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    Plenarprotokoll 10/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 Inhalt: Gedenkworte für den verstorbenen sowjetischen Staats- und Parteichef Juri Andropow 3927 A Wahl des Abg. Dr. Klejdzinski zum stellvertretenden Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . 3927 B Ausscheiden des Abg. Bastian aus der Fraktion DIE GRÜNEN 3927 B Erweiterung der Tagesordnung 3927 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/988 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/1024 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste — Drucksache 10/1028 — Roth (Gießen) CDU/CSU 3927 D Walther SPD 3928 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 3930 D Dr. Weng FDP 3933 C Namentliche Abstimmung 3935 A Beratung des Jahresgutachtens 1983/84 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 10/669 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1984 der Bundesregierung — Drucksache 10/952 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Wissmann, Hauser (Krefeld), Kraus, Doss, Dr. Lippold, Dr. Lammert, Lattmann, Dr. Schwörer, Müller (Wadern), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Unland, Niegel, Gerstein, Pfeffermann, Lenzer, Seesing, Günther, Krey, Dr. Bugl, Dr. Hoffacker, Eigen, Dr. Möller, Dr. Müller, Kroll-Schlüter, Tillmann, Weiß, Haungs, Hinsken, Frau Krone-Appuhn, Frau Geiger, Frau Will-Feld, Frau Verhülsdonk, Wilz, Bohl, Dr. Olderog, Sauter (Ichenhausen), Berger, Dr. Götz, Dr. Hornhues, Pohlmann, Magin, Dr. II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 Schroeder (Freiburg), Hedrich, Uldall, Jung (Lörrach), Dr. Stavenhagen, Dr. Friedmann, Dr. Laufs, Schwarz, Sauter (Stuttgart), Dr. Kunz (Weiden), Linsmeier und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Solms, Dr. Haussmann, Gattermann, Grünbeck, Hoffie, Wurbs, Dr. Weng, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Feldmann und der Fraktion der FDP Förderung der Bildung von Risikokapital — Drucksache 10/918 — Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3937B, 4020C, 4024 B Roth SPD 3947 C Dr. Dregger CDU/CSU 3955 C Dr. Jochimsen, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3962 B, 4022 D Dr. Haussmann FDP 3983 D Burgmann GRÜNE 3986 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3991 C Dr. Apel SPD 3997 A Handlos fraktionslos 4001 D Hauser (Krefeld) CDU/CSU 4004A Dr. Ehrenberg SPD 4005 D Dr. Solms FDP 4008 C Stratmann GRÜNE 4010A Wissmann CDU/CSU 4011 C Kraus CDU/CSU 4013 C Dr. Jens SPD 4015 B Gerstein CDU/CSU 4017 C Kittelmann CDU/CSU 4019A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/930 — Dr. Eyrich, Minister des Landes BadenWürttemberg 4025 A Kiehm SPD 4026 C Dr. Hirsch FDP 4027 B Hoss GRÜNE 4028 B Broll CDU/CSU 4029 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 10/964 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Rechts der Arbeitsförderung und der gesetzlichen Rentenversicherung an die Einführung von Vorruhestandsleistungen — Drucksache 10/965 — 4031 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1983 und zur Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1976 — Drucksache 10/462 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 10/935 — Schwenninger GRÜNE 4031 C Kittelmann CDU/CSU 4033 B Klose SPD 4033 C Dr. Rumpf FDP 4035 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1980 — Drucksache 10/265 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 10/999 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/1036 — 4035 D Beratung der Sammelübersicht 23 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 29. März bis 31. Dezember 1983 eingegangenen Petitionen — Drucksache 10/975 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/989 — 4036 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1723/81 hinsichtlich der Möglichkeit, Beihilfen für die Verwendung von Butter zur Herstellung bestimmter Lebensmittel zu gewähren Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1411/71 hinsichtlich des Fettgehalts der Trinkmilch Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung allgemeiner Regeln für die Gewährung von Beihilfen für zu Futterzwecken bestimmte eingedickte Milch Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1269/79 hinsichtlich der Bedingungen für den Absatz von für den Direktverbrauch bestimmter Butter zu ermäßigten Preisen - Drucksachen 10/595 Nr. 8, 10/977 - Fragestunde - Drucksache 10/1017 vom 17. Februar 1984 - Kurt Ziesel, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschland-Stiftung e. V., als Begleiter Bundeskanzlers Kohl auf dessen Israel-Reise MdlAnfr 4, 5 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Dr. Timm SPD Antw StSekr Boenisch BPA 3967 B, D, 3968 B, C, D, 3969 A, B, C, D, 3970 A, B, C, D ZusFr Frau Dr. Timm SPD . . . 3967D, 3968A,B ZusFr Lutz SPD 3968 C ZusFr Urbaniak SPD 3968 D ZusFr Krizsan GRÜNE 3968D, 3970 C ZusFr Stiegler SPD 3969A, 3970 B ZusFr Dr. Sperling SPD 3969B, C ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . 3969B, 3970 B ZusFr Dr. Scheer SPD 3969 D ZusFr Becker (Nienberge) SPD . . 3969D, 3970A ZusFr Frau Dr. Martiny-Glotz SPD . . . 3970 B Umfang der Arbeitnehmerüberlassung MdlAnfr 20, 21 17.02.84 Drs 10/1017 Kirschner SPD Antw PStSekr Vogt BMA . 3970D, 3971 A, B, C, D, 3972 A, B, C, D, 3973 A, B, C, D, 3974B, C ZusFr Kirschner SPD 3971 B, C, 3972 B ZusFr Frau Zutt SPD 3972 B ZusFr Peter (Kassel) SPD 3972C, D ZusFr Stiegler SPD 3972D, 3973C ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 3973A ZusFr Urbaniak SPD 3973B, C ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 3973D, 3974 A ZusFr Reimann SPD 3974 B,C Ausdehnung der bisher auf drei Monate begrenzten Höchstdauer bei der Arbeitnehmerüberlassung MdlAnfr 22, 23 17.02.84 Drs 10/1017 Peter (Kassel) SPD Antw PStSekr Vogt BMA . . 3974D, 3975 BC, D, 3976 A, B, C, D, 3977 A, B, C ZusFr Peter (Kassel) SPD . . . 3975 B, C, 3976A ZusFr Kirschner SPD 3975C, D ZusFr Lutz SPD 3976A, B ZusFr Stahl (Kempen) SPD 3976B, C ZusFr Dreßler SPD 3976 D ZusFr Dr. Penner SPD 3977 B ZusFr Urbaniak SPD 3977B, C Schaffung von Dauerarbeitsplätzen durch Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung und durch stärkere Bekämpfung der illegalen Beschäftigung MdlAnfr 24, 25 17.02.84 Drs 10/1017 von der Wiesche SPD Antw PStSekr Vogt BMA . 3977D, 3978 A, B, C, D, 3979 A, B, C, D, 3980 A, B, C, D, 3981A, B ZusFr von der Wiesche SPD . 3978 A, B, 3980B, C ZusFr Peter (Kassel) SPD . . . 3978B, 3981A ZusFr Lutz SPD 3978C, 3981 B ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 3978 D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 3978 D ZusFr Kirschner SPD 3979B, 3980 D ZusFr Frau Dr. Martiny-Glotz SPD . . . 3979 C ZusFr Frau Fuchs (Köln) SPD 3979 D ZusFr Keller CDU/CSU 3980 D Äußerung des Bundesarbeitsministers über die Feststellbarkeit gesundheitlicher Teilarbeitsfähigkeit; Berücksichtigung betrieblicher Umstände bei der Feststellung einer Teilarbeitsfähigkeit durch den Arzt MdlAnfr 34, 35 17.02.84 Drs 10/1017 Urbaniak SPD Antw PStSekr Vogt BMA . 3981 C, D, 3982 A, C, D ZusFr Urbaniak SPD 3981C, 3982C, D ZusFr Lutz SPD 3981D, 3982A IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 Gesetzliche Absicherung sozialversicherungsrechtlich ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse MdlAnfr 36, 37 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD Antw PStSekr Vogt BMA . . . 3982D, 3983 A,C ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 3982 D, 3983 C Nächste Sitzung 4036 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4037* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 3927 56. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1984 4037* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24.2. Dr. Ahrens * 23.2. Bernrath 23. 2. Frau Blunck 24.2. Böhm (Melsungen) 24.2. Brosi 24. 2. Dr. Enders 24.2. Ertl 24.2. Hartmann 24. 2. Heyenn 24. 2. Jäger (Wangen) * 24.2. Dr. h. c. Lorenz 24. 2. Menzel 23.2. Möllemann 24.2. Neumann (Bramsche) * 24. 2. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 24.2. Spilker 23.2. Dr. Stark (Nürtingen) 24.2. Dr. Todenhöfer 24.2. Frau Dr. Wex 24.2. Weiskirch (Olpe) 24.2. Wischnewski 24.2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem melodramatischen Gemälde des Kollegen Roth möchte ich doch einmal ganz schlicht feststellen: Der Aufschwung ist da.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Bravo!)

    Er ist da, Herr Kollege Roth. Pessimismus und Schwarzmalerei, wie sie von der Opposition gepflegt wurden, sind widerlegt. Alle Konjunkturdaten weisen nach oben, auch auf dem Arbeitsmarkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehrenberg [SPD]: Steil nach oben!)

    Das ist nicht nur die Einschätzung im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, zum gleichen Schluß kommen der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die Deutsche Bundesbank, die EG-Kommission und die OECD. Auch das wirtschaftswissenschaftliche Institut des DGB stellte bereits in seinem September-Konjunkturbericht fest, daß der Aufschwung läuft. Allein die SPD und einige Funktionäre in den Führungsetagen einiger Gewerkschaften wollen das nicht wahrhaben.
    Am 1. Oktober 1982, zum Zeitpunkt des Regierungswechsels, sah alles völlig anders aus. Die SPD-geführte Bundesregierung hatte eine Lage hinterlassen, in der erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland alle Ziele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gleichzeitig und schwerwiegend verletzt waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wer ist denn für dieses Gesetz verantwortlich gewesen?)

    Das Bruttosozialprodukt, die Summe aller produzierten Güter und Dienstleistungen, schrumpfte, nachdem Jahre der Stagnation vorausgegangen waren. Die Teuerungsrate für die Lebenshaltung der privaten Haushalte lag über 5 %. Die deutsche Leistungsbilanz war schon im dritten Jahr im Defizit, mit einem Rekordminus von 28,5 Milliarden DM im Jahre 1980. Die Zahl der Arbeitslosen hatte sich in der Ara Brandt und Schmidt trotz, vielleicht auch wegen regierungsamtlicher Beschäftigungsgarantien und staatlicher Beschäftigungsprogramme verzehnfacht, von rund 200 000 auf rund 2 Millionen. Firmenzusammenbrüche und Entlassungen zeigten am 1. Oktober 1982 unverändert steigende Tendenz. Alles, was das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz



    Dr. Dregger
    fordert, war verlorengegangen; es gab weder Wachstum noch Geldwertstabilität, noch außenwirtschaftliches Gleichgewicht, noch Vollbeschäftigung.
    Heute, noch nicht einmal eineinhalb Jahre nach dem Regierungswechsel, sind drei der vier wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele des Stabilitäts-
    und Wachstumsgesetzes zurückgewonnen; beim vierten ist die Wende zum Besseren eingeleitet.
    Im einzelnen: Erstens. Das Wachstum hat auf breiter Front eingesetzt. Für das vierte Quartal 1983 waren bisher 2,5 % angenommen worden, inzwischen hat das Berliner Institut ein reales Wachstum von sogar 3,2 % festgestellt.
    Zweitens. Die Preissteigerungsrate ist drastisch gesunken, bei den Verbraucherpreisen im Jahresdurchschnitt auf 3 %, das ist beinahe eine Halbierung. Jeder Prozentpunkt Preissteigerung weniger bedeutet ein Kaufkraftplus von 8,5 Milliarden DM für die Verbraucher, wovon besonders die Bezieher niedriger Einkommen profitieren. Bei den gewerblichen Erzeugerpreisen wurde der Anstieg sogar auf weniger als die Hälfte reduziert, im Novembervergleich von 3,6 % im Vorjahr auf 1,5 % 1983. Auch die zweite Forderung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes ist erfüllt: Wir haben wieder Geldwertstabilität.
    Drittens. Die Leistungsbilanz ist nicht nur ausgeglichen, sie weist 1983 einen Überschuß von mehr als 8 Milliarden DM aus. Im Außenhandel wurde mit 42 Milliarden DM Überschuß sogar das zweitbeste Ergebnis der Nachkriegszeit erzielt. Auch das dritte Ziel ist erreicht: Das Minus in der Leistungsbilanz ist beseitigt.
    Viertens. Es entspricht der wirtschaftlichen Logik und der Erfahrung, das das vierte Ziel zeitlich als letztes erreicht werden wird; aber auch hier ist die Wende eingetreten. Erstmals seit 31/2 Jahren gingen die Arbeitslosenzahlen saisonbereinigt zurück, in den letzten fünf Monaten um nicht weniger als 130 000. 130 000 Arbeitslose weniger!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Diese Erfolge, meine Damen und Herren, sind uns nicht in den Schoß gefallen. Die Auftriebstendenzen der Weltwirtschaft haben nicht überall den Aufschwung eingeleitet, auch bei wichtigen EG-Partnern, wie Frankreich und Italien, nicht. „Leider" kann man nur sagen, denn irgendwie sitzen wir ja alle in einem Boot. Angesichts dieser erfreulichen Ausgangslage und des Fortwirkens der wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen der Regierung Kohl aus den ersten 15 Monaten ihrer Amtszeit sind die Erwartungen des Jahreswirtschaftsberichts für 1984 eher vorsichtig als übertrieben.

    (Zuruf von der SPD: Genscher und Lambsdorff erwähnen Sie nicht?)

    Nicht wenige vermuten, daß in diesem Jahr noch mehr erreicht werden wird. So hält der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, Geiger, eine Zunahme des Bruttosozialprodukts um 3,5 % für möglich. Das wird das Tempo des seit fünf Monaten
    anhaltenden Rückgangs der Arbeitslosigkeit weiter verstärken.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, die hoffnungsvollen Erwartungen der Öffentlichkeit und nahezu aller Sachverständigen werden allerdings nur eintreffen, wenn keine schweren Fehler gemacht werden. Das gilt für die Tarifpolitik der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ebenso wie für die Haushalts- und Finanzpolitik der Regierungen und Parlamente. Beide, die Tarifpartner auf der einen und die Regierungen und Parlamente auf der anderen Seite, tragen dieselbe Verantwortung. Als dritter Partner kommt die regierungsunabhängige Bundesbank hinzu. Mit dieser Aufteilung der Macht und der Verantwortung zwischen Regierung, Bundesbank und Tarifpartnern ist die Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit gut gefahren. Teilung der Macht bedeutet Teilung der Verantwortung. Sie setzt bei den Beteiligten Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Orientierung am Gemeinwohl voraus. Regierung und Bundesbank beurteilen die wirtschaftspolitischen Erfordernisse des kommenden Jahres nahezu übereinstimmend.
    Im Widerspruch dazu sehen einige, aber nicht unwichtige Gewerkschaften in der Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich den Königsweg zur Vollbeschäftigung. Das widerspricht der wirtschaftlichen Logik ebenso wie den internationalen Erfahrungen. Eine gravierende Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich im nationalen Alleingang beeinträchtigt unsere Wettbewerbsfähigkeit.
    Allein von der Wettbewerbsfähigkeit hängt aber das Arbeitsvolumen unserer Wirtschaft ab. Es sind die Käufer, die den Wettbewerb entscheiden, niemand sonst. Sie richten sich nach Qualität und Preis. Wer unterbeschäftigt ist, muß sein Angebot verbessern. Er muß in der Qualität besser oder im Preis billiger werden, am besten beides. Wer bei Massenarbeitslosigkeit teurer wird, ohne das durch Innovationen und Qualitätssteigerungen mehr als auszugleichen, fällt im Wettbewerb zurück und bleibt auf der Strecke.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was die wirtschaftliche Logik ergibt, bestätigt die internationale Erfahrung. Nicht die Industrienationen sind heute vollbeschäftigt, die am kürzesten arbeiten, sondern diejenigen, die am längsten arbeiten, nämlich Japan und die Schweiz. Es ist ausschließlich der Vorsprung dieser Länder in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, der ihnen auch heute Vollbeschäftigung ermöglicht. Das ergibt übrigens eine Untersuchung des European Management Forum, das wie in den Vorjahren, auch jetzt wieder 284 Wirtschaftsindikatoren, einige andere Indikatoren und die Einschätzung von über 1 000 Unternehmen ausgewertet hat. Danach stehen die Schweiz und Japan, die die längste Arbeitszeit aller Industrienationen haben, in der Wettbewerbsfähigkeit eindeutig an der Spitze. Ich beziehe mich auf den Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 7. Januar 1984.



    Dr. Dregger
    Meine Damen und Herren, in den nächsten Wochen und Monaten werden die Weichen in Deutschland neu gestellt. Es wäre tragisch, wenn die falsche Philosophie, die Philosophie der Resignation, die Philosophie der Verteilung des Mangels an Arbeit, sich durchsetzen würde, statt der Philosophie der Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich appelliere an die Gewerkschaften im Interesse ihrer Mitglieder und aller Arbeitnehmer, den Gedanken an eine generelle Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei Lohnausgleich auf einen Zeitpunkt zu verschieben, zu dem wir unsere Problembranchen wie Stahl und Werften saniert, in den Zukunftstechnologien wie Mikroelektronik und Kommunikationstechnik die Amerikaner und Japaner eingeholt haben und diese bereit sind, in Arbeitszeit und Arbeitskosten mit uns in etwa gleichzuziehen.
    Meine Damen und Herren, eine Wirtschaft, die so international verflochten ist wie die deutsche und die auf wichtigen Teilgebieten in den 70er Jahren leider ihre Spitzenstellung verloren hat, kann sich nationale Alleingänge zu Lasten ihrer Wettbewerbsfähigkeit einfach nicht leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wo bleibt denn Ihr Appell an die Unternehmer?)

    Möglich bleiben andere Wege, z. B. spezielle Arbeitszeitregelungen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat liebenswürdigerweise auf das Beispiel der Gummiwerke Fulda hingewiesen, in denen in der Tat für einen Teil der Belegschaft eine Regelung getroffen worden ist, die den Bedürfnissen dieses Unternehmens ebenso gerecht wird wie den Interessen der davon betroffenen Arbeitnehmer. Es bleibt die Förderung von Teilzeitarbeit, es bleibt auch der Weg der Verkürzung der Lebensarbeitszeit; die Vorruhestandsregelung soll diesen Weg ebnen. Auch diese Form der Arbeitszeitverkürzung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit nicht, aber sie führt zu einer Kostenbelastung, die geringer ist, die bei begrenzten Lohnsteigerungen — welche dann eben möglich bleiben, was für die Arbeitnehmer doch sehr wichtig ist — tragbar ist und die uns nicht aus dem internationalen Wettbewerb heraussprengt.
    Gestern hat es ja eine Anhörung zu diesem Thema gegeben. Ich möchte dazu nur eine Berner-kung machen: Auch nach dem Regierungsentwurf steht es den Tarifpartnern frei, eine bessere Regelung zu treffen, z. B. alle 58jährigen in den Tarifvertrag einzubeziehen. Die Frage ist nur, ob die dadurch entstehenden Kosten von den Arbeitgebern zu zahlen sind oder vom Steuerzahler im wesentlichen mitgezahlt werden sollen. Aber man darf, glaube ich, die Fragestellungen nicht verschieben. Es ist doch sicherlich ungewöhnlich, daß wir bei diesen Tarifverträgen die Leistungen zum ersten Male aus Steuermitteln mitfinanzieren.
    Meine Damen und Herren, ebenso wichtig wie die Vernunft der Tarifpartner wird die Vernunft der
    Regierungen und Parlamente in der Haushalts- und Finanzpolitik sein. Wir müssen unseren Konsolidierungskurs fortsetzen. Wir haben sicherlich Außergewöhnliches erreicht, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.
    Erreicht haben wir, daß die neuen Schulden die Investitionen nicht mehr übersteigen, wie es jahrelang in verfassungswidriger Weise der Fall war. Unser Ziel aber muß es sein, den jährlichen Schuldenzuwachs, der für 1983 ca. 55 Milliarden DM auszumachen drohte und den wir auf 31,5 Milliarden DM zurückgefahren haben — mein Kompliment, Herr Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg! —,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    bis zum Jahre 1987 deutlich unter 20 Milliarden DM zu drücken.
    Meine Damen und Herren, das ist notwendig, um den Kapitalmarkt für die Wirtschaft freizumachen und um für den Staat ein Stück finanzielle Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, die doch, Herr Kollege Roth, unter der Verantwortung der von Ihnen gestellten Finanzminister verlorengegangen ist.

    (Matthöfer [SPD]: Erzählen Sie doch keinen Unsinn! — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Ist doch nur Unsinn!)

    Meine Damen und Herren, wenn in diesem Zusammenhang mehr oder weniger gedankenlos von „Schuldenabbau" geredet wird, entspricht das nicht der Wirklichkeit. Wir haben ja noch keine einzige Mark Schulden abgebaut. Verringert haben wir nur das Tempo des Schuldenzuwachses.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Eine feine Umschreibung von „mehr Schulden"! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Der Schuldenberg wächst also weiter, wenn auch weniger schnell. Das zeigt sich an der Zinslast, die weiter zunimmt.

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    1983 waren es 27 Milliarden DM allein an Zinsen, die wir für die von Ihnen gemachten Schulden zahlen mußten,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und in diesem Jahr werden es — da der Schuldenberg immer noch wächst, wenn auch nicht mehr so schnell — schon 29 Milliarden DM sein.

    (Zurufe von der SPD)

    Was das Wachsen der Zinslast volkswirtschaftlich und finanzpolitisch bedeutet, hat die Bundesbank in ihrem Januar-Bericht 1984 beschrieben. Sie weist darauf hin, daß wachsende Zinsen in erster Linie die öffentlichen Investitionen verringern. Die Bundesbank schreibt — ich zitiere:
    Insoweit führen die höheren staatlichen Kreditaufnahmen zu niedrigeren Investitionen.
    Ich fordere den DGB auf, diese Aussage der regierungsunabhängigen Bundesbank zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls mit ihr darüber zu diskutieren. Das vom DGB geforderte 50-Milliarden-



    Dr. Dregger
    Investitionsprogramm — gewissermaßen als Zugabe zur 35-Stunden-Woche — steht j a zu dieser Aussage der Deutschen Bundesbank in eklatantem Gegensatz.
    Meine Damen und Herren, in unserer aufgeklärten demokratischen Gesellschaft ist niemand davon befreit, seine Forderungen intellektuell redlich und einleuchtend zu begründen. Wer in seiner Argumentation wichtige Faktoren unterschlägt, verliert seine Glaubwürdigkeit. In der DGB-Rechnung fehlen die Faktoren Kosten und Schulden, obwohl gerade sie zu den entscheidenden Ursachen der Arbeitslosigkeit gehören. Steigende Schulden, machen den Staat handlungsunfähig, auch im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Steigende Kosten machen Arbeitsplätze unrentabel. Wer zu hohe Schulden macht und zu hohe Kosten verursacht, erhöht die Arbeitslosigkeit und vermindert sie nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist übrigens nicht nur die Auffassung nahezu aller Sachverständigen, sondern auch die Auffassung der überwältigenden Mehrheit unserer Mitbürger in Deutschland, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    So dumm sind die Leute doch gar nicht, wie sich das einige vorstellen. Ich meine, auch der Deutsche Gewerkschaftsbund kann an diesen Tatsachen nicht vorübergehen.
    Staatliche Ausgabendisziplin brauchen wir aber auch, um die dringend notwendige Entlastung der Lohn- und Einkommenzahler und einen verbesserten Familienlastenausgleich möglich zu machen. Diese Reform wird mit Steuerausfällen bzw. mit Mehrausgaben von mindestens 25 Milliarden DM verbunden sein. Die Tarifkorrektur bei der Lohn-und Einkommensteuer ist kein Geschenk an die Steuerzahler. Sie baut heimliche Steuererhöhungen ab, die nie beschlossen worden sind, sondern sich aus der Kombination von Geldentwertung und Steuerprogression ergeben haben. Wie unerträglich die Grenzbelastung bei der Lohn- und Einkommensteuer geworden ist, zeigt die soeben veröffentlichte Studie des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Es ist daher kein Wunder, daß die Tarifkorrektur allgemein als notwendig anerkannt wird.
    Anderes gilt leider für den Familienlastenausgleich. Er wird von manchen als Marotte belächelt oder gar als leistungsfeindliche Subvention bekämpft. Ich kann diese Auffassung nur als unglaublich kurzsichtig bezeichnen. Meine Damen und Herren, ein drastischer Geburtenrückgang hat auch wirtschafts- und finanzpolitisch katastrophale Folgen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    nur nicht sofort, sondern erst in einigen Jahren und Jahrzehnten.
    Er führt zu einer Altersstruktur, die unser ganzes Sozialsystem funktionsunfähig macht. Professor Wolfram Engels — gewiß kein Bevölkerungs- oder Familienpolitiker, sondern ein renommierter Wirtschaftswissenschaftler — spricht in „Welt am Sonntag" vom 12. Februar 1984 vom drohenden Zusammenbruch unseres gesamten Versorgungssystems. Er schreibt — ich zitiere ihn wörtlich:
    Kinder sind — anders als früher — wirtschaftlich nur eine Last. Sie ist nicht gering: Ein berufstätiges Ehepaar fällt ungefähr auf ein Drittel seines Lebensstandards zurück, wenn es Kinder haben will und die Frau im Hause bleibt.
    Das setzt sich bis ins Rentenalter fort. Die Familie, die durch ihre Kinder zum Erhalt des Generationenvertrags beigetragen hat, erhält weniger Rente als das kinderlose Paar.
    Auch wer nur ökonomische Argumente gelten läßt, muß, wenn er seine Sicht nicht auf die Gegenwart verengt, zu dem Schluß kommen, daß es dringend notwendig ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Bereitschaft zum Kind fördern.
    Ich möchte allerdings hinzufügen: Die Bundesrepublik Deutschland ist, jedenfalls nach meinem Selbstverständnis, nicht nur ein Wirtschafts- und Sozialverein; sie ist der Kernstaat der deutschen Nation. Wir Abgeordneten haben nicht nur das Wohlbefinden unseres Volkes bis zum nächsten Wahltermin im Auge zu haben, wir haben seine Zukunft zu sichern, und das heißt doch zumindest auch, seinen Bestand.
    Der Wille zum Kind, insbesondere zu mehreren Kindern ist nie frei gewesen von wirtschaftlichen Erwägungen, von Ausnahmen abgesehen. Früher waren Kinder die einzig mögliche Versicherung gegen Alter und Krankheit, und so ist es heute noch in der Dritten Welt. Deswegen werden dort auch so viele Kinder geboren. Heute haben bei uns die Kinder diese Funktion für ihre Eltern verloren. Die frühere Aufgabe der Kinder ist heute kollektiviert und wird von der Sozialversicherung und vom Staat wahrgenommen.
    Daß Staat und Sozialversicherung zusammenbrechen, wenn es am notwendigen Nachwuchs mangelt, motiviert die Eltern nicht. Zu dieser Motivation in wirtschaftlicher Hinsicht muß daher der Staat beitragen, nicht in der Weise, daß er Kinder prämiert, aber doch, indem er Lasten und Leistungen für die Allgemeinheit durch Kinder einander annähert und die skandalösen Ungerechtigkeiten, denen sich heute Familien mit mehreren Kindern ausgesetzt sehen, zumindest verringert, die Lage also verbessert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine zweite Entwicklung hat die erste verschärft. Früher suchten Frauen ganz selbstverständlich in Ehe und Familie ihren Lebenssinn. Heute haben sie eine Alternative im Beruf.

    (Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)

    Die Entscheidung für Familie und Kinder kostet sie eigenes Einkommen und eine eigene Alterssicherung. Eine Entschädigung, die dem Verzicht auf den außerhäuslichen Beruf entspräche, gibt es auch in Ansätzen nicht. Auf diesen geradezu revolutionären gesellschaftlichen Wandel haben sich bei uns weder das Steuer- noch das Rentenrecht eingerichtet. Die



    Dr. Dregger
    sich daraus ergebende Reformaufgabe stellt sich uns. Es ist nicht nur eine soziale, es ist zugleich eine nationale und eine moralische Aufgabe. Alle geschichtlichen Beispiele zeigen: Der einzelne kann ohne Kinder leben, Gesellschaften aber, die das Gleichgewicht der Generationen verlieren, denen es an der Aktivität und Lebensfreude junger Menschen fehlt, sind morbide und gehen zugrunde, noch ehe sie ausgestorben sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir Christlichen Demokraten und Christlich-Sozialen sind nicht bereit, diese Situation tatenlos hinzunehmen. Wenn es unser Recht und unsere Pflicht ist, die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Aufschwung zu verbessern, dann gilt das erst recht für die Rahmenbedingungen, die den Bestand der Nation sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist gewiß nicht einfach, meine Damen und Herren, die Tarifkorrektur der Lohn- und Einkommensteuer, die in ihren positiven Wirkungen mehr gegenwartsbezogen ist, und die Korrektur der Rahmenbedingungen für Kinder, Mütter und Familien, die in ihren positiven Wirkungen mehr zukunftsbezogen ist, auf einen Nenner zu bringen. Diese Aufgabe verlangt die Führungskraft der Bundesregierung und die Entschlossenheit der Koalition. Wir sind bereit, dazu unseren Beitrag zu leisten. Wir wollen die Aufgabe der Tarifkorrektur — wie dringend notwendig sie ist, habe ich zuvor beschrieben — gewiß nicht vernachlässigen. Wir treten aber mit Entschiedenheit dafür ein, der Zukunftssicherung durch Kinder, Mütter und Familien den hohen Rang zuzuerkennen, der ihr gebührt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland muß sich auf dem Weltmarkt behaupten, wie kaum eine zweite Volkswirtschaft. Bei uns ist etwa jeder dritte Arbeitsplatz vom Export abhängig — fast jeder dritte! In Japan ist es nur jeder sechste und in den USA nicht einmal jeder zehnte.
    Herausgefordert werden wir nicht nur von den anderen Industrienationen, sondern mehr und mehr auch von den Schwellen- und Entwicklungsländern. Dort werden zunehmend zu geringeren Preisen solche Produkte hergestellt, bei denen wir einmal führend auf dem Weltmarkt vertreten waren. Als exportorientierte Industrienation haben wir in Zukunft nur dann eine Chance, wenn wir die Veränderung der internationalen Arbeitsteilung akzeptieren. Wir können gar nicht anders. Das heißt, wir müssen uns stärker auf technologische Spitzenprodukte konzentrieren.
    Unsere Wettbewerbsfähigkeit beruht ja nicht auf billigen Arbeitskräften — Gott sei Dank — und reichlichen Rohstoff- und Energiequellen. Sie verlangt vielmehr, daß wir Erzeugnisse modernster Technologie in höchster Qualität, gefertigt in rationellsten Produktionsanlagen, pünktlich liefern und mit einem ausgezeichneten Service versehen.
    Die Behauptung, die neuen Technologien zerstörten bei uns Arbeitsplätze, trifft im Einzelfall zu. So war es immer. Gesamtwirtschaftlich ist das Gegenteil richtig: Auch Roboter, computergesteuerte Maschinen, Fertigungsautomaten, elektronisch gesteuerte Produktionsstraßen müssen von Menschen konstruiert, produziert, installiert und anschließend gewartet und repariert werden. Das kommt uns allerdings nur dann zugute, wenn wir die neuen Techniken hierzulande entwickeln und nicht in immer größerem Umfang aus den USA, Japan und anderen Ländern importieren müssen.
    Der Forschungs- und Technologiepolitik kommt in der gegenwärtigen Lage eine ganz besondere Bedeutung zu. Es gilt, wissenschaftliche Forschungsergebnisse rasch in neue Fertigungsverfahren, Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Hierzu ist es notwendig, Herr Kollege Roth, die in den 70er Jahren aus ideologischen Gründen gepflegten unsinnigen Berührungsängste zwischen Universitäten und Wirtschaft schnellstens auszuräumen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Besondere Aufmerksamkeit verdienen die kleineren und mittleren Unternehmen bei der Anwendung der neuen Forschungsergebnisse — für sie natürlich eine schwierigere Aufgabe als für ein Großunternehmen. Wir begrüßen daher die Absicht der Bundesregierung, das Personalkostenzuschußprogramm fortzusetzen.
    Ebenso große Bedeutung messen wir der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu. Die Wissenschaftlergeneration der 90er Jahre und des Anfangs des nächsten Jahrtausends, von der unsere technische und wirtschaftliche Zukunft weitgehend abhängt, muß den Entfaltungsspielraum bekommen, den sie benötigt, um Höchstleistungen zu erbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Außer technischen Höchstleistungen brauchen wir für unsere wirtschaftliche Zukunft mehr haftendes Kapital. Der heute zur Beratung stehende Antrag der Koalitionsfraktionen, betreffend Förderung der Bildung von Risikokapital, hat diese Frage zum Gegenstand.
    In der Zeit von 1969 bis 1982 ist die Eigenkapitalquote unserer Unternehmen nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank von 28 % auf 18,5% gesunken. Zum Vergleich: In den USA beispielsweise beträgt die Eigenkapitalquote beinahe 60 %; selbst in Großbritannien liegt sie noch bei ca. 50 %. Die Eigenkapitallücke unserer Unternehmen macht sie krisenempfindlicher, macht sie zinsempfindlicher und erschwert ihnen die Umstellung auf neue Produkte und Verfahren. Das ist um so schwerwiegender, als der Umstellungs- und Erneuerungsbedarf auf Grund der Investitionslücke der 70er Jahre groß ist.
    In der Vergangenheit bestand Strukturpolitik zu sehr in der Konservierung nicht mehr wettbewerbsfähiger Wirtschaftsbereiche. Mit immer höheren Subventionen wurden Unternehmen ohne Zukunft künstlich am Leben erhalten, wurden Arbeitsplätze auf Zeit „gerettet", wurde Kapital fehlgeleitet. Wenn die Arbeitskosten im Schiffsbau pro Stunde in Kiel



    Dr. Dregger
    rund 70 DM, in Korea dagegen 25 DM betragen, dann kann das durch Subventionen nicht ausgeglichen werden, sondern allenfalls durch Spezialisierung und Innovation.
    In der Stahlindustrie ist es der Subventionswettbewerb unserer EG-Partner, der zu marktwidrigen Verhältnissen geführt hat, zu Lasten unserer Stahlunternehmen, die technisch auf einem hervorragenden Stand sind. Nach Ablauf der jetzigen Regelung 1985 muß damit Schluß sein. Aber auch dann wird sich zeigen, daß die Kapazitäten überhöht sind, auch bei uns. Es hat keinen Sinn, Kapazitäten am Leben zu erhalten, die nicht mehr benötigt werden.
    Auch in der Agrarpolitik der EG muß sich die Produktion am Bedarf orientieren. Es ist der Sinn der Garantiepreise, unsere bäuerliche Agrarstruktur zu erhalten, nicht aber, Agrarfabriken zu subventionieren. Unsere amerikanischen Handelspartner müssen das begreifen, auch wenn das ihre Futtermittelexporte in die EG vermindert. Bodenqualität, Klima und Agrarstruktur Europas unterscheiden sich so eklatant von den Verhältnissen in Nordamerika, daß ohne den Schutz des EG-Agrarmarkts Europa die eigene Ernährungsgrundlage verlieren würde. Daß das nicht in Frage kommen kann, sollte jedem klar sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im Bergbau haben wir uns entschlossen, bestimmte Förderkapazitäten zu erhalten, aus der Erwägung heraus

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das stimmt nicht! Vernichtet!)

    — Herr Wolfram, hören Sie einmal zu; vielleicht stimmen Sie mir sogar zu —, man dürfe sich wie in der menschlichen Ernährung so auch in der Energieversorgung vom Ausland nicht völlig abhängig machen. Das ist sicherlich richtig.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie vergrößern die Abhängigkeit!)

    Um so mehr sollten wir uns darum bemühen, in der Kohletechnologie — z. B. Kohlevergasung und Kohleverflüssigung — Fortschritte zu machen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Darum kürzen Sie die Mittel!)

    Das ist zwar kostspielig, aber es wird einen Schub von technologischen Impulsen für viele Zulieferbereiche bringen. Moderne Kohletechnologie wird — das ist die Meinung vieler Experten — Anfang der 90er Jahre in der Welt gefragt sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Dann müssen Sie die Mittel aufstocken!)

    Aber für alle Wirtschaftsbereiche gilt folgendes. Ein neuer Arbeitsplatz kostet rund 100 000 DM. Eine solche Investition muß sich lohnen. Wenn die Rechnung nicht aufgeht, wird das Geld nicht in Produktivvermögen, sondern in Geldvermögen angelegt. Wir brauchen aber nicht mehr Rentiers, sondern mehr Unternehmer, die neue, rentable Arbeitsplätze schaffen. Deshalb sollten wir deutlich ja sagen, Herr Roth, zum Ertrag in der Wirtschaft und ihn nicht als Profit verteufeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die letzten Jahre haben doch deutlich gezeigt: Nur ertragsstarke Firmen sind gute Arbeitgeber. Dort, wo rote Zahlen geschrieben werden, wackeln die Arbeitsplätze. Nur ertragsstarke Unternehmen können neue Wagnisse eingehen, forschen und entwickeln, neue Produkte auf den Markt bringen, investieren und neue Leute einstellen.
    Das von uns verabschiedete Gesetz über Vermögensbildung und Arbeitnehmerhand ist ein Markstein, den zu setzen die Sozialdemokraten in ihrer 13jährigen Regierungszeit nicht imstande gewesen sind.

    (Matthöfer [SPD]: 16!)

    Die Aufstockung der Arbeitnehmerzulage auf 936 DM wird nur für die Anlage in Kapitalbeteiligungen gewährt. Erste Informationen über das seit dem 1. Januar 1984 geltende Gesetz lassen vermuten, daß es ein großer Erfolg werden wird. Die bei verschiedenen Investmentgesellschaften vorliegenden Anträge sprechen dafür.
    Drittens. Außer dem technischen Fortschritt und mehr haftendem Kapital brauchen wir weniger enge und weniger starre Grenzen im Rechts- und Verwaltungsbereich. Die Bundesregierung hat gestern erste Beschlüsse zur Entbürokratisierung gefaßt. Es ist erfreulich, daß alle Minister den Auftrag haben, in ihren Ressorts nach Wegen zu suchen, diese Aufgabe mit Erfolg zu lösen. Es handelt sich ja um eine riesige Aufgabe. Sie kann nur gelöst werden, wenn radikal umgedacht wird.
    Es ist nicht die Aufgabe des Gesetz- und Verordnungsgebers, alles bis ins letzte zu regeln. Die Bürger brauchen Entfaltungsspielraum, sonst stagniert das Leben. Die Verwaltung braucht Ermessensspielraum; sonst können im öffentlichen Bereich weder praktische Vernunft noch Einzelfallgerechtigkeit zum Zug kommen. Es lassen sich nicht alle Fälle vorausdenken und in Normen einfassen, die dann im Weg der Subsumtion zu einer vernünftigen Entscheidung führen können. Entfaltungsspielraum für den Bürger und Ermessensspielraum für die Verwaltung also!
    Entbürokratisierung heißt daher in nicht geringem Maß: entnormieren und, wenn es nach mir ginge, auch entjustifizieren. Ich fordere die Bundesregierung auf, bei ihren Vorschlägen nicht ängstlich zu sein. Bremsen können wir immer noch. Wäre das Vorschriftennetz schon in den 50er und 60er Jahren so eng wie jetzt gewesen: das Wirtschaftswunder hätte in Deutschland nie stattgefunden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Von der Opposition werden zu diesen drängenden Fragen Rezepte angeboten, die schon im 19. Jahrhundert überholt waren.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Von den Forderungen der Arbeitsgemeinschaft der
    SPD für Arbeitnehmerfragen war schon die Rede:
    Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien und



    Dr. Dregger
    von Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung. Die Stahlindustrie soll — danach jedenfalls — in Gemeineigentum überführt werden — was immer das sein mag; wahrscheinlich eine Subventionsgarantie auf Dauer auf Kosten der Allgemeinheit.
    Herr Ehrenberg — und wohl nicht er allein, sondern auch andere — fordert Kapitalverkehrskontrollen,

    (Roth [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

    wirklich das Letzte, was die Bundesrepublik Deutschland als eine der größten Handelsnationen der Erde gebrauchen kann. Was Beschränkungen im Devisenverkehr bedeuten, Herr Kollege Roth, kann jederzeit in unserem europäischen Nachbarland Frankreich studiert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Roth [SPD])

    Natürlich fordert die SPD auch die 35-StundenWoche mit Lohnausgleich. Daß Sie sich damit in Widerspruch zur Einsicht der meisten Arbeitnehmer wie nahezu aller Sachverständiger setzen, scheint Sie nicht zu stören. Der Präsident der Bundesbank, Herr Dr. Pöhl, hat die Vorstellung, mit großen Arbeitszeitverkürzungen die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können, als „provinziell" bezeichnet, provinziell, weil sie, so Pöhl, unsere Abhängigkeit vom internationalen Wettbewerb übersieht.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Dregger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ehrenberg?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ja. Vizepräsident Stücklen: Bitte sehr.