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    Plenarprotokoll 10/80 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 80. Sitzung Bonn, Dienstag, den 31. Juli 1984 Inhalt: Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Fritz Sänger . . 5807 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Wex, der Abg. Frau Dr. Timm und des Abg. Rapp (Göppingen) . 5807 C Verzicht des Abg. Gobrecht, der Abg. Frau Dr. Czempiel und des Abg. Dr. Steger auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 5807 C Eintritt des Abg. Hansen (Hamburg), des Abg. Dr. Wieczorek und des Abg. Witek in den Deutschen Bundestag 5807 D Haltung der Bundesregierung zum Beschluß des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1984 (Inbetriebnahme des Kraftwerkes Buschhaus) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5808 A Dr. Vogel SPD 5812 D Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 5816 D Frau Schoppe GRÜNE 5822 D Dr. Dregger CDU/CSU 5824 D Mischnick FDP 5826 C Schröder (Hannover) SPD 5829 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 5833 A Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 5836 D Dr. Müller CDU/CSU 5839 B Bastian fraktionslos 5841 A Fellner CDU/CSU 5842 B Dr. Apel SPD 5844 A Baum FDP 5845 D Schäfer (Offenburg) SPD 5846 D Schmidt (Wattenscheid) SPD 5849 A Vetter, Senator des Landes Berlin . . 5850 A Stratmann GRÜNE 5850 C Vizepräsident Stücklen 5836 D Namentliche Abstimmung 5851 C Nächste Sitzung 5853 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5854* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5854* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 31. Juli 1984 5807 80. Sitzung Bonn, den 31. Juli 1984 Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt für Bahr 31. 7. Frau Dr. Bard 31. 7. Böhm (Melsungen) 31. 7. Bredehorn 31. 7. Buckpesch 31. 7. Dr. Corterier 31. 7. Curdt 31. 7. Daubertshäuser 31. 7. Dr. Diederich (Berlin) 31. 7. Eimer (Fürth) 31. 7. Dr. Feldmann 31. 7. Ganz (St. Wendel) 31. 7. Dr. Götz 31. 7. Frau Gottwald 31. 7. Frau Dr. Hamm-Brücher 31. 7. Handlos 31. 7. Huonker 31. 7. Dr. Hupka 31. 7. Junghans 31. 7. Kißlinger 31. 7. Linsmeier 31. 7. Dr. h. c. Lorenz 31. 7. Möllemann 31. 7. Polkehn 31. 7. Rappe (Hildesheim) 31. 7. Sander 31. 7. Sauter (Ichenhausen) 31. 7. Schmidt (München) 31. 7. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 31. 7. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 31. 7. Dr. Stark (Nürtingen) 31. 7. Frau Steinhauer 31. 7. Voigt (Sonthofen) 31. 7. Dr. Warrikoff 31. 7. Dr. Weng 31. 7. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Juni 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Erstes Gesetz zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes Gesetz über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Drittes Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (2. BZRÄndG) Viertes Gesetz zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes Gesetz über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1984 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1984) Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Vertrag vom 27. April 1983 zur Änderung des Vertrags vom 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutsch-österreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben Gesetz zu dem Abkommen vom 31. Januar 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Bau und die Unterhaltung einer Grenzbrücke über die Sauer zwischen den Gemeinden Langsur und Mertert Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Juni 1984 folgende Entschließung über die Sicherung von Ansprüchen aus Sozialplänen im Konkurs gefaßt: Der Bundesrat hält das geltende Konkursrecht, das Ansprüchen von Arbeitnehmern aus Sozialplänen im Konkurs des Arbeitgebers den letzten Rang noch hinter den staatlichen Steuerforderungen zuweist, für unbefriedigend und sozialpolitisch unvertretbar. Er bittet die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag, umgehend durch besondere gesetzliche Vorschriften auf eine zeitgerechte, den Interessen der Arbeitnehmer besser als bisher gerecht werdende und ausgewogene Regelung hinzuwirken. Da eine Reform des Insolvenzrechts nicht alsbald zu verwirklichen ist, muß kurzfristig eine Zwischenlösung angestrebt werden, die eine Gesamtreform nicht präjudiziert. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Juli 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" Erstes Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen Gesetz über Zulassungsverfahren bei natürlichen Mineralwässern Elftes Gesetz zur Änderung des Wehrsoldgesetzes Gesetz zur Änderung des Titels III der Gewerbeordnung und anderer gewerberechtlicher Vorschriften Erstes Gesetz zur Änderung des Durchführungsgesetzes EG-Richtlinien Funkstörungen Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. Juli 1982 zur Gründung der Europäischen Fernmeldesatellitenorganisation „EUTELSAT"
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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Diskussion um Buschhaus in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Monaten scheint es mir doch nützlich, ja notwendig zu sein, zunächst einige Worte zu der Geschichte dieses Kraftwerks zu sagen.
    Die Pläne, in Buschhaus ein Kraftwerk auf Salzkohlebasis zu bauen, stammen aus den Jahren 1976/77/78. Als die Pläne an uns herangetragen wurden, haben wir sie mit den Dienststellen der Bundesregierung, der damaligen sozialliberalen Bundesregierung, sorgfältig erörtert. Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß der Bau von Buschhaus arbeitsmarktpolitisch notwendig, energiepolitisch sinnvoll, umweltpolitisch vertretbar sei und daß dieses Kraftwerk im Rahmen der geltenden Umweltgesetze in jedem Fall errichtet werden könnte.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Wissen Sie, was Umweltpolitik ist?)

    Lassen Sie mich zunächst einmal das arbeitsmarktpolitische Argument aufnehmen. Hier geht es ja um 3 200 Arbeitnehmer, und es geht um ihre Familien. Jeder, der sich ein bißchen damit befaßt hat, weiß, daß herkömmliche Braunkohle irgendwann in den nächsten 10 bis 15 Jahren abgebaut



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    sein wird und daß der Braunkohlebergbau hier im äußersten — wirklich äußersten — Zonenrandgebiet nur eine Chance hat, wenn es möglich ist, Salzkohlevorhaben abzubauen, und das geht nur durch Verstromung in einem Kraftwerk. So ist dieser Plan entstanden.
    Ich muß Ihnen sagen — auch heute —: Es gibt keine Ersatzarbeitsplätze für die Menschen vor Ort.

    (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Es gibt auch keine Ersatzlungen! — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Und keinen Ersatzhals!)

    Die kleineren Industriefirmen, die wir dort im äußersten Zonenrandgebiet, im Süden des Kreises Helmstedt gehabt haben sind zum Teil noch in den letzten Jahren zugrunde gegangen.
    Wir haben in der Nachbarschaft Salzgitter, wo auf Grund der Stahlkrise in den nächsten Jahren 3 700 Arbeitsplätze abgebaut werden und schon jetzt eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit herrscht. Wir haben den Raum Braunschweig, der erhebliche strukturelle Schwierigkeiten hat. Zur Stunde, selbst im Sommer, haben wir dort eine Arbeitslosigkeit von mehr als 13 %. Wir haben als Lichtblick Wolfsburg, wo im Augenblick sogar einige zusätzliche Einstellungen vorgenommen werden, wo aber auf Grund der Mechanisierung, die gar nicht aufzuhalten ist, im Laufe der nächsten Jahre mit Sicherheit auch ein Abbau von Arbeitsplätzen erfolgen wird. Schon in den letzten eineinhalb Jahren haben dort 2 700 Personen ihren Arbeitsplatz verloren.
    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Vogel hat soeben gesagt: Wir — die SPD — haben in unseren Entschließungen ausdrücklich gefordert, daß die Beschäftigung aufrechterhalten wird. Aber ich würde Ihnen darauf antworten: 436 Menschen, die nicht mehr gebraucht werden, können Sie zwar ihren Lohn zahlen, aber das ist nicht das, was die Menschen dort wollen. Ich habe die Fernsehansprache des Kollegen Adolf Schmidt gehört. Er sagte: Die Menschen dort wollen sinnvolle Beschäftigung und nicht nur ihren Lohn gezahlt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Darf der Schmidt hier reden?)

    Nun zur energiepolitischen Bewertung: Die erste Energiekrise — Herr Kollege Stoltenberg hat es schon anklingen lassen — lag damals hinter uns; wir waren mitten in der sich entwickelnden zweiten Ölkrise. Es war damals übereinstimmende Auffassung von Bundesregierung und Landesregierung — trotz aller Differenzen, die wir in der Energiepolitik hatten —, daß wir eine gemeinsame Anstrengung machen sollten, die heimischen Energievorkommen — soweit möglich und vernünftig — zu nutzen. Gerade auch so ist es dann zu der positiven energiewirtschaftlichen Beurteilung des Vorhabens Buschhaus gekommen.
    Meine Damen und Herren, ich bin hier j a schon einige Male zur Energiepolitik befragt worden. Die Niedersächsische Landesregierung hat nun weiß
    Gott nicht das Schlagwort hochgehalten: Vorrang für die Kohle. Wir sind immer der Meinung gewesen — ich habe es hier oft genug gesagt —, daß insbesondere die Steinkohle ungewöhnlich teuer sein könne und daß mit fossilen Brennstoffen nun einmal — trotz aller Entschwefelungsmaßnahmen — Umweltprobleme verbunden seien. Wir haben deshalb als Landesregierung die Devise ausgegeben, daß wir den größten Teil der Grundlast aus Kernenergie decken wollen, und das haben wir auch getan. Wir werden in diesem Jahr 50% unseres Strombedarfs aus Kernenergie decken.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Und mit Gorleben habt ihr keine Probleme!)

    Aber wir haben nie gesagt, daß wir nur Kernenergie und nicht auch Kohle verwenden wollten. Und wenn wir nun einmal ein bißchen Kohle im Lande Niedersachsen haben, dann wollten wir diese auch gerne selber nutzen.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    — Ich höre hier so einige Zwischenrufe von berufener Seite. Meine Damen und Herren, diejenigen, die heute gegen das Kraftwerk Buschhaus zu Felde ziehen, sind doch dieselben.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genau!)

    die im Jahre 1977 den Sturm auf das Kraftwerk Grohnde, das damals gebaut wurde, unternommen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei den GRÜNEN)

    Deshalb werden Sie Verständnis dafür haben, daß ich diese Art von Protesten nicht so ernst zu nehmen vermag wie die Proteste von anderer Seite.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Aber nun zu dem Problem der Umweltbelastung. Es ist ja die Wahrheit, daß, wenn man Salzkohle verstromt, in Anbetracht des 3 %igen Schwefelgehalts — ich sage: 3% im Durchschnitt; da hat man ja auch Horrorzahlen gehört — ein Umweltproblem gegeben ist. Wir haben 1977/78 diese Frage mit dem Bundesinnenministerium erörtert. Das Innenministerium war damals der Auffassung, daß es Entschwefelungsanlagen auch für Salzkohle nach dem Stand der Technik geben mußte. Wir haben zurückgefragt: Nennt uns einmal welche! — Wir haben keine genannt bekommen, sondern man sagte uns: Das muß mit dem Unternehmen erörtert werden. — Wir haben ès mit dem Unternehmen erörtert. Das Unternehmen sagte: Das gibt es nicht! — Dann haben wir als Landesregierung anerkannte Experten, zwei an der Zahl, die Professoren Meersmann und Schaefer beauftragt, gutachterlich dazu Stellung zu nehmen. In den umfangreichen Gutachten, die sie nach Prüfung aller denkbaren Verfahren erarbeitet und uns vorgelegt haben, kamen sie beide zu dem Schluß — 1977/78 —, daß nach damaligem Stand der Technik eine Entschwefelung von Salzkohle nicht möglich sei. Sie haben allerdings gesagt, daß sich dies in Anbetracht des Fortschritts der Technik sehr schnell ändern könnte. Dies hat die Landesregierung dazu geführt, eine Auflage zu machen, näm-



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    lich das Unternehmen zu verpflichten, beim Bau des Kraftwerks von vornherein Platzvorsorge für den späteren Einbau einer Entschwefelungsanlage zu treffen.
    Wir haben dann permanent mit dem Umweltbundesamt Kontakt gehalten. Wir haben z. B. 1979 geprüft, ob nicht das sogenannte Sprühabsorptionsverfahren eine Lösung darstellen könnte, mußten aber dieses Projekt leider wieder verwerfen. Die Landesregierung hat dann 1982 im März einen Erlaß herausgegeben, daß ein neues Gutachten einzuholen sei. Wir haben Professor Rentz damit beauftragt. So kam es zu dem berühmten Rentz-Gutachten. Nun ist dieses Gutachten im Februar dieses Jahres vorgelegt worden. Erstmalig jetzt besteht die Möglichkeit, ein befriedigendes Entschwefelungsverfahren auch für ein Salzkohlekraftwerk einzuführen, allerdings mit erheblich höheren Kosten. Der Gutachter hat auch klar gesagt: Die Kosten sind so hoch, daß sie wirtschaftlich dem Unternehmen nicht zumutbar sind. — Wir haben das dann benutzt, um in Verhandlungen einzutreten und doch noch eine Lösung zu finden, damit das bestmögliche Entschwefelungsverfahren für Buschhaus in Anwendung kommen kann.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wie erklären Sie sich dann, daß das jetzt gerade entdeckt worden ist?)

    — Weil es eben so ist, daß die Technik immer weiter fortschreitet. Verehrte Dame, hoffen und beten Sie nur, daß uns die Technik erhalten bleibt, denn nur durch die Technik werden wir die Umweltprobleme unseres Landes lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich darf noch einmal auf die Jahre 1977/78 zurückkommen. Dies wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Entwicklung in der öffentlichen Meinung: Als wir damals die Baugenehmigung erteilen wollten, haben wir natürlich öffentlich ausgelegt. Jeder, der ein berechtigtes Interesse geltend machte, konnte dazu Stellung nehmen. Wir haben keinen einzigen Einspruch bekommen: weder von den GRÜNEN,

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    die damals im Lande schon kräftig kandidierten, noch von der SPD noch von der FDP noch von der CDU noch von irgendeiner Bürgerinitiative oder irgend jemand anderem. Wir haben damals nicht einmal eine mündliche Anhörung durchführen müssen, weil es mangels Einsprüchen keinen Anlaß gab, eine solche Anhörung durchzuführen. Ich glaube, auch das gerät heute leicht in Vergessenheit; deshalb wollte ich es doch einmal in die Erinnerung zurückgerufen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Was soll das jetzt bedeuten?)

    Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat damals im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister die Genehmigung nach dem Energiewirtschaftsgesetz erteilt, und der Niedersächsische Sozialminister hat die Baugenehmigung erteilt.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Als Aufsichtsratsvorsitzender hat er sich selbst die Baugenehmigung erteilt! Wo gibt es so etwas! Nur in Niedersachsen!)

    Die Bundesregierung — das hat Herr Kollege Stoltenberg schon gesagt — war im Aufsichtsrat des Unternehmens vertreten und hat alle Entscheidungen mitgetragen.
    Aber, meine Damen und Herren, nun Schluß mit der Geschichte. Fragen wir uns — das wäre meine Bitte an das Hohe Haus —, wie es nun wirklich mit der Umweltbelastung aussieht und was wir tun können, um sie auf ein Minimum zu reduzieren.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN — Frau Schoppe [GRÜNE]: Jetzt kommt's!)

    Herr Kollege Vogel, ich sage Ihnen ganz offen: Ich hätte von Ihnen gern mehr dazu gehört, weniger Hickhack mit der Bundesregierung, mehr zu der Frage, wie wir uns jetzt richtig entscheiden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Horacek [GRÜNE])

    Wir haben in den letzten Wochen und Monaten eine gewaltige Anstrengung unternommen, gemeinsam mit der Bundesregierung und, wie ich offen sagen möchte, mit dem Unternehmen — und Unternehmen bedeutet für mich: Vorstand und Betriebsrat. Gemeinsam mit dem Unternehmen haben wir versucht, den richtigen Weg zu finden. Die Ergebnisse möchte ich in drei Punkten zusammenfassen.
    Erstens. Buschhaus wird noch 1987, also vor der gesetzlich vorgeschriebenen Frist, die Emission an Schwefeldioxid so reduzieren können, daß wir unter die Grenze von 400 mg/m3 Abgas kommen. Das liegt weit unterhalb der Grenzen, die die Großfeuerungsanlagen-Verordnung vorsieht. Sie sieht 650 mg/m3 für Braunkohlekraftwerke vor; wir kommen auf 400 mg/m3.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Was viel zu hoch ist!)

    Es ist eine tolle Leistung, daß das möglich ist. Ich glaube wirklich, daß man mehr als das nicht tun kann. Ich wage vorherzusagen, daß Buschhaus unter den Braunkohlekraftwerken an der unteren Grenze der Emission liegen und die Mehrheit der Braunkohlekraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland einen höheren Wert als 400 mg/m3, erreichen wird, wenn wir uns im Jahre 1988 wiedersehen.

    (Horacek [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch! Die Japaner sind besser! Sagen Sie dazu etwas! Sie sind schon heute besser, nicht erst 1988! — Frau Schoppe [GRÜNE]: Klären Sie die Öffentlichkeit auf!)

    Zweitens — das ist der entscheidende Punkt, Herr Vogel; denn hier ist eine ganz, ich hätte beinahme gesagt: verlogene Diskussion, aber ich will zunächst einmal sagen: irrtümliche Diskussion in



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    der Öffentlichkeit entstanden —: Da wird so getan, als würde Buschhaus zusätzlich zu Offleben I und Offleben II in Betrieb genommen. Das ist, schlicht gesagt, die Unwahrheit. Buschhaus soll an Stelle von Offleben I und zum Teil an Stelle von Offleben II in Betrieb genommen werden. Die schlichte Wahrheit lautet, daß wir für die Erzeugung einer Kilowattstunde in Buschhaus 20 % weniger Kohle als in Offleben I und 10 % weniger als in Offleben II brauchen. Das heißt: Bei jeder Kilowattstunde, die in Buschhaus erzeugt wird, wird die Umwelt weniger belastet als bei der Erzeugung einer Kilowattstunde in Offleben I oder Offleben II. Das ist der entscheidende Punkt dieser Debatte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe mich in den letzten Wochen manchmal verzweifelt gefragt, wie man die Vernunft und die Wahrheit so zum Ausdruck bringen kann, daß sie auch durchdringen. Das muß doch, Herr Kollege Vogel, auch Ihnen einsichtig sein.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Dem nicht! Der sieht nichts ein! — Hauser [Krefeld] [CDU/ CSU]: Da ist er völlig überfordert!)

    Wie immer wir das Paket packen — ceteris paribus, wenn die Elemente sonst gleich sind —: Wenn Sie Buschhaus einmotten und dafür Offleben I anfahren, haben Sie eine höhere Umweltbelastung als dann, wenn Sie Buschhaus in Betrieb nehmen und Offleben I und Offleben II nicht nutzen.
    Ich habe mir noch einmal den Entschließungsantrag der SPD vorgenommen. Was schlagen Sie denn vor? — Sie schlagen vor, daß die Leistung so lange zurückgefahren wird, bis es Ihnen paßt.

    (Dr. Hauff [SPD]: Wo denn? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Das können wir natürlich machen. Wir können die Leistung in Buschhaus, in Offleben I und in Offleben II auf Null zurückfahren. Dann haben wir natürlich überhaupt keine Emission mehr; wir haben dann auch keine Arbeitsplätze mehr in der Region von Helmstedt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Aber wenn Sie einen gegebenen Stand der Leistung, eine gewisse Erzeugung von Kilowattstunden nehmen, dann ist das Ergebnis für den deutschen Wald mit Buschhaus immer besser als ohne Buschhaus.

    (Abg. Stratmann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Das liegt einfach an dem unterschiedlichen Wirkungsgrad.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Nein, das ist falsch! — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das schnallen die aber nicht! Das ist zu hoch! — Stratmann [GRÜNE]: Haben Sie denn Angst vor Zwischenfragen?)

    — Wir haben hier noch Zeit genug zur Diskussion. Sie kommen noch zu Wort.
    Drittens. Wir — Unternehmen, Bundesregierung und Landesregierung — haben dann ein zusätzliches Maßnahmenbündel vorgesehen, das sicherstellt, daß schon ab August dieses Jahres eine erhebliche Reduzierung der Schadstoffbelastung im Raum Helmstedt möglich ist, und zwar von 145 000 t jetzt auf 120 000 t zunächst. Das ist eine Reduzierung um knapp 18 %. Ein Jahr später tritt eine Reduzierung von über 20 % ein.
    Meine Damen und Herren, dies will ich auch einmal sagen, denn ich sehe Herrn Farthmann hier: Wo in Deutschland werden wir im Jahre 1984 in einem Revier eine Reduktion der Emissionen um 18 % gegenüber 1982

    (Zurufe von der SPD)

    und schon 1986 um mehr als 20 % haben?

    (Horacek [GRÜNE]: Das ist noch schlimm genug!)

    Nach den Plänen, die mir aus Nordrhein-Westfalen vorliegen, wird in Nordrhein-Westfalen für die Jahre 1985/86 mit einer Einsparung von etwa 55 000 t und bis 1987 mit einer Einsparung von 110 000 t gerechnet.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ja, die 55 000 t sind 6 %, aber im Raum Helmstedt werden es 18 % sein. Ich wiederhole: 18 % kraft einer gemeinsamen Anstrengung des Unternehmens, der Landesregierung und der Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Horacek [GRÜNE]: Sie sind ein Rechenkünstler! Sie nennen nicht die Gesamtmenge! Nicht in Prozent!)

    Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einem Punkt, der in der Tat wichtig für mich ist. Wenn das alles so ist, warum — so muß man sich fragen — dann eigentlich das ganze Buhei? Warum kann man in diesem Hause zu einem solchen Konzept keine allgemeine Zustimmung bekommen?

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Haben wir doch! Am 28. Juni!)

    Ich habe aus dem, was hier — auch von Herrn Kollegen Vogel — soeben gesagt worden ist, eines entnommen. Die Antwort ist: Es mag ja sein mit eurem Wirkungsgrad, aber es geht nicht. — Warum geht es nicht? — Weil Buschhaus ein Symbol, ein NegativSymbol geworden ist. Dieses Symbol hat man doch aufgebaut.
    Deshalb lassen Sie mich doch noch einige Worte dazu sagen. Das hat doch damit begonnen, daß man versucht hat, den Menschen weiszumachen, dies sei die größte Dreckschleuder der Nation.

    (Horacek [GRÜNE]: Ist es auch! — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Das hätten Sie lieber nicht gesagt, denn jetzt werde ich Ihnen gegenüber den Beweis dafür antreten, daß das nun wirklich in keiner Weise mit der Wahrheit übereinstimmt. Buschhaus wird — und



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    zwar nur ein oder eineinhalb Jahre lang — maximal 34 000 t Schwefeldioxid ausstoßen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Nur?)

    Schon die alten Kraftwerke liegen viel höher. Offleben I: 49 000 t;

    (Horacek [GRÜNE]: Das ist doch schlimm genug!)

    Offleben II: 96 000 t; Borken in Hessen: 40 000 t; Niederaussem im rheinischen Revier: 46 000 t; Weisweiler: 81 000 t pro Jahr; Neurath: 97 000 t; Frimmersdorf: 108 000 t.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: 2 400 Megawatt! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ich spreche jetzt von der „größten Dreckschleuder der Nation", d. h. dem Ausstoß eines Kraftwerks, denn so muß man das j a wohl verstehen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie täuschen die Öffentlichkeit! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Da wir ja schließlich von der angeblich größten Dreckschleuder der Nation sprechen, darf ich den Blick auch einmal in die DDR richten, um zu erfahren, wie es dort aussieht. Vockerode: 225 000 t Schwefeldioxid; Hagenwerder: 290 000 t; Vetschau: 360 000 t; Boxberg: 480 000 t; Thierbach: 510 000 t. Jetzt wird dort ein Kraftwerk gebaut, das Kraftwerk Delitzsch — nach unserer Kenntnis ohne Entschwefelungsanlage —, das im Jahr 700 000 t Schwefeldioxid erzeugen wird.
    Meine Damen und Herren, wenn man diese Zahlen sieht, kann man wirklich nicht mehr die Behauptung „größte Dreckschleuder der Nation" aufrechterhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)

    Ich will aber gerne auch noch etwas auf die Konzentration eingehen; denn in der Tat ist das, was uns schwer zu schaffen macht, die Tatsache, daß pro Kubikmeter Abgas zur Stunde in Buschhaus 7 000 mg an Schwefeldioxid emitiert werden, nicht 12 000, wie manche einmal gesagt haben, sondern 7 000 mg. Aber auch hier möchte ich doch gerne darauf hinweisen, daß im rotgrünen Musterland Hessen, in Borken, der Mittelwert 12 500 mg pro Kubikmeter beträgt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    und Spitzenwerte von 25 000 mg pro Kubikmeter erreicht werden. Ich habe noch nicht gehört, daß dort eine besondere Unruhe wegen der allergrößten Dreckschleuder der Nation entstanden wäre, obwohl da doch ganz bestimmte Parteien eine ganz bestimmte Verantwortung tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Mir scheint, daß das, was hier geschehen ist, in Wahrheit folgendes ist: Da haben Leute einen Popanz aufgebaut, dann heften sich die Gefühle der
    Menschen an diesen Popanz — ich kann es ihnen nicht verdenken —,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie meinen jetzt das Kabinett?)

    und dann sind wir, die Politiker, nicht mehr in der Lage, das zu entscheiden, was dem Wald wirklich hilft. Man rennt vielmehr nur noch diesem Popanz nach und sagt: Buschhaus darf nicht ans Netz gehen, obwohl das Ans-Netz-Gehen von Buschhaus der Umwelt, dem deutschen Wald gerade helfen würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)

    Herr Kollege Vogel hat gesagt: Nicht Reden, sondern Taten. Genau das ist der Punkt. Wer sagt, Buschhaus dürfe nicht ans Netz gehen, der folgt nur den Reden. Der will dem Symbol Genüge tun.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Tun Sie doch was! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das haben Sie alles in den letzten vier Wochen gelernt!)

    Wer Taten für den Wald tun will, der muß sehen, daß er das Kraftwerk mit dem größeren Wirkungsgrad ans Netz gehen läßt, um dafür schlechtere Kraftwerke aus dem Verkehr herauszunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)

    Ich möchte, Herr Präsident, meine Damen und Herren, gerne noch ein Wort zu einem Thema sagen, was auch oft in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, und zwar falsch diskutiert worden ist: zum Thema DDR. Es ist richtig, daß die DDR am Anfang erhebliche Sorgen hatte, was das denn wohl sein könnte. Angesichts der Kampagne, die in der Bundesrepublik Deutschland stattfand, ist es auch nicht verwunderlich, daß dort Sorgen bestanden. Außerdem bestanden Fragen. Ich habe darüber mit Herrn Mittag im Frühjahr dieses Jahres sprechen können und habe im übrigen gerade für die Art, wie wir das Problem lösen, großes Interesse gefunden; denn wenn man ähnliche Verfahren in der DDR einführen würde, könnte die DDR gewaltige Devisenersparnisse haben. Sie ist seitdem voll dabei, das, was uns für Buschhaus vorschwebt, auch für die DDR zu untersuchen.
    Herr Kollege Hasselmann ist in Ost-Berlin gewesen und hat mit dem Umweltminister der DDR alle Einzelheiten durchgesprochen. Wir haben alle Informationen gegeben. Die Regierung der DDR hat uns gesagt, sie sei beeindruckt und sie sei interessiert, gerade weil sie ähnlich gelagerte Probleme wie wir hat.
    Ich glaube schon, daß man sagen darf: Wenn das, was uns im Landkreis Helmstedt vorschwebt, was wir dort verwirklichen wollen — ich wiederhole es noch mal: zwischen heute und 1986 eine Verminderung des Schadstoffausstoßes um über 20 %, ab 1987 eine Verminderung des Schadstoffausstoßes um über 75 % und ab 1993 eine Verminderung um über 93 % —, überall in Europa Maßstab werden könnte, dann würden wir alle Erwartungen, die wir jetzt hegen, weit, weit übertroffen sehen. Selbst wenn wir nur zwei Drittel von dem erreichen, was im



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen) Helmstedter Raum erreicht wird, wäre das eine dramatische Verbesserung der Umweltsituation in ganz Europa.

    (Horacek [GRÜNE]: Dann wird die ganze Bundesrepublik zum Luftkurort!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte schließlich — das ist ein letzter wichtiger Punkt für mich — auf die besondere Situation der Landesregierung als Genehmigungsbehörde hinweisen. Wir werden immer wieder aufgefordert — das klang ja eben auch aus den Worten des Oppositionsführers heraus —, den BKB die Inbetriebnahme des Kraftwerks Buschhaus nicht zu genehmigen. Ich muß hierzu sagen: Wenn ein Kraftwerk auf Grund eines rechtsgültigen Bescheids, auf Grund einer Baugenehmigung, gebaut worden ist, wenn dieses Unternehmen alle Auflagen, die die Behörde gemacht hat, erfüllt und alle sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind,

    (Stratmann [GRÜNE]: Dann schwefelt es legal!)

    dann muß die Landesregierung nach dem Gesetz die Betriebsgenehmigung auch geben, es sei denn, man gehörte zu denen, die kürzlich auf einer Pressekonferenz vor mir mit dem Schild aufzogen: „legal — illegal — scheißegal".

    (Stratmann [GRÜNE]: Das ist doch Ihre Devise!)

    Ich will ganz deutlich sagen: Niemand wird diese Landesregierung dazu bringen, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Ministerpräsident, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauff?

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    Nein, Herr Präsident. Ich möchte meine Ausführungen zu Ende führen. Herr Hauff kann ja anschließend sprechen.
    Wo kämen wir hin, Herr Kollege Vogel, wenn die Genehmigungsbehörden nach Stimmung in der öffentlichen Meinung entschieden bzw. nicht entschieden?

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer verlangt das denn?)

    — Wir werden immer dazu aufgefordert. — Sie haben gesagt, wir sollten nicht so starrsinnig sein. Dann kommen Sie bitte noch einmal hierher und sagen, was Sie damit meinen. Wenn Sie damit gemeint haben sollten, daß wir die Inbetriebnahme verweigern sollen, dann wäre das nichts anderes als eine Aufforderung zum Rechtsbruch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Was mich daran stört, ist nicht die Frage, ob etwa die Landesregierung von Niedersachsen hier Schadensersatz leisten müßte und ob wir irgend jemanden fänden, der uns vielleicht die Geldsumme ersetzt, sondern wir werden aus Rechtsgründen auf keinen Fall etwas tun, was unserer Auffassung von der richtigen Anwendung des Gesetzes widerspricht.

    (Zuruf der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    Ich möchte den Damen und Herren Abgeordneten dieses Hohen Hauses gerne sagen: Das ist nicht eine Mißachtung des Parlaments; das ist der Respekt vor dem Gesetzgeber. Weil wir einen solchen Respekt vor der hohen Funktion dieses Hohen Hauses haben, werden wir uns bemühen, die Gesetze, die dieses Hohe Haus gemacht hat, skrupulös einzuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Nickels [GRÜNE]: Sie sparen nur einige Paragraphen aus, die Ihnen nicht gefallen! — Zurufe von der SPD)

    Die Bundesregierung und die Landesregierung haben ein Paket geschnürt, das dem Unternehmen weit mehr auferlegt, als das Gesetz vorsieht. Wir bedanken uns bei dem Unternehmern dafür,

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Ein sehr höfliches Verhältnis!)

    daß diese Übereinkunft möglich ist. Dies entspricht nach meiner Überzeugung genau der Verhandlungslinie, die durch die Entschließung des Deutschen Bundestages von Ende Juni dieses Jahres vorgezeichnet ist.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich sage hier noch einmal, daß die niedersächsische Landesregierung es begrüßt hat, daß auf Grund dieser Entschließung des Deutschen Bundestags die Arbeiten zusammen mit der Bundesregierung und nicht zuletzt auch das finanzielle Engagement des Bundes es möglich gemacht haben, eine wirklich noch viel bessere Lösung zu entwickeln; eine Lösung, die eine sofortige und erhebliche Verbesserung der Umwelt mit sich bringt. Es ist eine Lösung, die aber auch die Arbeitsplätze der Menschen im Helmstedter Raum sichert. Niemand wird entlassen.
    Meine Bitte zum Schluß an das Hohe Haus lautet, doch nicht zu vergessen, daß es sich hier wirklich um Tausende von Familien handelt, die jetzt wahrscheinlich am Fernseher sitzen und darauf warten, was der Bundestag heute entscheiden wird und wie er sich zu Buschhaus einläßt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    — Herr Kollege Ehmke, ich möchte Ihnen auch folgendes sagen: Diese Familien wollen nicht nur, daß Buschhaus in Betrieb geht, sondern die Arbeitskräfte wollen ihre Arbeit dort mit gutem Gewissen tun. Sie wollen nicht die Prügelknaben der ganzen Nation sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Albrecht, der Arbeiterfreund! Das kann man ja kaum anhören, was Sie da sagen! — Zurufe von der SPD)




    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    Deshalb bitte ich — weil sie ja hier selber nicht sprechen können —, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten noch einmal den Appell vorlesen zu dürfen, den sie an den Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit der heutigen Sitzung gerichtet haben.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Lieber nicht! — Zurufe von der CDU/CSU: Zuhören, Herr Vogel!)

    Da heißt es:
    Die Belegschaft der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke hat es 1976 sehr begrüßt, daß damals die sozialliberale Bundesregierung der Helmstedter Salzbraunkohle die Förderungsfähigkeit nach den Bestimmungen des Kohleverstromungsgesetzes durch einen Beschluß des Bundestages hatte zuerkennen lassen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Dadurch wurden die Bemühungen des Betriebsrates und der Arbeitnehmerseite im Montan-mitbestimmten Aufsichtsrat der BKB um eine Fortsetzung des Helmstedter Braunkohlenbergbaus bis weit über das Jahr 2000 hinaus nachträglich unterstützt und die Arbeitsplätze für diese Region durch das Salzbraunkohleprojekt gesichert.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Ein ganz trauriges Kapitel!)

    Die Belegschaft der BKB hat es in diesen Wochen sehr begrüßt, daß die christlich-liberale Bundesregierung in logischer Fortsetzung der damaligen Arbeitsmarkt- und Kohlevorrangpolitik ernsthaft um die Ausarbeitung eines tragfähigen Kompromisses für die Inbetriebnahme des Kraftwerkes Buschhaus bemüht war. Dadurch ist es möglich, sowohl unsere Arbeitsplätze in einem weiterhin ertragsfähigen Unternehmen zu sichern als auch die im Laufe der letzten Jahre hinzugewonnenen Erkenntnisse über unabweisbar notwendige Umweltschutzmaßnahmen trotz entgegenstehender Rechtsansprüche des Unternehmens zur Geltung zu bringen. Entscheidende Grundlagen für diesen Kompromiß hat die niedersächsische Landesregierung geschaffen, wobei die Landesregierung bei den entsprechenden Verhandlungen mit dem Unternehmen über verstärkte Umweltschutzmaßnahmen die aktive Unterstützung des Betriebsrates und seiner Gewerkschaft erfahren hat.
    — Das ist wahr, und ich bedanke mich dafür. —
    Wenn darüber hinaus die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1984 dem Ziel dienen sollte, die Umweltbelastung zu vermindern und unsere Arbeitsplätze nicht zu vernichten, dann ist dies durch das vorliegende Verhandlungsergebnis erreicht worden.

    (Richtig! bei der CDU/CSU)

    Die Stellungnahme des Deutschen Bundestages zum Kraftwerk Buschhaus hat damit ihren Zweck erfüllt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Richtig!)

    Die Arbeitnehmer und ihre Familien im Helmstedter Revier würden jedoch kein Verständnis dafür haben, wenn angesichts dieser für Umwelt und Arbeitsplätze gleichermaßen erfolgreich verlaufenden Entwicklung die niedersächsische Landesregierung dennoch daran gehindert werden sollte, nach Recht und Gesetz sowie nach den Notwendigkeiten in der Region Helmstedt zu entscheiden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich, peinlich! — peinliche Stille dort drüben!)

    Der Ernst der Lage in unserer Region und die Unruhe unter unseren Belegschaftsmitgliedern und ihren Familien gebieten den Verzicht auf irgendwelche parteitaktischen Überlegungen,

    (Hört! Hört! bei den GRÜNEN — Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    zumal inzwischen nachweisbar eine Nichtinbetriebnahme des Kraftwerkes Buschhaus zu einem Nullergebnis für die Umwelt führt.
    Wir erwarten deshalb vom Deutschen Bundestag eine parteiübergreifende Koalition der Arbeitsplatzsicherung auf der Grundlage rational bestimmter Umweltschutzentscheidungen. Eine solche Koalition würde auch deutlich machen, daß sich die große Mehrheit des Deutschen Bundestages den prinzipiell industrie- und arbeitnehmerfeindlichen Zielen der GRÜNEN widersetzt

    (Zuruf von den GRÜNEN: Lüge! — Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU, Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    und die von dieser Minderheit im Deutschen Bundestag am 25. Mai 1984 bereits angekündigte Strategie des Ausstiegs aus der Braunkohle ablehnt.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Herr Albrecht, Sie haben doch mitgeschrieben. Das ist doch zu dünn!)

    Der Betriebsrat der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke, im Auftrag Walter Banse, Vorsitzender.
    Meine Damen und Herren, das sagt genau das, was heute zu sagen ist. Ich bitte das Hohe Haus und ich bitte auch die SPD-Fraktion, das noch einmal sehr sorgfältig zu wägen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)