Herr Glos, ich weiß zwar nicht, was die Frage mit meiner Aussage zu tun hat, aber ich will Ihnen gern eine Antwort geben: Von 1974 bis 1978, in Jahren einer tiefen Rezession, habe ich niemals so viel Schulden gemacht wie Herr Dr. Stoltenberg in diesem Jahre.
Meine Damen und Herren, durch die Politik der Finanzminister Matthöfer und Lahnstein zum Abbau struktureller Haushaltsdefizite — das können Sie hier nicht bestreiten; das schreiben Sie in Ihren eigenen Berichten —, können im Bundeshaushalt 1984 20 Milliarden DM eingespart werden. Aber — das unterscheidet uns von Ihnen — die Konsolidierung der Staatsausgaben muß in die jeweilige konjunkturelle Lage eingepaßt sein.
Sie muß längerfristig angelegt sein.
Die von der Bundesregierung vorgesehene Haushaltskonsolidierung wird die konjunkturelle Entwicklung im nächsten Jahre bremsen. Dies sagen alle Sachverständigen; dies können Sie nicht bestreiten. Das ist im übrigen ein Grund, warum wir diese Politik ablehnen.
Entscheidender aber ist, daß Sie die Lasten ungleich verteilen,
daß Sie den elementarsten Gesetzen sozialer Gerechtigkeit zuwiderhandeln. Dies ist der entscheidende Grund für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, warum wir uns Ihrer Politik widersetzen müssen.
Im übrigen, Herr Dr. Stoltenberg — ich wende mich auch an die Finanzpolitiker der CDU/CSU —: Wenn Sie so stolz darauf sind und feiern, daß Sie die Nettokreditaufnahme für 1984 gegenüber dem Haushaltsentwurf, der vor einigen Monaten eingebracht wurde, absenken konnten, dann bleibt doch festzustellen, wie das zustande gekommen ist.
Sie haben sich weitere 2,5 Milliarden DM aus der Kasse der Deutschen Bundesbank geholt, und für 700 Millionen DM haben Sie einen Teil der VEBA verscherbelt. Also, ich bitte Sie, diese Art weiterer Haushaltskonsolidierung bietet doch keinen Anlaß zur Selbstzufriedenheit, im Gegenteil.
Schauen wir uns den vorliegenden Entwurf des Bundeshaushalts 1984 in einzelnen Positionen einmal genauer an: Sie beabsichtigen eine Nettokreditaufnahme von 33,6 Milliarden DM. Aber vergessen Sie bitte nicht: Sie liegt auch deshalb nicht höher, weil die Koalition die Hilfen für Kohle, für Stahl und für die Werften so begrenzt, daß zusätzliche Einbrüche in der Beschäftigung in diesen Branchen unvermeidlich sind.
Doch Sie verweigern ja nicht nur Hilfe zur Selbst-
hilfe, es fehlen Ihnen die wirtschaftspolitischen
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Dr. Apel
Konzepte, um die Rahmenbedingungen für die Zukunft,
vor allem in unserer Stahlindustrie, so zu verbessern, daß wir nicht von unfairem Subventionswettbewerb unserer Nachbarn erschlagen werden.
Mein Kollege Hajo Hoffmann und andere haben den Schrumpfplan der Bundesregierung für die Deutsche Bundesbahn bereits kritisch gewürdigt. Wir lehnen diese Art von negativer Sanierung ohne Perspektive ab.
Im übrigen, Herr Dr. Stoltenberg, sind wir uns da mit der bayerischen Landesregierung einig; denn Herr Dollinger hat einige Probleme bekommen, als er wegen dieses Plans nach Bayern zitiert wurde.
Vor allem kann aber — und das ist das Entscheidende — die Bundesregierung doch nicht den Vorstand der Deutschen Bundesbahn im Regen stehen lassen, ihm die schwierige Aufgabe der Konsolidierung der Bahn überlassen und gleichzeitig der Deutschen Bundesbahn mitteilen, über zusätzliche Finanzen, insbesondere für den Weiterbau der dringend erforderlichen Neubaustrecken, und über weitere finanzielle Hilfen für die Bahn werde erst im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt 1985 entschieden.
Man kann also auch dadurch die Nettokreditaufnahme des Jahres 1984 drücken, daß man Ansprüche an den Bundeshaushalt 1984 in künftige Jahre verschiebt.
Das ist nicht seriös, Herr Dr. Stoltenberg.
Wir Sozialdemokraten sagen Ihnen und den Verkehrspolitikern der Koalition: Die Bahn hat keine gute Zukunft, wenn an die Stelle rationaler Verkehrspolitik der finanzpolitische Verschiebebahnhof tritt.
Der Athener Gipfel liegt hinter uns. Ergebnisse hat es nicht gegeben. Erstaunt darüber sind wir nicht. Aber wie soll es nun weitergehen? Welche Konzepte hat die Bundesregierung zur Rettung der Europäischen Gemeinschaft? Werden wir nicht am Ende gezwungen sein, zu zahlen, auch deswegen, weil die Bundesregierung ihre Führungsaufgabe im Bereich der EG-Agrarpolitik nicht wahrnimmt?
Mich hat es schon einigermaßen erstaunt, was Sie, Herr Kiechle, gestern abend spät hier zur Agrarpolitik gesagt haben.
Der Bundeskanzler hat nach dem Athener Gipfel mit fröhlicher Offenheit zugegeben, daß ihm die Probleme auf dem Gipfel über den Kopf gewachsen seien.
„Le Monde" berichtet in der gestrigen Ausgabe, daß Kanzler Kohl in Athen keine gute Figur gemacht habe. Und „Le Monde" fügt hinzu, daß die Beobachter der Konferenz der Meinung seien, daß sich die Dinge anders entwickelt hätten, wenn Helmut Schmidt mit seiner Autorität und seiner Kompetenz unser Land vertreten hätte.
Aber sei es, wie es sei: Die Bundesregierung muß sich entscheiden. Sie wird entweder zum Zahlmeister, oder sie muß handeln und in Europa politische Führung übernehmen. Sonst türmt sich doch für Sie, Herr Dr. Stoltenberg, für 1984, spätestens für die folgenden Jahre, ein gewaltiges Haushaltsrisiko auf. Wir erwarten deshalb von der Bundesregierung, daß sie auch künftig eine Anhebung der Mehrwertsteuerzahlungen nach Brüssel so lange verweigert, bis Brüssel seine EG-Agrarpolitik grundlegend revidiert hat.
Herr Dr. Stoltenberg, Sie können auf unsere Unterstützung rechnen, wenn Sie fest bleiben. Sie wissen genauso gut wie ich, daß allein die Vorschläge der EG-Kommission, den EG-Mehrwertsteueranteil auf 1,4 Prozentpunkte zu erhöhen, den Bundeshaushalt jährlich um zusätzlich 4 Milliarden DM belasten würde.
Die Sachverständigen erwarten von der Bundesregierung, daß sie negativen Tendenzen für unsere Konjunkturentwicklung aus der überzogenen Haushaltskonsolidierung des Jahres 1984 durch überzeugende Perspektiven ihres wirtschafts- und finanzpolitischen Handelns überwindet. Die Sachverständigen sagen damit: Vertrauen auf die Zukunft soll wirtschaftliche Schwierigkeiten und ausfallende kaufkräftige Nachfrage im Jahre 1984 ausgleichen.
Wir fragen uns: Verfügt die Bundesregierung über
diese überzeugenden Perspektiven? Weiß sie, was
sie will? Ist es ihr klar, wohin die Reise gehen soll?
— Bei genauem Hinsehen, Herr Dr. Dregger, kommen wir zu der Überzeugung, daß nichts klar ist. Es
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Dr. Apel
ist nur eines klar, nämlich daß die kleinen Leute die Zeche der Anpassung bezahlen sollen.
Herr Dr. Dregger, wie soll denn die Finanzpolitik über 1984 hinaus entwickelt werden?
Welche Antworten gibt die Bundesregierung zur Steuerpolitik? Wie sollen die zunehmenden Schwierigkeiten bei den Gemeindefinanzen überwunden werden? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung beim Abbau der Subventionen, bei der Neustrukturierung der Staatsausgaben? Welchen Zielen soll die Privatisierung des Bundesvermögens dienen? Das sind Fragen, die über das Jahr 1984 hinaus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von zentraler Bedeutung sind. Antworten bleiben aus. Die Finanzpolitik dieser Regierung wird zu einem Verschiebebahnhof dringend gebotener Entscheidungen. Damit geht es dann auch um die Kompetenz und um die Kompetenzen des Bundesfinanzministers.
Lassen Sie mich die Fragen und Positionen im einzelnen betrachten. Ich beginne mit der Frage der Lohn- und Einkommensteuersenkung. Die Bundesregierung will den Bundeshaushalt konsolidieren. Die Nettokreditaufnahme im Jahre 1986 soll auf 27,6 Milliarden DM begrenzt werden. Wir fragen den Bundesminister der Finanzen, wie er sich zur Forderung des Präsidiums der FDP vom 24. November 1983 stellt, daß die Tarifreform für die Lohn-und Einkommensteuer bereits zum 1. Januar 1986 in Kraft treten soll. Herr Dr. Stoltenberg, Ihnen wird sicherlich nicht entgangen sein, daß der bayerische Finanzminister — auch im Namen der Staatsregierung und der CSU — diese Forderung der FDP ausdrücklich unterstützt hat. Die daraus für den Haushalt entstehende Problematik wird mit dem lapidaren Satz abgetan: Das Geld ist in den Händen der Bürger und der Wirtschaft besser aufgehoben als beim Staat. — Es wird hinzugefügt: Wenn die Nettokreditaufnahme etwas erhöht werden müsse, müsse man das hinnehmen. So die FDP und ihr Wirtschaftsminister. Jawohl, Herr Hoppe, dies ist die Begründung Ihres Parteipräsidiums gewesen. Man kann nicht dort so beschließen und die Dinge hier anschließend etwas verniedlichen und relativieren. So kann man Politik nicht machen, wenn man glaubwürdig bleiben will.
Herr Stoltenberg, Sie haben gestern eine klare Absage an diese Forderungen aus Bayern und von der FDP vermissen lassen. Das schwächt den Anspruch, der Haushaltskonsolidierung Vorrang zu geben. So sind wir doch weiterhin in der Gefahr, daß die mittelfristige Finanzplanung des Bundes durch den Koalitionspartner FDP und durch Querschüsse aus Bayern zur Makulatur wird. Wir fordern Sie auf, heute noch Klarheit zu schaffen: Wann wollen Sie die Lohn- und Einkommensteuer senken? Wieviel darf diese Operation kosten? 20 Milliarden DM Einnahmeausfall sind ja wohl das mindeste. Soll — diese Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Finanzierung — bei dieser Tarifreform die Nettokreditaufnahme von Bund, Ländern und Gemeinden auf neue Rekordhöhen emporschnellen? Wollen Sie, Herr Dr. Stoltenberg, etwa erneut die Mehrwertsteuer erhöhen? Sie haben das gestern in Ihren Bemerkungen vor dem Deutschen Bundestag zumindest nicht ausgeschlossen.
Wir halten allerdings folgendes fest. In dieser Woche, am 6. Dezember 1983, hat Ihr Staatssekretär Dr. Häfele, der allerdings für rasante steuerpolitische Wendemanöver bekannt ist, jede Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung der Lohn- und Einkommensteuersenkung ausgeschlossen. An dieser Aussage, Herr Dr. Stoltenberg, werden wir Sie festhalten, auch wenn wir mit Bedauern feststellen, daß andere so für Sie Daten setzen und Ihren eigenen Handlungsspielraum einschränken.
Wir Sozialdemokraten erkennen die Notwendigkeit, den Steuerzahlern entgegenzukommen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auch auf, endlich bei sich selbst Klarheit zu schaffen. Aber eines ist für uns unabdingbar: CDU/CSU und FDP haben durch massive Erhöhungen der Abgaben zur Sozialversicherung — allein dreimal in zwölf Monaten —
die kleinen und mittleren Einkommen über Gebühr belastet. Deshalb müssen diese bei einer Lohnsteuerreform steuerlich ganz besonders entlastet werden.
Die Bundesregierung, Herr Dr. Stoltenberg, muß auch Klarheit schaffen, ob sie die Unternehmensteuern noch weiter abbauen will. Ministerpräsident Albrecht — nicht irgendwer, der irgendwelche Papiere schreibt — hat doch über die von Ihnen bereits heute zu beschließende massive Absenkung der Gewerbesteuer und Vermögensteuer hinaus eine weitere Senkung der Unternehmensteuern um 20 % gefordert. Ich weiß, andere Politiker der Union widersprechen ihm. Sie sagen, die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer sei vorrangig. Aber ich frage mich dennoch: Was gilt? Denn Herr Dr. Dregger, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, hat am Ende der parlamentarischen Sommerpause, also vor kurzem, folgendes erklärt — ich zitiere wörtlich; Sie, Herr Dr. Dregger —:
Die Unternehmen müssen steuerlich entlastet werden, um ihre Investitionsfähigkeit und -bereitschaft zu erhöhen.
Aber nun kommt der entscheidende Satz:
Der mit Korrekturen bei der Gewerbe- und Vermögensteuer eingeschlagene Weg muß fortgesetzt werden.
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Dr. Apel
Das heißt, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU sagt hier eindeutig, daß dieser Weg fortgesetzt werden müsse.
— Herr Dr. Dregger, wenn Sie alle drei Tage etwas Neues sagen,
ist es mir nicht möglich, Ihren Kurskorrekturen zu folgen. Nur, das, was Sie zu Beginn der Sommerpause quasi als Marschbefehl für die nächste Zeit an alle Mitglieder Ihrer Fraktion gesandt haben, spricht eine klare Sprache.
Wenn Sie heute sagen, Sie seien zu besseren Einsichten gekommen, ist das ja in Ordnung.
Der Finanzminister — so habe ich ihn verstanden
— hat gestern im Deutschen Bundestag der Lohn-und Einkommensteuer Vorrang eingeräumt.
Herr Finanzminister, wir verstehen das so, daß Sie keine weiteren Senkungen der Unternehmensteuern in dieser Legislaturperiode vorhaben. Sie haben allerdings zu einem früheren Zeitpunkt in einem Interview diese Zusage nur für 1984 gegeben. Wir erwarten, Herr Dr. Stoltenberg, noch heute in dieser Debatte auch insoweit Klarheit und keine finanzpolitischen Orakel.
Im übrigen ist die Position der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eindeutig. Wir lehnen die von der Koalition vorgeschlagene Senkung der Vermögensteuer und die vielfältigen, nach dem Gießkannenprinzip beschlossenen Abschreibungserleichterungen ab.
Sie sind eben kein Beitrag zur Konjunkturstabilisierung. Sie sind ein Beitrag zur steuerlichen Ungleichgewichtung, die sich nur noch verstärkt. Dazu einige wenige Zahlen.
Die typischen Unternehmensteuern — Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Vermögensteuer — machten 1952 noch 26 % des Steueraufkommens aus. Heute sind es gerade noch 14 %. Die Lohnsteuer erbrachte 1952 11 %; heute bringt sie 33 %.
— Dieses ist unsere gemeinsame Politik. Ich stelle dies fest. Aber damit muß doch klar sein, daß dieser Weg nicht weiter beschritten werden kann.
Herr Kollege Eigen, wir kommen doch langsam in die merkwürdige Situation, daß der Ertrag der typischen Unternehmensteuern sich immer mehr der Summe nähert, die die Unternehmen als Steuersubventionen oder als direkte Subventionen vom Staat erhalten. Dies ist doch eine unmögliche Situation. Dieser Weg muß gestoppt werden.
Wir lehnen deshalb die Senkung der Unternehmensteuern ab. Diese Steuergeschenke veranlassen doch keinen Unternehmer zum Investieren, erst recht nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Die Bundesregierung macht hier nur eines: sie verschenkt Einnahmen der öffentlichen Hände, milde Gaben treten an die Stelle zielgerichteter Steuerpolitik.
Vor wenigen Tagen, am 24. November dieses Jahres, hat der Präsident des Deutschen Städtetags darauf aufmerksam gemacht, in welch großen Schwierigkeiten sich Städte und Gemeinden insbesondere in Nord- und Westdeutschland befinden. Wir können doch nicht daran vorbeisehen, daß die Investitionen der Gemeinden seit 1980 real um mehr als ein Drittel zurückgegangen sind. Da die Gemeinden etwa 70% aller öffentlichen Investitionen vornehmen, hat das verheerende Wirkungen für die Beschäftigung im Tiefbau und im Hochbau. Günther Herion, der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, spricht von einem bedrohlichen Auftragsmangel bei den Unternehmen, die von öffentlichen Auftraggebern abhängig sind. Er fügt hinzu: Beim Tiefbau wird die Situation inzwischen lebensbedrohend.
Deswegen brauchen die Gemeinden eine Verstärkung ihrer Finanzkraft. Sie haben einen Anspruch darauf, daß die Bundesregierung ihnen die Steuerausfälle erstattet, die durch die Steuersenkungen der Bundesregierung, insbesondere bei der Gewerbesteuer, aber indirekt auch bei der Vermögensteuer, entstehen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie treffen die Gemeinden ja von einer zweiten Seite. Durch die skandalöse Absenkung der sozialen Leistungen durch Ihre Beschlüsse explodieren die Ausgaben für die Sozialhilfe bei den Gemeinden.
Unwidersprochen hat der Deutsche Städtetag in der Anhörung des Haushaltsausschusses zum Steuerentlastungsgesetz 1984 darauf hingewiesen, daß die unmittelbaren Steuerverluste bei den Gemeinden — nur die unmittelbaren! — durch die törichte Steuersenkungspolitik dieser Koalition 1984 eine halbe Milliarde ausmachen werden, mit schnell steigender Tendenz in den nächsten Jahren.
Das muß doch riesige Löcher in die Gemeindefinanzen reißen, das muß doch den Aufschwung behindern, das muß doch zu einer weiteren Einschränkung sozialer Leistungen bei den Gemeinden führen!
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Dr. Apel
Herr Dr. Stoltenberg, ich fordere Sie auf, Ihr Versprechen zu halten und die von Ihnen bewirkten Steuerausfälle bei Ländern und Gemeinden voll auszugleichen.
Die Bundesregierung muß handeln. Herr Dr. Stoltenberg, wo ist denn das Konzept der Bundesregierung zur Sanierung der Gemeindefinanzen? Die SPD hat ihr Konzept vorgelegt. Wir wollen die Gewerbesteuer so reparieren, daß die Gemeinden so lange mit ihr leben können, bis ein neuer Ansatz für die Gemeindefinanzen gefunden ist. Wir wollen die Finanzausstattung der Gemeinden so verbessern, daß die öffentlichen Investitionen wieder flott werden. Wir wollen die vom Wissenschaftlichen Beirat des Finanzministers empfohlene und vom Sachverständigenrat geforderte Wertschöpfungsteuer durch eine Sonderkommission auf ihre Verwendbarkeit für die notwendige Gemeindefinanzreform prüfen lassen. Wann wird die Bundesregierung über ihre Vorstellungen sprechen'? Wie beurteilt der Bundesminister der Finanzen die Empfehlung seines eigenen Wissenschaftlichen Beirats, die Wert-schöpfungsteuer einzuführen'?
Wie steht der Bundesminister der Finanzen zur Empfehlung des Sachverständigenrates, die Wertchöpfungsteuer einzuführen? — Der Bundesfinanzminister schweigt. Er spielt die Schwierigkeiten und die kritische Lage der Gemeindefinanzen herunter. Er ersetzt Politik durch Lyrik. Herr Dr. Stoltenberg, mit einer konstruktiven, in die Zukunft weisenden Finanzpolitik hat dieses Verhalten aber auch überhaupt nichts zu tun.
Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zwangsanleihe wachsen von Woche zu Woche. Mit schöner Regelmäßigkeit ruft ein Finanzsenat nach dem anderen wegen dieses, wie es Heinz Heck in der „Welt" schreibt, „Bonner Wendebalgs"
das Verfassungsgericht an.
Herr Dr. Stoltenberg, Beratungen der Koalition haben doch bewiesen, daß es möglich sein müßte, an die Stelle der Zwangsanleihe eine Ergänzungsabgabe zu setzen. Nur so können Sie diesen Steuerbastard endgültig aus der Welt schaffen. Rund 500 Millionen DM bringt diese Zwangsanleihe im Jahre 1983. Das ist doch kein Betrag, Herr Dr. Stoltenberg, der Sie besonders zufrieden machen kann. Sie laufen aber ein politisches Risiko. Warum widersetzen Sie sich einer Ergänzungsabgabe an Stelle einer Zwangsanleihe? Wollen Sie, Herr Dr. Stoltenberg, Ihre finanzpolitische Seriosität für einen Koalitionskompromiß aufs Spiel setzen, der doch nur folgendes bewirkt: Er strapaziert Ihre Finanzbeamten über Gebühr. Er ist ein Beitrag zu weiterer Bürokratisierung.
Er zeigt die ganze Ungerechtigkeit christdemokratisch-liberaler Steuerpolitik mit aller Deutlichkeit.
— Ich hätte das nicht verstanden, sagen Sie. Da kann ich Ihnen nur eines sagen: Die gutverdienenden Arbeitnehmer zahlen diese Zwangsanleihe, und die Selbständigen und die Unternehmen können sich mit Leichtigkeit, z. B. dadurch, daß sie sich einen Audi 80 auf Firmenkosten kaufen, von dieser Zwangsanleihe befreien. Dies nennen Sie steuerliche Gerechtigkeit! Dies wirft ein Schlaglicht auf Ihre Politik.
Herr Dr. Stoltenberg, warum folgen Sie denn nicht den Sachargumenten? Warum wollen Sie statt dessen eine Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, das Ihnen finanzpolitische Unseriosität und Ungerechtigkeit in der Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen bescheinigen wird? Herr Dr. Stoltenberg, Rechthaberei oder Angst vor politischen Mitspielern in der Koalition kann doch nicht an die Stelle besserer steuerpolitischer Einsicht treten.
Wir Sozialdemokraten waren von Anbeginn an für eine Ergänzungsabgabe, die für eine begrenzte Zahl von Jahren erhoben wird, die ein echtes Opfer der Besserverdienenden darstellt und die insbesondere — das ist doch wichtig — die Möglichkeiten zur Finanzierung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bereitstellt.
Herr Dr. Stoltenberg, wir stehen auch heute noch zu dieser Position. Wir bieten Ihnen unsere Unterstützung an, falls Sie Ihre verfehlte Politik korrigieren wollen, ehe Sie das Verfassungsgericht dazu zwingt.
Nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Subventionsbericht war klar, daß die Koalition einmal mehr ein in ihrer Oppositionszeit gegebenes Versprechen eines massiven Subventionsabbaus aufgeben würde. Sie drehen den Spieß jetzt einfach um.
Herr Dr. Dregger macht das ganz deutlich. Herr Dr. Dregger am 9. November 1983:
Wer künftig Kritik an Subventionen üben will, muß schon genau sagen, welche Subventionen er meint.
Das gilt auch für Wirtschaftsverbände, die wirtschaftswissenschaftliche Institute und andere Institutionen.
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Dr. Apel
Das ist doch unglaublich: So einfach ist das!
So nehmen Sie Ihre finanzpolitische Führungsaufgabe wahr! So gehen Sie mit eigenen Versprechungen um, die Sie noch vor 15 Monaten gegeben haben!
Sie werden uns mit dieser Ihrer Haltung nicht beeindrucken. Wir werden auch weiterhin nachdrücklich fordern, die vielen ungerechtfertigten Steuersubventionen abzubauen.
— Da sind Sie genau bei dem Thema. Sind Sie Regierung, oder sind Sie nicht Regierung, Herr Carstens? Sie müssen jetzt zu Ihren eigenen Versprechungen stehen. Sie müssen handeln. Dazu sind Sie gewählt und aufgefordert worden.
Meine Damen und Herren, es kommt noch sehr viel besser.
In dem Bericht der CDU/CSU-Fraktion zu den Subventionen vom 9. November 1983, in dem Sie sich gegen den Abbau von Steuervergünstigungen aussprechen, verwenden Sie dazu folgendes Argument: Man dürfe Steuervergünstigungen nicht abbauen, weil dann auch die gesamtwirtschaftliche Steuerbelastung steige. Das ist eine sonderbare Argumentation, die allerdings bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Mitte des Jahres 1983 zu Lasten aller Verbraucher anscheinend keine Rolle gespielt hat.
Aber nun wird es ernst, Herr Friedmann. Ich lese in demselben Papier, daß die CDU/CSU den Steuersubventionen an den Kragen will.
In diesem Papier steht, durch den Abbau der Steuersubventionen solle „ein bedeutender Finanzbeitrag" für die versprochene Lohn- und Einkommensteuerreform erbracht werden. Diesem Versprechen und seiner Einlösung sehen wir mit großem Interesse entgegen.
Nur, Herr Dr. Friedmann, damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein bedeutender Finanzierungsbeitrag zu einer Lohn- und Einkommensteuerreform, die 20 Milliarden DM kosten soll, heißt ja
wohl, daß Sie Steuersubventionen in vielfacher Milliardenhöhe abbauen wollen.
Das wollen wir dann sehen. — Wenn Sie dazu nikken, freue ich mich schon darauf und sehe Ihrer Tapferkeit mit Glückseligkeit entgegen. Dies wird spaßig werden.
Herr Dr. Stoltenberg, Sie haben gestern ähnlich argumentiert. Sie haben gesagt, auch Sie wollten die Steuersubventionen abbauen, um damit die Tarifreform bei Lohn- und Einkommensteuer mitfinanzieren zu können. Herr Dr. Stoltenberg, Sie werden nicht viel Zeit haben zu handeln. Schon im nächsten Jahr wollen Sie uns ja sagen, wie es mit Ihren Vorstellungen zur Tarifreform aussieht. Da sagen wir Sozialdemokraten Ihnen ganz kühl: Wir verlangen von Ihnen nicht nur präzise Vorstellungen, wie die Lohn- und Einkommensteuerreform aussehen soll; wir verlangen von Ihnen auch, daß Sie sagen, wann sie in Kraft treten wird. Aber vor allem verlangen wir von Ihnen, daß sie uns im nächsten Jahr sagen, wie Sie diese Lohn- und Einkommensteuerreform finanzieren wollen.
Die Bundesregierung will einen Teil des Bundesvermögens privatisieren.
Der Bundesfinanzminister verwendet den Erlös von 700 Millionen DM der Teilprivatisierung der VEBA zur Haushaltskonsolidierung.
Die Ideologie zu diesem Schritt kommt von dem Staatssekretär Tietmeyer im Bundesfinanzministerium. Herr Tietmeyer begründet die Teilprivatisierung der VEBA mit dem vom Herrn Bundeskanzler Kohl in seiner Regierungserklärung angekündigten Programm zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft. Nun hätten wir bei Gelegenheit dieses Programm gern einmal gesehen. Vielleicht könnten Sie, Herr Bundeskanzler, im Vorgriff auf dieses Programm zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft Ihrem Landwirtschaftsminister in den Arm fallen. Er ist doch dabei, die letzten marktwirtschaftlichen Elemente aus der EG-Agrarpolitik her-auszuboxen. Er will, so habe ich das gestern verstanden, den Milchmarkt mit einem System einzelbetrieblicher Kontingentierungen überziehen.
Und das sage ich Ihnen: Das ist eine Horrorperspektive für jeden, der es mit Europa gut meint, eine Horrorperspektive für jeden, der Entbürokratisierung betreiben will.
Der Landwirtschaftsminister sollte sich im übrigen
kritisch auseinandersetzen mit dem gerade in die-
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Dr. Apel
sen Tagen erschienenen Gutachten seines eigenen wirtschaftlichen Beirats, des Beirats des Landwirtschaftsministeriums, der mit Nachdruck und aller Entschiedenheit diese Art von Kontingentierung der EG-Agrarpolitik ablehnt. Das wird dann alles noch viel teurer und noch viel komplizierter. Ich warne Sie vor diesem Schritt.
Aber um auf die VEBA zurückzukommen. Mit der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft hat das doch beileibe nichts zu tun. Das einzige, womit es etwas zu tun hat, ist dies: Mit dieser Privatisierung berühren Sie negativ nationale deutsche Interessen.
Vor einem Jahrzehnt war es unser Ziel, einen deutschen Mineralölkonzern zur Sicherung unserer Rohölversorgung zu schaffen, um auch den deutschen Markt, der ansonsten doch von internationalen Mineralölkonzernen beherrscht wird, etwas freier zu machen. Graf Lambsdorff hat am 10. Januar 1974, also vor fast zehn Jahren, dazu im Tagesdienst der FDP gesagt — ich zitiere —:
Nur durch die Zusammenfassung der zersplitterten nationalen Mineralölinteressen kann unsere Nachfragepotenz und damit unsere Marktstellung im internationalen Geschäft gestärkt werden.
Uwe Jens hat damals für unsere Fraktion hinzugefügt:
Es ist unbedingt notwendig, daß der Bund an dem deutschen Mineralölunternehmen mit mindestens 50% beteiligt ist.
Ich gebe zu: Wir haben dieses Ziel nicht ganz erreicht. Aber wir alle wissen doch, welche segensreiche Wirkung die VEBA in der schwierigen Zeit der Mineralölknappheit für unser Land gespielt hat.
Nun wird die VEBA teilprivatisiert.
Herr Dr. Stoltenberg, welches Ziel verfolgen Sie dabei? Wollen Sie die energiepolitische Zielsetzung aufgeben, die uns vor einem Jahrzehnt zu diesem Schritt unter Einsatz beträchtlicher Bundesmittel gebracht hat? Wollen Sie auch künftig Bundesunternehmen zur Haushaltskonsolidierung verscherbeln?
Oder haben Sie ein Konzept, ein Konzept, das weiter trägt als die ideologischen Floskeln, die uns Ihr Staatssekretär angedient hat?
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, dem Bundestag ihr Konzept für die Zukunft der Bundesunternehmen vorzulegen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstreicht: Öffentliche Unternehmungen müssen in unserer Wirtschaftsordnung auch künftig ihre wichtige Rolle spielen können.
Ich fasse zusammen. Dieser Haushalt gibt auf die drängenden Fragen unserer Zeit keine Antwort.
Die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik überlassen die drängenden Strukturprobleme in den Krisenbranchen sich selbst. Wir alle werden das teuer bezahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dieser Bundeshaushalt setzt die unsoziale Umverteilungspolitik der Koalition fort.
Steuersenkungen werden einseitig und wirtschaftlich sinnlos dem Unternehmensbereich gewährt und von den Konsumenten über die Erhöhung der Mehrwertsteuer finanziert.
Länder und Gemeinden leiden unter diesen Steuergeschenken des Bundes. Weil der Bund die bei ihnen anfallenden Steuerausfälle nur unzureichend ausgleicht, streichen die Gemeinden ihre kommunalen Investitionen rigoros zusammen. Tiefbau und Hochbau tragen Konsequenzen. Das trifft damit auch die weitere Entwicklung unserer Konjunktur.
Herr Dr. Stoltenberg, unsere Schlußfolgerung: Viel Stückwerk, wenig Perspektive. Dieser Haushalt ist kein Beitrag zur Überwindung der strukturellen Probleme unseres Landes. Er ist kein Beitrag, um unserem Land eine bessere wirtschaftliche Perspektive zu eröffnen.
Aber, Herr Dr. Stoltenberg, wohin will die Finanzpolitik des Bundes überhaupt steuern?
Auf die drängenden Fragen gibt es keine Antwort. Wo sind die Stetigkeit und die Verläßlichkeit, von der Sie gestern gesprochen haben?
Diese Finanzpolitik ist ohne Profil. Sie laviert von einem Problem zum anderen. Die Koalition spricht mit vielen Zungen; klare Ziele und Handlungsanweisungen fehlen.
Wie soll eigentlich Vertrauen in die Wirtschafts-und Finanzpolitik entstehen, wenn der Bundesfinanzminister keine Führung übernimmt und in der Koalition jeder etwas anderes verspricht und ankündigt?
Auch deshalb werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen können. Er ist im übrigen ein Spiegelbild des Zustandes, in dem sich diese Koalition befindet.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Mehrheit, hat auf die drängenden Fragen der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, ihre Antwort gegeben.
Wir haben unsere Antwort auf die Frage der Schwierigkeiten bei den Gemeindefinanzen gegeben.
Unsere Vorstellungen zur Steuerpolitik sind deutlich und praktikabel.
Wir geben schlüssige Antworten zur Haushaltspolitik des Bundes. Unsere Anträge, die wir in der zweiten Lesung gestellt haben, waren und sind solide finanziert.
Wir nehmen unsere Aufgabe als Oppositionspartei ernst.
Meine Damen und Herren, es ist Ihr gutes Recht, unsere Alternativen abzulehnen und zurückzuweisen.
Die Pflicht ist es dann aber auch, eigene Vorschläge zu machen und insbesondere zu handeln.
Darauf haben auch unsere Handelspartner weltweit einen Anspruch.
Denn die wirtschaftliche Entwicklung weltweit wird auch von der Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland mitbestimmt. Vor allem aber warten unsere Bürger darauf, von Ihnen zu erfahren, wohin die Reise gehen soll, wie Sie die drängenden Probleme unseres Landes anpacken und lösen wollen.
Mit dem Bundeshaushalt 1984 und der mittelfristigen Finanzplanung geben Sie diese Antwort nicht. Deswegen wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den Entwurf des Bundeshaushaltes 1984 in dritter Lesung ablehnen.
Schönen Dank.