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ID1008102800

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    Plenarprotokoll 10/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Inhalt: 35 Jahre Deutscher Bundestag 5855 A Genesungswünsche für Vizepräsidentin Frau Renger 5855 C Verabschiedung von Direktor a. D. Dr Schellknecht und Einführung von Direktor Dr. Bäcker 5855 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Schulze (Berlin) 5855 D Begrüßung einer Delegation beider Häuser des japanischen Parlaments . . . . 5868 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5856 A Dr. Apel SPD 5869 A Dr. Waigel CDU/CSU 5880 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 5889 B Hoppe FDP 5893 B Brandt SPD 5896 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 5902 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 5915 D Genscher, Bundesminister AA 5920 C Stobbe SPD 5929 C Dr. Barzel CDU/CSU 5933 B Bahr SPD 5939 D Rühe CDU/CSU 5942 D Büchler (Hof) SPD 5945 D Nächste Sitzung 5948 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5949* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5949* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 5855 81. Sitzung Bonn, den 12. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 79. Sitzung, Seite 5806*: Der Name „Schulte (Unna)" in der Liste der entschuldigten Abgeordneten ist zu streichen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 13. 9. Antretter** 14. 9. Dr. Ehmke (Ettlingen) 12. 9. Eigen 14. 9. Dr. Enders** 12. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 13. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Reddemann** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 7. bis 11. Mai 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1570) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1983 bis März 1984) (Drucksache 10/1622) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Strukturberichte 1983) (Drucksache 10/1699) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Fünftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1982/1983 (Drucksache 10/1791) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine vierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 74/651/EWG über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art innerhalb der Gemeinschaft (Drucksache 10/1711) zuständig: Finanzausschuß Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beschlüssen von Fontainebleau (Drucksache 10/1840) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf (Drucksache 10/1716) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzende Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Großforschungseinrichtungen (Drucksache 10/1771) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ergänzender Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Darlehensförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) (Drucksache 10/1734) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die Sondersitzung der Nordatlantischen Versammlung am 28. Mai 1984 in Luxemburg (Drucksache 10/1785) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den 1. Teil der 30. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 18. bis 21. Juni 1984 in Paris (Drucksache 10/1786) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", hier: Rahmenplan 1985 bis 1988 (Drucksache 10/1832) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und Aufhebbare Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) (Drucksache 10/1860) 5950* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. September 1984 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 6. Dezember 1984 vorzulegen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mandat vom 30. Mai 1980 (Drucksachen 9/1835, 10/358 Nr. 47) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 3. September 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksachen 9/1209, 10/358 Nr. 63) Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes — TVG — (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksachen 9/993, 10/358 Nr. 62) Die in Drucksache 10/1510 unter Nummer 8 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1984 in Anbetracht der völligen Ausschöpfung der eigenen Mittel — KOM (84) 250 endg. — ist als Drucksache 10/1792 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Behandlung der nachstehenden EG-Vorlagen abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind — KOM (84) 257 endg. — (Drucksache 10/1691 Nr.2) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Anpassung des Berichtigungskoeffizienten, der auf die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Varese anwendbar ist (Drucksache 10/1510 Nr. 9) Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 13. Juli 1984 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 nebst Anlagenband und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1984 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Wirtschaftsplan, Anlagenband und Stellenplan liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 17. Juli 1984 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1982 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. September 1984 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ja.
    Die Finanzkraft der kleinen und gerade der mittleren Unternehmen, in denen das kostensenkende Rationalisierungspotential relativ gering ist, würde
    dadurch erheblich getroffen. Arbeitszeitverkürzung kann zusammen mit vielen anderen Komponenten ein Weg zu mehr Beschäftigung sein, aber entscheidend ist die Ausgestaltung, wichtig ist das Tempo der Arbeitszeitverkürzung, und entscheidend ist, daß alle Bemühungen um Arbeitszeitverkürzung im Ergebnis zu mehr Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitsbedingungen beitragen sollten. Das Beschäftigungsförderungsgesetz weist genau in diese Richtung, und ich hoffe, daß die Ausgestaltung der jüngsten Tarifverträge zu einer solchen flexibleren Arbeitszeitgestaltung genutzt wird.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts finden sich eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigung und Ausbildung, zur Erleichterung der Umstrukturierung strukturschwacher Regionen, zur Förderung mittelständischer Betriebe, zur Förderung von Forschung und Entwicklung und zur Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. In diesem Haushalt findet sich eine Reihe von verstärkten Maßnahmen gerade für kleine und mittlere Betriebe. Die mittelständischen Betriebe stellen heute schon 64 % der Arbeitsplätze und 80 % der Ausbildungsplätze. Es ist deswegen nicht mehr als recht und billig, wenn wir mit Existenzgründungsprogrammen, Eigenkapitalhilfeprogrammen eine Unterstützung dieser Betriebe gewährleisten, auch auf den Gebieten Forschung und Entwicklung mehr als bisher tun, die mittelständischen und handwerklichen Betriebe aus Forschung und Innovation nicht ausgrenzen und ihnen über mehr indirekte Förderung die Entscheidung über Forschung, Technik und Entwicklung anheimzugeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Genau darauf setzt j a auch die Forschungspolitik von Bundesforschungsminister Schmidhuber — —

    (Heiterkeit)

    — Entschuldigung! Riesenhuber! Aber Sie wissen genau: Auch Schmidhuber ist ein guter Mann, ein sehr guter Mann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

    Der Bund macht erhebliche Anstrengungen, um strukturschwachen Branchen bei ihrer Umstellung zu helfen.
    Meine Damen und Herren, eines geht nicht: Man kann nicht für Werften, für Stahl, für Kohle und für andere Dinge notwendige Ausgleichsmaßnahmen fordern und sich auf der anderen Seite über die Subventionen, die ausgegeben werden, beschweren. Das geht nicht.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Herr Apel, hören Sie da mal zu!)

    Lassen Sie mich hier ein sehr ernstes Wort zur Landwirtschaft sagen. Ich bin eigentlich, Herr Kollege Apel, über die Art und Weise betroffen, wie Sie hier versuchen, die Landwirtschaft gegen andere Gruppierungen auszuspielen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Dr. Waigel
    Sie werden damit diesem Thema nicht gerecht. Wir sollten uns auf allen Seiten dieses Hauses vor einem hüten: daß wir Subventionen nur da für gerechtfertigt halten, wo unsere Wählerklientel etwas stärker vertreten ist.

    (Zuruf von der SPD: Das tun Sie doch bei der Landwirtschaft!)

    — Nein, nein! Nein, nein! Auch Sie wären um die notwendigen Hilfen für die Landwirtschaft nicht herumgekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD: Notwendigen! — Zuruf des Abg. Dr. Apel [SPD])

    Sie wissen doch ganz genau, Herr Kollege Apel, daß auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt sich einmal daranmachen wollte, das Problem der EG und ihrer Finanzen in den Griff zu bekommen, und daß er sich zurückgezogen und die Aufgabe nicht gemeistert hat. Sie haben bis zum Jahr 1982 doch nichts Entscheidendes getan, um die Überschußproduktion wirklich abzubauen. Sie haben doch gewußt, wohin es führt, und Sie haben nach dem Motto gehandelt: Nach uns die Sintflut; sollen doch die bereinigen, was wir vorher angestellt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist doch das Problem: daß die Europäische Agrarpolitik auf den Strukturwandel und die Mehrproduktion nicht reagiert hat. Man ließ die Dinge treiben und verzichtete auf die nicht einfachen, aber notwendigen Korrekturen in der Agrarpolitik.
    Meine Damen und Herren, heute müssen sich Bundesminister Ignaz Kiechle, das Kabinett und unsere Agrarpolitiker für schwierige, unpopuläre Maßnahmen hinstellen, weil wir insgesamt wenigstens das System retten wollen und weil wir mittelfristig die Landwirtschaft wieder dahin bringen wollen, daß ein vernünftiger Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herrscht und dann auch wieder eine vernünftige Preispolitik betrieben werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ende 1983 saß die Gemeinschaft auf rund 900 000 t Butter, knapp 1 Million t Magermilchpuver, 9 Millionen t Getreide und 400 000 t Rindfleisch. All das ist nicht bezahlt, und die Chancen, das auf dem Weltmarkt unterzubringen, sind gering. Darum hat kein Weg mehr an einschneidenden Maßnahmen vorbeigeführt. Nur mit der Einschränkung der Überproduktion eröffnen sich neue Perspektiven für unsere landwirtschaftliche Bevölkerung. Kein vernünftig denkender Mensch kommt eigentlich an der Konsequenz vorbei, daß unsere Bauern diese notwendige, leider viel zu spät vorgenommene Operation aus eigener Kraft allein nicht bewältigen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit an einen Satz von Wilhelm Röpke; weiß Gott ein Verfechter der freien Marktwirtschaft. Wilhelm Röpke hat gesagt: Am Ende meines Lebens gestehe ich zu, daß meine lebenslange Forderung, auch die Landwirtschaft müsse voll in die Marktwirtschaft überführt werden, nicht verwirklichbar ist. Ich sehe ein, daß wir angesichts der Struktur, der Umstände, der Verzahnung mit der Politik für die Landwirtschaft Sonderregelungen und auch Sonderausgaben durchführen müssen. Das tun wir. Wir lassen die Landwirtschaft nicht im Stich. Wir werden ihr aber natürlich auch immer wieder sagen, wo ihre Freunde sitzen. Bei Ihnen sind sie jedenfalls nicht vorhanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir haben die Gemeinschaftsaufgaben aufgestockt. Wir haben hier mehr getan als Sie. Wir haben die Investitionskraft des Bundes verbessert, und wir haben — ich sage nur noch eines — auch die Mittel für den Straßenbau in diesem Haushalt um 150 Millionen DM aufgestockt. Wir haben damit eine gute Quote und können damit die revierfernen, die strukturschwachen Gebiete auch einmal berücksichtigen, die in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht genügend berücksichtigt worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir verweisen darauf, daß unsere Politik auch zu einer Entlastung der Kommunen geführt hat. Wie hat denn Ihre Politik in den letzten zehn Jahren ausgesehen? Es gab Gesetzentwürfe, auf denen unten stand: „Kosten: keine". Meine Damen und Herren, das hat zwar dem entsprochen, was das Gesetz fordert, aber im Grunde war es doch eine heimliche Lüge; denn es stand nicht drin, welche Kosten für die Kommunen, welche Kosten für die Länder und welche Kosten für die Betroffenen selber entstanden sind. Wir haben zum erstenmal wieder eine Politik betrieben, bei der wir bei jedem Gesetz an die Länder, an die Kommunen und an die Betroffenen gedacht haben. Das hat zur Rückführung des Defizits gerade bei den Kommunen geführt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Kritikern des Leistungsprinzips, auf dem die soziale Marktwirtschaft beruht, kann ich nur sagen: Freiheit, höhere Löhne und soziale Verbesserungen lassen sich weder durch Revolution noch durch Sozialisierung herbeiführen, sondern einzig und allein durch eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Sie nicht wahrhaben wollen. Ich sehe Sie immer nur an den Töpfen der sozialen Sicherung der Volkswirtschaft. Ich sehe Sie aber nicht als Beteiligte, die zum Sozialprodukt etwas Positives beitragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Da spricht ein Schwerarbeiter! Wichtig ist, was dabei hinten herauskommt, Herr Waigel!)

    — Ich weiß nicht, Herr Fischer, ob Sie mit Schwerarbeit schon in Berührung gekommen sind.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Beim Eierwerfen!)

    Ich weiß es nicht.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Aber ein rhetorischer Schwerarbeiter sind Sie!)




    Dr. Waigel
    Wenn Sie je mit Schwerarbeit in Verbindung gekommen sind, haben Sie sich jedenfalls relativ früh davon getrennt; sonst würden Sie nicht so dummes politisches Zeug reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Die Bundesregierung und diese Koalition haben mit ihrer Finanzpolitik, mit diesem Haushaltsplan ihren Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise geleistet.

    (Zuruf von der SPD: Schlechter Beitrag!)

    Sie hat damit auch einen notwendigen und unabdingbaren Beitrag zur geistigen und politischen Führung in unserem Gemeinwesen geleistet.

    (Lachen bei der SPD)

    Wir brauchen die Zusammenarbeit der Finanz- und Wirtschaftspolitik mit den Arbeitnehmern, mit den Arbeitgebern und mit der Bundesbank. Wir brauchen aber auch die Aktivierung jener Werte, auf denen diese Freiheit, dieser Wohlstand und diese soziale Sicherheit beruhen. Das sind Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft, Mut, Fleiß und Sparsamkeit.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Tapferkeit dürfen Sie nicht vergessen!)

    Auch Tapferkeit gehört zu den Sekundärtugenden, ohne die ein Gemeinwesen nicht existieren kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es waren tapfere Leute, die der Diktatur widerstanden. Es sind auch heute noch tapfere Leute, die den Ansätzen von beginnender Unfreiheit bei uns widerstehen, Ansätzen, die auch bei Ihnen zu spüren sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die SPD — das hat die Rede des Kollegen Apel bewiesen — besitzt keine finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz. Das, was sich Herr Glotz erhofft, ist bis heute nicht sichtbar geworden. Die Grünen sind ausschließlich Sammler des Protestpotentials ohne jeden Beitrag zur Lösung der Probleme.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sammler und Jäger!)

    Allein diese Koalition besitzt die politische Kraft, die Zukunft zu gestalten.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie wollen doch nicht schon Schluß machen?)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Verheyen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Verheyen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen
    für den Beifall, den Sie mir schon im voraus haben zukommen lassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ha, ha, ha! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das war Erbschleicherei!)

    Als diese Bundesregierung vor rund zwei Jahren ihr Amt antrat, hatte sie zwei Nachrichten für das Volk parat, eine gute und eine schlechte. Die gute Nachricht hieß: Mit der Gesundung der Staatsfinanzen wird ein neuer Aufschwung, eine neue dynamische Wachstumsphase eingeleitet, die eine Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und Wohlstand für alle bringen wird. Die schlechte Nachricht: Hierfür müssen vor allem die sozial Schwachen, also Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und andere einkommensschwache Gruppen, drastische Opfer bringen.
    Heute nun wendet sich der Bundesfinanzminister erneut mit zwei Nachrichten an die Bevölkerung. Die gute Nachricht heißt heute, daß die Neuverschuldung des Bundes erfolgreich reduziert wurde. Die schlechte Nachricht: Es gibt nicht die geringsten Anzeichen dafür, daß die Massenarbeitslosigkeit noch in diesem Jahrzehnt überwunden und die soziale Schlechterstellung gerade der ärmsten Teile der Bevölkerung wieder rückgängig gemacht werden kann.
    Die Einsparungen im Sozialbereich der Jahre 1982 bis 1984 belaufen sich für Bundeshaushalt und abhängige Sozialversicherungen auf weit mehr als 100 Milliarden DM. An Opfern für Ihre Aufschwungpolitik hat es also nicht gefehlt.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wann kommt denn die gute Nachricht von der niedrigen Preissteigerungsrate?)

    Dennoch liegt nach Berechnungen des Ifo-Instituts die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen heute bei mehr als 3,5 Millionen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie können ja noch nicht einmal rechnen!)

    Denn über eine Million, Herr Kollege, haben schon resigniert und melden sich bei den Arbeitsämtern schon gar nicht mehr. Über 600 000 Arbeitslose zählen mittlerweile zu den Dauerarbeitslosen, die länger als ein Jahr vergeblich Arbeit suchen.
    Das wirtschaftspolitische Credo dieser Bundesregierung besagt, daß die Rückführung der Neuverschuldung die Investitionstätigkeit des privaten Sektors belebt und damit den Aufschwung einleitet. Selbst wenn es so wäre — was wir bezweifeln —: Wo bleibt eine plausible Perspektive, wie die Massenarbeitslosigkeit innerhalb eines überschaubaren Zeitraums abzubauen ist? Bei einer erwarteten Zunahme der Arbeitsproduktivität von jährlich 2 % wäre eine durchschnittliche Wachstumsrate des Sozialprodukts von mindestens 6 % erforderlich, um bis 1990 einen nennenswerten Rückgang der Arbeitslosigkeit zu erreichen.
    Nach Überzeugung der GRÜNEN führt dieses Konzept des Wachstums zu einer weiteren Verschärfung des Problems. Unter realistischen Annahmen errechnet sich bis 1990 eine weitere drasti-



    Verheyen (Bielefeld)

    sche Steigerung der Arbeitslosenzahlen. Arbeitslosigkeit und Abbau sozialer Sicherungen ergeben dann Zustände, die wir nur als Amerikanisierung unserer gesellschaftlichen Verhältnisse bezeichnen können.

    (Kolb [CDU/CSU]: Die haben aber mehr Arbeitsplätze geschaffen!)

    In den USA Ronald Reagans ist es derzeit möglich, daß der größte Aufschwung der Nachkriegsgeschichte mit dem größten Anwachsen der Armut verbunden ist.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wer zahlt die meiste Entwicklungshilfe?)

    Ein solcher Aufschwung ist in Wirklichkeit ein gesellschaftlicher Abstieg und ein historischer Rückschritt.
    Die GRÜNEN haben angesichts des zentralen Problems der Massenarbeitslosigkeit Arbeitszeitverkürzungen befürwortet, weil dies der einzige Weg ist, mit den Produktivitätszuwächsen vernünftig umzugehen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Bundesregierung dagegen fällt zu diesem Thema nichts anderes ein als die blinde Vertretung von Unternehmerinteressen.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Unternehmer und Arbeitnehmerinteressen!)

    Die Bundesregierung rühmt sich, ihre Sparpolitik habe, wie sie es nennt, neue finanzpolitische Handlungsspielräume geschaffen. Wir GRÜNE fragen: wofür eigentlich? Für die geplanten Steuergeschenke an Besserverdienende im Rahmen der angekündigten Einkommensteuerreform, die Sie fälschlich auch noch als Familienförderung bezeichnen? Oder für die Förderung von Modernisierung und Rationalisierung, einzig darauf ausgerichtet, auf den Weltmärkten erfolgreich zu konkurrieren, und zwar ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Auch auf die sozialen Folgen, Herr Kollege Friedmann, in der Dritten Welt? — Oder für die Verkabelung und das Kabelfernsehen, mit der Folge, daß der Vereinzelung der Menschen Vorschub geleistet wird ohne jede wirtschaftliche Perspektive? Oder für die Kommerzialisierung der Gentechnologie, für die Sie im Verein mit der SPD Märkte der Zukunft erobern wollen, ohne vorab ausreichende Sicherheitsstandards festzuschreiben? Oder für eine Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennelemente, deren Gefährlichkeit sich derzeit ja vor aller Augen zeigt, wenn man die Tatsache bedenkt, daß der französische Atomfrachter vor der belgischen Küste gestern zerbrochen ist?
    Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung bietet Wirtschaftswachstum aber nicht nur als Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit an. Auch für den Umweltschutz erklären Sie es zur Voraussetzung. Nur bei ausreichendem Wachstum — so lautet das Argument — könnten wir uns Umweltschutz überhaupt leisten. Für diese Regierung sind Umweltschutzmaßnahmen nichts anderes als ein Kostenfaktor, eine negative Größe. Der Haushaltsansatz für Maßnahmen auf dem Gebiet des Umweltschutzes erreichte 1984 gerade die Größenordnung von 0,4 % des Gesamtetats.
    In keinem Verhältnis dazu steht das Ausmaß der Zerstörung, das die natürlichen Grundlagen unseres Lebens — Luft, Wasser und Boden — ergriffen hat. Bereits heute sind mehr als 50 % unserer Wälder unrettbar verloren. Die rasche Zerstörung greift derzeit in großem Umfang auch auf andere Pflanzen über, so daß wir heute schon von Natursterben statt von Waldsterben sprechen müßten. Schäden in der Landwirtschaft sind bereits heute absehbar. Die Fruchtbarkeit unserer Ackerböden geht zurück. In zunehmendem Maße leiden Menschen unter Umweltkrankheiten: Allergien, Pseudo-Krupp und chronische Lungenkrankheiten sowie Leber- und Nierenschäden nehmen in bedrohlichem Maße zu.
    Wie wollen Sie eigentlich Menschen, die an umweltbedingtem Krebs erkrankt sind, Herr Stoltenberg, Ihre Sparpolitik in Sachen Umweltfürsorge plausibel machen?

    (Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

    Daß der Krebs heute schon die zweithäufigste Todesursache bei Kindern ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Grad der Vergiftung der Umwelt.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Hier helfen auch die beliebten Ausreden der Politiker nichts, die die Zunahme des Krebses gerne auf das Rauchen und auf den Alterskrebs zurückführen. Gerade die letzten Monate haben diese Problematik für alle Zeitungsleser unübersehbar gemacht. Meldungen über Dioxinverseuchungen reißen nicht ab. Keine Region und keine Gegend der Bundesrepublik ist vor Krebsgiften sicher. In Kindergärten und Wohnungen, in Stadtbezirken wie in Erholungsgebieten, in der Kleidung und in der Nahrung haben Wissenschaftler lebensgefährliche Giftkonzentrationen aufgespürt.
    Giftmülldeponien wurden sogar als Baugrundstücke verkauft, wie Beispiele in Dortmund oder in meiner Heimatstadt Bielefeld belegen.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Unglaublich!)

    Neben den mangelhaft abgesicherten Giftmülldeponien gefährden zirka 50 000 Altmüllplätze das Trinkwasser. Hinzu kommen zahlreiche Müllverbrennungsanlagen, die als Giftbeseitigungsanlagen konstruiert waren, sich aber heute als Giftverbreitungsanlagen erwiesen haben.
    Trotz dieser Hypothek geht die chemische Produktion immer neuer, zum Teil noch völlig unbekannter Gifte weiter. Hinzu kommt der Atommüll des angeblich sauberen Atomstroms, für den es bis heute noch keine sichere Entsorgung gibt.
    Die Bundesregierung macht — und das ist das eigentliche Problem — keinerlei Anstalten — sie nimmt nur Ankündigungen vor —, dieses gigantische Giftproblem in den Griff zu bekommen. Sie ist



    Verheyen (Bielefeld)

    weder gewillt, die Produktion von weiteren Giften zu stoppen, noch bereit, ein umfassendes Entsorgungsprogramm durchzuführen, das weiteren Schaden von der Bevölkerung abwenden könnte.

    (Kolb [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn eigentlich?)

    Kurz und schlecht: Diese Bundesregierung ist dabei, den kommenden Generationen eine Gifthypothek unvorstellbaren Ausmaßes zu hinterlassen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Deshalb meinen wir, es muß schnell, ja, sehr schnell gehandelt werden. Daher fordern wir Sofortmaßnahmen zur umfassenden Entgiftung der Umwelt. Die wichtigsten möchte ich Ihnen hier kurz vorstellen:
    Erstens. Maßnahmen zur Entgiftung der Luft und zur Rettung des Waldes: Unverzüglich und nicht erst in den 90er Jahren ist mit dem Bau von Entschwefelungs- und Entstickungsanlagen für alle Kohlekraftwerke zu beginnen. Parallel dazu muß eine rationellere Energieverwendung, z. B. durch Wärmedämmung und Nutzung der Abwärme, gefördert werden. Biogas, Solarzellen und Windenergie sind schnellstmöglich weiterzuentwickeln.
    Außerdem geht es um eine drastische Verringerung der Autoabgase: durch Tempolimit, und zwar auf Autobahnen 100 km/h und auf Landstraßen 80 km/h, durch den Ausbau der öffentlichen Verkehrssysteme und durch die Einführung des Abgaskatalysators für alle Kraftfahrzeuge, nicht nur für Neuwagen.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre Fahrräder?)

    Zweitens. Maßnahmen zur Lösung der Giftmüllprobleme: Wir halten ein Sonderprogramm des Bundes zur Sanierung alter Giftmülldeponien und zur Einführung neuer Müllentsorgungsmethoden für dringend erforderlich.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Hierzu gehören die bundesweite Einführung der Müllvorsortierung nach giftigen und ungiftigen Bestandteilen sowie die Förderung des Recycling, insbesondere bei Papier, Glas und Metallen. Außerdem gehört hierzu die Sanierung der mehr als 50 000 Altmüllanlagen und Giftmülldeponien. Schließlich treten wir für eine Verstaatlichung des gesamten Bereichs der Giftmüllentsorgung ein. Denn die Erfahrungen haben gezeigt, daß die Durchführung derart gefährlicher Aufgaben nicht von privaten Wirtschaftlichkeitserwägungen abhängig gemacht werden darf.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Also kostet das doch was! — Kolb [CDU/CSU]: Darüber reden die nicht!)

    Drittens. Wir fordern ein Sonderprogramm zur Umstellung der Landwirtschaft auf biologischen Landbau. Es ist durch Umfragen zweifelsfrei erwiesen, daß die Mehrheit der Verbraucher durchaus
    bereit ist, für höherwertige, biologisch angebaute Nahrungsmittel höhere Preise zu bezahlen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Na, und wen trifft das? Den kleinen Mann!)

    Auch gibt es viele Landwirte, die ihren Betrieb gerne auf biologischen Landbau umstellen würden, wenn sie in der schwierigen Übergangsphase finanzielle Hilfestellung erhalten könnten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Angesichts der Überlastung der landwirtschaftlichen Böden mit chemischen Stoffen und der dadurch drohenden Gefährdung des Trinkwassers ist ein solches Programm mehr als überfällig.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Viertens. Wir fordern eine bundesweite Informationskampagne über Gifte in Haushalt und Wohnung.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Und in der Literatur!)

    Jeder von uns muß täglich mit chemischen Stoffen umgehen, deren Gefährlichkeit kaum jemand einschätzen kann. Die jüngsten Skandale im Zusammenhang mit Dioxin und Formaldehyd haben diese Tatsache sehr eindrucksvoll belegt. Deshalb fordern wir ein 100-Millionen-DM-Programm, das den Verbraucherschutzverbänden für eine bundesweite Aufklärung zur Verfügung gestellt wird. Nur hier können wir sicher sein — im Gegensatz zur Bundesregierung —, daß Verbraucheraufklärung nicht zur Verbraucherberuhigung mißbraucht wird.
    Fünftens. Wir fordern ein Sonderprogramm zur Untersuchung giftiger Stoffe am Arbeitsplatz.

    (Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Nur noch Forderungen!)

    Gerade Arbeitnehmer sind in besonders hohem Maße den Giften in besonders hohen Konzentrationen ausgesetzt. Hier besteht noch ein großer Forschungsbedarf, da viele verdächtige Stoffe in ihrer Wirkungsweise nur ungenügend untersucht sind.
    In diesem Zusammenhang begrüßen wir das von den Gewerkschaften geforderte Forschungsprogramm zur Untersuchung krebserzeugender Stoffe. Gerade diese Substanzen sind besonders tückisch, da sich ihre Krankheitswirkungen oft erst nach zehn oder mehr Jahren feststellen lassen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sechstens fordern wir ein Sonderprogramm „sanfte Chemie". Wir meinen, daß die Zeit reif ist für einen Einstieg in den Umbau der chemischen Industrie.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Chemiekonzerne zählen zu den größten und wachstumsintensivsten Betrieben in der Bundesrepublik. Somit geht es hier um einen Kernbereich unserer Industriegesellschaft, dessen Umbau ebenso notwendig wie schwierig ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Verheyen (Bielefeld)

    Niemand kann zur Zeit sämtliche hierfür notwendigen Schritte exakt vorhersagen. Dazu ist dieses Problem zu vielschichtig. Techniker, Wirtschaftler, Gewerkschaftler und Politiker müssen hier mit den Beschäftigten der Chemieindustrie Hand in Hand arbeiten und nach neuen Wegen suchen. Das von uns geforderte Programm soll es ermöglichen, daß in jedem Chemiebetrieb ein Konversionskomitee finanziert werden kann, das eigenständig Forschungsmittel vergeben und Modellversuche zur Umstellung auf umweltverträgliche Produktionen durchführen kann.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch etwas zu dem bekannten Argument sagen, derartige Sofortmaßnahmen seien nicht zu bezahlen. Wir sind davon überzeugt, daß dieses Programm auch bei einer strengen Sparpolitik relativ einfach zu finanzieren wäre.

    (Kolb [CDU/CSU]: Was kostet es denn?)

    — Ich komme darauf. — Die Maßnahmen zum Stopp des Waldsterbens würden bis 1990 ungefähr 20 Milliarden DM kosten. Davon können in dem entsprechenden Zeitraum allein 14 Milliarden DM durch den Abschied von den Verkabelungsplänen dieser Regierung aufgebracht werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die restliche Summe könnte aus einer Schadstoffabgabe der Energiewirtschaft finanziert werden, die dazu dient, daß der Umstellungsprozeß noch schneller vorangeht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die politische Alternative lautet für uns also: Rettung des Waldes statt Verkabelung der Republik.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zustimmung des Abg. Bindig [SPD])

    In die Maßnahmen zur Lösung der Giftmüllprobleme sollen nach unseren Vorstellungen vom Bund jährlich 1 Milliarden DM fließen, zusätzlich zu den Mitteln, die von der Chemieindustrie aufgebracht werden müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das wären bis 1990 für den Bundeshaushalt 6 Milliarden DM. Allein 7 Milliarden DM steckt die Bundesregierung in demselben Zeitraum in die Atomtechnologie.
    Hier lautet der politische Entscheidungsspielraum: Giftmüllentsorgung oder Produktion weiteren zusätzlichen Atommülls.
    Für die Maßnahmen zur Umstellung auf biologischen Landbau sollen jährlich 2 Milliarden DM vom Bund eingestellt werden. Diese können aus einem Teil jener Zusatzsubventionen finanziert werden, welche diese Bundesregierung erst kürzlich für die Landwirtschaft bereitgestellt hat;

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    denn diese Mittel kommen zu mehr als der Hälfte nur den Großbauern und den industriell produzierenden Betrieben zugute.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir wollen, daß ein Teil dieser Ausgaben den klein-
    und mittelbäuerlichen Betrieben zugute kommt. Der andere Teil soll der Umstellung auf biologischen Landbau dienen.
    Unsere Alternative lautet also: Umstellung auf biologischen Landbau statt weitere Subventionierung der Großbauern!

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der FDP: Sie wollen doch Grund und Boden enteignen!)

    Für das Sonderprogramm „sanfte Chemie" fordern wir die Bereitstellung von jährlich 2 Milliarden DM.

    (Zuruf des Abg. Kolb [CDU/CSU])

    Die Subventionen für den Ausbau von Flugtechnologien, für Airbus, Spacelab und bemannte Raumstation verschlingen in den nächsten Jahren fast 10 Milliarden DM. Diese Mittel können von den interessierten Industrien selbst aufgebracht werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Gegen die bemannte Raumstation hat sich sogar der Forschungsminister persönlich ausgesprochen.

    (Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

    Wir empfinden es als einen riesigen Skandal, daß diese 2 Milliarden DM nur deshalb ausgegeben werden, weil sich Herr Kohl von seinem Freund Ronald Reagan hat beschwatzen lassen, ein im Grunde amerikanisches Programm mitzufinanzieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie müssen sich vorstellen, daß diese 2 Milliarden DM viel mehr als den Betrag ausmachen, den Sie beim Mutterschaftsgeld gekürzt haben.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Wieviel haben Sie denn schon selber zu den 2 Milliarden DM beigetragen?)

    Für uns lautet die Alternative auf jeden Fall: statt überflüssiger und kostspieliger Raumfahrt Entgiftung der Schlüsselindustrie Chemie.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Schließlich würde eine Informationskampagne über Gifte im Haushalt rund 100 Millionen DM kosten, das Sonderprogramm zur Untersuchung giftiger Stoffe am Arbeitsplatz 300 Millionen DM. Allein der Verzicht auf die geplante Volkszählung würde uns 371 Millionen DM ersparen. Weitere 15 Millionen DM könnte man aus der Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien abzweigen; denn mit diesen Titeln wird j a bekanntermaßen alles andere gemacht als eine sachgerechte Informierung der Öffentlichkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Unsere Alternative lautet hier: Volksaufklärung statt Volksauszählung.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Verheyen (Bielefeld)

    Was wir zeigen wollen, ist nichts anderes als die Tatsache, daß Alternativen möglich sind. Auch zu den Problemen sozialer Ungerechtigkeit und Arbeitslosigkeit könnten wir hier Alternativen darstellen, wenn wir dazu die Zeit hätten.
    Zeigen Sie endlich Mut und Bereitschaft zu einer grundlegend anderen Politik, die der Erhaltung der sozialen Substanz und der Natur absolute Priorität einräumt. Machen Sie eine Politik, die die Langzeitfolgen der Industrieproduktion zum zentralen Kriterium macht, und wälzen Sie die Entsorgungs- und Deponieprobleme nicht auf kommende Generationen ab.
    Wir haben nicht die Hoffnung, daß diese Bundesregierung zu einer so grundsätzlich neuen Orientierung bereit ist. Im Gegenteil: Sie gibt dem Druck nach, der von bestimmten Industrieinteressen auf sie ausgeübt wird, wie die Beispiele Buschhaus und Abgaskatalysator zur Genüge gezeigt haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Deshalb begrüßen wir es auch, daß die Umweltschutzverbände zum Boykott von Neuwagen aufrufen wollen, solange die Autoindustrie keine Abgaskatalysatoren einbauen will.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Genauso wichtig sind die für den Herbst geplanten großen Demonstrationen gegen das Waldsterben; denn der wachsende Widerstand in der Bevölkerung ist die einzig realistische Hoffnung für eine Änderung der Politik dieser Regierung.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)