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ID1008000200

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    Plenarprotokoll 10/80 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 80. Sitzung Bonn, Dienstag, den 31. Juli 1984 Inhalt: Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Fritz Sänger . . 5807 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Wex, der Abg. Frau Dr. Timm und des Abg. Rapp (Göppingen) . 5807 C Verzicht des Abg. Gobrecht, der Abg. Frau Dr. Czempiel und des Abg. Dr. Steger auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 5807 C Eintritt des Abg. Hansen (Hamburg), des Abg. Dr. Wieczorek und des Abg. Witek in den Deutschen Bundestag 5807 D Haltung der Bundesregierung zum Beschluß des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1984 (Inbetriebnahme des Kraftwerkes Buschhaus) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5808 A Dr. Vogel SPD 5812 D Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 5816 D Frau Schoppe GRÜNE 5822 D Dr. Dregger CDU/CSU 5824 D Mischnick FDP 5826 C Schröder (Hannover) SPD 5829 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 5833 A Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 5836 D Dr. Müller CDU/CSU 5839 B Bastian fraktionslos 5841 A Fellner CDU/CSU 5842 B Dr. Apel SPD 5844 A Baum FDP 5845 D Schäfer (Offenburg) SPD 5846 D Schmidt (Wattenscheid) SPD 5849 A Vetter, Senator des Landes Berlin . . 5850 A Stratmann GRÜNE 5850 C Vizepräsident Stücklen 5836 D Namentliche Abstimmung 5851 C Nächste Sitzung 5853 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5854* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5854* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 31. Juli 1984 5807 80. Sitzung Bonn, den 31. Juli 1984 Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt für Bahr 31. 7. Frau Dr. Bard 31. 7. Böhm (Melsungen) 31. 7. Bredehorn 31. 7. Buckpesch 31. 7. Dr. Corterier 31. 7. Curdt 31. 7. Daubertshäuser 31. 7. Dr. Diederich (Berlin) 31. 7. Eimer (Fürth) 31. 7. Dr. Feldmann 31. 7. Ganz (St. Wendel) 31. 7. Dr. Götz 31. 7. Frau Gottwald 31. 7. Frau Dr. Hamm-Brücher 31. 7. Handlos 31. 7. Huonker 31. 7. Dr. Hupka 31. 7. Junghans 31. 7. Kißlinger 31. 7. Linsmeier 31. 7. Dr. h. c. Lorenz 31. 7. Möllemann 31. 7. Polkehn 31. 7. Rappe (Hildesheim) 31. 7. Sander 31. 7. Sauter (Ichenhausen) 31. 7. Schmidt (München) 31. 7. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 31. 7. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 31. 7. Dr. Stark (Nürtingen) 31. 7. Frau Steinhauer 31. 7. Voigt (Sonthofen) 31. 7. Dr. Warrikoff 31. 7. Dr. Weng 31. 7. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Juni 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Erstes Gesetz zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes Gesetz über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Drittes Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (2. BZRÄndG) Viertes Gesetz zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes Gesetz über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1984 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1984) Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Vertrag vom 27. April 1983 zur Änderung des Vertrags vom 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutsch-österreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben Gesetz zu dem Abkommen vom 31. Januar 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Bau und die Unterhaltung einer Grenzbrücke über die Sauer zwischen den Gemeinden Langsur und Mertert Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Juni 1984 folgende Entschließung über die Sicherung von Ansprüchen aus Sozialplänen im Konkurs gefaßt: Der Bundesrat hält das geltende Konkursrecht, das Ansprüchen von Arbeitnehmern aus Sozialplänen im Konkurs des Arbeitgebers den letzten Rang noch hinter den staatlichen Steuerforderungen zuweist, für unbefriedigend und sozialpolitisch unvertretbar. Er bittet die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag, umgehend durch besondere gesetzliche Vorschriften auf eine zeitgerechte, den Interessen der Arbeitnehmer besser als bisher gerecht werdende und ausgewogene Regelung hinzuwirken. Da eine Reform des Insolvenzrechts nicht alsbald zu verwirklichen ist, muß kurzfristig eine Zwischenlösung angestrebt werden, die eine Gesamtreform nicht präjudiziert. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Juli 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" Erstes Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen Gesetz über Zulassungsverfahren bei natürlichen Mineralwässern Elftes Gesetz zur Änderung des Wehrsoldgesetzes Gesetz zur Änderung des Titels III der Gewerbeordnung und anderer gewerberechtlicher Vorschriften Erstes Gesetz zur Änderung des Durchführungsgesetzes EG-Richtlinien Funkstörungen Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. Juli 1982 zur Gründung der Europäischen Fernmeldesatellitenorganisation „EUTELSAT"
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1984 zu dem Kraftwerk Buschhaus möchte ich einleitend das Hohe Haus über die Verhandlungen und Vorschläge der Bundesregierung zur Verbesserung des Umweltschutzes und zur Sicherung der Arbeitsplätze unterrichten.
    In Weiterführung früherer Gespräche und Entscheidungen haben die zuständigen Bundesressorts in den letzten vier Wochen intensive Diskussionen mit dem Unternehmen Braunschweigische KohlenBergwerke AG — BKB — und der niedersächsischen Landesregierung, die für die Bau- und Betriebsgenehmigung zuständig ist, geführt. Der Bericht wird zeigen, daß die Bundesregierung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ihren Handlungsspielraum voll ausgeschöpft hat, um die Ziele der Entschließung des Bundestages zu verwirklichen.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Es ging um den Wortlaut!)

    Der tatsächlich gegebene Handlungsspielraum kann nicht ohne Einbeziehung der Vorgeschichte seit 1977 sowie unter Berücksichtigung der rechtlichen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten bewertet werden.
    Die Bundesregierung ist in dem Beschluß vom 28. Juni 1984 insbesondere, wie die schriftliche Begründung deutlich macht, in ihrer Funktion als Anteilseigner an den Braunschweigischen KohlenBergwerken AG angesprochen worden. Das ist auch der Grund, weshalb ich als der für Bundesbeteiligungen zuständige Minister heute diesen Bericht abgebe. Nach intensiver Vorerörterung haben Vorstand und Aufsichtsrat der BKB in den Jahren 1977 bis 1979 die erforderlichen Beschlüsse für den Bau des Kohlekraftwerks Buschhaus gefaßt. Das Land Niedersachsen genehmigte nach einem förmlichen Verfahren entsprechend den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zunächst mit Vorbescheid vom 12. Oktober 1978 den Standort Buschhaus. Der Aufsichtsrat stimmte dem Vorhaben am 27. November 1978 zunächst mit dem Vorbehalt zu, daß die Anträge auf finanzielle Förderung von der Bundesregierung bewilligt würden. Nachdem dies erfolgt war, gab der Aufsichtsrat am 8. Mai 1979 einstimmig, also mit der Stimme des Vertreters der Bundesregierung, seine Zustimmung.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Das Projekt Buschhaus fand auch in der Öffentlichkeit vollen Rückhalt und breiteste Zustimmung.
    Damals — es ist nicht lange her — schien es unter dem Schock der Ölkrise unumgänglich zu sein, die heimischen Energiequellen, zu denen auch die Salzkohle gehört, im Interesse der Verringerung unserer Abhängigkeit vom importierten Erdöl maximal zu nutzen. Man ging davon aus, daß dies bei der Salzkohle nach dem Stand der Technik nur ohne Entschwefelung möglich sei. Andererseits waren die Gefahren der Schwefeldioxidemission allen Beteiligten noch nicht im heutigen Umfang bewußt. Kritik an neuen Energieanlagen äußerte sich ja in der zweiten Hälfte der 70er Jahre emotional nur im Hinblick auf den Bau von Kernkraftwerken,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    mit bedenklicher Einseitigkeit und Übersteigerung, wie wir heute bei der wachsenden Problematik einer ausschließlichen Verwendung fossiler Brennstoffe feststellen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Regionalpolitisch ging es bei jenen Entscheidungen um die Erhaltung von fast tausend Arbeitsplätzen im strukturschwachen Zonenrandgebiet um Helmstedt.
    Buschhaus, meine Damen und Herren, erschien so wichtig, daß die damalige Bundesregierung und das Parlament tätig wurden. So haben Bundestag und Bundesrat im Herbst 1980 einmütig das Verstromungsgesetz vom 13. Dezember 1974 geändert, um auch öffentliche Hilfen für den Einsatz von Braunkohle, speziell Salzbraunkohle, zu ermöglichen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Diese Novellierung ist in der beteiligten Fachwelt, in den beteiligten Fachverwaltungen ausdrücklich als sogenannte Lex Buschhaus bezeichnet worden.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Seit dem Herbst 1980 sind gut dreieinhalb Jahre vergangen. Das ist eine zu kurze Zeit, um ein Kraftwerk heute zum negativen Symbol für angeblich verantwortungsloses Handeln zu machen, das damals gefordert, gefördert und sogar Anlaß für eine Änderung des geltenden Rechtes war.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Es erscheint mir im Hinblick auf den heutigen Handlungsspielraum der Bundesregierung auch notwendig, kurz die Beteiligungsverhältnisse bei der BKB darzustellen; denn der Bund hat im Gegensatz zu einzelnen öffentlichen Behauptungen aktienrechtlich keine Mehrheitsbeteiligung und somit auch keinen beherrschenden Einfluß.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Sperrminoritäten!)

    — Das kommt alles; seien Sie geduldig. — Er ist zwar über die VIAG zu 49,9 % an den Braunschweigischen Kohlen-Bergwerken beteiligt; die übrigen 50,1 % befinden sich jedoch zu 0,2 % in Händen freier



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Aktionäre und zu 49,9% im Eigentum der Preußenelektra AG Hannover.

    (Krizsan [GRÜNE]: Und wer ist daran beteiligt?)

    Die VEBA wiederum hat an der Preußenelektra einen Anteil von 86,5%.

    (Kriszan [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Die Beteiligung des Bundes an der VEBA beschränkt sich jedoch auf 30 %.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    — Man braucht, Herr Kollege, kein Aktienrechtler zu sein, man braucht nur Kopfrechnen zu können, um zu wissen, daß sich hieraus kein beherrschender Einfluß des Bundes ergeben kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN)

    — Ich stelle nur Tatsachen klar, die, wie ich glaube, für die Unterrichtung des Hohen Hauses und der Öffentlichkeit wichtig sind. Ich habe nicht in allen Pressemitteilungen aus der Mitte des Hohen Hauses den Eindruck gewonnen, daß das hinreichend bekannt ist oder beachtet wurde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt leider!)

    Für die BKB gilt die Montanmitbestimmung. Von den 15 Aufsichtsratsmitgliedern sind sieben Vertreter der Arbeitnehmer. Unter den sieben Aktionärsvertretern befinden sich gegenwärtig zwei Beamte der Bundesregierung. Rechtlich hat der Vorstand die Gesellschaft nach § 76 des Aktiengesetzes — ich zitiere — „unter eigener Verantwortung zu leiten". Er kann übrigens in „Fragen der Geschäftsführung" weder vom Aufsichtsrat noch von der Hauptversammlung angewiesen werden.
    Jeder wird verstehen, daß sich die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der BKB in erster Linie von der Sorge um die Arbeitsplätze leiten lassen. Wir nehmen die Mitbestimmung und die Sorgen dieser Arbeitnehmer ernst. Man kann nicht die auf dem Privateigentum beruhende Wirtschaftsordnung und die Mitbestimmung bejahen und in Festreden preisen und dann so tun, als ob die Bundesregierung bei der BKB frei schalten und walten könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Entschließung des Deutschen Bundestages hat übrigens diese Grenzen gesehen und daher der Bundesregierung aufgegeben, sich für die im einzelnen genannten Maßnahmen „einzusetzen".

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Vorsichtig formuliert!)

    Bei dieser Formulierung hatten wir als Bundesregierung kein Problem, sie als Auftrag zu übernehmen. Wenn man uns aufgefordert hätte, bestimmte Maßnahmen durchzusetzen, hätten wir bei der geschilderten Rechtslage widersprechen müssen.
    Meine Damen und Herren, in der jüngsten Vergangenheit hat sich die Erkenntnis von der ernsthaften Umweltgefährdung durch gleichbleibende oder gar noch wachsende Emissionen in der deutschen Öffentlichkeit durchgesetzt. Diese Bundesregierung verwirklichte insbesondere mit der Groß-feuerungsanlagen -Verordnung und der Neufassung der Technischen Anleitung Luft wesentlich schärfere und anspruchsvollere Regelungen. Auf diesem Wege eines wirksameren Umweltschutzes möchten wir auch in neuen rechtlichen Normen weiter vorangehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nach der sorgfältig begründeten Rechtsauffassung der niedersächsischen Landesregierung als der zuständigen Genehmigungsbehörde bleibt der Anspruch der BKB auf die Betriebsgenehmigung für Buschhaus jedoch bestehen. Hier ist nach fast sieben Jahren Planungs- und Bauzeit ein modernes Kohlekraftwerk für rund 880 Millionen DM mit finanzieller Förderung des Bundes erstellt worden, das nach Auffassung der Verantwortlichen des Unternehmens jetzt in Betrieb genommen werden muß.
    Niedersachsen entwickelte seit Anfang dieses Jahres vor allem in direkten Gesprächen mit dem Betreiber ein erstes Konzept zur Begrenzung der Umweltbelastung im Helmstedter Raum. Die Bundesregierung hat insbesondere auf Grund eines neuen wissenschaftlichen Gutachtens von Anfang dieses Jahres die sich erstmals abzeichnende Möglichkeit für eine Rauchgasentschwefelungsanlage in Buschhaus — also für Salzkohle — begrüßt und von Anfang an ihre Bereitschaft zur Förderung erklärt.
    Bereits vor den Initiativen im Deutschen Bundestag haben der Bundesinnenminister und ich bei den Haushaltsverhandlungen für 1985 und die mittelfristige Finanzplanung fest vereinbart, einen Bundeszuschuß von zunächst 60 Millionen DM für dieses Vorhaben einzuplanen.
    Zu dem genannten Niedersachsen-Konzept gehörte — wie bereits zuvor in Aussicht genommen — auch die Überführung des besonders umweltbelastenden alten Kraftwerks Offleben I in die Kaltreserve. Bereits dieser Niedersachsen-Plan — vor jeder Debatte hier im Bundestag — sollte zu einer Verringerung der derzeitigen Schwefeldioxidemission in jener Region führen.
    Nach dem Beschluß des Bundestages haben die Bundesressorts unverzüglich Gespräche mit dem BKB-Vorstand aufgenommen. Der Vorstand dieses Unternehmens berichtete uns am 12. Juli: Der Verzicht auf die Inbetriebnahme von Buschhaus mit Salzbraunkohle bis zum Einbau einer Rauchgasentschwefelungsanlage mache die Inbetriebhaltung des Kraftwerks Offleben I und das Fahren beider Offlebener Kraftwerke mit höherer Leistung notwendig. Die Folge sei, daß die Emission von Schwefeldioxid gegenüber dem Stand von 1982 — 145 000 Jahrestonnen — mindestens beibehalten, eventuell noch gesteigert werde. Bei Nichtinbetriebnahme von Buschhaus würden kurzfristig 436 Arbeitsplätze — insbesondere im Bergbau — entfallen. Ferner sei eine Verschlechterung der Erlöse vor Steuern im Zeitraum von 1984 bis 1993 von mehr als 600 Millionen DM zu erwarten.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Die anschließenden intensiven Erörterungen der Bundesressorts mit dem Unternehmen, auch dem Land führten dann zu folgendem Ergebnis: Für die Kraftwerke Buschhaus und Offleben II — dort Block C — sollen unter Beachtung der erforderlichen Genehmigungsverfahren unverzüglich Rauchgasentschwefelungsanlagen mit dem bestmöglichen Wirkungsgrad in Auftrag gegeben werden. Das Kraftwerk Buschhaus wird sofort in Betrieb genommen, bis zum Einsatz der neuen Rauchgasentschwefelungsanlage jedoch nicht mit der sehr schwefelhaltigen Salzbraunkohle,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist entscheidend!)

    sondern der Normal-Braunkohle aus dem Helmstedter Raum. Dies ist sicher eine sehr entscheidende Veränderung im Konzept, auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes.
    Meine Damen und Herren, eine Realisierung dieses Konzeptes würde die Schwefeldioxidbelastung sofort von 145 000 auf 125 000 Jahrestonnen senken. In den 90er Jahren zeichnet sich danach ein Rückgang auf etwa 7% der heutigen Umweltbelastung ab.
    Nach den Beratungen im Innenausschuß des Bundestages am 27. Juli — die Bundesregierung hat ihre Entscheidung bewußt ausgesetzt, um diese Beratungen in die Meinungsbildung einzubeziehen —ist der skizzierte Vorschlag in drei Punkten weiterentwickelt worden.
    Eine verstärkte Nutzung von Buschhaus und eine entsprechende Zurückführung des Betriebs von Offleben II sollen den Ausstoß von Schwefeldioxid unverzüglich um weitere 5 000 Jahrestonnen verringern. Die Anwendung eines Entschwefelungsverfahrens auf Kalkbasis für zwei alte Blöcke des Kraftwerks Offleben II soll ab 1986 die Gesamtemission zusätzlich um 6 500 t reduzieren. Schließlich ist vorgesehen, daß die Rauchgasentschwefelungsanlage für Buschhaus bereits zum 30. Juni 1987 fertiggestellt wird.
    So wird es möglich sein, zu einer grundlegenden Verbesserung der Umweltsituation zu kommen. Denn der Stufenplan bewirkt bereits im ersten Schritt einen Rückgang der Gesamtemission von 145 000 auf nunmehr 120 000 Jahrestonnen. Ab 1986 ist eine Verringerung auf rund 113 500 vorgesehen. Ab Mitte 1987 sinkt diese Zahl mit der Inbetriebnahme der Rauchgasentschwefelungsanlage deutlich auf weniger als 35 000 und ab 1993, wenn die beiden alten Blöcke Offleben stillgelegt werden, sogar auf etwa 9 000 Jahrestonnen ab.
    Meine Damen und Herren, diese Lösung setzt allerdings erhebliche zusätzliche finanzielle Leistungen des Unternehmens und der öffentlichen Hand voraus. Die BKB haben zunächst beträchtliche Aufwendungen für den Anschluß der Normalbraunkohlefelder an das Kraftwerk Buschhaus zu leisten. Darüber hinaus werden sie neben den Erlösverzichten auf Grund zeitweilig geringerer Stromerzeugung allein durch die Rauchgasentschwefelungsanlage Investitionskosten von rund 140 Millionen DM tragen.

    (Krizsan [GRÜNE]: Wird denn der Strom gebraucht?)

    Aus dem Bundeshaushalt sind zunächst Zuschüsse von 140 Millionen DM vorgesehen gewesen. Sie werden sich um rund 50 Millionen DM für die zusätzlichen Aufwendungen bei der Einführung des Kalkentschwefelungsverfahrens erhöhen. Die Zuordnung der Betriebskosten für diese Anlage — rund 60 Millionen DM bis zum Jahre 1993 — bedarf noch einer Klärung. Das Land Niedersachsen hat sich bereit erklärt, bis zu 52 Millionen DM zur Verfügung zu stellen.
    Ich möchte auch in diesem Zusammenhang — wenn wir über Geld reden — betonen, daß es sich bei den aktuellen Entscheidungen um Buschhaus um einen singulären Vorgang handelt. Es gibt kein im Bau befindliches bzw. jetzt fertiggestelltes Kohlekraftwerk, das in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht vergleichbar ist.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

    Meine Damen und Herren, dieser Bericht sollte deutlich machen: Der jetzt entwickelte Plan für Buschhaus und Offleben bewirkt dreierlei: Die Umweltsituation wird sofort verbessert, in weiteren Stufen dann in Größenordnungen, die vorbildlich für andere Regionen bei uns und in Europa werden können. Wir wären doch froh, wenn wir in anderen Bergbauregionen — insbesondere im Braunkohlegebiet der DDR — auch nur im Ansatz vergleichbare Absenkungen von Emissionen in den nächsten Jahren erwarten könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Einvernehmen über die beschleunigte Nutzung modernster fortgeschrittener Entschwefelungstechniken sollte wegweisend für andere betroffene Regionen sein.
    Die Arbeitsplätze des Unternehmens, insbesondere im Bergbau, werden gesichert. Das dargestellte Konzept führt zu einer Verringerung um 59 Mitarbeiter

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wie lange gibt es da noch Arbeitsplätze?)

    ohne Entlassungen statt eines sofortigen Verlustes von 436 Arbeitsplätzen bei einem Verzicht auf die Inbetriebnahme von Buschhaus.
    Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, daß wir mit den getroffenen Vereinbarungen und den genannten Maßnahmen uneingeschränkt die politischen Ziele des Bundestagsbeschlusses erfüllen. Wir erreichen nicht nur, sondern übertreffen mittelfristig die in Ziffer 2 und 3 des Beschlusses formulierten Werte zur Verringerung der Umweltbelastung. Wir entsprechen der Aufforderung in Ziffer 4, den Belangen der Arbeitnehmer gerecht zu werden. Wir nutzen, wie in Ziffer 5 erwartet, alle Möglichkeiten finanzieller Unterstützung.
    Das Konzept der Bundesregierung ist deshalb von vielen unmittelbar Beteiligten und zahlreichen Interessierten — sowohl dem Betriebsrat des Un-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    ternehmens und den Vertretern der regionalen kommunalen Selbstverwaltung als auch dem Deutschen Gewerkschaftsbund und anderen — ausdrücklich begrüßt und unterstützt worden.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß diese eindringlichen Appelle ihren Widerhall auch in den heutigen Beiträgen der Opposition finden werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die sorgfältige Prüfung hat ergeben, daß wir diesen genannten umweit- und arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen dienen, wenn Buschhaus jetzt in Betrieb genommen wird und damit die wesentlich umweltbelastenderen alten Kraftwerke Offleben zurückgefahren bzw. in die Kaltreserve überführt werden.
    Ich will hier einmal in freier Rede offen folgendes sagen. Mich hat an der politischen Diskussion und an einem Teil der publizistischen Diskussion der letzten Wochen eines in Staunen versetzt: daß hier ein neues, modernes Kohlekraftwerk, dessen Entstehungsgeschichte, auch mit den politischen Entscheidungen etwa der heutigen sozialdemokratischen Opposition, ich kurz geschildert habe, von bestimmten Kräften zum Symbol der Umweltverschmutzung hochstilisiert wird, während über die benachbarten alten, wirklich umweltschädlichen Kohlekraftwerke in der deutschen Öffentlichkeit überhaupt nicht geredet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Dies ist irrational. Es ist eine Verzeichnung der wirklichen Umweltprobleme.

    (Erneute Zurufe von den GRÜNEN)

    — Ich kann Ihre pausenlosen Zwischenrufe leider nicht verstehen. Aber Sie haben Gelegenheit, sich zu äußern.
    Es ist eine Verzeichnung der wirklichen Umweltprobleme im Helmstedter Raum und darüber hinaus.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Reden Sie doch mal von den Umweltproblemen! — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    — Ich erläutere unsere Entscheidung auf Grund dieses Beschlusses und komme gleich noch auf Ziffer 1.
    Ich habe erwähnt, daß Bund und Land bereits vor dem Beschluß des Bundestags mit wesentlichen ersten Ergebnissen tätig geworden sind. Ich muß, Herr Ehmke, unseren Kritikern aus der SPD sagen, daß sich nach den Akten in den Jahren seit 1977 die verantwortlichen Spitzen der Ressorts niemals so intensiv mit diesen Problemen des Umweltschutzes und des Arbeitsmarkts im Raum Helmstedt beschäftigt haben wie wir in den letzten Monaten.
    Ich will zur Vorgeschichte sonst nicht viel sagen. Ich könnte da Anmerkungen zu manchen prominenten Politikern in Ihren Reihen machen.

    (Zuruf der Abg. Frau Schoppe [GRÜNE])

    Ich will hinzufügen, Herr Ehmke: Aber die Initiative des Hohen Hauses von Ende Juni führte in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen und dem Land zu weiteren erheblichen Verbesserungen. Wir alle haben auch in dieser letzten Zeit neue Einsichten gewonnen. Ich stehe nicht an, Herr Kollege Vogel, weil ich ja vermute, daß das Thema „Respekt vor dem Parlament" eine große Rolle bei Ihnen spielen wird,

    (Zuruf der Abg. Frau Schoppe [GRÜNE])

    Ihnen hier ganz offen zu sagen: Ich habe am 28. Juni auch nicht alle komplizierten Details so übersehen, wie ich es heute auf Grund der intensiven Beratungen der letzten Wochen tue. Es steht doch niemandem schlecht an, dies offen zu sagen. Wer von Ihnen sagen kann, daß er die Einzelheiten der Emissionsbelastung, die technischen Probleme einer Rauchgasentschwefelungsanlage, die es in der Welt überhaupt noch nicht gibt, weil sie in einem Salzkohlegebiet angewandt werden soll, die Fragen der Wechselwirkungen zwischen Offleben I und II und Buschhaus und den verschiedenen Blök-ken, wer das alles am 28. Juni im Deutschen Bundestag schon komplett übersehen hat, genießt meinen großen Respekt. Aber zur Zeit muß ich ihn in diesem Hause noch finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die wissen es heute noch nicht!)

    Deswegen sage ich: Auch wir haben in den letzten Wochen hinzugelernt.

    (Zurufe des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] und der Abg. Frau Schoppe [GRÜNE])

    Deswegen habe ich ja, Herr Kollege Ehmke, diese Entschließung des Deutschen Bundestags ausdrücklich und ohne Vorbehalt nicht nur aus Gründen des Respekts auch in ihren weiterführenden Wirkungen gewürdigt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ehmke weiß es heute noch nicht!)

    So bewirkte die Diskussion auf Grund der Ziffer 1 des Beschlusses, daß in Buschhaus bis zum Einbau der Rauchgasentschwefelungsanlage nicht die schwefelhaltige Salzkohle, sondern — allerdings mit erheblichen Mehrkosten für das Unternehmen — Braunkohle eingesetzt wird.
    Wer aber von der Bundesregierung oder der zuständigen Landesregierung unter Berufung auf diese Ziffer 1 jetzt noch verlangen sollte, daß Buschhaus nicht in Betrieb geht, tritt im Ergebnis für erheblich stärkere Umweltbelastungen, den Verlust von vielen Arbeitsplätzen und nachhaltige finanzielle Mehraufwendungen in den nächsten Jahren ein.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist nicht wahr!)

    Es ist bei diesem Ergebnis deshalb abwegig, der Bundesregierung eine Mißachtung des Parlaments vorzuwerfen. Ich muß das hier in aller Klarheit sagen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Daß die Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke — ich sage das vorsorglich auf Grund Ihrer Zwischenrufe — nicht darauf verzichten können, auch wenn sie jetzt vorübergehend die Stromerzeugung reduzieren, Strom zu produzieren, hängt mit der Aufgabe des Vorstands zusammen, die Existenz des Betriebs und die Sicherheit der Arbeitsplätze zu gewährleisten.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Produktion wird mehrere Jahre zurückgeführt. Aber sie kann nur an eine Grenze zurückgeführt werden, an der der Betrieb rentabel, lebensfähig bleibt und an der die arbeitsmarktpolitischen Ziele, die auch in der Entschließung des Deutschen Bundestages eine zentrale Rolle spielten, nicht gefährdet werden.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Bei der Auseinandersetzung um Buschhaus — lassen Sie mich das abschließend sagen — verbinden sich Grundsatzfragen der Energie-, Umweltschutz- und Rechtspolitik in einer wirklich bemerkenswerten Weise. Vor allem im Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einerseits und Umweltschutzpolitik andererseits wird es immer wieder Spannungsfelder und die Notwendigkeit eines gewissenhaften Abwägens der Güter geben. Die siebenjährige Diskussion über Buschhaus, deren Hauptstationen ich kurz aufgezeigt habe,

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Ein Skandal nach dem anderen ist das gewesen!)

    macht deutlich, wie sich Einsichten, Prioritäten und technologische Entwicklungen ändern können. Dem haben wir sicher politisch Rechnung zu tragen. Aber wir können nicht die weiterreichenden Wirkungen getroffener Grundsatzentscheidungen einfach verleugnen oder in Frage stellen.
    Insbesondere in der Energiepolitik wie in anderen zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge muß in langen Fristen gedacht und verläßlich geplant werden.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: O ja, das ist es! Gucken Sie sich Ihre Praxis an, die langen Fristen und Ihre Perspektiven!)

    Kohlevorrangpolitik und Sicherheit der Arbeitsplätze sind bis heute Kernpunkte der Programme aller demokratischen Parteien. Niemand sollte das in der Erregung eines Tages vergessen.
    Vor allem dürfen wir bei dem notwendigen Ausgleich zwischen unserem wichtigsten Ziel der Wirtschaftspolitik einerseits und der Umweltschutzpolitik andererseits das Feld nicht den schrecklichen Vereinfachern überlassen. Die Fähigkeit zum vernünftigen Ausgleich, zur Synthese, zur schöpferischen Verständigung ist gefordert.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Lassen Sie einmal die Schöpfung aus dem Spiel!)

    — Ja. — Wir gefährden sie, wenn primitive Schlagworte, haltlose Verdächtigungen oder bloße Vorurteile die Auseinandersetzung prägen würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Umweltschutz ist kein Vorurteil!)

    Zur Daseinsvorsorge gehört auch die Verläßlichkeit.

    (Stratmann [GRÜNE]: Das müssen gerade Sie sagen!)

    — Ich habe in der energiepolitischen Diskussion der letzten zehn Jahre — auch in anderen Funktionen — bewiesen, daß ich einmal mit der damaligen Bundesregierung abgesprochene, von ihr erwünschte Entscheidungen auch vertrete. Es ist doch nicht das erste Mal, daß ich dazu zu reden habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zur Daseinsvorsorge gehört das Vertrauen in die Rechtsordnung ebenso wie die Fähigkeit der Politiker, dazuzulernen, ohne heute zu vergessen, was man gestern selbst mitbeschlossen hat.

    (Zurufe von der SPD)

    In diesem Verständnis glauben wir, mit dieser Lösung die von unseren Vorgängern übernommenen Verpflichtungen im Kern zu erfüllen und zugleich auch neuen Forderungen, wie sie im Beschluß des Deutschen Bundestages ihren Ausdruck finden, gerecht zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben sich heute auf Antrag meiner Fraktion zu einer Sondersitzung versammelt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ein solcher Antrag ist kein alltägliches parlamentarisches Ereignis. Vielmehr müssen schwerwiegende Gründe einen solchen Antrag rechtfertigen. Diese Gründe liegen vor.

    (Beifall bei der SPD)

    Die heutige Sitzung ist notwendig, weil die Selbstachtung und das Ansehen des Parlaments auf dem Spiel stehen.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜNEN)

    Der Deutsche Bundestag muß deutlich machen, welches Gewicht er seinen eigenen Beschlüssen eigentlich beimißt. Er muß darüber wachen, daß andere Verfassungsorgane seine Willenserklärungen und Willensäußerungen ernst nehmen. Sonst gefährden wir selbst die zentrale Funktion, die der Volksvertretung in einer parlamentarischen Demokratie zukommt.
    Es wäre deshalb richtig gewesen, nein, es wäre geboten gewesen, daß die Bundesregierung von sich aus die Initiative ergriffen und von sich aus zur



    Dr. Vogel
    Darlegung ihres Standpunktes eine Sitzung des Parlaments beantragt und eine beratungsfähige Vorlage unterbreitet hätte, wenn sie schon der Meinung ist, daß sie dem Beschluß vom 28. Juni 1984 nicht entsprechen kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Deutsche Bundestag — um es ganz deutlich zu sagen — ist der gewählte Repräsentant unseres Volkes, also des Souveräns, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, und nicht der Befehlsempfänger der Bundesregierung oder gar der niedersächsischen Landesregierung.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Die Sitzung ist aber auch von der Sache her notwendig; denn es geht nicht allein um Buschhaus. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik des Bundestages und der Bundesregierung. Es geht darum, ob unser Volk darauf vertrauen kann, daß wir der fortschreitenden Zerstörung unserer Umwelt nicht nur mit Reden begegnen, sondern ihr auch Taten entgegensetzen

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    und — meine Damen und Herren, das sage ich in alle Richtungen des Hauses — daß wir dabei auch bereit sind, frühere Fehler zu korrigieren.
    Der Beschluß vom 28. Juni 1984 war doch kein parlamentarischer Betriebsunfall oder ein unüberlegter Schnellschuß. Dem Beschluß sind doch langwierige Verhandlungen zwischen den Fraktionen dieses Hauses vorausgegangen. Sie, Herr Kollege Schäuble, haben dabei mit Ihren niedersächsischen Freunden doch sicher ebenso Verbindung gehalten wie wir mit den unseren. Nein, der Beschluß ist deshalb in seinem Inhalt mit der nahezu einstimmigen Billigung aller Fraktionen zustande gekommen, weil wir alle uns inzwischen der elementaren Bedeutung bewußt sind, die der Rettung unserer Wälder und der Verhinderung jeder weiteren Zerstörung unserer Umwelt zukommt, weil wir endlich erkannt haben, daß es auf diesem Gebiet eine Minute vor zwölf ist, daß wir unverzüglich mit der Natur Frieden schließen müssen — Einsichten, die es so in den 70er Jahren eben noch nicht gegeben hat,

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Als Sie an der Regierung waren!)

    die uns aber heute gemeinsam sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Aus dieser Erkenntnis heraus hat der Deutsche Bundestag am 28. Juni 1984 drei Forderungen erhoben, nämlich erstens: das Kraftwerk Buschhaus darf erst nach Einbau einer Rauchgasentschwefelungsanlage mit dem bestmöglichen Wirkungsgrad in Betrieb genommen werden; zweitens: die Beschäftigung der Arbeitnehmer ist auch bis zu diesem Zeitpunkt sicherzustellen; drittens: die bisherige Schwefeldioxidgesamtemission ist bereits vor 1988 deutlich zu reduzieren.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Warum nicht heute?)

    Der ersten Forderung kam dabei zentrale Bedeutung zu; denn die Gesellschaft, die Buschhaus errichtet hat und jetzt betreiben will, ist ja nicht irgendeine Gesellschaft. Ihr Aktienkapital gehört vielmehr — auf dem von Ihnen, Herr Kollege Stoltenberg, erläuterten Wege über den bundeseigenen VIAG- und den VEBA-Konzern, an dem der Bund beteiligt ist — zum größeren Teil dem Bund selbst. Sie haben das ja auch dadurch bestätigt, daß hier für die Bundesregierung nicht etwa der Umweltminister oder der Wirtschaftsminister, sondern der für die Beteiligungen und das Eigentum des Bundes zuständige Finanzminister die Erklärung abgegeben hat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Der Bundestag wollte und konnte mit seiner Entschließung kein neues Recht setzen. Aber der Bundestag wollte unter allen Umständen verhindern, daß ein neues Kraftwerk, für das der Bund selbst eine besondere und weitgehende Verantwortung trägt, die Umwelt neuerdings mit Schwefeldioxid vergiftet, obwohl es heute technisch durchaus möglich ist, das zu verhindern. Das war der Wille des Deutschen Bundestages.
    Natürlich richtet sich dieser Beschluß politisch auch an die Adresse Niedersachsens und an die Adresse von Herrn Albrecht, dessen Taktik und zunehmender Starrsinn in dieser Sache schwer verständlich sind.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Aber der Beschluß richtet sich in erster Linie an die Bundesregierung wegen ihrer besonderen und speziellen Verantwortung für die Gesellschaft, die Buschhaus betreiben will.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren der Bundesregierung und der Koalition, wie wollen Sie, wie wollen wir als Bundestag denn in Zukunft von anderen Betreibern und erst recht von anderen Staaten, etwa von der DDR und der Tschechoslowakei, ein umweltfreundliches Verhalten, Rücksichtnahme auf die Natur, finanzielle Anstrengungen oder andere Opfer zur Verhinderung neuer Schadstoffbelastungen verlangen? Wie und mit welcher Legitimation wollen Sie eigentlich Kraftfahrzeughalter künftig dazu auffordern, freiwillig abgasarme Kraftfahrzeuge zu erwerben oder gar freiwillig Katalysatoren einzubauen, wenn der Bund da, wo er selbst betroffen ist, nicht nach diesen Grundsätzen beispielhaft handelt?

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist der Kern der Sache. Darum sprach ich vorhin davon, daß die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik, zumindest Ihrer Umweltpolitik, insgesamt auf dem Spiel steht.
    Hat denn Kollege Schmidbauer am 28. Juni 1984 nicht im Namen der CDU/CSU-Fraktion, also auch in Ihrem Namen, Herr Bundeskanzler, und in Ihrem Namen, Herr Kollege Stoltenberg, wörtlich gesagt: „Wir fordern die Bundesregierung auf, daß erstens das Kraftwerk Buschhaus nicht ohne Rauchgasentschwefelungsanlage in Betrieb genommen



    Dr. Vogel
    wird, und zwar mit dem bestmöglichen Wirkungsgrad", und hat er nicht noch hinzugefügt: „— bestmöglich, das heißt auch Optimierung zwischen Grenzwert und zeitlicher Realisierung"?
    Sie, Herr Kollege Baum, waren noch viel vollmundiger. Sie sagten: „Wir können es nicht zulassen, meine Damen und Herren, daß ein nagelneues Kraftwerk mit Emissionswerten in Betrieb geht, die diejenigen der ältesten Altanlagen noch überschreiten." An dieser Stelle — anders als heute — vermerkt das Protokoll „Beifall bei der FDP". Knapp vier Wochen ist das her.
    Dann fuhr der Kollege Baum fort: „Wie wollen wir, meine Damen und Herren, auf internationale Konferenzen gehen — wir haben ja gerade eine internationale Konferenz hinter uns —, wenn wir selbst zu Hause nicht das tun, was wir tun können? Insofern", so fuhr Herr Kollege Baum fort, „hat Buschhaus eine Symbol- und eine Signalwirkung. Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, daß Buschhaus erst dann in Betrieb geht, wenn die Nachrüstung erfolgt ist."

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Minister und Staatssekretäre haben weder am 8. Juni noch am 28. Juni gegen diesen zentralen Punkt der Entschließung ein Wort des Widerspruchs erhoben. Sie haben nicht das geringste Bedenken geltend gemacht, obwohl wir aus dem Munde des Bundesfinanzministers hören, daß er schon seit Monaten die Akten mit äußerster Akribie studiert hat. Kein Wort des Widerspruchs.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie haben wieder einmal nicht zugehört!)

    Sie haben bei der Abstimmung — das gilt für das ganze Kabinett und für Sie, Herr Bundeskanzler — gerade auch dieser Forderung zugestimmt. Jetzt sagen Sie, Sie müßten dieser klaren Willensäußerung des Parlaments zuwiderhandeln, weil sich die weitere Beschäftigung der Arbeitnehmer und die Reduzierung der Gesamtemissionen nur durch die sofortige Inbetriebnahme von Buschhaus sicherstellen ließe.