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    Plenarprotokoll 10/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 Inhalt: Gedenkworte für den verstorbenen sowjetischen Staats- und Parteichef Juri Andropow 3927 A Wahl des Abg. Dr. Klejdzinski zum stellvertretenden Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . 3927 B Ausscheiden des Abg. Bastian aus der Fraktion DIE GRÜNEN 3927 B Erweiterung der Tagesordnung 3927 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/988 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/1024 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/1028 — Roth (Gießen) CDU/CSU 3927 D Walther SPD 3928 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 3930 D Dr. Weng FDP 3933 C Namentliche Abstimmung 3935 A Beratung des Jahresgutachtens 1983/84 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 10/669 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1984 der Bundesregierung — Drucksache 10/952 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Wissmann, Hauser (Krefeld), Kraus, Doss, Dr. Lippold, Dr. Lammert, Lattmann, Dr. Schwörer, Müller (Wadern), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Unland, Niegel, Gerstein, Pfeffermann, Lenzer, Seesing, Günther, Krey, Dr. Bugl, Dr. Hoffacker, Eigen, Dr. Möller, Dr. Müller, Kroll-Schlüter, Tillmann, Weiß, Haungs, Hinsken, Frau Krone-Appuhn, Frau Geiger, Frau Will-Feld, Frau Verhülsdonk, Wilz, Bohl, Dr. Olderog, Sauter (Ichenhausen), Berger, Dr. Götz, Dr. Hornhues, Pohlmann, Magin, Dr. II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 Schroeder (Freiburg), Hedrich, Uldall, Jung (Lörrach), Dr. Stavenhagen, Dr. Friedmann, Dr. Laufs, Schwarz, Sauter (Stuttgart), Dr. Kunz (Weiden), Linsmeier und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Solms, Dr. Haussmann, Gattermann, Grünbeck, Hoffie, Wurbs, Dr. Weng, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Feldmann und der Fraktion der FDP Förderung der Bildung von Risikokapital — Drucksache 10/918 — Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3937B, 4020C, 4024 B Roth SPD 3947 C Dr. Dregger CDU/CSU 3955 C Dr. Jochimsen, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3962 B, 4022 D Dr. Haussmann FDP 3983 D Burgmann GRÜNE 3986 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3991 C Dr. Apel SPD 3997 A Handlos fraktionslos 4001 D Hauser (Krefeld) CDU/CSU 4004A Dr. Ehrenberg SPD 4005 D Dr. Solms FDP 4008 C Stratmann GRÜNE 4010A Wissmann CDU/CSU 4011 C Kraus CDU/CSU 4013 C Dr. Jens SPD 4015 B Gerstein CDU/CSU 4017 C Kittelmann CDU/CSU 4019A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/930 — Dr. Eyrich, Minister des Landes BadenWürttemberg 4025 A Kiehm SPD 4026 C Dr. Hirsch FDP 4027 B Hoss GRÜNE 4028 B Broll CDU/CSU 4029 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 10/964 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Rechts der Arbeitsförderung und der gesetzlichen Rentenversicherung an die Einführung von Vorruhestandsleistungen — Drucksache 10/965 — 4031 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1983 und zur Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1976 — Drucksache 10/462 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 10/935 — Schwenninger GRÜNE 4031 C Kittelmann CDU/CSU 4033 B Klose SPD 4033 C Dr. Rumpf FDP 4035 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1980 — Drucksache 10/265 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 10/999 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/1036 — 4035 D Beratung der Sammelübersicht 23 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 29. März bis 31. Dezember 1983 eingegangenen Petitionen — Drucksache 10/975 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/989 — 4036 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1723/81 hinsichtlich der Möglichkeit, Beihilfen für die Verwendung von Butter zur Herstellung bestimmter Lebensmittel zu gewähren Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1411/71 hinsichtlich des Fettgehalts der Trinkmilch Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung allgemeiner Regeln für die Gewährung von Beihilfen für zu Futterzwecken bestimmte eingedickte Milch Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1269/79 hinsichtlich der Bedingungen für den Absatz von für den Direktverbrauch bestimmter Butter zu ermäßigten Preisen - Drucksachen 10/595 Nr. 8, 10/977 - Fragestunde - Drucksache 10/1017 vom 17. Februar 1984 - Kurt Ziesel, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschland-Stiftung e. V., als Begleiter Bundeskanzlers Kohl auf dessen Israel-Reise MdlAnfr 4, 5 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Dr. Timm SPD Antw StSekr Boenisch BPA 3967 B, D, 3968 B, C, D, 3969 A, B, C, D, 3970 A, B, C, D ZusFr Frau Dr. Timm SPD . . . 3967D, 3968A,B ZusFr Lutz SPD 3968 C ZusFr Urbaniak SPD 3968 D ZusFr Krizsan GRÜNE 3968D, 3970 C ZusFr Stiegler SPD 3969A, 3970 B ZusFr Dr. Sperling SPD 3969B, C ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . 3969B, 3970 B ZusFr Dr. Scheer SPD 3969 D ZusFr Becker (Nienberge) SPD . . 3969D, 3970A ZusFr Frau Dr. Martiny-Glotz SPD . . . 3970 B Umfang der Arbeitnehmerüberlassung MdlAnfr 20, 21 17.02.84 Drs 10/1017 Kirschner SPD Antw PStSekr Vogt BMA . 3970D, 3971 A, B, C, D, 3972 A, B, C, D, 3973 A, B, C, D, 3974B, C ZusFr Kirschner SPD 3971 B, C, 3972 B ZusFr Frau Zutt SPD 3972 B ZusFr Peter (Kassel) SPD 3972C, D ZusFr Stiegler SPD 3972D, 3973C ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 3973A ZusFr Urbaniak SPD 3973B, C ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 3973D, 3974 A ZusFr Reimann SPD 3974 B,C Ausdehnung der bisher auf drei Monate begrenzten Höchstdauer bei der Arbeitnehmerüberlassung MdlAnfr 22, 23 17.02.84 Drs 10/1017 Peter (Kassel) SPD Antw PStSekr Vogt BMA . . 3974D, 3975 BC, D, 3976 A, B, C, D, 3977 A, B, C ZusFr Peter (Kassel) SPD . . . 3975 B, C, 3976A ZusFr Kirschner SPD 3975C, D ZusFr Lutz SPD 3976A, B ZusFr Stahl (Kempen) SPD 3976B, C ZusFr Dreßler SPD 3976 D ZusFr Dr. Penner SPD 3977 B ZusFr Urbaniak SPD 3977B, C Schaffung von Dauerarbeitsplätzen durch Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung und durch stärkere Bekämpfung der illegalen Beschäftigung MdlAnfr 24, 25 17.02.84 Drs 10/1017 von der Wiesche SPD Antw PStSekr Vogt BMA . 3977D, 3978 A, B, C, D, 3979 A, B, C, D, 3980 A, B, C, D, 3981A, B ZusFr von der Wiesche SPD . 3978 A, B, 3980B, C ZusFr Peter (Kassel) SPD . . . 3978B, 3981A ZusFr Lutz SPD 3978C, 3981 B ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 3978 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 3978 D ZusFr Kirschner SPD 3979B, 3980 D ZusFr Frau Dr. Martiny-Glotz SPD . . . 3979 C ZusFr Frau Fuchs (Köln) SPD 3979 D ZusFr Keller CDU/CSU 3980 D Äußerung des Bundesarbeitsministers über die Feststellbarkeit gesundheitlicher Teilarbeitsfähigkeit; Berücksichtigung betrieblicher Umstände bei der Feststellung einer Teilarbeitsfähigkeit durch den Arzt MdlAnfr 34, 35 17.02.84 Drs 10/1017 Urbaniak SPD Antw PStSekr Vogt BMA . 3981 C, D, 3982 A, C, D ZusFr Urbaniak SPD 3981C, 3982C, D ZusFr Lutz SPD 3981D, 3982A IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 Gesetzliche Absicherung sozialversicherungsrechtlich ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse MdlAnfr 36, 37 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD Antw PStSekr Vogt BMA . . . 3982D, 3983 A,C ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 3982 D, 3983 C Nächste Sitzung 4036 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4037* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 3927 56. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 4037* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24.2. Dr. Ahrens * 23.2. Bernrath 23. 2. Frau Blunck 24.2. Böhm (Melsungen) 24.2. Brosi 24. 2. Dr. Enders 24.2. Ertl 24.2. Hartmann 24. 2. Heyenn 24. 2. Jäger (Wangen) * 24.2. Dr. h. c. Lorenz 24. 2. Menzel 23.2. Möllemann 24.2. Neumann (Bramsche) * 24. 2. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 24.2. Spilker 23.2. Dr. Stark (Nürtingen) 24.2. Dr. Todenhöfer 24.2. Frau Dr. Wex 24.2. Weiskirch (Olpe) 24.2. Wischnewski 24.2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Kraus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So erfreulich die Aussagen des Jahreswirtschaftsberichts hinsichtlich der gelungenen Korrektur der Fehler der Vergangenheit und so erfreulich die Berichte über die anlaufende Konjunktur sind, so gibt es doch auch einige Schwachstellen und Risiken. Ich darf nur zwei Probleme herausgreifen, nämlich zum einen die Frage der Arbeitszeitverkürzung als arbeitsmarktpolitisches Instrument und zum anderen die Situation der Bauwirtschaft, deren Konjunktur ein sehr widersprüchliches Bild bietet.
    Natürlich ist klar, daß sich die verschiedenen Bereiche einer Volkswirtschaft nie in völligem Gleichschritt miteinander bewegen können. Die Bauwirtschaft ist in diesem Konjunkturzyklus im Gegensatz zu früher nicht Vorreiter, sondern Nachzügler der Konjunktur. Dabei ist immerhin zu beachten, daß in diesem Wirtschaftszweig 16% des Bruttosozialprodukts erarbeitet werden.
    Die konjunkturelle Lage in dieser Branche stellt sich zum Jahreswechsel sehr differenziert dar. Sie zeigt einen mehrfach gespaltenen Verlauf. Es gibt auch hier ein Süd-Nord-Gefälle, und es gibt eine völlig unterschiedlich verlaufende Entwicklung sowohl im Hoch- und Tiefbau als auch im Bereich des privaten Bauens und der öffentlichen Investitionen. Einer positiven Entwicklung im Wirtschafts- und Wohnungsbau steht eine unbefriedigende Entwicklung beim öffentlichen Bau gegenüber. Die Produktion beim Wohnungsbau stieg von Januar bis November des Jahres 1983 um 2,5%. Beim Wirtschaftsbau sank sie trotz guter Auftragseingänge um 1,9%. Beim öffentlichen Bau, der dritten Säule der deutschen Bautätigkeit, betrug die Reduzierung in diesem Zeitraum 9%.
    Ob bei der Produktion im öffentlichen Bau eine leichte reale Zunahme im Bereich des Möglichen liegt, wie die Bundesregierung nicht ausschließt, ist zweifelhaft. Im Gegenteil — das möchte ich hier auch sagen —: Der Bund hat im Jahre 1983 nach vorläufigen Rechnungsergebnissen fast 760 Millionen DM weniger für Baumaßnahmen ausgegeben, als im Haushaltsansatz 1983 geplant war. Die Kommunen haben in den ersten drei Quartalen rund 12 % weniger für Baumaßnahmen ausgegeben als im entsprechenden Vorjahreszeitraum, die Länder immerhin noch fast 5%. Es ist deshalb dringend



    Kraus
    erforderlich, daß in diesem Sektor einiges geschieht, daß wir nicht in den Fehler verfallen, sozusagen allein unter dem Gesichtspunkt des Sparens die Zukunftsinvestitionen zu stark zu beschneiden.
    Der Jahreswirtschaftsbericht nennt als eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Hier wurde heute vormittag von Herrn Roth gesagt, der Wirtschaftsbericht würde dieses Problem zu sehr vernachlässigen. Ich glaube, daß man das wirklich nicht sagen kann.
    Überhaupt waren die Ausführungen des Herrn Roth von einer gewissen Widersprüchlichkeit gekennzeichnet. Auf der einen Seite sagt er, die Arbeitslosenzahlen seien jetzt die allerhöchsten, was sicher, in absoluten Zahlen gemessen, stimmt. Auf der anderen Seite stellt er aber auch dar, daß diese Arbeitslosenzahlen die Folge eines langjährigen Trends seien, der sozusagen unabwendbar sei, der es einfach nicht mehr zulassen wird, daß genügend Wirtschaftswachstum vorhanden ist, um dieses Problem auf die herkömmliche Art und Weise zu lösen. Man fragt sich, welche dieser Aussagen die richige ist.
    Es ist ein anderes Problem angeschnitten worden, auf das ich kurz eingehen möchte, nämlich die Frage des Stahls. Herr Roth hat dieses Problem mit der Forderung nach mehr Mitbestimmung verbunden. Ich frage mich, ob die Mitbestimmung gerade in diesem Bereich, in dem sie ja voll verwirklicht ist, tatsächlich das gebracht hat, was sie zu bringen versprochen hat, nämlich innerhalb der Betriebe über den Weg der überbetrieblichen Mitbestimmung auch dafür zu sorgen, daß eine vorausschauende Unternehmenspolitik betrieben wird; eine Unternehmenspolitik, die auch die Arbeitsplätze sichert. An dem gemessen, was in diesen Bereichen an Arbeitsplätzen gesichert wurde, muß man an der Sinnhaftigkeit derartiger Regelungen überhaupt zweifeln.
    Lassen Sie mich noch näher auf die Idee der 35-
    Stunden-Woche eingehen. Die Vertreter dieser Idee, die Arbeitszeitverkürzung als ein arbeitsmarktpolitisches Instrument einzusetzen, gehen davon aus, daß in der Bundesrepublik in weitesten Bereichen eine Bedarfssättigung gegeben ist, daß es also schlicht nicht mehr Arbeit gibt. Aber schon die Bedarfssituation im öffentlichen Bausektor ist einer der Beweise für die Unhaltbarkeit dieser Behauptung, es sei nicht genügend Arbeit vorhanden und deshalb müsse die vorhandene Arbeit auf mehr Arbeitnehmer, also auch auf die, die jetzt arbeitslos seien, verteilt werden. Es ist genügend zu tun, allerdings ist die nachgefragte Arbeit zu teuer geworden. Damit meine ich nicht etwa die ausgezahlten Nettolöhne, sondern die Arbeitskosten insgesamt.
    Wenn man bedenkt, daß ein Facharbeiter heute netto für die Stunde 10 DM bekommt, der Unternehmer aber mindestens 35 bis 40 DM berechnen muß, wird das klar. Von daher wird auch verständlich, daß die Schattenwirtschaft bei uns immer mehr blüht. Wenn also die Nachfrage da ist, aber wegen zu hoher Preise nicht befriedigt werden kann, also Arbeit deshalb nicht nachgefragt wird, weil sie zu teuer ist, muß logischerweise alles, was die Arbeit verteuert, weitere Arbeitsplätze vernichten.
    Dabei ist es natürlich völlig uninteressant, ob die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich 14, 16 oder 20 % in einzelnen Branchen an zusätzlichen Kosten ausmacht. Die negativen Auswirkungen einer solchen Regelung wären jedenfalls sowieso katastrophal.
    Mir liegt am Herzen, auf eines noch besonders hinzuweisen: auf die voraussichtlich unsozialen Auswirkungen einer derart breitgefächerten und sozusagen raumgreifenden Arbeitszeitverkürzung. Ich denke hier z. B. an die sozialen Einrichtungen. Sicher haben wir in fast allen diesen Einrichtungen durchaus noch Bedarf an zusätzlichem Personal. Denken Sie an die Krankenhäuser, Altenheime und dergleichen, die heute schon nicht mehr optimal bedient werden können, weil gerade die Personalkosten ausufern. Was wird da erst geschehen, wenn die 35-Stunden-Woche eingeführt und noch mehr Arbeitszeit zusammengestrichen wird!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ist es denn verantwortlich, gerade den älteren Menschen, den Leuten, die diese Bundesrepublik aufgebaut haben, für ihre Tätigkeit damit zu danken, daß wir ihnen im Alter dieses bißchen Lebensstandard noch kaputtmachen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für diese Entwicklung gibt es konkrete Beispiele. Ich denke hier an Beispiele in München. Da gibt es einige große Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt, eine sehr verdienstvolle Sache. Aber was geschieht dort? Dort müssen jetzt schon Leute entlassen werden, weil man es finanziell einfach nicht mehr schafft, mit den Kosten zurechtzukommen. Jedermann kann sich vorstellen, daß das in absehbarer Zeit noch sehr viel schlimmer wird, wenn eine solche Regelung wirklich Platz griffe.
    Ich bin überhaupt der Meinung — leider habe ich zuwenig Zeit —, daß die Glaubwürdigkeit der Forderungen von SPD und Gewerkschaften unter einem ganz entscheidenden Mangel leiden, nämlich an der Einsicht, in ihrem Bereich, dort, wo sie als Arbeitgeber auftreten, diese Regelung einmal probeweise einführen zu sollen. Das gilt auch für die Länder, in denen die SPD die Regierung stellt. Man hört, daß der nordrhein-westfälische Kultusminister der GEW zwar eine Arbeitszeitverkürzung angeboten hat, aber ohne Lohnausgleich. Was war die Reaktion darauf? Die Leute, die immer sagen, Solidarität müsse geübt werden, haben natürlich sofort auf diese Solidaritätsausübung verzichtet, d. h. in dem Augenblick, wo wirklich etwas gefordert wird. Was ist das für eine Solidarität, die darin besteht, daß man weniger arbeitet, dasselbe Geld dafür bekommt und sich selber gegenüber noch moralisch groß fühlen kann, welch großartiger Charakter man ist, auch anderen Arbeitsplätze zu überlassen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ähnlich verhält es sich doch in Sachen co op. Auch dort wird so etwas überhaupt nicht ausprobiert. Ich habe auch nicht gehört, daß etwa die SPD-



    Kraus
    Fraktion ihre Idee mit der 35-Stunden-Woche in ihrem eigenen Bereich — da gibt es auch eine Menge Angestellte — verwirklichen wollte.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Das ist vielleicht ein weiterführender Vorschlag, der auch einmal bedacht werden sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein letzter Punkt noch ganz kurz: Eine Frage kommt in diesem Zusammenhang für meine Begriffe wirklich zu kurz, und zwar die Frage der Zumutbarkeitsarbeitslosigkeit im weitesten Sinne des Wortes. Wir stehen davor, ohne daß wir etwas tun, und sehen, daß immer mehr bestens ausgebildete Leute in die Situation kommen, in ihrem Beruf, in dem sie ausgebildet sind, keinen vernünftigen, mit Perspektiven versehenen Arbeitsplatz mehr bekommen zu können. Wir tun auf diesem Sektor zuwenig. Ich bin der Meinung, daß dadurch am meisten getan werden könnte — wenn wir das schaffen würden, wäre es gut —, daß mehr Markt in den Arbeitsmarkt gebracht wird, d. h. daß Lohnfindungen erzielt werden, die branchenspezifisch, berufsbezogen sind. Der Arbeitsplatz, auf dem nicht so viele Leute bereit sind zu arbeiten, muß halt besser bezahlt werden als jener, auf den sehr viele drängen. Ich glaube, mit der jetzigen Form der Lohnabschlüsse, bei der sich die Tarifabschlüsse jeweils nach dem ersten Tarifabschluß im Jahre richten und alle mehr oder weniger Abschlüsse in gleicher Höhe vereinbaren, man diesem Problem nicht gerecht wird. Wir müssen zu einer stärkeren Differenzierung, zu mehr Anreizen kommen, auch Tätigkeiten zu übernehmen, die heute nicht so gern ausgeübt werden.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jens.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wundere mich immer wieder, wie vor allem Politiker der Regierungskoalition hier oben ans Pult schlüpfen,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wir schlüpfen nicht, wir schreiten!)

    ihre Rolle spielen und dann jeden Versuch um Objektivität vermissen lassen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Es ist doch völlig absurd, der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen etwa eine Mitschuld an der Stahlkrise, eine Mitschuld an der Kohlekrise in die Schuhe zu schieben.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das war doch unter der früheren Bundesregierung!)

    Wenn jemand an diesen Krisen Schuld hat, dann ist
    es doch zweifellos die Bundesregierung. Die ist
    doch dafür verantwortlich, diese Probleme in Angriff zu nehmen und sie einer Lösung näherzubringen.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Bei Ihnen sind darüber 13 Jahre vergangen! — Wissmann [CDU/CSU]: Da wurde der Strukturwandel verschlafen!)

    Wenn ein Land wirklich miserabel dasteht, Herr Kollege Wissmann, mit der höchsten Arbeitslosigkeit seit Jahren, dann ist es in der Tat Niedersachsen, und dort ist ein CDU-Ministerpräsident, Herr Albrecht, vorhanden.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Das stimmt j a gar nicht! Bremen ist viel schlimmer!)

    — Als Flächenstaat ist das sehr wohl richtig!
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind heute beim Jahreswirtschaftsbericht, und wie dieser ausweist, können wir 1984 mit einem Anstieg des Bruttosozialprodukts um rund 2,5 % rechnen. Ich vermute sogar, daß dieser Zuwachs eher bei 3 % als bei 2,5 % liegen wird. Kein Boom, aber in „Bümchen". Damit haben wir zweieinhalb Jahre nach dem Tief von 1981/82 ganz exakt wieder einen konjunkturellen Kulminationspunkt erreicht. Entscheidend ist die Frage, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ob es Ihnen gelingt, wieder einen hohen Beschäftigungsstand zu erreichen. Erforderlich und möglich wäre es, die Arbeitslosenzahl in drei Jahren auf unter eine Million zu drükken. Aber mit der regierungsamtlichen Politik, wie sie im Jahreswirtschaftsbericht zum Ausdruck gebracht wurde, ist dieses Ziel mit Sicherheit nicht zu erreichen.

    (Sehr wahr! bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen wären es schon 3 Millionen!)

    Ich möchte zum Abschluß der Debatte mit einigen wenigen Worten die wesentlichen Eckpunkte der sozialdemokratischen Wirtschaftskonzeption skizzieren.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Was ist das denn?)

    Im Konjunkturbericht der „Süddeutschen Zeitung", die uns Sozialdemokraten nun wirklich nicht nahesteht,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    wurde in der vorigen Woche zur regierungsamtlichen Wirtschaftspolitik folgendes gesagt: „Wo ist ein Sanierungskonzept für Stahl? Wo bleibt eine schlüssige Strategie zum Abbau der Arbeitslosigkeit, die sich nicht in Abwehrreaktionen erschöpft? Wo eine Industrie- und Forschungspolitik, die Akzente für neue Techniken setzt?" Aus dem Jahreswirtschaftsbericht erhalten wir zu diesen Fragen bedauerlicherweise, Herr Minister, keine Antwort.
    Zunächst zur Stahlpolitik dieser Bundesregierung. Zwar wird im Bericht an verschiedenen Stellen viel vom Abbau von Subventionen und steuerlichen Vergünstigungen gesprochen, „um den Kräften des Marktes wieder Raum zu geben", wie es so schön heißt. Tatsache ist, daß in diesem Jahr die



    Dr. Jens
    Subventionen in der Summe erneut gestiegen sind. Das liegt vor allem am Stahl; das ist auch richtig. In Brüssel wollte sich der Kanzler, so hat er lautstark proklamiert, „mit seiner ganzen Autorität und Kraft gegen den Subventionsunsinn einsetzen", doch bis heute leider ohne Erfolg. Für die deutsche Stahlindustrie hat der Kanzler gar im Alleingang das Angebot der Bundesregierung für einen Zusammenschluß von Thyssen und Krupp von 300 auf 500 Millionen erhöht. Welcher kleine Unternehmer glaubt angesichts dieser Fakten noch den schönen Worten von Marktkräften und Subventionsabbau?

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Kindergeldabbau!)

    Was die Regierung völlig übersieht, ist die Tatsache, daß es in der Bundesrepublik Märkte gibt — das wollte ich vorhin mit meiner Zwischenfrage schon einmal deutlich machen —, die nicht funktionsfähig sind. Funktionsunfähige Märkte dürfen aber nicht sich selbst überlassen werden. Dies ist auch die Auffassung der Monopolkommission, die nun wirklich marktwirtschaftlich strukturiert ist. Um z. B. den Stahlmarkt wieder funktionsfähig zu machen, müßten leistungsfähige Unternehmenseinheiten geschaffen werden, und zwar mit staatlicher Hilfe und mit staatlicher Einflußnahme. Hier ist die Regierung gefordert. Die SPD wird auch in Zukunft nicht locker lassen, die Bundesregierung an ihre gesamtwirtschaftliche Verantwortung für die Weiterentwicklung der Stahlindustrie zu erinnern, wo immer sie dies nur kann.
    Aber die marktwirtschaftliche Konzeption droht leider in den Händen dieser Regierung zu einer Ideologie zu werden; einer Ideologie, die jedwedem Verzicht auf staatliche Wirtschaftspolitik unterstellt. Aber das ist nicht die Position der Sozialdemokraten, das ist auch nicht die Position der Sozialen Marktwirtschaft.
    Ein Wort zur Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit ist im Laufe des Jahres 1983 nochmals um 425 000 auf insgesamt 2,26 Millionen gestiegen. Durch die Lücke zwischen der von den Arbeitskräften und der verfügbaren Kapazität der möglichen und tatsächlichen Produktion ist es 1983 — nach Untersuchungen des Institus für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung — zu einem Wachstumsverlust von rund 125 Milliarden DM gekommen. Die Arbeitslosigkeit allein hat — einschließlich Steuer- und Beitragsmindereinnahmen — unmittelbare Kosten in Höhe von 55 Milliarden DM ausgelöst.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Da merken Sie, was Sie hinterlassen haben!)

    Richtig ist zweifellos, daß mit dem zu erwartenden Wirtschaftswachstum das Problem der Arbeitslosigkeit nicht zu lösen ist; mit Arbeitszeitverkürzungen — das füge ich ehrlich hinzu — selbstverständlich auch nicht. Konjunkturpolitisch wäre deshalb erforderlich erstens keine übertriebene Konsolidierungspolitik. Herr Strauß hat völlig Recht, wenn er meint, es habe keinen Sinn, einem sterbenden Volk gesunde Finanzen zu hinterlassen. Es hat, meine Damen und Herren, auch keinen Sinn, einem
    Volk ohne Arbeit zu sagen, die öffentlichen Finanzen sind gesund.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: 35-Stunden-Woche!)

    Zweitens muß der viel zu hohe Zins dringend herabgesetzt werden. Die extreme Konsolidierungspolitik hat leider bisher noch keine sichtbare Zinssenkung erbracht.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Wie denn dann?)

    Die Behauptung der Deutschen Bundesbank, daß der Zins keinen Einfluß auf die Investitionstätigkeit habe, widerspricht doch allen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gab es in Ihrer Zeit einen solchen Zinssatz?)

    Zu den strukturellen Maßnahmen.
    Erstens. Auch wir, Herr Kollege Wissmann, sind für die Verbesserung der Kapitalausstattung der Unternehmen, insbesondere für die Verbesserung der Risikokapitalfinanzierung.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Unterstützen Sie unseren Antrag?)

    Wir haben vor kurzem ein ausführliches Anhörverfahren zu dem Thema gemacht. Ich hätte Ihnen anraten mögen, so etwas vorher auch einmal zu machen, bevor Sie Ihren Antrag formulierten. Aber Sie waren eifrig bemüht, ein bißchen schneller als die Sozialdemokraten in die Presse zu kommen.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Wir haben monatelang angehört!)

    Aber das zahlt sich auf Dauer nicht aus, Herr Kollege Wissmann. Nach Ansicht der Sachverständigen nämlich, die alle von Risikokapital ein bißchen mehr verstehen, gibt es davon in der Bundesrepublik durchaus genug.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Nein!)

    Ich füge hinzu: Die Versicherungen und die Banken könnten auf diesem Felde aus meiner Sicht durchaus etwas mehr tun. Worauf es jedoch ankommt, ist, die steuerliche Fehlleitung der Kapitalströme in unproduktive Bereiche zu stoppen. Sie müssen durch Abschaffung konkurrierender Kapitalanlagen, wie z. B. des Bauherrenmodells oder der Abschreibungsgesellschaften, in den Unternehmenssektor umgeleitet werden. Das ist die entscheidende Frage. Ich hoffe sehr, daß auch Sie dafür plädieren, daß das Bauherrenmodell endlich beseitigt wird.
    Zweitens. Im strukturellen Bereich müssen Arbeitszeitverkürzungen stattfinden. Einen anderen Weg gibt es überhaupt nicht. Sie sind unumgänglich. Aber die Bundesregierung setzt in ihrer Prognose für 1984 voraus, daß es nicht zu Arbeitskämpfen kommt. Dabei hat sie aber bereits kräftig gegen Arbeitszeitverkürzungen in der Öffentlichkeit Front gemacht. Ihre harte Haltung zur Arbeitszeitverkürzung läßt leider befürchten, daß die Arbeitgeber bei den Tarifvertragsverhandlungen nicht kompromißbereit sind. Ich vermute, die Regierung hat ihre Chance verspielt, den sozialen Konsens in un-



    Dr. Jens
    serem Lande zu erhalten und zu einem Interessenausgleich in dieser wichtigen Frage zu kommen.
    Drittens. Unumgänglich ist eine zukunftsorientierte — ich füge hinzu: marktwirtschaftlich ausgerichtete — Industriestrukturpolitik. Karl Schiller hatte für die Sozialdemokraten den Satz geprägt:

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: „Genossen, laßt die Tassen im Schrank!")

    Die dreifache Kombination von Marktwirtschaft, monetärer und fiskalischer Globalsteuerung und Wohlfahrtspolitik hat sich als diejenige Lösung erwiesen, die sich auf der Höhe der Zeit befindet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat auch noch andere Dinge gesagt!)

    Er hat noch hinzugefügt: „Dynamische Marktwirtschaft und Sozialstaat bedingen einander gegenseitig." Heute wird der Sozialstaat leider an allen Ekken und Kanten demoliert und demontiert, weil die Regierung nichts tut, um zukunftsweisende Maßnahmen zu ergreifen.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Das glauben Sie ja selber nicht!)

    Dabei wäre das die Möglichkeit, um unsere Probleme in den Griff zu bekommen. Wir müssen versuchen, zukunftsweisende Schritte einzuleiten.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gemacht? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die Kühe sind gemolken!)

    Das, was wir zusätzlich zum Schillerschen Dreigespann brauchen, ist eben eine zukunftsorientierte Industriepolitik. Leider sind Wirtschafts- und Forschungsministerium über das Vorgehen in dieser Frage zerstritten. Die These des Wirtschaftsministers, nur sogenannte marktferne Forschung und Entwicklung zu unterstützen, ist in unserer Zeit unhaltbar. Wir müssen dafür sorgen, daß das knappe Geld des Staates

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha, doch knappes Geld!)

    möglichst in Produkte und Produktionsverfahren fließt, die auf dem Markt bald eine Chance haben. Jene Investitionen, die sich noch nicht privatwirtschaftlich rechnen, müssen wir mit öffentlichen Hilfen vorziehen, damit heute und nicht erst morgen investiert wird.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Investitionslenkung in finsterster Form!)

    Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, eine Marktwirtschaft, die es wirklich nicht fertig bringt, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Wird abgeschafft!)

    verdient das Beiwort „sozial" aus meiner Sicht nicht. Der Abbau sozialer Errungenschaften,

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Ist von Ihnen eingeleitet worden!)

    der Aufbau alter Hierarchien, einseitige Einkommensverteilung zugunsten der Reichen und Appelle
    à la Erhard — dies ist kein zukunftsorientierter Weg.

    (Beifall bei der SPD)

    Werte, die in den 50er und 60er Jahren die Menschen auf Grund ihrer damaligen Erfahrung in ihrem Handeln beflügelt haben, lassen sich heute nicht durch alte Politik für Menschen mit ganz anderen Erfahrungen wieder einführen. Auf längere Sicht gibt es niemals ein Zurück, wie es diese Regierung offenbar gern möchte; auf längere Sicht hat nur eine gesamtwirtschaftlich orientierte, pragmatische Politik eine Chance, die versucht, die Konfrontation durch Kooperation zu ersetzen.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Dann sind Sie ja bei uns richtig!)