Herr Präsident, ich möchte in meinen Ausführungen fortfahren. Auch der Kollege Apel hatte ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt vorzutragen. Ich will in aller Ruhe die gegenseitigen Standpunkte einander gegenüberstellen.
Ich sage es noch einmal: Unsere Überzeugung ist es, daß wir bei Wahrung sozialer Gerechtigkeit Freiräume für private Initiativen und Leistungsanreize geben müssen und daß wir durch weniger Staatsanteil und weniger öffentliche Ausgaben mehr private Nachfrage nach Konsum- und nach Investitionsgütern anregen. Ich gebe zu, die Alternativen sind — das ist notwendig, wenn man sie auf den Kern zurückführen will — vereinfacht, aber das ist der Kern unseres finanzpolitischen Streits. Wir werden diesen Streit fortführen müssen.
Wir müssen aber natürlich bei dieser Diskussion auch die Erfahrungen aus Vergangenheit und Gegenwart einbeziehen. Herr Kollege Apel, Sie sind ein besonders ausgewiesener Vertreter in falschen Prognosen. Finanzminister Stoltenberg hat dies gestern noch einmal eindrucksvoll dargelegt. Ich will das gar nicht wiederholen. Ich will heute morgen nicht Salz in Ihre Wunden streuen. Im nachhinein können Sie doch aber nicht bestreiten, daß Ihre Argumentation aus dem Frühjahr und Ihre Argumentation heute durch die Entwicklung im Jahre 1983 jedenfalls nicht bestätigt wird.
Wir haben doch, genau wie wir das für 1984 vorsehen, auch im Jahre 1983 die Nettokreditaufnahme deutlich zurückgeführt. Wir haben trotzdem — und das spricht gegen Ihre These, daß eine Rückführung der Neuverschuldung die konjunkturelle Entwicklung bremse, was Sie für 1984 wieder voraussagen, was Sie zu Unrecht für 1983 vorausgesagt haben —, wir haben nicht nur trotzdem, wir haben deswegen eine konjunkturelle Bewegung im Jahre
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1983 gehabt, die zunächst — und das spricht nun ganz zugespitzt gegen Ihre These — vor allem von der privaten Konsumnachfrage getragen war. Dies zeigt, daß eine solide Finanzpolitik die Inflations-und die Zinsraten senkt und dadurch reale Kaufkraft freisetzt und daß eine solide Finanzpolitik, zu der Sie nicht fähig waren, Grundlage für Vertrauen der Bürger und damit für private Kauf- und Investitionsentscheidungen ist.
Im übrigen können wir — Herr Apel, das kann Ihnen nicht erspart werden — einen vorläufigen Vergleich ziehen. Sie sind ja nicht ganz im Stande der Unschuld. Sie haben 13 Jahre hier regiert; wir regieren seit 15 Monaten. Nun wollen wir das einmal in aller Ruhe vergleichen. Sie haben nur Inflationsraten verursacht.
— Bei Ihnen waren immer andere schuld, Herr Spöri. Deswegen ist es gut, daß Sie abgelöst sind, daß wir eine Regierung haben, die die Verantwortung für das, was hier zu entscheiden ist, selbst übernimmt.
Sie haben mit Ihrer Politik hohe Inflationsraten verursacht, die Zinsen in die Höhe getrieben, die Staatsfinanzen zerrüttet. Die Folge davon waren wirtschaftlicher Rückgang und am Ende Massenarbeitslosigkeit.
Ich will auch noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Es ist eben unbestreitbar richtig, daß die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ein Spätindikator der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Erst geht es mit den Finanzen, dann mit der Wirtschaft und am Ende mit der Beschäftigung bergab. 1972 haben Sie im Wahlkampf den törichten Satz gesagt: „Lieber 5% Inflation als 5% Arbeitslosigkeit", obwohl Sie mit Ihrer Inflationspolitik die Ursache für die Arbeitslosigkeit gelegt haben. Dies, Herr Kollege Apel, ist natürlich auch der Grund, warum wir bei allen Erfolgen, die sich jetzt abzeichnen, eine noch lange nicht befriedigende Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben.
— Wenn Sie in Ihren Ortsvereinen so reden würden, sähe es um Ihre Partei besser aus. Das macht uns große Sorgen.
Es führt kein Weg daran vorbei, daß wir über eine Konsolidierung der Finanzen die Wirtschaft wieder in Ordnung bringen und daß als Folge eines wirtschaftlichen Aufschwungs sich dann auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder verbessert.
Nun vergleiche ich mit den Ergebnissen Ihrer Regierungszeit, was wir in der Koalition der Mitte unter Bundeskanzler Helmut Kohl in 15 Monaten Regierungszeit entscheidend verändert haben. Ich füge hinzu, wir haben gehalten, was wir versprochen haben. Wir haben zugesagt, die Staatsverschuldung einzudämmen. Das ist geschehen. Während Sie 1983 noch 55 Milliarden DM Schulden aufnehmen wollten, wenn ich den Bundesbankgewinn einbeziehe, haben wir diese Summe jetzt auf 37 Milliarden DM im Vollzug des Haushalts 1983 gesenkt, und wir werden, wie dieser Haushalt, den wir heute verabschieden, zeigt, im Jahre 1984 auf 33,6 Milliarden DM kommen.
Wir haben zugesagt, durch eine sparsame Haushaltspolitik die Zinsentwicklung zu entspannen. Das ist geschehen. Herr Kollege Apel, Sie haben gefragt: Was tun Sie, um uns von den US-Zinsen abzukoppeln? Wir machen eine solide Finanzpolitik und haben uns damit von den US-Zinsen ein Stück weit abgekoppelt.
Reden hilft doch nicht, handeln muß man! Wir haben den Zinssatz, der am Ende Ihrer Regierungszeit über 10 % lag, auf 8 % gesenkt und haben damit Wirtschaft und Verbraucher um 16 Milliarden DM Kaufkraft entlastet.
Meine Damen und Herren, wir haben zugesagt, die Inflationsspirale zu brechen. Das ist geschehen. Die Geldentwertung liegt heute bei 2,6%. Sie lag noch vor einem Jahr bei 5,6%. Mit dieser Senkung der Inflationsrate haben wir die reale Kaufkraft der Verbraucher in diesem Jahr um rund 30 Milliarden DM verbessert.
Wir haben zugesagt, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit energisch voranzutreiben. Auch das ist geschehen. Erstmals seit Jahren sinkt die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit.
Herr Apel, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es sei — wie haben Sie sich ausgedrückt? — deprimierend für die wirtschaftspolitische Diskussion, wenn man eine Trendwende in der Entwicklung am Arbeitsmarkt schon als Erfolg bezeichne.
— Herr Kollege Apel, niemand von uns bestreitet doch, daß die Arbeitslosigkeit das bedrückendste Problem ist, das sich aus den Folgen Ihrer verfehlten Politik ergibt.
Deswegen sind wir natürlich stolz und glücklich, weil sich Erfolge abzeichnen. Die Lösung des Problems wird noch Jahre dauern, aber der Trend ist gebrochen!
Es geht wieder aufwärts, und man kann doch nicht so zynisch sein, zu sagen, die 80000, die wir jetzt wieder zusätzlich in Beschäftigung gebracht haben, seien nichts. Das sind 80 000 Menschen, das sind 80 000 Familien, und wir sind froh darüber, daß wir statt großer Mißerfolge nun langsam kleine Erfolge im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit haben.
Eines will ich hinzufügen, weil das gestern eine Rolle gespielt hat: Der Sachverständigenrat sagt in seinem Gutachten, daß im Jahre 1984 auch das Potential an Erwerbspersonen erstmals wieder stei-
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gern wird. Wir werden im Jahre 1984 nicht nur einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, sondern auch eine Zunahme der Beschäftigtenzahl haben.
Wir haben zugesagt, das Ausbildungsplatzangebot drastisch zu erhöhen. Meine Damen und Herren, das ist geschehen. 46 000 zusätzliche Ausbildungsplätze wurden geschaffen.
Wir haben zugesagt, den Investitionsanteil am Bundeshaushalt wieder zu verstärken. Herr Kollege Apel, es ist geschehen! In den Jahren 1981 und 1982 lag die Investitionsrate in den von Ihrer Regierung verantworteten Haushalten noch bei 13,1 %. Wir haben sie 1983 auf 13,2% und 1984 auf 13,7 gesteigert. Das sind kleine Schritte, aber wir müssen mit kleinen, realistischen Schritten anfangen und in die richtige Richtung gehen.
Wir haben zugesagt, die Investitionen in der privaten Wirtschaft zu fördern. Das ist geschehen. In der Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie waren die Aufträge im September 1983 um 14,2% höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres.
In der Investitionsgüterindustrie — die Investitionsgüterindustrie kommt nach der Konsumgüterindustrie; Herr Apel, das können Sie in Ihrem eigenen Buch nachlesen, denn dazu haben Sie 1975 das Richtige geschrieben — ist im September ein Zuwachs von 6,2 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat zu verzeichnen gewesen.
Wir haben zugesagt, die Bauwirtschaft anzukurbeln. Jedermann weiß: Das ist geschehen.
— Herr Kollege Spöri, wenn wir den Anteil der öffentlichen Investitionen in dem von uns zu verantwortenden Haushalt steigern, tun wir eben auch etwas für den Tiefbau. Wir würden gern mehr tun! Wenn Sie uns nicht so entsetzliche Probleme und Schulden hinterlassen hätten, hätten wir schon mehr getan.
Wir tun das Menschenmögliche!
— Ich muß schon sagen, dafür, daß die sozialdemokratische Fraktion noch nicht einmal mit zehn Abgeordneten hier im Plenarsaal vertreten ist, verursacht sie doch eine erhebliche Belebung.
— Ja, das ist wahr! Aber, Herr Kollege, wenn es nach der Qualität geht, müssen Sie ganz still sein.
Herr Kollege Apel, Ihr verehrter Herr Fraktionsvorsitzender — vielleicht können Sie es ihm sagen
— hat es ja mit der Führungskraft gehabt. Ich finde, ein Fraktionsvorsitzender sollte seine Führungskraft auch ein klein wenig auf die eigene Fraktion richten und an ihr erproben. Wenn ich mir die Präsenz der SPD an diesen dreieinhalb Tagen anschaue, muß ich schon sagen, es sieht schlimm aus um die Sozialdemokratische Partei und ihre Bundestagsfraktion.
— Ja, j a, Sie hören es nicht gern. Neun sind Sie im Moment, neun sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete sind anwesend!
Man muß es hier einmal sagen!
— Ja, ja, Sie hören es nicht gern. Wenn Sie so schreien, sage ich es noch einmal.
— Herr Präsident, ich muß noch einmal ausdrücklich meinen Respekt bezeugen: Daß neun sozialdemokratische Abgeordnete einen solchen Lärm veranstalten können, ist angesichts Ihrer geringen Präsenz eine beachtliche akustische Leistung.
Sie wollen ja nicht gern, daß ich mit der Aufzählung dessen, was wir alles versprochen und gehalten haben, fortfahre, aber ich will es trotzdem tun.
Wir haben zugesagt — Sie haben das ja im Wahlkampf vor dem 6. März ungeheuer diffamiert —, den Wohnungsmarkt durch ein neues Mietrecht zu entspannen. Dies ist geschehen, und zwar ohne die von der Sozialdemokratischen Partei vorhergesagten Mietsprünge. Die Erhöhungen auf dem freien Wohnungsmarkt liegen im Jahre 1983 im Durchschnitt bei 5%; sie bewegen sich damit genau im Schnitt der zurückliegenden Jahre.
Wir haben zugesagt, private Existenzgründungen zu fördern. Auch dies ist geschehen. Bei der Lastenausgleichsbank gingen von Januar bis Oktober dieses Jahres zirka 17 000 Anträge auf ERP-Mittel und 10 000 Anträge auf Eigenkapitalhilfe ein. Die Zahl der gründungswilligen Antragsteller stieg gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 50%. Bis Oktober wurden 13 000 Anträge bewilligt; das ist ein absoluter Rekord in unserer Wirtschaftsgeschichte. Zum Vergleich: 1975 waren es 3 345 Neugründungen, 1970 1 770 Neugründungen. Damit wird ein Investitionsvolumen von zirka 3 Milliarden DM unterstützt. Dies schafft gesicherte, dauerhafte Arbeitsplätze in einer Größenordnung von mindestens 85 000. Das ist doch ein Erfolg.
Wir haben zugesagt, die Renten zu sichern. Das ist geschehen. Heute muß sich niemand um die Zukunft seiner Rente sorgen. Die Renten sind wieder sicher geworden, ohne — auch das muß man einmal sagen — daß die Rentner stärker als in den letzten fünf Jahren der SPD-Regierung belastet worden
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wären. Sie haben ja mit Ihrer Inflationspolitik dazu beigetragen, daß das Realeinkommen der Rentner im Schnitt der letzten fünf Jahre Ihrer Regierungszeit jährlich um 0,6 % gesunken ist. Das muß auch gesagt werden, wenn Sie unsere Politik zur Sicherung der Rentenfinanzen hier so diffamieren.
Wir haben zugesagt, den Umweltschutz nach Jahren der Untätigkeit endlich massiv zu fördern. Das ist geschehen. TA Luft, Großfeuerungsanlagen-Verordnung, Festlegung des Termins der Einführung bleifreien Benzins sind nur einige Stichworte. Eine Fülle von Maßnahmen auf Bundes- und europäischer Ebene zur Reinhaltung von Luft, Boden, Wasser und Grundwasser wurden eingeleitet und teilweise schon abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, wir haben den Aufschwung versprochen. Auch das ist geschehen. Das Bruttosozialprodukt steigt wieder: nach Rückgängen in den Jahren 1981 und 1982 1983 erstmals wieder um über 1 % und nach allen Schätzungen — Herr Apel, Sie haben dem wenigstens nicht widersprochen — 1984 um 2,5 bis 3 %.
Das ist bescheiden gegenüber den Zuwachsraten der 60er Jahre, aber es ist ein Sprung gegenüber dem Ergebnis Ihrer sozialdemokratischen Politik.
Meine Damen und Herren, die Bilanz ließe sich fortsetzen. Ich nenne nur einige Stichworte: Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Leistungsbilanzüberschuß. Im Jahre 1983 hatten wir ein Plus von 10 Milliarden DM, 1980 ein Minus von 28 Milliarden DM.
Ich nenne die Rückführung der Kurzarbeit, die Rückführung der Jugendarbeitslosigkeit. — Herr Apel, dazu gibt es auch so eine Prognose von Ihnen. In Ihrer ominösen Rede im Oktober letzten Jahres haben Sie vorhergesagt — ich habe das Zitat da; ich sage es zu Ihrer Warnung —, daß die Jugendarbeitslosigkeit steigen werde. Sie ist gesunken. Sie werden immer von der Wirklichkeit widerlegt.
Ich nenne als Stichwort für unsere Erfolge auch das Thema Privatisierung. Ich muß schon sagen: Mir ist völlig unverständlich, daß Sie wiederholt — es ist Ihnen nicht etwa nur einmal herausgerutscht; das kann jedem passieren — und offenbar bewußt Privatisierung mit dem Wort „verscherbeln" bezeichnet haben. Herr Apel, das ist eine Verantwortungslosigkeit, bei der es mir wirklich kalt den Rükken 'rauf- und 'runterläuft.
Ich könnte die Aufzählung noch eine halbe Stunde fortsetzen, aber die Punkte, die ich genannt habe — sie sind durch Zahlen und Fakten Punkt für Punkt und Komma für Komma belegt —, beweisen: Die Koalition der Mitte hat in den vergangenen 14 Monaten unter Beweis gestellt, daß sie hält, was sie verspricht. Das ist der entscheidende Unterschied zu Ihnen.
Sie haben doch Jahr für Jahr, immer wieder, erfahren müssen, wie Ihre Taten hinter Ihren Ankündigungen zurückgeblieben sind.
In den letzten Jahren Ihrer Regierung hatten Sie doch jede realistische Haushaltspolitik aufgegeben. Im Januar 1981 gingen Sie von einer Staatsverschuldung für das Jahr in Höhe von 27,4 Milliarden DM aus, im Frühsommer erhöhten Sie dann auf 33,8 Milliarden DM, am Ende waren es 37,4 Milliarden DM. Im Jahre 1982 begannen Sie bei 26,8 Milliarden DM, erhöhten auf 33,9 Milliarden DM, und schließlich wurden es 40 Milliarden DM. Sie hatten sich wohl so auf unsolide Haushalte eingestellt, Herr Apel, daß Sie im April 1983 dann meinten, es müsse wieder einen Nachtragshaushalt geben. Aber Sie hatten übersehen, daß inzwischen eine neue Regierung da war. Wir haben, im Gegensatz zu Ihrer Politik, nicht nur keinen Nachtragshaushalt gebracht, sondern die geplante Neuverschuldung sogar noch um 2 Milliarden DM zurückführen können. Dies zeigt doch, was ein solide Politik ist.
Herr Kollege Apel, Sie haben nun Ihren früheren Kanzler erwähnt und überlegt, was gewesen wäre, wenn er in Athen gewesen wäre. — Also, die Rolle von Herrn Schmidt in der Europäischen Gemeinschaft ist doch nun hinlänglich bekannt. Im übrigen, wenn Sie ihn so sehr vermissen: Warum, um Himmels willen, haben Sie ihn denn gestürzt? Denn es ist doch inzwischen erwiesen, daß es die sozialdemokratische Fraktion war, die den Kanzler Schmidt gestürzt hat.
— Wir haben es doch vor 14 Tagen hier erlebt. Das können Sie doch nun wirklich nicht bestreiten. Dabei gebe ich allerdings zu, daß Sie, Herr Apel, bei der Minderheit von etwas mehr als 10 % in Ihrer Fraktion waren. Dafür haben Sie einen gewissen Respekt verdient.
Aber da Sie so nostalgische Erinnerungen an Helmut Schmidt haben, will ich Ihnen noch einmal zitieren, was er am 22. Juni vergangenen Jahres vor der SPD-Fraktion deutlich gemacht hat. Er hat gesagt:
In diesen 12 Jahren sozialdemokratischer Regierungszeit ist die Zahl der Arbeitsplätze von 26,7 Millionen gefallen auf 25,4 um 1,3 Millionen, und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit von praktisch 0 auf 1,8 Millionen gestiegen.
Dies ist die Bilanz Ihrer sozialdemokratischen Regierungspolitik. Und deswegen haben Sie kein Recht, uns vorzuwerfen, wir würden nicht alles Menschenmögliche unternehmen, um die Arbeitslosigkeit zu überwinden, und jetzt ungeduldig zu werden, wo wir doch immer gesagt haben, es werde Jahre dauern, Jahre und Jahre, bis wir diese schwe-
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ren Schäden endgültig beseitigt und die Trümmer weggeräumt haben.
Sie haben in jedem Wahlkampf versprochen, die Arbeitsplätze sicher zu halten. Und von Wahl zu Wahl ist das Problem tragischer geworden. Ich weiß — und wir haben das in diesen Tagen deutlich gesagt —: Wir haben noch lange nicht alle Probleme gelöst. Wir sind, meine Damen und Herren, noch nicht über den Berg. Es bedarf noch eines langen Atems, eisernen Sparwillens und großer Durchsetzungskraft, um diesen Kurs erfolgreich durchzuziehen. Herr Finanzminister, Sie können sich darauf verlassen, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Sie bei diesem Kurs unterstützen wird und daß wir an diesem Kurs eisern festhalten werden.
Wir können, in aller Bescheidenheit und in dem Bewußtsein der schweren Probleme, die noch vor uns liegen, auch sagen:
Der vorgelegte Haushalt ist Ausdruck der konsequenten Konsolidierunspolitik dieser Regierung. Er verstärkt die Fundamente, auf denen die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes aufgebaut werden muß. Wir benötigen dieses Fundament dringend, um die Aufgaben, die sich uns in der Zukunft stellen, zu meistern. Die dringendste ist die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Wir brauchen eine wirtschaftliche Belebung. Wir wissen — das ist kein Widerspruch —, daß wir mit wirtschaftlichem Aufschwung allein die Arbeitslosigkeit in diesem Jahrzehnt nicht werden beseitigen können. Aber ohne wirtschaftlichen Aufschwung, Herr Apel, ist es ganz hoffnungslos. Ohne wirtschaftlichen Aufschwung geht überhaupt nichts. Und deswegen ist es schon ein Erfolg, daß wir Ihre Politik des wirtschaftlichen Rückschritts in eine Politik des wirtschaftlichen Aufschwungs verändert haben.
Und damit gewinnen wir die Voraussetzungen für die weiteren Maßnahmen.
Wir werden im Januar in diesem Hause den Gesetzentwurf lesen, der den Tarifpartnern die Möglichkeit eröffnet, eine Vorruhestandsregelung einzuführen.
Wir brauchen diese Maßnahmen zusätzlich, um die Arbeitslosigkeit Schritt für Schritt abzubauen. Wir müssen die Möglichkeiten, auch unter Einsatz modernster Technologie mehr Flexibilität für mehr Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen, stärker als bisher nutzen. Meine Damen und Herren, wir wissen aus Umfragen, daß über eine Million Beschäftigte an Stelle eines Vollzeitarbeitsplatzes gerne einen Teilzeitarbeitsplatz hätten. Lassen Sie uns alle unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, daß dies möglich wird. Wir müssen, um mehr Beschäftigung
zu erreichen, die zu hohe Belastung der Arbeit mit Lohnnebenkosten, mit Steuern und Abgaben senken.
Herr Kollege Apel, Sie haben hier einen ungeheuren Popanz aufgebaut. Es gibt überhaupt keinen Zweifel — niemand hat das klarer als der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion gesagt —, daß für uns die Priorität bei der Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs liegt. Bauen Sie doch hier keine Pappkameraden auf! Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Der Finanzminister hat gestern — er war ehrlich — ganz deutlich gesagt: Man kann nicht alles an einem Tag entscheiden. Man wird die Entscheidungen seriös vorberaten und vordiskutieren müssen. Wir lassen uns von Ihnen nicht unter einen Zeitdruck setzen, unter dem dann die Qualität der Entscheidungen leidet.
— Herr Spöri, seien Sie doch einmal ruhig! Sie sehen doch, wie erkältet ich bin. Nehmen Sie doch ein bißchen Rücksicht!
Wir werden uns von Ihnen nicht unter einen falschen Termindruck setzen lassen. Für uns hat die Richtigkeit der Entscheidung Vorrang. Der Finanzminister hat gestern in aller Deutlichkeit gesagt: Wir werden in der ersten Hälfte des Jahres 1984 über das Volumen und den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs entscheiden.