat.
    Meine Damen und Herren, wir verwirklichen die angekündigte Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft und unterstützen damit auch den notwendigen Strukturwandel. Wir haben seit 1949 die Erfahrung gemacht, daß die Soziale Marktwirtschaft wie keine andere Ordnung geeignet ist, persönliche Freiheit, Gleichheit der Chancen, Eigentum, Wohlstand und sozialen Fortschritt für alle zu verwirklichen. Wir wissen auch, daß in diesem Jahrzehnt und für den Rest dieses Jahrhunderts die Entscheidung auch im ökonomischen Bereich in einem vernünftigen Verhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie zu suchen ist. Wir wissen, daß die Unternehmungen die Anpassung an veränderte Marktbedingungen am besten bewältigen, wenn der Staat sie nicht mit viel Bürokratie überzieht, sondern ihnen einen möglichst großen Freiraum gewährt. Wir werden auf diesem Wege voranschreiten, genauso wie wir die Ankündigung wahrmachen werden, daß wir weitere Betriebe, die in Staatsbesitz sind, reprivatisieren werden. Wir halten dies für einen wichtigen Weg einer wirklich freien sozial geordneten Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Erfreulicherweise ist die Zahl der Betriebe, die neu gegründet wurden, wieder erheblich gestiegen. Die Neueintragungen im Handelsregister haben 1983 um 11% zugenommen. Die geförderten Existenzgründungen sind um ein Drittel auf 16 000 Unternehmen angestiegen. Damit wurden 80 000 neue Arbeitsplätze errichtet. Dieser Trend wird sich sicherlich auch in diesem Jahr fortsetzen.
    Meine Damen und Herren, den größten Nachholbedarf im Bereich der Innenpolitik fanden wir in der Umweltpolitik vor. Es ist eine seltsame Sache, daß wir hier von Ihrer Seite Ratschläge erhalten, wo doch niemand im Ernst behaupten kann, daß das Waldsterben nach meiner Wahl zum Kanzler am 1. Oktober 1982 entstanden ist. Ich habe Ihnen schon gesagt: In allen wesentlichen Fragen hat Ihre
    Regierung, Herr Kollege Brandt, nichts unternommen, auch die des Kollegen Schmidt nicht.
    Was die Frage nach dem umweltfreundlichen Auto betrifft, so waren zu Ihrer Amtszeit, als Sie Kanzler waren, die Entscheidungen in Amerika und in Japan getroffen. Daß in Ihrer Koalition nichts geschah, können Sie wahrlich nicht auf den Kollegen Baum und die FDP schieben. Schauen Sie sich die Akten an; dann werden Sie feststellen, wo es hakte.
    Wir in der Koalition haben bereits wenige Monate nach Amtsantritt die GroßfeuerungsanlagenVerordnung verabschiedet und haben damit eine Entscheidung getroffen, über die zuvor nur geredet wurde. Bis 1988 wird allein durch diese Entscheidung die Schwefelabgabe aus Kraftwerken um 1 Million t reduziert. Das bedeutet eine Verringerung um rund 50 %.
    Das neue Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau — Herr Kollege Apel, Sie sprachen davon — geht in die gleiche Richtung. Es fördert Umweltschutzinvestitionen im Gesamtbetrag von 10 Milliarden DM. Die Anstalt stellt dazu ein Kreditvolumen von 3,5 Milliarden DM zur Verfügung.
    Noch in diesem Jahr werden wir trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Emissionswerte der TA Luft verschärfen. Dadurch wird die Belastung der Luft durch Schadstoffe aus Industrieanlagen weitgehend abgebaut werden. Wir handeln, obwohl wir wissen, daß wir damit in dieser schwierigen, kritischen Zeit unserer Wirtschaft zusätzliche Kosten auferlegen.
    Meine Damen und Herren, in den allernächsten Wochen werden wir unsere Entscheidung über das umweltfreundliche Auto treffen. Wir haben durchgesetzt, daß diese Frage jetzt auf der Tagesordnung der Europäischen Gemeinschaft steht. Die Diskussion zu diesem Thema in der Bundesrepublik geht — lassen Sie mich das offen aussprechen — zu stark von einer nationalen Alleinkompetenz aus, die im Zeitalter der EG eben nicht mehr gegeben ist. Für uns ist entscheidend, daß wir hier zu Hause die richtigen Entschlüsse fassen, und zwar sehr rasch fassen, damit sie im Jahre 1986 — mit all den Vorbereitungen, die in der Wirtschaft, nicht zuletzt in der Mineralölindustrie, notwendig sind — greifen können. Zum anderen müssen wir unsere Partner in der EG für diese Politik gewinnen.
    Meine Damen und Herren, ich sage dies ohne jede Illusion: In der Frage der Ökologie befinden wir uns auf Grund der besonderen Schadenssituation in der Bundesrepublik — ich sage: leider — in einer Art von Pilotfunktion in der EG. Es wird große Kraft kosten, unsere Partner in der EG von der Notwendigkeit frühestmöglicher Entscheidungen zu überzeugen. Die bis jetzt für die Einführung des umweltfreundlichen Autos in der Europäischen Gemeinschaft genannten Daten sind für mich nicht akzeptabel. Das will ich klar und deutlich aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5915
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Meine Damen und Herren, daran, daß wir mehr Umweltschutz brauchen, kann es keinen Zweifel geben.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Sehr gut!)

    Aber es geht darum, daß wir einen vernünftigen Mittelweg zwischen Ökologie und Ökonomie finden. Arbeit und nicht zuletzt soziale Sicherheit hängen in der Bundesrepublik Deutschland davon ab, ob wir unseren Rang als führende Industrienation in der Welt behaupten können. Umweltschutz ist wahrlich kein Privileg — auch kein moralisches Privileg — bestimmter Einzelgruppen und auch kein Vorwand, die Gesellschaft politisch verändern zu wollen.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Umweltschutz ist eine Aufgabe unserer modernen Industriegesellschaft, aber es geht in dieser Industriegesellschaft nicht nur um Umweltschutz, sondern immer auch um Arbeit und Brot.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Stratmann [GRÜNE]: Eine Vergiftungsgesellschaft!)

    Meine Damen und Herren, nach den Erfahrungen mit der Debatte um Buschhaus habe ich erhebliche Zweifel, ob die Opposition in diesem Hause in diesem Punkt überhaupt handlungsfähig ist.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, Umweltschutz mit Augenmaß ist in der heutigen Sozialdemokratie offensichtlich nicht denkbar.

    (Zuruf von der SPD: Buschhaus!)

    Ich zitiere das, was von dieser Stelle aus der Vorsitzende der IG Bergbau und Energie, Adolf Schmidt, in seiner Eigenschaft als Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion sagte:
    Die dortigen Kollegen
    — er meinte die Arbeitnehmer in Buschhaus —
    behalten Arbeit, die sinnvoll ist, die erfüllt und am Ende auch glücklich macht ...
    Nach diesem Zitat eines führenden deutschen Sozialdemokraten lese ich in Ihrem offiziellen Parteiorgan, im „Vorwärts", Herr Kollege Brandt, folgendes, was sich auf die Äußerung des Kollegen Schmidt bezieht — Zitat —:
    Mit einer solchen Argumentation kann man auch für die Todesstrafe eintreten, weil man dem Scharfrichter die Freude an der Arbeit nicht nehmen will.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! Unverschämt! Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, was sollen wir von einer Partei halten, die behauptet, die Interessen der deutschen Arbeitnehmer zu vertreten, und die aus Gründen des Opportunismus jedem Zeitgeist in dieser Weise nachrennt?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So, ein dummes Geschwätz!)

    Herr Kollege Brandt, das wäre ein Feld der Gemeinsamkeit, wo wir gemeinsam vernünftige ökologische Beschlüsse und vernünftige ökonomische Daten setzen könnten.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie sind doch weggegangen! Aber das Gericht hat Sie belehren müssen! Reden Sie doch nicht immer die Unwahrheit!)

    Meine Damen und Herren, in den knapp zwei Jahren unserer Amtszeit haben wir wichtige Ziele erreicht. In unserer Außenpolitik stehen wir fest auf der Seite der Freiheit, an der Seite unserer Freunde im Bündnis und sind berechenbare Partner für unsere Nachbarn im Osten.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ein Geschwätz!)

    Zwischen den beiden Staaten in Deutschland gibt es einen intensiven Dialog, vielfältige Kontakte, konstruktive Zusammenarbeit auf vielen Feldern.

    (Vorsitz : Vizepräsident Stücklen)

    Bei unserem Einsatz für eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht haben wir mehr Freiräume für die Bürger geschaffen, Freiräume für Eigeninitiative und kreatives Handeln, für die Entfaltung der Persönlichkeit, für die Mitverantwortung für den Nächsten. Wir haben wieder Ordnung in den Staatsfinanzen. Wir haben solides Wirtschaftswachstum, und der Aufschwung ist da, und er geht weiter. Die Bundesrepublik Deutschland hat alle Chancen für die Zukunft. Wir müssen die Chancen nur gemeinsam nutzen.

    (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Wir haben eine zufriedene Industrie und einen glücklichen Kanzler!)

    Ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, daß dieser Weg der politischen Mitte der richtige Weg ist, und ich bin sicher, daß die Koalitionsfraktionen, daß FDP, CSU und CDU diesen Weg gemeinsam mit dem in dieser Legislaturperiode erreichbaren Ziel gehen werden. Unsere Politik ist ein Angebot an alle Bürger, an die Unternehmer wie an die Arbeitnehmer, an die Jungen wie an die Alten. Wir wollen, daß unsere Bundesrepublik Deutschland, wir wollen, daß unser Vaterland seine Chance hat, und wir wollen dazu beitragen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hoffmann {Saarbrücken] [SPD]: Bravo!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Vollmer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Antje Vollmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, wir haben mit Ihrer langen Rede sehr viel Zeit verloren.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Aber gut war sie! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wir haben zwei gute lange Reden gehört, eine von Stoltenberg und eine vom Kanzler!)

    Diese Rede hat für mich den Eindruck von Ihrer
    Regierungskunst nicht wesentlich verbessert,



    Frau Dr. Vollmer
    ebenso wie das, was wir in der Sommerpause von Ihnen und Ihrer Regierung erlebt haben, einen sehr schlechten Eindruck gemacht hat. Alle Gelassenheit und alles froh-getroste Holdrio des Kanzlers täuscht doch nicht darüber hinweg, daß er, wenn ich richtig sehe, einen politischen Herbst des Mißvergnügens vor sich hat und daß er politisch geschwächt aus dieser Sommerpause in diesen Herbst geht.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn ich es richtig sehe, so gab es allein in diesen letzten zwei Monaten drei Waterloos dieser Regierung, und wie weiland Napoleon hüpft sie nun von Insel zu Insel, um eine Fluchtburg zu finden.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Das erste war das demokratisch-parlamentarische Waterloo: der offene Sprung rückwärts über den Zaun gegenüber den eigenen parlamentarischen Entscheidungen im Fall Buschhaus. Das zweite war das ökonomische Waterloo: ein rasanter Kniefall vor der Autoindustrie in der Frage des Katalysator-autos bis zur Lächerlichmachung des Innenministers. Das dritte war das deutschlandpolitische Waterloo: die Absage des Honecker-Besuchs nach über einem Jahr reger deutsch-deutscher Frühlingsschwalben; und es hat mich nur gewundert, Herr Bundeskanzler, wie viele Federn davon Sie sich in Ihrer Rede an Ihren Jägerhut haben heften wollen, die Sie sich gar nicht erarbeitet haben.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

    Ich habe bei diesen Niederlagen der Regierung keinen Anlaß, unsere Rolle als Opposition dabei herunterzuspielen. Aber das Interessanteste an diesen drei Ereignissen ist, daß sie jeweils die heftigsten Brüche und Verwerfungen gerade im konservativen Lager, gerade in Ihren Reihen gezeigt haben. Da kann man beim Zusehen schon atemlos werden.

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Beim Zuhören!)

    Insbesondere in der Frage der Deutschlandpolitik haben wir lange darauf gewartet, daß der Streit endlich, endlich da losgeht, wo er von Anfang an seine entscheidende Ursache und seinen Sitz im Leben hatte, nämlich in Ihren Reihen selber, im konservativen Lager.

    (Zuruf des Abg. Dr. Hackel [CDU/CSU])

    Wie tiefgreifend dieser Bruch in Ihren Reihen ist, will ich Ihnen allein an den verschiedenen Erklärungsmustern zeigen, die für diese Absage herangezogen wurden.
    Das erste Erklärungsmuster lautet: Entscheidend für die Absage war massiver Druck — eine Kampagne aus Moskau — auf Erich Honecker und die DDR. So lautet die Erklärung von Alfred Dregger, natürlich auch vom Bundeskanzler, der sein Freund ist, und von all denen in der CDU, denen Herr Dregger zwar voll aus dem Herzen gesprochen hatte, die dann aber doch etwas über die Wirkungen erschraken. Auch ein großer Teil der Bevölkerung sieht
    hierin noch die Hauptursache — was ich nicht vergessen will.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Absoluter Unsinn, was Sie da reden!)

    — Ich denke, das müßte Ihnen doch passen, daß ich dies so erwähne.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie haben heute morgen nicht aufgepaßt!)

    Das zweite Erklärungsmuster: Es gab auf bundesdeutscher Seite bei der Vorbereitung dieses Besuchs einen katastrophalen, unverantwortlichen Dilettantismus, eben jene „diplomatische Großmeisterei", die von Herrn Strauß, von Herrn Genscher, von dem Großteil der SPD und wohl auch von dem Bundespräsidenten so getadelt wurde. Da wurden mögliche Gesprächsthemen schon vorher ausgegrenzt oder schon vorher öffentlich beantwortet; Protokoll- und Statusfragen wurden in einer Weise erörtert, die nur einer Herabsetzung des Besuchers dienen konnten; ja, sogar die Grenzfestsetzung am Nordostufer der Elbe mußte vorher amtlich und öffentlich hinausposaunt werden.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie waren doch heute morgen da!)

    Das dritte Erklärungsmuster lautet: Es gab offensichtlich auch bei unseren westlichen Bündnispartnern Unbehagen über dieses Wachsen des deutschdeutschen Dialogs, zumal sich die Bundesrepublik damit auch wirtschaftlich eine Sonderstellung im Ost-West-Handel erkaufte. Das brachte die gegenüber westlicher Kritik immer ganz besonders willfährige Bundesregierung dann zum Trudeln und zu den bereitwilligen öffentlichen Äußerungen, es werde sowieso nur über einige deutsch-deutsche „Spezereien" wie Umweltschutz und Reiseerleichterungen geredet — was die Gespräche für die DDR politisch völlig unattraktiv in schwieriger Zeit machen mußte; ganz zu schweigen von dem provozierenden Faktum, daß ausgerechnet zwei Wochen vor dem geplanten Besuchstermin zum ersten Mal seit 17 Jahren ein deutscher Bundeskanzler auf einem Vertriebenentreffen auftreten mußte.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das war sehr gut!)

    Es gibt in der Vorgeschichte dieses Besuchs Ereignisse, die zu denken geben. Gerade wenn man der Einschätzung war, daß die Sowjetunion derzeit eine deutsch-deutsche Annäherung keineswegs unterstützt, hätte man um so sensibler darauf achten müssen, jeden Anschein der Abwertung oder Beschränkung dieses Besuchs und seiner Gesprächsthemen zu vermeiden. Gerade dann hätte man nicht den peinlichen Eindruck erwecken dürfen, die DDR lasse sich einfach Grundpositionen durch Kredite abkaufen. Sie, Herr Dregger, waren daran sehr wohl beteiligt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    Oder aber man muß zu dem Schluß kommen, daß es
    bestimmte Kreise in der CDU gibt, die mit der Behandlung des Honecker-Besuchs im politischen



    Frau Dr. Vollmer
    Vorfeld diesen Besuch geradezu unmöglich machen wollten.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Purer Quatsch!)

    Ich versuche im folgenden, zu begründen, warum wir der Überzeugung sind,

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Purer Quatsch!)

    daß gerade beim heutigen Stand der Friedens-, der Ost- und der Deutschlandpolitik die Bundesregierung sich notwendigerweise genau in den Fallen verfangen mußte, die sie sich von Anfang an durch die Anlage und das Konzept ihrer Deutschlandpolitik selber aufgestellt hatte.
    Meine Damen und Herren, die Situation, in der wir uns im Augenblick, knapp ein Jahr nach der Bewilligung der Raketenstationierung durch diesen Bundestag, befinden, erscheint mir merkwürdig ähnlich derjenigen in der unmittelbaren Nachkriegszeit von 1945 bis 1955. Wir stehen wieder vor einer entscheidenden Frage von Krieg und Frieden. Wir stehen wieder vor der Frage: Welche Rolle soll eigentlich eine deutsche Republik in der Mitte Europas spielen? Auf Grund unserer Geschichte, auf Grund unserer Lage und unserer Kultur, aber auch auf Grund der Völker und Landsmannschaften, die sich im Ein- und Auswanderungsland Deutschland, bei uns, gemischt haben,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wir sind kein Einwanderungsland!)

    — wir waren immer ein Einwanderungsland —

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Hessen vielleicht, aber nicht die Bundesrepublik!)

    gab es immer zwei Möglichkeiten: Entweder sind wir ein fester Bestandteil des Westens, oder wir sind ein Land in der Mitte Europas mit der ausdrücklichen Aufgabe, eine Brückenfunktion zu erfüllen. Die nationalsozialistische und kaiserlich-imperialistische Variante, diesem Konflikt zu entfliehen, indem wir uns Ost wie West in gleicher Weise militärisch unterzuordnen versuchen, will ich einmal auslassen.
    Beide Positionen aber — das ist mir wichtig — sind immer mögliche konservative Positionen gewesen. Die CDU Adenauers hatte sich eindeutig für das Erstere entschieden. Die Begründung hieß damals — ich nehme das jetzt positiv —: Wir müßten aufhören mit der Schaukelpolitik oder mit der Politik von Rapallo, wir seien eben keine Wanderer zwischen beiden Welten; ein Satz, der in den Zitatenschatz unseres Kanzlers sehr gut einging.
    Möglich war diese Position, weil ein westliches halbes Deutschland damals den Alliierten weniger bedrohlich erschien, und leicht fiel diese Position einem Mann wie Konrad Adenauer, weil er von Naturell und Herkunft her eindeutig ein Mann des Westens, ein Mann des Großkapitals und ein Antikommunist war; ein Mann des Westens, weil für ihn
    sowieso jenseits der Elbe schon halb Sibirien begann

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)

    und weil er Berlin und die Preußen nicht mochte; ein Mann der Großindustrie, weil für die von ihm angestrebte wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zur Nummer eins in Europa der westliche Teil Deutschlands Ressourcen und Arbeitskräfte genug hatte, und ein Mann des Antikommunismus, weil für ihn die Sowjetunion immer ein Stück politische Unkultur und Tyrannei darstellte, das er weder verstehen konnte noch wollte.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Wer war denn 1955 in Moskau?)

    Ebenso fiel es ihm, Adenauer, sicher nicht allzu schwer, beim Aufbau seines neuen Deutschlands auf die Menschen aus den ehemaligen Hochburgen der deutschen Arbeiterbewegung in Sachsen, Thüringen und Berlin zu verzichten.
    Aber es gab schon damals in Ihren Reihen eine Gegenposition, von Jakob Kaiser und der „Frankfurter Zeitung", von Heinemann und Helene Wessel, vorformuliert auch in den Kreisen der Widerstandsbewegung des 20. Juli. Dieser Teil des deutschen Konservativismus und Liberalismus wollte Deutschland ganz bewußt als Land in der Mitte Europas sehen: dezentral und föderal organisiert mit einer Stützung der agrarischen und der mittelständischen Wirtschaftsformen gegenüber den Interessen der Großindustrie. Die weitestgehenden Positionen vertraten eine strenge politische Neutralität, einen deutschen Sonderweg, und bekämpften die Wiederaufrüstung. Auf diese Kräfte zielte Stalins Note 1952. Mit diesen Kräften rechnete auch Churchill noch 1953, wie neuere Dokumente deutlich bewiesen haben.
    Wollte man die Einheit Deutschlands wirklich erhalten — das war j a das Thema des heutigen Nachmittags von Ihrer Seite —, damals bestand die Chance, sie wenigstens auf dem Verhandlungsweg auszuloten als reale politische Möglichkeit. Daß es dazu damals nicht gekommen ist, ist weder dem Druck der Sowjetunion noch dem Druck der Westalliierten allein, noch dem diplomatischen Dilettantismus Ihres „Großvaters" zu verdanken gewesen, sondern es war die erklärte politische Absicht eines Teils der CDU, die Absicht Adenauers und der sich entwickelnden deutschen Großindustrie.
    Es gehörte zu den politischen Meisterstücken der Adenauerschen Ara, dieses Faktum der bewußten, gezielten, geplanten Aufgabe der Einheit Deutschlands durch einseitige Westintegration und wirtschaftliche und militärische Wiederaufrüstung immer noch zu verbinden mit den Forderungen in der Präambel des Grundgesetzes und dem darin enthaltenen Wiedervereinigungsgebot.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Lehnen Sie die Präambel ab?)

    Ich kann es ganz persönlich sagen, daß meine Generation und ich lange gebraucht haben, um diese
    Lüge, von der Wiedervereinigung Deutschlands zu



    Frau Dr. Vollmer
    reden und die endgültige Spaltung zu wollen und zu zementieren, zu entlarven und den damit verbundenen Antikommunismus, mit dem wir alle aufgewachsen sind, zu überwinden.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie können nicht für Ihre Generation sprechen!)

    Ich verfolge weiter den Streit im konservativen Lager um die Richtung der Ost- und Deutschlandpolitik. Er brach in dem Streit um die Deutschlandpolitik Willy Brandts neu auf, nur daß er sich hier leichter hinter lautstarken Angriffen auf diese Ostpolitik verstecken konnte. Der heutige Bundeskanzler war, wie man hört — er ist stolz darauf —, damals Gegner der Ostverträge, der Bundespräsident war Befürworter. Geändert hatte sich im wesentlichen die Haltung der deutschen Industrie, da sie durch die Möglichkeit des beginnenden Osthandels die wirtschaftspolitischen Interessen der Bundesrepublik in Zeiten wirtschaftlicher Krisen gut gewahrt sah. Wir kriegten bei dem beginnenden Osthandel die Nase sozusagen gut in den Wind. Die zentrale Rolle von Erzkapitalisten wie Berthold Beitz spricht dabei ebenso für sich wie die Leichtigkeit, mit der gerade Franz Josef Strauß in die Fußstapfen einer solchen SPD-Ostpolitik als offensiver Wirtschaftspolitik schlüpfen konnte. Herr Kollege Brandt, das hatte ich gemeint, als ich gesagt habe, ob es Sozialdemokraten nicht wenigstens zu denken gibt, wie leicht sich ein Herr Strauß in diese Tradition hineinstellen kann. Ich meine — damit auch das klar ist — allerdings, daß die Zeiten heute anders sind als damals.
    Der Bruch im konservativen Lager über diese Politik blieb auch deshalb begrenzt, weil ja die Ostpolitik der SPD die eindeutige Westbindung der Bundesrepublik keineswegs in Frage stellte und auch damals nicht in Frage stellen konnte, die weitergehenden und interessanten Positionen von Egon Bahr über die Sicherheitspartnerschaft in der Mitte Europas einmal ausgenommen. Nein, diese SPD-Politik trieb diese sogar in der Person von Helmut Schmidt mit seinem aktuellsten Vorschlag aus dem letzten Jahr, wir sollten uns doch unter den atomaren Schirm der Force de Frappe begeben, regelrecht auf die Spitze.
    Meine Damen und Herren, die in diesem Hause viel beschworene sogenannte Gemeinsamkeit der Demokraten in der Deutschlandpolitik hat ihren entscheidenden Knacks durch die Entscheidung im letzten Herbst über die Stationierung amerikanischer Raketen auf deutschem Boden bekommen. Ich wünschte, Sie würden begreifen, daß dies für uns der Anlaß ist, diese Gemeinsamkeit nicht mehr mit tragen zu können; denn seit der genannten Entscheidung ist die Hauptaufgabe der Deutschlandpolitik die Friedenspolitik geworden. Sie haben es nur noch nicht gemerkt, daß es zu diesem entscheidenden Knacks gekommen ist.
    Das gemeinsame Konzept der Westintegration der Bundesrepublik hatte ja zwei Säulen. Diese beiden Säulen sollten der Bevölkerung dieses Konzept akzeptabel machen. Die eine Säule war die, daß wir
    durch diese Westintegration eine wirtschaftliche Prosperität erlangten, die uns zu einem der reichsten Länder dieser Erde machte.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sind Sie dagegen?)

    Die andere war die Illusion, daß diese Integration in das westliche Bündnis uns europapolitisch größere Stabilität, Sicherheit und dauerhaften Frieden in der Mitte Europas verleihen würde.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Von Freiheit keine Rede!)

    Nun, der wirtschaftliche Lack bröckelt, und die Illusion der größeren Sicherheit ist in weiten Teilen unserer Bevölkerung zerbrochen. Die Friedensbewegung hat ihren entscheidenden Einbruch in breiteste Teile der Bevölkerung — gerade auch der konservativen Bevölkerung — nur deshalb erzielen können, weil sie klarmachen konnte, daß für uns das Durchboxen der Pershings und Cruise Missiles etwas äußerst Wertvolles weiter abbauen mußte, nämlich unsere nationale Souveränität. Wir haben uns mit dieser Entscheidung in die Situation begeben, daß über Sein oder Nichtsein der Länder in der Mitte Europas die Herrschenden in Washington und Moskau entscheiden. Seit diesem Faktum ist offenbar: Der alte Satz, der immer gegolten hatte: Was den Westen stärke, nütze auch unseren deutschen nationalen Interessen, hat sich genau in sein Gegenteil verkehrt. Heute gilt: Was die Interessen der USA stärkt, bedroht uns auf die elementarste Weise, in der ein Volk bedroht werden kann.
    Allen leichtfertigen Beteuerungen des Kanzlers zum Trotz hatte diese Stationierung erhebliche Folgen für unsere nationale Souveränität. Sie hat auch Folgen für das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander. Sie hat die Kriegsgefahr erhöht.
    Ein Lieblingswort unseres Kanzlers ist dieses: Wir haben die Lektion der Geschichte gelernt. Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler: Das Ergebnis Ihres Lernens ist nicht überzeugend, nicht für meine Generation.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist eine Anmaßung! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Die Bundesrepublik zum wirtschaftlichen Koloß zu machen, sie in zentralen politischen Fragen von der US-Regierung — noch dazu von einer Reagan-Regierung — abhängig zu machen, sie für drohende militärische Auseinandersetzungen zum Niemandsland zwischen den Blöcken zu erklären und sie gleichzeitig kulturell völlig dem „American way of life" auszuliefern — das kann für uns kein überzeugendes Ergebnis des Lernens aus der deutschen Geschichte sein.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich will versuchen, zu sagen, welche Lektion wir aus der Geschichte lernen wollen:
    Erstens. Wir fühlen uns der Tradition eines anderen Deutschlands verpflichtet, eines Deutschlands



    Frau Dr. Vollmer
    — in der Mitte Europas gelegen — mit einer durchaus bescheidenen Bedeutung im Rahmen der Weltpolitik und mit wichtigen kulturellen Traditionen. Dabei wissen wir, daß die Menschen, die dieses Deutschland in der Vergangenheit suchten, im Rahmen der deutschen Staaten eigentlich niemals so recht einen Platz hatten. Deshalb war und ist das Vertreiben und Ausbürgern in Deutschland noch immer groß im Schwange.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Meinen Sie Herrn Biermann?)

    Nicht wahr, Herr Geißler und Herr Hennig, wenn Sie könnten, wie Sie wollten, dann würden Sie uns schon gerne ein bißchen Exil verpassen, wenigstens aus diesem Parlament.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie wollen doch selber rotieren! — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Das war wieder ein Geistesblitz!)

    Zweitens. Es ist kein Zufall, daß in den Reihen der GRÜNEN, der Ökologie- und der Friedensbewegung so viele Menschen aus dem Kreis der Gegner der alten Adenauer-Politik und der Ostermarsch-Bewegung sind neuerdings aber auch viele ehemalige Bürger der DDR; — nicht nur neuerdings; sie haben die GRÜNEN mit gegründet. Es sind solche, die keinesfalls zu beglückten Anhängern des bundesrepublikanischen Systems wurden. Wir verstehen uns deshalb auch personell als eine deutschlandpolitische Alternative zum sogenannten Konsens aller Demokraten in der Frage der bestehenden Deutschlandpolitik.
    Drittens. Wir sind keine Utopisten, sondern Realisten.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das haben wir gehört!)

    Als Realisten tragen wir auch die Konsequenzen einer Deutschlandpolitik, die fast 40 Jahre allein auf Westintegration gesetzt hat. Jetzt sage ich einen sehr harten Satz. Aber wir tragen sie in derselben Weise, wie wir auch die Hypothek mitschleppen, Töchter und Söhne einer Nation zu sein, die hauptverantwortlich zwei Weltkriege verursacht hat.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Das ist unerhört!)

    Konkret: Wie das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges in der Aufrichtung der Blocksysteme mitten in Europa gipfelte, so ist die Existenz zweier deutscher Staaten und zweier Gesellschaftssysteme auf deutschem Boden das Ergebnis der 40 Jahre währenden Deutschlandpolitik unter Ihrer Verantwortung. Wir tragen diese Konsequenzen, und wir tragen sie durchaus mit Wut und auch mit Trauer.
    Viertens. Deswegen, gerade deswegen treten wir für die Anerkennung der Realitäten ein, wie sie in Deutschland entstanden sind: der zwei Staaten und der zwei Staatsbürgerschaften, der Grenze in der Mitte der Elbe, der gegenseitigen Botschaften; wir sind jedoch für die Beseitigung so anachronistischer Namen und Erscheinungen wie z. B. eines Ministeriums mit dem Namen „innerdeutsch" und
    sinnloser Protokollfragen bei gegenseitigen Besuchen.
    Fünftens. Wir halten es für falsch, es wieder für selbstverständlich zu erklären, über die Frage der nationalen Einheit Deutschlands nachzudenken,

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Die Mauer wollen Sie auch anerkennen?)

    wie es etwa der Bundespräsident — z. B. mit seinem Verweis auf die Geschichte der Polen und der Iren — tut. Der Zeitraum, in dem es viele Staaten auf deutschem Boden gab, ist unendlich viel länger als die Zeit der nationalen Einheit Deutschlands, die von 1871 bis 1945 gedauert hat. Letzteres war einer der unglücklichsten Zeitläufe in der deutschen Geschichte. Zehn Jahre verbrachten wir mit Weltkriegen, zehn Jahre mit Aufrüstungen für Weltkriege, die Auseinandersetzung mit Frankreich und den Kolonialismus nicht eingerechnet. Wir wünschen uns diese Zeiten nicht zurück.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sechstens. Wir haben gelernt und noch zu lernen, daß die Stationierung amerikanischer Raketen auf unserem Boden Folgen hatte. Auch der Herr Bundeskanzler wird dies endlich lernen müssen. Es hatte Folgen: Unser Spielraum ist enger geworden. Die Einschränkung unserer politischen Souveränität in entscheidenden Lebensfragen und die Kriegsgefahr wiegen sehr viel schwerer als die Existenz zweier deutscher Staaten auf deutschem Boden.
    Siebtens. Nach einer Zeit großer gesellschaftlicher Auseinanderentwicklung in den 70er Jahren, in der sich die Menschen in Ost und West — wir bedauern das — auch schlecht verstanden haben, hat die augenblickliche extreme gemeinsame Bedrohung durch die Militärpotentiale der Supermächte und durch die ökologischen Zerstörungen der Umwelt die Deutschen in Ost und West gezwungen, im Bewußtsein ähnliche gemeinsame Entwicklungen aufeinander zu zu machen und nach ähnlichen gemeinsamen Lösungsvorstellungen und Zielperspektiven zu suchen.
    Auf der Basis der Anerkennung der politischen Realitäten treten wir deshalb für eine wachsende Annäherung der Menschen in beiden Gesellschaftssystemen ein. Wir streben Kontakte auf allen gesellschaftlichen Ebenen an, wo immer sie möglich sind, sozusagen eine Vernetzung von unten. Dabei sind wir der Meinung, daß es in der Bundesrepublik durchaus ein großes Defizit an Informationen über das Leben, die Arbeit und die politischen Hoffnungen der Menschen in der DDR gibt.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das stimmt, bei Ihnen besonders!)

    Auch von unserer Seite gibt es viele Mauern zu überwinden.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie wollen die Mauer doch anerkennen!)

    Achtens. Wir sind nicht der Meinung, daß die Auflösung der bedrohlichen Lage in der Blockkonfrontation nur in Washington und Moskau geschehen



    Frau Dr. Vollmer
    könne. Das merken wir auch kritisch zu dem an, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Brandt. Wir erwarten von weiteren Gesprächen zwischen den verantwortlichen Staatsmännern in beiden deutschen Staaten wichtige Initiativen, die aus einer besonderen Verantwortung der Deutschen für den Frieden in Europa entspringen. Sie, Herr Bundeskanzler, reden so gern von dem, was Ihre Pflicht ist. Dies im Sinne des Friedens zu tun — das genau wäre Ihre Pflicht, aber Sie haben eine Chance dafür versäumt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Eine solche Initiative könnte ein gemeinsames Gewaltverzichtsabkommen, eine Friedensinitiative auf der Stockholmer Konferenz sein. Als weitestgehende Perspektive wünsche ich mir eine gemeinsame deutsch-deutsche Friedensinitiative auf der Ebene der UNO.
    Neuntens. Das Konzept der einseitigen Westintegration haben wir durchgeführt — fast — bis zum bitteren Ende. Es hat uns auch aus der Sicht all dessen, was Konservativen wert und wichtig ist und sein müßte, nichts Gutes gebracht. Es wird Zeit, daß wir in der Deutschlandpolitik einen neuen Weg beschreiten. Wir möchten Sie bitten, diesen Weg mit uns zu überlegen. Wir sind — das sage ich bewußt — in der Frage des Friedens lieber friedenspolitische Wanderer zwischen zwei Welten als Geisel der einen oder anderen Supermacht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich bin auch der Meinung, daß ein solches Konzept für eine Stadt wie Berlin ganz andere Aufgaben bietet als ihre jetzige Existenz als eine sozial ausblutende Stadt und ein bloßer Zankapfel zwischen den Supermächten.
    Ich komme zum Schluß: Warum ist der Honekker-Besuch gescheitert? Natürlich gab es eine Pressekampagne aus Moskau. Natürlich gab es einen erschreckenden Dilettantismus und unwürdige Statusdiskussionen auf unserer Seite. Natürlich hat die Bundesregierung die inhaltliche Bedeutung dieses Besuches auf Kosten ihres Gastes in unverantwortlicher Weise — zur Beruhigung der westlichen Alliierten — herabgesetzt. Aber der eigentliche Grund ist wohl, daß die verantwortlichen Deutschlandpolitiker und die Verantwortlichen in der Regierung nicht begreifen und nicht begriffen haben, was die Stunde geschlagen hat und welche Chance angesichts der vollzogenen Raketenstationierung in einem deutsch-deutschen Dialog im Jahre 1984 wirklich gelegen hätte.
    Herr Bundeskanzler, ich werde den Eindruck nicht los, daß Erich Honecker diesmal mehr begriffen hatte von den Lehren, die man aus diesem letzten Jahr ziehen müßte, als Sie und Ihre Mannen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)